S 17 R 2969/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 2969/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtslage vor der Einführung des § 55 Abs. 3a SGB XI oder auf Bestandsschutz („einmal Eltern, immer Eltern“) berufen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Beiträgen zur gesetzlichen Pflegeversicherung streitig.

Mit Rentenbescheid vom 20.03.2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.06.2012 befristet bis zum 30.04.2014. Nach dem Bescheid beträgt die monatliche Rente XXX EUR abzüglich eines Beitragsanteils des Rentners zur Krankenversicherung in Höhe von XXX EUR sowie eines Beitrags des Rentners zur Pflegeversicherung in Höhe von XXX EUR. Der Berechnung des Beitragsanteils zur Pflegeversicherung liegt ein normaler Beitragssatz zugrunde.

Mit Schreiben vom 08.04.2013 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch. Die Erhebung des Beitragszuschlags für Kinderlose sei rechtswidrig. Zwar habe sie selbst keine leiblichen Kinder, seit ihrer Heirat im Jahr 1982 sei sie jedoch Stiefmutter eines Sohnes. Aufgrund dessen habe sie nach der Einführung des Beitragszuschlags für Kinderlose im Jahr 2005 keinen Beitragszuschlag geleistet. Zwar habe der Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine Befreiung von Stiefeltern zum 01.07.2008 verschärft. Allerdings bewirke der beim Arbeitgeber Anfang 2005 hinterlegte Nachweis der Stiefelterneigenschaft auch über den 30.06.2008 hinaus eine Befreiung. Entsprechend seien auch bis zur Aufgabe der Beschäftigung die Lohnzahlungen nur mit dem geringeren Betrag belegt, was die Beklagte bei der abschließenden Betriebsprüfung nicht beanstandet habe. Wer einmal vom Beitragszuschlag für Kinderlose befreit gewesen sei, könne auch bei Änderung der Verhältnisse diesen Status nicht wieder verlieren. Es gelte der Grundsatz "einmal Eltern, immer Eltern".

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Vorschrift des § 55 Abs. 3 SGB XI i.V.m. § 55 Abs. 3a Nr. 2 SGB XI sei zutreffend angewendet.

Mit der hiergegen am 22.08.2013 erhobenen Klage beim Sozialgericht Karlsruhe verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend zu ihren Ausführungen im Widerspruchsverfahren trägt sie vor, zum 16.01.2009 habe sie den Stiefsohn adoptiert. Zwar sei die Volladoption erst nach Überschreitung der Altersgrenzen des § 25 Abs. 2 Nr. 1 - 3 SGB XI erfolgt. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, ihr den - im Hinblick auf die Pflegeversicherung - ab 01.01.2005 zu Recht zuerkannten Status "Elternteil", welcher durch die nachfolgende Volladoption noch bestätigt werde, lediglich aufgrund des mit dem Rentenantrag verbundenen Zahlstellenwechsels wieder zu entziehen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.08.2013 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr Rente ab dem 01.06.2012 unter Berücksichtigung des verminderten Beitrags zur Pflegeversicherung zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung des Abweisungsantrags verweist sie auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids.

Das Gericht hat den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache eine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Das Gericht hat die Beteiligten hierzu angehört.

2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2013 ist formell und materiell rechtmäßig. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte den Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung um den Beitragszuschlag für Kinderlose erhöht hat.

a. Nach dem zum 01.01.2005 eingeführten § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI erhöht sich der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung nach Abs. 1 Satz 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Satz 1 gilt jedoch nicht für Eltern i.S. des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 des Ersten Buches. Eltern sind nach § 56 Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I auch die Stiefeltern und die Pflegeeltern. Nach dem zum 01.07.2008 eingeführten § 55 Abs. 3a SGB XI gehören nicht zu den Eltern i.S. des Abs. 3 Satz 2, (1.) Adoptiveltern, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Adoption bereits die in § 25 Abs. 2 SGB XI vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat, (2.) Stiefeltern, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Elternteil des Kindes bereits die in § 25 Abs. 2 SGB XI vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat oder wenn das Kind vor Erreichen dieser Altersgrenze nicht in den gemeinsamen Haushalt mit dem Mitglied aufgenommen worden ist.

Nach diesem Maßstab erhöht sich der Beitragssatz der Klägerin um einen Beitragszuschlag für Kinderlose.

b. Zwar ist die Klägerin aufgrund ihrer Heirat seit dem Jahr 1982 Stiefmutter des 1971 geborenen Sohnes ihres Ehemanns und erfüllte allein dadurch nach der Einführung des Beitragszuschlags für Kinderlose zum 01.01.2005 die Voraussetzungen für eine Befreiung von dem Beitragszuschlags (§ 55 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB XI i.V.m. § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I).

Durch die Einführung des § 55 Abs. 3a Nr. 2 SGB XI mit Wirkung zum 01.07.2008 verschärfte der Gesetzgeber die Voraussetzungen für eine Befreiung von dem Beitragszuschlag für Stiefeltern. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 3a Nr. 2 SGB XI erfüllt die Klägerin nicht. Die Klägerin hat den Stiefsohn vor Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze nicht in dem gemeinsamen Haushalt mit dem Kindsvater aufgenommen. Nach Auskunft der Klägerin lag in jener Zeit eine durchgehende Meldung bei der leiblichen Mutter vor.

Auch die mit Beschluss des Amtsgerichts Bruchsal vom 16.01.2009 durchgeführte Adoption des Stiefsohnes ändert nichts an dem Ergebnis. Die Adoption erfolgte erst nach Überschreitung der Altersgrenzen des § 25 Abs. 2 SGB XI (vgl. § § 55 Abs. 3a Nr. 1 SGB XI).

Folglich erhöht sich der Beitrag zur Pflegeversicherung nach der aktuell gültigen Rechtslage um einen Beitragszuschlag für Kinderlose.

c. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtslage vor der Einführung des § 55 Abs. 3a SGB XI oder auf Bestandsschutz ("einmal Eltern, immer Eltern") berufen. Soweit die Klägerin auch nach der Einführung des § 55 Abs. 3a SGB XI zum 01.07.2008 - entgegen der oben aufgezeigten Rechtslage - während ihres Berufslebens keinen Beitragszuschlag für Kinderlose geleistet hat, ist dies für den streitgegenständlichen Rentenbescheid nicht von Bedeutung.

Mit Gewährung der Erwerbsminderungsrente ist die Beklagte als Einzugsstelle für den Beitrag zur Pflegeversicherung zuständig geworden und hat in eigener Zuständigkeit nach der aktuellen Rechtslage zu entscheiden, ob der Kinderlosenzuschlag zu erheben ist. Wie oben aufgezeigt, ist nach der aktuellen Rechtslage des § 55 Abs. 3a SGB XI eine Zuschlagsbefreiung nicht gegeben. Der von der Klägerin geltend gemachte Bestandsschutz kann nicht für die hier relevante Gesetzesänderung durch das Pflegeweiterentwicklungsgesetz vom 28.05.2008 gelten. Eine Übergangsvorschrift ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Gesetzgeber schon bei Einführung des Kinderlosenzuschlags im Jahr 2015 die häusliche Gemeinschaft für die Befreiung von Stiefeltern vorausgesetzt hat (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 16/8525, Nr. 34, S. 99). Dies bestätigen auch die Beispiele in der Kommentierung im Beck-Online-Kommentar zu § 55 SGB XI (vgl. Rn. 16), die nur auf eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen (z.B. Kind stirbt, wird adoptiert, wird volljährig usw.) abstellt. Bei einer rechtlichen Änderung kann sich die Klägerin hingegen gerade nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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