Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 KR 633/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 12/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Dezember 1999 abgeändert. Die Verurteilung der Beklagten, den Bescheid vom 6. Januar 1994 zurückzunehmen, wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Fortbestehen der freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten.
Der im Jahre 1947 in B geborene Kläger unternahm um Jahre 1984 eine Fußwanderung, die ihn nach ursprünglicher Planung von Bremen bis nach Südafrika hätte führen sollen. In der Gegend von Avignon in Süd-Frankreich wurde der Kläger durch mindestens einen Schuss aus einer Schrotwaffe schwer verletzt, erlitt eine Handverletzung und erblindete. Danach wohnte er in einem Blindenheim in H, litt jedoch seit 1985 an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Diese äußerte sich u.a. in starken Verfolgungsängsten; so glaubte der Kläger etwa, nachts gequält und gevierteilt zu werden, eine Stange sei in seinen Körper getrieben und Nadeln in den Hals gesteckt worden.
Am 9. März 1993 reiste der Kläger mit einem Taxi nach B, um seinen Verfolgungsängsten ausweichen zu können. Dort übernachtete er zunächst in einem Blindenheim in B-L, musste jedoch wegen dort aufgetretener psychiatrischer Auffälligkeiten in die Psychiatrische Abteilung der Kliniken im T-W-W verlegt werden. Anschließend wohnte er in einem Heim des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in der P.
Seit dem 1. Dezember 1989 war der Kläger freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Beitragszahlung erfolgte nicht durch den Kläger selbst, sondern durch den zuständigen Sozialhilfeträger in H. Wegen des Ortswechsels im Jahre 1993 entstand Streit zwischen den Sozialämtern in H, in B-C und in B-W über die Zuständigkeit für die monatliche Beitragszahlung. Aus diesem Grunde wurde jedenfalls ab dem 1. Oktober 1993 der geschuldete Monatsbeitrag von 293,04 DM nicht gezahlt. Nach eigenen Angaben schickte die Beklagte dem Kläger unter dem 30. November 1993 ein Mahnschreiben, in welchem sie unter Hinweis auf die Rechtsfolge der Beendigung der Mitgliedschaft die rückständigen Zahlungen angemahnt habe. Unter dem 7. Dezember 1993 schrieb daraufhin eine Sozialarbeiterin des DRK-Heims, in welchem der Kläger lebte, an die Beklagte, teilte den Erhalt einer Zahlungserinnerung durch den Kläger mit und wies darauf hin, dass die Beitragszahlung durch das Sozialamt erfolgen müsse. Mit Bescheid vom 6. Januar 1994, der in den Verwaltungsakten der Beklagten keinen Absendevermerk trägt und über dessen Zugang beim Kläger nichts bekannt ist, stellte die Beklagte mit Wirkung vom 15. Januar 1994 das Ende der Mitgliedschaft zum 15. Januar 1994 fest.
Am 9. Juni 1994 wandte sich das Bezirksamt B-C als zuständiger Sozialhilfeträger an die Beklagte, wies darauf hin, dass die Beitragszahlung allein wegen des Kompetenz-Konfliktes zwischen den Sozialämtern unterblieben sei und bat um Aufschlüsselung der rückständigen Beiträge. Im Anschluss hieran erfolgte eine solche Aufschlüsselung, das Bezirksamt C zahlte die Beiträge nach. Gleichwohl ging die Beklagte weiterhin von einer beendeten Mitgliedschaft aus.
Am 21. Mai 1996 wandte sich die Betreuerin des Klägers, die durch Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg seit August 1994 zur Betreuerin bestellt worden war, an die Beklagte, bar um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und zugleich darum, die Mitgliedschaft des Klägers wieder herbeizuführen. Mit Bescheid vom 15. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1997 lehnte die Beklagte den Antrag ab und berief sich dabei auf den Zahlungsverzug des Klägers.
Die zunächst bei dem Sozialgericht Hamburg erhobene Klage hat dieses am 2. September 1997 an das Sozialgericht Berlin verwiesen. Das Sozialgericht Berlin hat die Beklagte aufgefordert, den Wortlaut des Erinnerungsschreibens vom 30. November 1993 dem Gericht mitzuteilen. Die Beklagte hat daraufhin dem Gericht die Kopie eines Erinnerungsschreibens übersandt, welches allerdings auf den 30. März 1993 datierte und damalige Zahlungsrückstände zum Gegenstand hatte.
Mit Urteil vom 3. Dezember 1999 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Es hat die Bescheide der Beklagten vom 15. Juli 1996 und vom 12. Mai 1997 aufgehoben, die Beklagte verurteilt, ihren Bescheid vom 6.Januar 1994 zurückzunehmen und festgestellt, dass die freiwillige Versicherung des Klägers zum 15. Januar 1994 nicht geendet hat: Die Beklagte sei gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) verpflichtet, den Bescheid vom 6. Januar 1994 zurückzunehmen, weil nach § 191 Nr. 3 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) die freiwillige Mitgliedschaft nicht wegen Zahlungsverzuges geendet habe. Es fehle an dem gesetzlich vorgeschriebenen vorherigen Hinweis auf die Folgen unterbliebener Beitragszahlungen, weil der Kläger zum Zeitpunkt des Erhalts des Schreibens vom 30. November 1993 geschäftsunfähig gewesen sei. Dies ergebe sich aus der eingehenden Würdigung der dem Gericht vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten.
Gegen dieses ihr am 5. Januar 2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Januar 2000 Berufung zum Landessozialgericht Berlin eingelegt. Sie hält die Beweiswürdigung des Sozialgerichts für fehlerhaft, weil sie den Feststellungen der beteiligten Betreuungsämter widerspreche. Insbesondere habe das Landesamt für Rehabilitation H in seinem Bericht vom 8. Juni 1993 ausgeführt, eine Betreuung sei derzeit nicht erforderlich. Das psychiatrische Gutachten vom 11. August 1994 habe zwar die Notwendigkeit einer Betreuung festgestellt, jedoch auf die chronische Art der Erkrankung hingewiesen, die in Zeiten zwischen den psychotischen Schüben eine ausreichende Orientierung gewährleistet habe. Darüber hinaus habe sich die bereits im Jahre 1994 eingesetzte Betreuerin bei der Beklagten zu spät gemeldet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Dezember 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, die Niederschrift zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 29. August 2001, die Verwaltungsakten der Beklagten, Auszüge aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts Charlottenburg und die Verwaltungsakten des Bezirksamtes C, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die durch das angefochtene Urteil ausgesprochene Verurteilung der Beklagten, den Bescheid vom 6. Januar 1994 zurückzunehmen, war aufzuheben, denn insoweit besteht keine Verpflichtung der Beklagten. Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur Rücknahme eines Bescheides vom 6. Januar 1994 hätte hier § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sein können, wenn sich ergeben hätte, dass bei Erlass des Bescheides vom 6. Januar 1994 das Recht unrichtig angewandt worden war. Dies hätte jedoch vorausgesetzt, dass der Bescheid vom 6. Januar 1994 bestandskräftig geworden wäre, wofür es einer Bekanntgabe bedurft hätte. Vorliegend ist eine wirksame Bekanntgabe jedoch nicht festzustellen. Der Kläger hat den Bescheid vom 6. Januar 1994 nicht nachweislich erhalten. Es sind auch keine sonstigen Umstände ersichtlich, aus denen sich der Rückschluss ziehen lassen könnte, der Kläger habe von diesem Bescheid Kenntnis nehmen können. Darüber hinaus findet sich in den Verwaltungsakten der Beklagten auch kein Vermerk über die Absendung des Bescheides, so dass nicht einmal feststellbar ist, ob und zu welchem Zeitpunkt der Bescheid den Einflussbereich der Beklagten verlassen hat. Vor diesem Hintergrund kann nicht einmal davon ausgegangen werden, dass die Beklagte dem Kläger im Januar 1994 überhaupt einen Bescheid über das Ende seiner Mitgliedschaft erteilt hat und dass dieser Bescheid gar bestandskräftig geworden ist.
Im Übrigen jedoch war die Berufung zurückzuweisen. Zu Recht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten über den 15. Januar 1994 hinaus fortbestanden hat. Die angefochtenen Bescheide, mit denen die Beklagte erstmals rechtswirksam das Erlöschen der Mitgliedschaft des Klägers ausgesprochen hatte, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Seine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten war nicht gemäß § 191 Nr. 3 SGB V erloschen. Nach dieser Vorschrift endet die freiwillige Mitgliedschaft mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt. Vorliegend ist nicht nachgewiesen, dass die Beklagte dem Kläger einen wirksamen Rechtsfolgenhinweis erteilt hat. Die Beklagte hat hierzu geltend gemacht, sie habe dem Kläger ein Schreiben vom 30. November 1993 zugesandt, welches in seinem Wortlaut den Anforderungen des § 191 Nr. 3 SGB V genüge. Ein solches Schreiben vom 30. November 1993 befindet sich jedoch nicht bei den Verwaltungsakten der Beklagten. Auf Anforderung des Sozialgerichts vom 3. November 1997 hat die Beklagte dieses Schreiben dem Gericht auch nicht übersandt. Vielmehr hat sie ihrer Antwort lediglich eine Durchschrift eines Schreibens vom 30. März 1993 beigefügt, welches aber nicht die Zahlungsrückstände ab dem 1. Oktober 1993 zum Gegenstand hatte bzw. haben konnte. Auch auf Seiten des Klägers ist der Erhalt eines Schreibens, welches den gesetzlichen Anforderungen entsprechen könnte, vom November 1993 nicht feststellbar. Zwar hat am 7. Dezember 1993 eine Sozialarbeiterin des DRK-Heims gegenüber der Beklagten Ausführungen gemacht, aus denen sich rückschließen lassen kann, dass dieser Sozialarbeiterin möglicherweise ein Mahnschreiben der Beklagten vorlag. Dies weist jedoch nicht die zumindest mögliche Kenntnisnahme des Klägers von einem Mahnschreiben nach, denn die Sozialarbeiterin befand sich nicht in einem Vertretungsverhältnis zum Kläger, es ist nicht ersichtlich, ob das Schreiben überhaupt in den Kenntnisbereich des Klägers gelangt ist. Darüber hinaus lassen sich erst recht keine genauen Rückschlüsse auf den Wortlaut des Schreibens ziehen, insbesondere ist nicht ersichtlich, ob das Schreiben tatsächlich einen den gesetzlichen Mindestanforderungen genügenden Rechtsfolgenhinweis enthielt.
Angesichts der Tatsache, dass es bereits am Nachweis eines wirksamen schriftlichen Rechtsfolgenhinweises durch die Beklagte fehlt, konnte der Senat offen lassen, ob - wie es das Sozialgericht ausgeführt hat - der Kläger bei Erhalt eines Schreibens im November oder Dezember 1993 geschäftsunfähig war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Senat hatte zu berücksichtigen, dass das teilweise Obsiegen der Beklagten im Berufungsverfahren rein formaler Natur ist und der Kläger mit seinem entscheidenden Anliegen in vollem Umfange Erfolg gehabt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Fortbestehen der freiwilligen Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten.
Der im Jahre 1947 in B geborene Kläger unternahm um Jahre 1984 eine Fußwanderung, die ihn nach ursprünglicher Planung von Bremen bis nach Südafrika hätte führen sollen. In der Gegend von Avignon in Süd-Frankreich wurde der Kläger durch mindestens einen Schuss aus einer Schrotwaffe schwer verletzt, erlitt eine Handverletzung und erblindete. Danach wohnte er in einem Blindenheim in H, litt jedoch seit 1985 an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose. Diese äußerte sich u.a. in starken Verfolgungsängsten; so glaubte der Kläger etwa, nachts gequält und gevierteilt zu werden, eine Stange sei in seinen Körper getrieben und Nadeln in den Hals gesteckt worden.
Am 9. März 1993 reiste der Kläger mit einem Taxi nach B, um seinen Verfolgungsängsten ausweichen zu können. Dort übernachtete er zunächst in einem Blindenheim in B-L, musste jedoch wegen dort aufgetretener psychiatrischer Auffälligkeiten in die Psychiatrische Abteilung der Kliniken im T-W-W verlegt werden. Anschließend wohnte er in einem Heim des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in der P.
Seit dem 1. Dezember 1989 war der Kläger freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Beitragszahlung erfolgte nicht durch den Kläger selbst, sondern durch den zuständigen Sozialhilfeträger in H. Wegen des Ortswechsels im Jahre 1993 entstand Streit zwischen den Sozialämtern in H, in B-C und in B-W über die Zuständigkeit für die monatliche Beitragszahlung. Aus diesem Grunde wurde jedenfalls ab dem 1. Oktober 1993 der geschuldete Monatsbeitrag von 293,04 DM nicht gezahlt. Nach eigenen Angaben schickte die Beklagte dem Kläger unter dem 30. November 1993 ein Mahnschreiben, in welchem sie unter Hinweis auf die Rechtsfolge der Beendigung der Mitgliedschaft die rückständigen Zahlungen angemahnt habe. Unter dem 7. Dezember 1993 schrieb daraufhin eine Sozialarbeiterin des DRK-Heims, in welchem der Kläger lebte, an die Beklagte, teilte den Erhalt einer Zahlungserinnerung durch den Kläger mit und wies darauf hin, dass die Beitragszahlung durch das Sozialamt erfolgen müsse. Mit Bescheid vom 6. Januar 1994, der in den Verwaltungsakten der Beklagten keinen Absendevermerk trägt und über dessen Zugang beim Kläger nichts bekannt ist, stellte die Beklagte mit Wirkung vom 15. Januar 1994 das Ende der Mitgliedschaft zum 15. Januar 1994 fest.
Am 9. Juni 1994 wandte sich das Bezirksamt B-C als zuständiger Sozialhilfeträger an die Beklagte, wies darauf hin, dass die Beitragszahlung allein wegen des Kompetenz-Konfliktes zwischen den Sozialämtern unterblieben sei und bat um Aufschlüsselung der rückständigen Beiträge. Im Anschluss hieran erfolgte eine solche Aufschlüsselung, das Bezirksamt C zahlte die Beiträge nach. Gleichwohl ging die Beklagte weiterhin von einer beendeten Mitgliedschaft aus.
Am 21. Mai 1996 wandte sich die Betreuerin des Klägers, die durch Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg seit August 1994 zur Betreuerin bestellt worden war, an die Beklagte, bar um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und zugleich darum, die Mitgliedschaft des Klägers wieder herbeizuführen. Mit Bescheid vom 15. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1997 lehnte die Beklagte den Antrag ab und berief sich dabei auf den Zahlungsverzug des Klägers.
Die zunächst bei dem Sozialgericht Hamburg erhobene Klage hat dieses am 2. September 1997 an das Sozialgericht Berlin verwiesen. Das Sozialgericht Berlin hat die Beklagte aufgefordert, den Wortlaut des Erinnerungsschreibens vom 30. November 1993 dem Gericht mitzuteilen. Die Beklagte hat daraufhin dem Gericht die Kopie eines Erinnerungsschreibens übersandt, welches allerdings auf den 30. März 1993 datierte und damalige Zahlungsrückstände zum Gegenstand hatte.
Mit Urteil vom 3. Dezember 1999 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Es hat die Bescheide der Beklagten vom 15. Juli 1996 und vom 12. Mai 1997 aufgehoben, die Beklagte verurteilt, ihren Bescheid vom 6.Januar 1994 zurückzunehmen und festgestellt, dass die freiwillige Versicherung des Klägers zum 15. Januar 1994 nicht geendet hat: Die Beklagte sei gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) verpflichtet, den Bescheid vom 6. Januar 1994 zurückzunehmen, weil nach § 191 Nr. 3 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) die freiwillige Mitgliedschaft nicht wegen Zahlungsverzuges geendet habe. Es fehle an dem gesetzlich vorgeschriebenen vorherigen Hinweis auf die Folgen unterbliebener Beitragszahlungen, weil der Kläger zum Zeitpunkt des Erhalts des Schreibens vom 30. November 1993 geschäftsunfähig gewesen sei. Dies ergebe sich aus der eingehenden Würdigung der dem Gericht vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten.
Gegen dieses ihr am 5. Januar 2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Januar 2000 Berufung zum Landessozialgericht Berlin eingelegt. Sie hält die Beweiswürdigung des Sozialgerichts für fehlerhaft, weil sie den Feststellungen der beteiligten Betreuungsämter widerspreche. Insbesondere habe das Landesamt für Rehabilitation H in seinem Bericht vom 8. Juni 1993 ausgeführt, eine Betreuung sei derzeit nicht erforderlich. Das psychiatrische Gutachten vom 11. August 1994 habe zwar die Notwendigkeit einer Betreuung festgestellt, jedoch auf die chronische Art der Erkrankung hingewiesen, die in Zeiten zwischen den psychotischen Schüben eine ausreichende Orientierung gewährleistet habe. Darüber hinaus habe sich die bereits im Jahre 1994 eingesetzte Betreuerin bei der Beklagten zu spät gemeldet.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. Dezember 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, die Niederschrift zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 29. August 2001, die Verwaltungsakten der Beklagten, Auszüge aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts Charlottenburg und die Verwaltungsakten des Bezirksamtes C, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die durch das angefochtene Urteil ausgesprochene Verurteilung der Beklagten, den Bescheid vom 6. Januar 1994 zurückzunehmen, war aufzuheben, denn insoweit besteht keine Verpflichtung der Beklagten. Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur Rücknahme eines Bescheides vom 6. Januar 1994 hätte hier § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sein können, wenn sich ergeben hätte, dass bei Erlass des Bescheides vom 6. Januar 1994 das Recht unrichtig angewandt worden war. Dies hätte jedoch vorausgesetzt, dass der Bescheid vom 6. Januar 1994 bestandskräftig geworden wäre, wofür es einer Bekanntgabe bedurft hätte. Vorliegend ist eine wirksame Bekanntgabe jedoch nicht festzustellen. Der Kläger hat den Bescheid vom 6. Januar 1994 nicht nachweislich erhalten. Es sind auch keine sonstigen Umstände ersichtlich, aus denen sich der Rückschluss ziehen lassen könnte, der Kläger habe von diesem Bescheid Kenntnis nehmen können. Darüber hinaus findet sich in den Verwaltungsakten der Beklagten auch kein Vermerk über die Absendung des Bescheides, so dass nicht einmal feststellbar ist, ob und zu welchem Zeitpunkt der Bescheid den Einflussbereich der Beklagten verlassen hat. Vor diesem Hintergrund kann nicht einmal davon ausgegangen werden, dass die Beklagte dem Kläger im Januar 1994 überhaupt einen Bescheid über das Ende seiner Mitgliedschaft erteilt hat und dass dieser Bescheid gar bestandskräftig geworden ist.
Im Übrigen jedoch war die Berufung zurückzuweisen. Zu Recht hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten über den 15. Januar 1994 hinaus fortbestanden hat. Die angefochtenen Bescheide, mit denen die Beklagte erstmals rechtswirksam das Erlöschen der Mitgliedschaft des Klägers ausgesprochen hatte, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Seine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten war nicht gemäß § 191 Nr. 3 SGB V erloschen. Nach dieser Vorschrift endet die freiwillige Mitgliedschaft mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden. Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt. Vorliegend ist nicht nachgewiesen, dass die Beklagte dem Kläger einen wirksamen Rechtsfolgenhinweis erteilt hat. Die Beklagte hat hierzu geltend gemacht, sie habe dem Kläger ein Schreiben vom 30. November 1993 zugesandt, welches in seinem Wortlaut den Anforderungen des § 191 Nr. 3 SGB V genüge. Ein solches Schreiben vom 30. November 1993 befindet sich jedoch nicht bei den Verwaltungsakten der Beklagten. Auf Anforderung des Sozialgerichts vom 3. November 1997 hat die Beklagte dieses Schreiben dem Gericht auch nicht übersandt. Vielmehr hat sie ihrer Antwort lediglich eine Durchschrift eines Schreibens vom 30. März 1993 beigefügt, welches aber nicht die Zahlungsrückstände ab dem 1. Oktober 1993 zum Gegenstand hatte bzw. haben konnte. Auch auf Seiten des Klägers ist der Erhalt eines Schreibens, welches den gesetzlichen Anforderungen entsprechen könnte, vom November 1993 nicht feststellbar. Zwar hat am 7. Dezember 1993 eine Sozialarbeiterin des DRK-Heims gegenüber der Beklagten Ausführungen gemacht, aus denen sich rückschließen lassen kann, dass dieser Sozialarbeiterin möglicherweise ein Mahnschreiben der Beklagten vorlag. Dies weist jedoch nicht die zumindest mögliche Kenntnisnahme des Klägers von einem Mahnschreiben nach, denn die Sozialarbeiterin befand sich nicht in einem Vertretungsverhältnis zum Kläger, es ist nicht ersichtlich, ob das Schreiben überhaupt in den Kenntnisbereich des Klägers gelangt ist. Darüber hinaus lassen sich erst recht keine genauen Rückschlüsse auf den Wortlaut des Schreibens ziehen, insbesondere ist nicht ersichtlich, ob das Schreiben tatsächlich einen den gesetzlichen Mindestanforderungen genügenden Rechtsfolgenhinweis enthielt.
Angesichts der Tatsache, dass es bereits am Nachweis eines wirksamen schriftlichen Rechtsfolgenhinweises durch die Beklagte fehlt, konnte der Senat offen lassen, ob - wie es das Sozialgericht ausgeführt hat - der Kläger bei Erhalt eines Schreibens im November oder Dezember 1993 geschäftsunfähig war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Senat hatte zu berücksichtigen, dass das teilweise Obsiegen der Beklagten im Berufungsverfahren rein formaler Natur ist und der Kläger mit seinem entscheidenden Anliegen in vollem Umfange Erfolg gehabt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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