L 13 R 3221/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2412/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3221/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten sowohl die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung als auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer stationären medizinischen Rehabilitation.

Die 1964 geborene Klägerin war zuletzt im Juli 2005 als ungelernte Arbeiterin bei einer Buchbinderei versicherungspflichtig beschäftigt. (siehe Versicherungsverlauf vom 10. August 2007 bzw. vom 16. Februar 2015). Sie war stets als ungelernte Arbeiterin tätig (siehe Anlage zum Rentenantrag vom 10. Juli 2007).

Am 10. Juli 2007 beantragte die Klägerin erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Auf Veranlassung der Beklagten ist die Klägerin durch die Internistin Dr. M. begutachtet worden. Im Gutachten vom 8. August 2007 gelangte sie zu der Auffassung, dass die Klägerin nur noch für überwiegend leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne häufige Überkopfarbeiten und ohne vermehrten Zeitdruck mindestens sechs Stunden täglich und mehr einsetzbar sei. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid vom 10. August 2007 ab. Im maßgeblichen Zeitraum seien nur zwei Jahre und sieben Kalendermonate mit Beiträgen belegt, weshalb die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Nach den getroffenen Feststellungen bestünde auch weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung. Am 17. September 2007 beantragte die Klägerin die Überprüfung dieses Bescheides. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Dr. M. vom 20. November 2007 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 10. August 2007 durch Bescheid vom 21. November 2007 ab. Den hiergegen am 20. Dezember 2007 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2008 zurück.

Am 15. Januar 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Februar 2009 ab. Eine ambulante Krankenbehandlung sei ausreichend, eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor. Es bestehe auch kein Bedarf nach dem SGB IX. Die Klägerin erhob am 19. Februar 2009 hiergegen Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2009 zurückwies. Auch nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung komme eine Leistung zur stationären Rehabilitation nicht in Betracht, da eine ambulante Krankenbehandlung ausreichend sei.

Am 7. Juli 2008 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (S 12 R 2412/08) und am 22. Mai 2009 wegen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (S 12 R 1650/09). Das SG hat mit Beschluss vom 1. Juli 2009 beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Beklagte hat vorgetragen, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung lägen nur bei einem Eintritt der Erwerbsminderung vor dem 1. März 2007 vor.

Das SG hat von den Internisten W. und Sch. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 19. Oktober 2008 eingeholt. Aufgrund der erheblich chronifizierten psychosomatischen bzw. psychiatrischen Erkrankung gehe man davon aus, dass die Klägerin bis zu einer genügenden psychiatrischen Behandlung nicht in der Lage sein werde, eine leichte Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Unter dem 17. Dezember 2008 hat der behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie St. über drei Behandlungen berichtet. Zum Zeitpunkt der letzten Untersuchung (22. Oktober 2008) sei die Arbeitsfähigkeit nicht gegeben gewesen. Nach einer weiteren psychotherapeutischen Behandlung z.B. im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation mit muttersprachlichen Therapeuten sei eine verbesserte Arbeitsfähigkeit zu erwarten.

Auf Antrag nach § 109 SGG hat das SG noch vom Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ö. das Gutachten vom 1. September 2009 eingeholt. Dr. Ö. hat die Diagnosen einer depressiven Störung ohne psychotische Symptome sowie eine Lumboischialgie und ein Impingementsyndrom am linken Schultergelenk gestellt. Es ergäbe sich eine Belastbarkeit unter drei Stunden. Das i-Tüpfelchen sei die Dekompensation während der Pilgerfahrt nach Mekka Ende des Jahres 2006 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei auch eine medikamentöse antidepressive Therapie zunächst in der Türkei, dann hier fortführend, begonnen worden. Der Verlust der Mutter aus dem Jahre 1994 dürfe zu einem massiven Angstgefühl geführt haben, da die Klägerin nun vollkommen alleine gewesen sei. Interessanterweise falle zeitgleich die massive Gefährdung im Rahmen der Geburt des vierten Kindes ins gleiche Jahr. Die depressive Entwicklung habe sich insbesondere in den Jahren 2005 bis 2007 im Rahmen der frustrierenden Therapieversuche ausgebildet. Auf Antrag der Klägerin hat das SG Dr. Ö. noch ergänzend befragt. In den ergänzenden gutachtlichen Stellungnahmen vom 23. Dezember 2009 und 16. März 2010 ist er bei seiner Auffassung verblieben. Das SG hat dann noch vom behandelnden Orthopäden Dr. H. eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 29. Oktober 2010 eingeholt. Es bestehe eine massive Gefährdung der Erwerbsfähigkeit. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit könne sicherlich mit rehabilitativen stationären Leistungen therapiert werden. Schließlich hat das SG nochmals von den behandelnden Internisten Dr. W. und Dr. Sch. eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 1. April 2011 eingeholt. Es bestehe eine ganz erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit. Es erscheine sehr unwahrscheinlich, dass durch Leistung zur Rehabilitation die geminderte Leistungsfähigkeit nochmals verbessert werden könne. Die Klägerin hat noch einen Entlassungsbericht der Rehaklinik W.-Z. Kliniken in B. W. vom 5. April 2011 vorgelegt. Aufgrund einer stationären Anschlussbehandlung vom 15. März bis 5. April 2011 sind die behandelnden Ärzte zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin eine Linderung durch die Operation an der LWS (siehe hierzu Bericht des Klinikums am St. in R. vom 22. Februar 2011, Bl. 230 ff. der SG-Akten) nicht erfahren habe.

Das SG hat im Anschluss das nervenärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. St. vom 9. September 2011 eingeholt. Dr. St. hat eine Agoraphobie mit Panikstörung sowie eine undifferenzierte Somatisierungsstörung, des Weiteren eine depressive Störung, gegenwärtig remittiert, festgestellt. Außerdem hat er auf einen operierten Bandscheibenvorfall ohne neurologische Schäden hingewiesen. Die Klägerin sei bei Fortführung der ambulanten Behandlung noch in der Lage, sechs Stunden täglich einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Es bestehe keine Gefährdung, sondern eine Minderung der qualitativen Leistungsfähigkeit.

Das SG hat anschließend noch von Dr. A. von der Psychiatrischen Institutsambulanz für fremdsprachige Mitbürger R. des ZfP S. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 29. November 2011 eingeholt. Der Facharzt für Psychiatrie und Suchtmedizin hat ausgeführt, dass er die Klägerin seit dem 2. März 2007 behandle. Die Klägerin sei zum aktuellen Zeitpunkt nicht in der Lage, für die Dauer von mehr als vier Stunden täglich konzentriert und zielgerichtet eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Die aktuelle Belastbarkeit werde mit weniger als drei Stunden täglich eingeschätzt. Es werde eine weitere konsequente psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung vorgeschlagen. Eine bereits eingetretene geminderte Erwerbsfähigkeit könne durch Rehamaßnahmen nicht wesentlich gebessert werden.

Schließlich hat das SG noch das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten des Arztes für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Sch. vom 24. April 2012 eingeholt. Er hat rezidivierende Reizzustände der Halswirbelsäule, rezidivierende Cervicobrachialgien bei Zustand nach Versteifung C6/C7 bei Degeneration in diesem Segment, bandscheibenbedingte Erkrankung der unteren Lendenwirbelsäule (L4/5) mit rezidivierenden Reizzuständen der Weichteile und Ausstrahlung in das rechte Bein, schmerzhafte Funktionsstörung der linken Schulter, rezidivierende abdominelle Adhäsionen und Laktoseintoleranz diagnostiziert. Allein unter Berücksichtigung des unfallchirurgisch-orthopädischen Fachgebiets sei die Klägerin in der Lage, eine Tätigkeit von sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor. Die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 25. Mai 2012 hat Dr. Sch. mitgeteilt, dass die Ausführungen des Dr. Ö. und des Zentrums für Psychiatrie als richtig unterstellt zu einer quantitativen Beeinträchtigung des beruflichen Leistungsvermögens führen würden.

Mit Urteil vom 16. Juli 2012 hat das SG die Klagen abgewiesen. Die Klägerin habe den Eintritt einer Erwerbsminderung vor dem 1. März 2007 nicht nachgewiesen. Hierbei hat es sich auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. St. sowie des Dr. Sch. berufen. Einen Anspruch auf eine Rehabilitation habe die Klägerin nicht. Eine solche sei nicht erforderlich. Zudem habe die Klägerin bei Dr. Ö. angegeben, dass sie eine solche ablehne (Bl. 122 der SG-Akten). Aus diesen Gründen sei auch eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V nicht erforderlich, ambulante Krankenbehandlung sei ausreichend.

Gegen das der Klägerin am 20. Juli 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Juli 2012 Berufung eingelegt.

Die Klägerin hat ein Attest des Dr. W. vom 11. August 2012 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Juli 2012 aufzuheben, die Beklagte unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 21. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2008 zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 10. August 2007 aufgrund des Antrages vom 11. Juli 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, hilfsweise teilweise Erwerbsminderung ab 1. Juli 2007 zu gewähren, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 2. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2009 zu verurteilen, ihr ein Heilverfahren in einer Klinik mit türkischsprachigen Ärzten, die sowohl orthopädisch als auch psychosomatisch behandeln, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie hat beratungsärztliche Stellungnahmen des Obermedizinalrates F. vom 5. September 2012, 15. Februar 2013 und 23. Januar 2014 vorgelegt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Dr. Ö. vom 1. Februar 2013 nach § 109 SGG. Aufgrund einer Untersuchung am 1. Februar 2013 ist Dr. Ö. zu der Auffassung gelangt, dass in der Gesamtschau weiterhin eine schwere depressive Episode vorliege, weshalb er an seiner Leistungsbeurteilung unverändert festhalte. Welche Kriterien er hinzuziehe, um auf seine Ergebnisse zu gelangen, könne er unter Wahrung eines Berufsgeheimnisses nicht gänzlich darlegen. Eine Voraussetzung sei jedoch die gründliche Anamneseerhebung und Untersuchung, die er z.B. im Gutachten von Dr. St. vermisse. Ein Heilverfahren sei aufgrund der chronifizierten Befunde nicht erfolgsversprechend.

Der Senat hat schließlich noch von Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse K. C. M. das Gutachten vom 23. Juni 2013 eingeholt. Aufgrund einer Untersuchung am 14. Mai 2013 ist er zu der Auffassung gelangt, dass eine Agoraphobie mit Panik, im Verlauf mit Besserungstendenz, eine undifferenzierte somatoforme Störung, ein Zustand nach cervicalem und lumbalem Wirbelsäulensyndrom ohne klinischen oder elektrophysiologischen Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation und ohne gravierende Bewegungseinschränkung sowie ein Carpaltunnelsyndrom rechts, beginnend auch links vorliege. Subjektiv stehe weiterhin die Angststörung der Klägerin im Vordergrund. Diese Symptomatik habe sich bei Abfrage der Alltagsaktivitäten jedoch deutlich relativiert, eine gravierende Beeinträchtigung lasse sich zudem nicht feststellen. Es sei davon auszugehen, dass bei der Klägerin seit längerem eine undifferenzierte somatoforme Störung vorliege mit einer Somatisierungsneigung bereits seit den Neunziger Jahren. Der Klägerin könne nur noch körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis maximal zehn kg zugemutet werden. Tätigkeiten in häufig gebückter Haltung könnten ebenso wenig zugemutet werden, wie häufige Überkopfarbeiten, Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck oder mit sehr hohen emotionalen Belastungen, wie beispielsweise in der Pflege von Schwerstkranken, Tätigkeiten mit sehr hohem Konfliktpotential oder Tätigkeiten mit sehr hochfrequentem Publikumsverkehr unter Zeitdruck, wie beispielsweise an einer Kasse in einem Discounter. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin weiterhin sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche ohne Gefährdung ihrer Gesundheit tätig sein. Die Klägerin habe zwar angegeben, dass sie alleine das Haus nicht verlassen könne. Sie fahre aber doch alleine mit ihrem PKW zum Arzt und zum Einkaufen und auch regelmäßig in Begleitung einmal monatlich nach Österreich; sie fliege zweimal jährlich in die Türkei mit anschließender 60 km langer Fahrt mit einem Sammeltaxi bis ans Schwarze Meer. Zudem bestehe eine sehr gute Prognose, die vorhandenen Einschränkungen durch ein intensiveres Expositionstraining zu verbessern. Die Klägerin könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen; sie habe keine körperlichen Einschränkungen, die die Gehfähigkeit und Gehstrecke im Sinne der Fragestellung limitierten. Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit bestehe nicht. Die Behandlung der Wahl wäre zunächst eine Intensivierung der ambulanten Behandlung durch eine muttersprachliche Verhaltenstherapie.

Auf Antrag nach § 109 SGG hat der Senat noch das algesiologische Gutachten des Dr. K. vom 28. Dezember 2013 eingeholt. Der gerichtliche Sachverständige, Arzt für Anästhesiologie, Spezielle Schmerztherapie, Psychosomatische Grundkompetenz, hat ein chronisches Schmerzsyndrom MPSS III, einen multilokulären Schmerz, eine Agoraphobie mit Panikstörung, eine mittelschwere depressive Episode mit Angststörung, chronisch rezidivierende Lumboischialgien rechts ohne Funktionseinschränkungen nach breitbasigen Bandscheibenprotrusionen, einen Zustand nach Dekompression sowie Laminektomie und Sequesterotomie L4/5, einen Zustand nach Nukleotomie und Spondylodese C6/7, einen Zustand nach arthroskopischer Dekompression der rechten Schulter bei Schultereckgelenksarthrose und Teileinriss der Supraspinatussehne, einen Zustand nach Apendektomie, Zustand nach Dünndarmsegmentresektion bei Bridenileus, einen chronischen Opioidgebrauch, ein Carpaltunnelsyndrom beidseits, eine arterielle Hypertonie, einen Tinnitus aureum beidseits sowie eine Urge-Inkontinenz diagnostiziert. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten bis unter sechs Stunden an fünf Tagen verrichten, und zwar nachweislich ab Juli 2007, da im Rentengutachten der Dr. M. Störungen diagnostiziert worden seien, die zur hier gestellten Diagnose multilokulärer Schmerz führten. Vor 1994 habe volle Leistungsfähigkeit bestanden, die bis 1997 deutlich und bis 2007 stark bis auf das genannte Niveau abgesunken sei. In seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 29. April 2014 ist Dr. K. bei seiner Auffassung verblieben. Ergänzend hat er ausgeführt, dass Reisen zur Schwester nach Bregenz seit der letzten Begutachtung durch den Sachverständigen M. verneint worden seien, was versehentlich nicht im Gutachten erwähnt worden sei. Im Übrigen hat er die Einwendungen des Beratungsarztes der Beklagten (beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 23. Januar 2014) zurückgewiesen. Daraufhin hat der Senat von dem gerichtlichen Sachverständigen M. die gutachtliche ergänzende Stellungnahme nach Aktenlage vom 6. August 2014 eingeholt. Hiernach sei es erstaunlich, dass das Ergebnis eines nachgereichten Fragebogentests quasi tragender Befund des Gutachtens von Dr. K. werde. Bezüglich der Depression und Angststörung beziehe sich Dr. K. auf anamnestische Angaben, die er im Befund nicht aufliste. An keiner Stelle des Gutachtens werde eine Plausibilitätsüberprüfung bezüglich der Angaben der Klägerin durchgeführt. Unter Berufung auf einschlägige Leitlinien hat er ausgeführt, ein Sachverständiger habe im ersten Schritt Stellung dazu zu nehmen, ob und aufgrund welcher Fakten die vom Probanden geklagten Funktionsbeeinträchtigungen zur subjektiven Gewissheit des Gutachters in dem geklagten Umfang auch tatsächlich bestehen. Inwieweit nun die von der Klägerin angegebenen Maximalwerte in den Skalen einer in der Untersuchung von Dr. K. ersichtlichen schwereren Beeinträchtigung entsprochen haben, erschließe sich aus dem Gutachten nicht. Bei seiner Untersuchung hätten sich doch erhebliche Differenzen zwischen Beschwerdedarstellung und objektivem Befund ergeben. Ferner hat der gerichtliche Sachverständige M. darauf hingewiesen, dass bei seinen Tests eine nicht vorhandene kognitive Beeinträchtigung eindeutig simuliert worden sei. Aus den von Dr. K. diagnostizierten Erkrankungen, des multilokulären Schmerzes und des vital bedrohlichen Ereignisses bei der Geburt 1994, ergebe sich keine quantitative Minderung. Im Vordergrund bei der Begutachtung bei Dr. M. habe im Übrigen nicht die chronische Schmerzstörung, sondern die Angststörung und die allgemeine Somatisierungsneigung gestanden, was sich auch mit den Befunden der meisten anderen Arztberichte decke.

Hierauf hat der Senat noch von Dr. K. die ergänzende Stellungnahme vom 28. Dezember 2014 nach § 109 SGG eingeholt. Die geforderte Plausibilität sei durch Diskussion gegenüber den Vorbefunden und den Vorgutachten erfolgt. Die Leistungsbeurteilung im algesiologischen Gutachten stütze sich eben nicht auf den einzigen Fragebogen, zumal die bereits vorliegenden Gutachten des Psychiaters M. und der Sozialmedizinerin Dr. M. gerade die Zielkonflikte und daraus erwachsende Verdeutlichungen und psychischen Komorbiditäten herausgearbeitet hätten. Die stattgehabte Fruchtwasserembolie sei eine für den betroffenen Patienten lebensbedrohliche Störung, bei der der Bewusstseinsverlust erst am Ende eintrete. Die von ihm berücksichtigten Faktoren stünden also im Widerspruch zu einer Simulation, eine Verdeutlichung sei wahrscheinlich und dem kulturellen Hintergrund der Probandin immanent, ändere aber nichts an der Beurteilung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet, denn sie hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung aufgrund des Rentenantrages vom 10. Juli 2007. Die Beklagte hat zu Recht die Rücknahme des Bescheides vom 10. August 2007 durch Bescheid vom 21. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2008 abgelehnt. Zudem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen am Arbeitsleben in Form einer stationären medizinischen Rehabilitation.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung - § 43 SGB VI - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer solchen Rente hat, weil sie in der Lage ist, zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt den Ausführungen des SG an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist zum Berufungsverfahren anzumerken, dass auch der ergänzenden Stellungnahme des Dr. Ö. vom 1. Februar 2013 nicht darin gefolgt werden kann, dass eine schwere depressive Episode vorliegt. Der gerichtliche Sachverständige M. hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass bei der Untersuchung weder eine schwere depressive Herabgestimmtheit noch eine Antriebsminderung oder eine Konzentrations-, oder Merkfähigkeitsstörung festzustellen war. Im Übrigen rechtfertigt auch der von Dr. Ö. erhobene psychische Befund nicht eine schwere depressive Episode. Die Grundstimmung war nur flach, der Antrieb nur reduziert. Konzentrationsstörungen und leichte Gedächtnisstörungen wurden zwar behauptet, aber nicht dargelegt. Wieso der gerichtliche Sachverständige Dr. Ö. trotz Verdeutlichungstendenzen eine schwere depressive Episode diagnostiziert, ist nicht überzeugend, worauf auch der gerichtliche Sachverständige M. hingewiesen hat. Schließlich hat Dr. Ö. nicht alles, worauf er seine Beurteilung stützte, zur Wahrung des Berufsgeheimnisses mitgeteilt, so dass seine Beurteilung schon aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar ist. Dr. Ö. hat auch nicht überzeugend darlegen können, dass die Erwerbsminderung bereits Ende 2006 eingetreten ist. Zwar hat die Klägerin auf ihrer Pilgerfahrt nach Mekka -nach ihren Angaben- eine Panikattacke gehabt. Daraus lässt sich aber nicht eine auf Dauer angelegte Erwerbsminderung ableiten. Auch aus der Erfahrung, dass Depressionen regelmäßig spät erkannt und eine Überweisung an den Facharzt erst spät erfolgt, kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Vorverlegung der -behaupteten- Erwerbsminderung erfolgen. Der Sachverständige M. hat auch für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass sich nicht mehr sicher beurteilen lässt, ob in der Vergangenheit überhaupt eine depressive Störung vorgelegen hat. Es ist zwar möglich, dass auch die Diagnose von Dr. St. zutrifft, sicher lässt sich das aber nicht beurteilen.

Nicht gefolgt werden konnte auch dem Gutachten des Dr. K. vom 28. Dezember 2013 samt ergänzender gutachtlicher Stellungnahme vom 29. April 2014. Der gerichtliche Sachverständige M. hat in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 6. August 2014 schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass Dr. K. zu Unrecht aufgrund eines multiokulärenSchmerzes eine rentenrelevante Leistungsminderung annimmt. Der Sachverständige M. hat überzeugend dargelegt, dass Dr. K. den multiokulären Schmerz nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen konnte. Dr. K. hat einem Schmerzfragebogen, den er zwölf Tage nach der Untersuchung nachgereicht bekommen hat, einen hohen Stellenwert eingeräumt, was Zweifel an der Beurteilung aufkommen lässt. Dr. K. hat aber auch keinen sonstigen Nachweis eines derart ausgeprägten Schmerzes erbracht, die seine Leistungsbeurteilung stützt. Der gerichtliche Sachverständige M. hat zudem schlüssig und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass Dr. K. es auch unterlassen hat, die Schmerzangaben kritisch zu hinterfragen und entsprechend den Leitlinien (etwa die SK2-Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen; AWMF-Leitlinien - Register Nr. 030/102 Entwicklungsstufe 2k) hätte Dr. K. in einem ersten Schritt dazu Stellung nehmen müssen, ob und aufgrund welcher Fakten die vom Probanden geklagten Funktionsbeeinträchtigungen zur subjektiven Gewissheit des Gutachters in dem geklagten Umfang auch tatsächlich bestehen. Dies gilt umso mehr, als der gerichtliche Sachverständige M. Simulation nachweisen konnte (siehe Bl. 248 der Gerichtsakten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des erkennenden Senats ist an das Vorliegen, ihrer Unüberwindbarkeit und ihren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit von nicht objektivierbaren Erkrankungen ein strenger Maßstab anzulegen, weshalb es bereits zu Lasten des die Beweislast tragenden Rentenbewerbers geht, wenn sich bei kritischer Würdigung eine Vortäuschung nicht ausschließen lässt (Urteil des erkennenden Senates vom 5. Oktober 2010, L 13 R 1506/09 m.w.N.). Der Nachweis im Sinne der genannten strengen Anforderungen ist weder Dr. Ö. noch Dr. K. gelungen.

Schließlich ist das Gutachten des Dr. K. auch insofern nicht überzeugend, als er die Erwerbsminderung bereits ab Juli 2007 als nachgewiesen erachtet. Denn der Rückgriff auf das Gutachten der Dr. M. mag hinsichtlich der Diagnose möglich sein, nicht jedoch ohne weitere Begründung für das daraus resultierende Restleistungsvermögen. Zudem wäre der Eintritt der Erwerbsminderung im Juli 2007 zu spät, da dann die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt wären (s. Versicherungsverlauf vom 16. Februar 2015). Die Ausführungen des Dr. K. unter 4b, die Leistungsfähigkeit vor 1994 sei vollschichtig gewesen, bis 1997 deutlich und bis 2007 stark auf das geschilderte Niveau gesunken, sind aber insoweit unklar. Denn auch ab Juli 2007 war die Klägerin nach seinen Ausführungen noch bis unter sechs Stunden leistungsfähig. Zudem konnte Dr. K. Belege für seine Vermutungen nicht erbringen. Die Behandlung bei Dr. A. hat auch erst nach Februar 2007 eingesetzt.

Das SG hat auch überzeugend die Klage auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von einer stationären medizinischen Rehabilitation abgelehnt. Auch insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug genommen und die Berufung zurückgewiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Zum Berufungsverfahren bleibt zu ergänzen, dass weder Dr. Ö. (s. seine ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 1. Februar 2013, Bl. 83,84 der Akten des LSG: Heilverfahren nicht erfolgsversprechend) noch Gutachter M. (Bl. 150, -152: Heilverfahren nicht erforderlich) oder Dr. K. (Bl. 192,193 der Akten des LSG: Heilverfahren nicht erfolgversprechend) das Begehren stützt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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