Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 4 AS 257/14 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 62/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Unionsbürger, die die Voraussetzungen für das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU nicht erfüllen, die aber wegen der Freizügigkeitsvermutung nicht ausreisepflichtig sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU), haben kein sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebendes Aufenthaltsrecht. Sie unterfallen daher nicht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
2. Zu den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung bei der Schaffung ungeschriebener Leistungsausschlüsse (Anschluss an BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010– B 14 AS 23/10 R – juris, Rn. 40).
3. Zu den Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts zum Familiennachzug.
2. Zu den Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung bei der Schaffung ungeschriebener Leistungsausschlüsse (Anschluss an BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010– B 14 AS 23/10 R – juris, Rn. 40).
3. Zu den Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts zum Familiennachzug.
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 22. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat den Antragstellern deren außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsgegner die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Kosten der Unterkunft.
Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige. Der Antragsteller zu 1) reiste nach eigenen Angaben im April 2012 aus Bulgarien nach Deutschland ein. Gemeldet ist er seit 1. April 2012 in der Wohnung seiner Eltern in A-Stadt, wo er zusammen mit diesen und seiner Schwester lebt. Die Eltern und seine Schwester stehen seit 1. Februar 2014 im Leistungsbezug und wurden bislang von dem Antragsgegner in dieser Zusammensetzung als Bedarfsgemeinschaft geführt (BG 1234). Nach seinen Angaben sind seine Eltern ungefähr 4 bis 5 Monate vor ihm nach Deutschland gekommen; sein Vater hätte zunächst einen Schrotthandel betrieben, diesen aber 2014 aufgegeben. Die Antragstellerin zu 2) ist die Partnerin des Antragstellers zu 1), sie sind nicht verheiratet. Sie reiste nach Angaben des Antragstellers zu 1) erst einige Monate nach ihm nach Deutschland ein und wohnt ebenfalls mit in der Wohnung der Eltern des Antragstellers zu 1). Der Antragsteller zu 3) ist das gemeinsame Kind der Antragsteller zu 1) und 2) und wurde 2014 in A-Stadt geboren. Die Antragstellerin zu 2) erhält in Deutschland Eltern- und Kindergeld für den Antragsteller zu 3). Für das Wohnen bei den Eltern des Antragstellers zu 1) entstehen den Antragstellern keine Kosten.
Den Eltern und der Schwester des Antragstellers zu 1) wurden zuletzt mit Bescheid vom 6. November 2014 Leistungen für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis 30. April 2014 bewilligt, wobei die Kosten der Unterkunft – anders als im vorangegangenen Bewilligungszeitraum – nur anteilig wegen der drei weiteren Mitbewohner übernommen wurden (Bl. 165 bis 168 der Verwaltungsakte bezgl. der BG 1234).
Nach Auskunft der Stadt A-Stadt, Bürgeramt, Abteilung für Zuwanderung und Integration, vom 16. Dezember 2014 ist bei den Antragstellern kein Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt worden. Nach einer telefonischen Anfrage des Berichterstatters vom 26. Februar 2015 liegen beim Antragsgegner zur aufenthaltsrechtlichen Situation keine neuen Erkenntnisse vor.
Der Antragsteller zu 1) verfügt nach eigenen Angaben über kein Einkommen oder Vermögen. Er hat auch kein eigenes Girokonto. Die Antragstellerin zu 2) verfügt über Einkommen in Gestalt von Eltern- und Kindergeld. Der Kontostand ihres Girokontos belief sich am 14. Dezember 2014 auf 204,10 EUR. Der Vater des Antragstellers verfügt nach den Feststellungen des Antragsgegners nach wie vor über ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit i.H.v. 200,- EUR monatlich. Obwohl er seine Reisegewerbekarte bereits im April 2014 zurückgegeben hat, gab er an, zwischen Juni und September 2014 durchschnittlich Einnahmen von 428,84 EUR bei Ausgaben von 200,15 EUR erzielt zu haben. Die Mutter des Antragstellers zu 1), Frau F., verfügte am 19. Februar 2014 über ein Vermögen von 224,59 EUR (Girokonto). Sie erhielt für Ihre Tochter G. 184,- EUR Kindergeld monatlich. Hinsichtlich der weiteren Angaben zu Einkommen und Vermögen wird auf die Verwaltungsakte des Antragsgegners zur hiesigen Bedarfsgemeinschaft, zur Bedarfsgemeinschaft BG 1234, die beigezogen worden ist, und auf die Kontoauszüge auf Bl. 44 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Am 31. Oktober 2014 beantragten die Antragsteller die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 12. November 2014 lehnte der Antragsgegner die Leistungsgewährung gegenüber dem Antragsteller zu 1) ab. Zur Begründung führte er aus, dass sich der Antragsteller zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhalte. Ein Daueraufenthaltsrecht liege nicht vor.
Hiergegen legten die Antragsteller am 3. Dezember 2014 Widerspruch ein, der mit Bescheid vom 22. Januar 2015 zurückgewiesen wurde. Im Widerspruchsbescheid wurden alle Antragsteller genannt. Zur Begründung wurde ausgeführt, es könne davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller zu 1) zur Arbeitsuche eingereist sei. Da sich das Aufenthaltsrecht demnach ausschließlich auf den Grund "Arbeitsuche" stützen könne, bestehe ein Ausschluss vom Leistungsbezug. Die hiergegen am 16. Februar 2015 erhobene Klage ist am Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S 7 AS 102/15 anhängig.
Ebenfalls am 3. Dezember 2014 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Kassel einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.
Zur Begründung haben sie vorgetragen, der Antragsteller zu 1) sei nicht ausschließlich zum Zwecke der Arbeitsuche nach Deutschland eingereist, sondern um zu seiner Familie (Eltern) zu gelangen; zu diesem Zeitpunkt sei er erst 20 Jahre alt gewesen, so dass ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht für ihn bestanden habe. Es bestehe Eilbedürftigkeit, da die Antragsteller nur von Kinder- und Elterngeld lebten und daher nicht über ausreichende Mittel zum Lebensunterhalt verfügten.
Im Rahmen der informatorischen Anhörung im Erörterungstermin am 19. Dezember 2014 hat der Antragsteller zu 1) angegeben, dass er nach seinem Zuzug zu seinen Eltern zunächst im Schrotthandel des Vaters gearbeitet habe; Geld habe er nur gelegentlich bekommen, da er ja bei seinen Eltern gewohnt habe. Es habe sich nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um eine Tätigkeit als Familienmitglied gehandelt. Er habe nicht mehr gearbeitet, seit der Vater den Schrotthandel aufgegeben habe. Er möchte gerne die deutsche Sprache lernen und – da er einen Führerschein habe – im Bereich Pizzaauslieferung oder Chauffeurdienste arbeiten. Die Antragstellerin zu 2) habe in Deutschland nicht gearbeitet, da sie bald schwanger geworden sei, nach dem der Antragsteller zu 1) sie nach Deutschland geholt habe.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, der Antragsteller zu 1) sei schon aufgrund seiner Arbeitsmarktferne von SGB II-Leistungen ausgeschlossen. Ein Aufenthaltsrecht nach § 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) liege aufgrund wirtschaftlicher Inaktivität und mangels ausreichender Existenzmittel der Betroffenen nicht vor. Das Urteil des EuGH vom 11. November 2014 – Rs. C-333/13 – Dano bestätige, dass EU-Ausländer in Fällen wirtschaftlicher Inaktivität vom nationalen Sozialleistungssystem ausgeschlossen werden dürften.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2014 hat das Sozialgericht Kassel den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig vom 3. Dezember 2014 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens bis 31. März 2015, "Regelbedarf nach dem SGB II zu gewähren". Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei zulässig und begründet.
Der die Leistungen ablehnende Bescheid sei zwar nur an den Antragsteller zu 1) gerichtet. Die Antragsteller hätten die Ablehnung jedoch umfassend bezogen auf alle antragstellenden Personen verstanden. Auch der Antragsgegnervertreter habe im Termin vom 19. Dezember 2014 klargestellt, dass der Bescheid in diesem Sinne auch die Ablehnung der Leistungsgewährung an die Antragsteller zu 2) und 3) umfasse.
Nach summarischer Prüfung seien die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II und damit ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht worden. Auch sei wegen Eilbedürftigkeit ein Anordnungsgrund gegeben. Nach summarischer Prüfung sei der Antragsgegner vorliegend zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen in Form der Regelbedarfe nach dem SGB II zu verpflichten, da die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II vorlägen und im Rahmen des insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstabes mehr dafür spreche, dass die Antragsteller einen entsprechenden Leistungsanspruch besäßen als dagegen. Zwar spreche Einiges dafür, dass der Tatbestand des Ausschlussgrundes gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vorliege, jedoch sei offen, ob dieser Ausschlussgrund nicht gegen höherrangiges Recht verstoße bzw. europarechtskonform auszulegen sei. Jedenfalls wirke sich hier eine Folgenabwägung zugunsten der Antragsteller aus.
Die Antragsteller seien hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II, denn sie hätten glaubhaft angegeben, weder über Einkommen noch über Vermögen zu verfügen. Auch seien die Antragsteller zu 1) und 2) erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 8 SGB II. Ein gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik sei ebenfalls glaubhaft gemacht. Aus den Erklärungen des Antragstellers zu 1) im Erörterungstermin gehe für das Gericht hinreichend deutlich hervor, dass er weiterhin vorhabe, in Deutschland zu bleiben. Ob die Antragsteller vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II wirksam ausgeschlossen sind, sei nach summarischer Prüfung offen und lasse sich in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht sicher beurteilen. Nach dieser Vorschrift seien Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" ergebe, und ihre Familienangehörigen, nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II. Diese Ausschlussregelung erfordere allerdings ihrem Wortlaut nach bereits, dass sich das Aufenthaltsrecht der Antragsteller nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Dies bedeute umgekehrt, dass soweit weitere Gründe vorlägen, die den Antragstellern ein Aufenthaltsrecht vermitteln, diese Ausschlussregelung nicht eingreife. Das BSG führe in diesem Zusammenhang in seiner aktuellen Rechtsprechung aus, dass die Ausschlussregelung des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern, regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung erfordere. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindere die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Aufgrund dessen, dass Unionsbürger für die Einreise kein Visum benötigten und für den Aufenthalt keinen Aufenthaltstitel, könne bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das SGB II entnommen werden. Bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlustes einer Freizügigkeitsberechtigung bestehe eine Freizügigkeitsvermutung und damit die Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes zugunsten von Unionsbürgern.
Vorliegend spreche durchaus Vieles dafür, dass sich das Aufenthaltsrecht jedenfalls des Antragstellers zu 1) "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" ergebe. Zwar könnte zum Zeitpunkt der Einreise im April 2012 ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1) aus § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 FreizügigG/EU abzuleiten sein. Denn damals sei der Antragsteller zu 1) zu seinen - nach seinen Angaben selbstständig tätigen - Eltern nach Deutschland gekommen. Sein Beweggrund sei gewesen, dass seine Eltern hier lebten und sein Vater den Schrotthandel betrieben habe; hier habe er auch arbeiten wollen. Damit habe der Antragsteller zu 1) zum Ausdruck gebracht, dass ein wesentliches Motiv der familiäre Nachzug nach Deutschland gewesen sei. Dementsprechend habe der Antragsteller zu 1) - wie er vorgetragen habe - auch von Anfang an bei seinem Vater im Schrotthandel mitgearbeitet und so familienhafte Mithilfe als Unterhaltsbeitrag geleistet. Er habe nämlich angegeben, hierfür keinen Lohn erhalten zu haben und nur gelegentlich etwas Geld, er sei aber von den Eltern im Übrigen mitfinanziert worden. Allerdings habe sich die Sachlage geändert, als der Vater den Schrotthandel aufgegeben habe. Nach Angaben des Antragstellers zu 1) liege die Geschäftsaufgabe ungefähr 7 - 8 Monate zurück. Seit diesem Zeitpunkt bezögen seine Eltern SGB II-Leistungen. Der Antragsteller zu 1) habe angegeben, dass er versuche eine Arbeitsstelle - möglichst in einer Tätigkeit als Fahrer - zu finden. Im Falle der Antragstellerin zu 2) sei dies offen. Es sei nicht bekannt, ob sie sich aktiv um Arbeit bemühe oder ob dies nicht der Fall ist und sie sich möglicherweise lediglich um die Betreuung und Erziehung des gemeinsamen Sohnes kümmere. Im letzteren Fall wäre die Antragstellerin zu 2), als "wirtschaftliche Inaktive" anzusehen, mit der Folge, dass die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bereits vom Wortlaut her nicht einschlägig sei. Bei Erfüllung der übrigen Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs.1 Satz 1 SGB II stünde ihr dann unter alleiniger Beachtung des nationalen Rechts ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen zu. Ein Verlust des Freizügigkeitsrechts der Antragsteller liege ausweislich der Auskunft der Stadt A-Stadt nicht vor, sodass derzeit von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen sei.
Allerdings sei umstritten, ob die Ausschlussnorm des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen höherrangiges europäisches Recht verstoße. Ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen zu dieser Fragestellung habe der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständige 4. Senat des BSG mit seiner Vorlage vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 9/13 R - an den EuGH gestellt. Das BSG habe insbesondere die Frage aufgeworfen, ob Art. 45 Abs. 2 AEUV i.V.m. Art. 18 AEUV einer nationalen Bestimmung entgegenstehe, die Unionsbürgern, die sich als Arbeitsuchende auf die Ausübung des Freizügigkeitsrechts berufen könnten, eine Sozialleistung, die der Existenzsicherung diene und gleichzeitig auch den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtere, ausnahmslos für die Zeit eines Aufenthaltsrechts nur zur Arbeitsuche und unabhängig von der Verbindung mit dem Aufnahmestaat verweigere. Eine Klärung der Rechtsfrage sei noch nicht durch das Urteil des EuGH vom 11. November 2014 – Rs. C-333/13 – erfolgt. Einem Mitgliedstaat sei danach durch Art. 7 der Richtlinie 2004/38 die Möglichkeit eröffnet, nicht erwerbstätigen Unionsbürgern Sozialleistungen zu versagen, die von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machten, in den Genuss des Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaats zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel für die Beanspruchung eines Aufenthaltsrechts verfügten. Dies betreffe die so genannten "wirtschaftlich inaktiven" Personen. Nur für diesen Personenkreis habe der EuGH vorgenannte Aussage getätigt. Im Recht des SGB II - anders im Bereich des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch, Sozialhilfe (SGB XII), dort § 23 Abs. 3 - fehle jedoch eine Regelung die ausländischen Personen, die eingereist sind, um Grundsicherungsleistungen zu erhalten, den Anspruch auf diese Leistungen versage. Im Urteil vom 11. November 2014 habe der EuGH jedoch nicht darüber entschieden, ob die Ausschlussklausel des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II hinsichtlich eines Aufenthaltsrechts allein zum Zweck der Arbeitsuche mit höherrangigem Europarecht vereinbar sei.
Entscheidend sei daher hier auf das Ergebnis einer Folgenabwägung abzustellen. Diese falle zugunsten der Antragsteller aus. Auf der einen Seite stünden Grundrechte der Antragsteller, ihr Recht auf Menschenwürde in Form des Rechts auf Sicherung des Existenzminimums; das Existenzminimum der Betroffenen könne hier auf andere Weise als durch die vorläufige Gewährung von Sozialleistungen nicht erkennbar gesichert werden, denn eine zu Unrecht verweigerte Sicherung des Existenzminimums ließe sich für die Vergangenheit nicht mehr rückgängig machen. Dem stehe vor allem das Interesse des Staates an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gegenüber, welches aber im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegenüber dem dargestellten bedeutsamen Interesse der Antragsteller nachrangig sei. Unwägbarkeiten über die nicht eindeutig geklärte, aber immerhin nicht von vornherein Leistungsansprüche ausschließende Rechtslage dürften sich nicht zum Nachteil von potenziellen Leistungsberechtigten auswirken. Hinzuweisen sei allerdings darauf, dass das von den Antragstellern bezogene Kindergeld und das Elterngeld auf die Grundsicherungsleistungen anzurechnen seien.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners ist am 22. Januar 2015 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Der Antragsgegner ist der Rechtsauffassung, dass für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II hinreichend sei, dass der Antragsteller zu 1) zum Aufenthaltszweck allein die Arbeitsuche vortragen könne. Dem Antragsteller zu 1) könne kein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger zustehen, da der Antragsgegner bis Oktober 2014 im Rahmen der Leistungsgewährung an die Bedarfsgemeinschaft der Eltern die vollen Unterkunftskosten übernommen habe. Den Unterhalt hätten mithin nicht die Eltern, sondern der Antragsgegner zur Verfügung gestellt.
Unabhängig davon seien die Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB II um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu erweitern, wonach Personen vom Anspruch ausgeschlossen seien, denen kein (materielles) Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zustünde. Er beruft sich auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Dezember 2014 – L 7 AS 528/14 B ER.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 22. Dezember 2014 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsteller haben mit Versicherung an Eides statt des Antragstellers zu 1) vom 11. März 2015 vorgetragen, dass der Antragsteller zu 1) in Bulgarien bei seinen Eltern gewohnt habe. Er habe die Schule bis zur 8. Klasse besucht und danach eine Ausbildung zum Techniker begonnen, aber aus finanziellen Gründen abgebrochen. Nach der Ausreise der Eltern sei er zu seiner Großmutter gezogen. Die Eltern hätten im Monat ca. 200,- EUR bis 300,- EUR an ihn aus Deutschland geschickt. Die Großmutter sei vor vier Monaten verstorben. In Deutschland seien die Lebensmittel und die Wohnung von den Eltern finanziert worden.
Die Antragsteller tragen vor, dass die monatliche Rente der Großmutter umgerechnet 153,40 EUR betragen habe. Die Unterhaltszahlungen aus Deutschland für den Enkel seien daher notwendig gewesen.
Die Antragsteller sind der Rechtsauffassung, dass dem Antragsteller zu 1) ein Aufenthaltsrecht aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU zukomme. Da der Vater des Antragstellers bisher selbstständig erwerbstätig gewesen sei und bislang zumindest durch das Zurverfügungstellen der Wohnung Unterhaltsleistungen erbracht habe, dürfte das abgeleitete Freizügigkeitsrecht noch erhalten sein. Dies ergebe sich auch aus Ziff. 3.2.2.1 der Verwaltungsvorschrift zum FreizügG/EU. Der Antragsteller zu 3) sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt.
In der vom Antragsgegner zitierten Entscheidung des 7. Senats des Hessischen Landessozialgerichts sei nicht wirklich eine Auseinandersetzung mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Dano erfolgt. Der EuGH habe dort lediglich den Fall entschieden, dass ein Antragsteller Sozialleistungen beantrage, der nicht willens sei zu arbeiten. Nur für diesen Fall sei gesagt worden, dass der nationale Gesetzgeber die Möglichkeit habe, diese Personengruppe von Leistungen auszuschließen. Der deutsche Gesetzgeber habe diesen Fall bisher nicht ausgeschlossen, obwohl das Bundesparlament die Entwicklung der Rechtsprechung beobachte. Die Antragsteller berufen sich insoweit auf die Stellungnahme von Prof. Dr. Daniel Thym in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 13. Oktober 2014 (Ausschussdrucksache 18(4)164F).
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die angegriffene einstweilige Anordnung zu Recht erlassen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Ein solcher wesentlicher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm darüber hinaus nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
Das Leistungsverhältnis war bezüglich aller Antragsteller einer vorläufigen Regelung zugänglich (dazu 1.). Hinsichtlich des Anordnungsanspruches ist das Sozialgericht zutreffend von einer Leistungsberechtigung dem Grunde nach ausgegangen (dazu 2.). Die Antragsteller unterfallen keinem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II (dazu 3. a) bis c). Angesichts der Feststellungen des Senats zur Bedürftigkeit begegnet der Ausspruch des Sozialgerichts im Ergebnis keinen Bedenken; da es sich nur um eine Verpflichtung dem Grunde nach handelt, gab es auch keinen Änderungsbedarf wegen der zu Grunde gelegten Bedarfsgemeinschaft (dazu 4.).
1. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2015 hat der Antragsgegner klargestellt, dass das vorherige Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren die Ansprüche aller Antragsteller betraf. In Folge der zwischenzeitlich erfolgten Klageerhebung sind auch die Ansprüche aller Antragsteller einer vorläufigen Regelung zugänglich.
2. Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II nimmt der Senat Bezug auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Versicherung an Eides statt bestätigt die Würdigung des Sozialgerichts hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit auf der Grundlage der Verwaltungsakten des Antragsgegners, der vorgelegten Kontoauszüge und der erstinstanzlichen Anhörung im Erörterungstermin (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Insbesondere der gewöhnliche Aufenthalt der Antragsteller zu 2) und zu 3) ist auch gegenwärtig nicht in Zweifel zu ziehen, da es nach Auskunft des Antragsgegners keine von der Auskunft der Ausländerbehörde vom 16. Dezember 2014 abweichenden Bemühungen gibt, den Aufenthalt zu beenden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II).
3. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sind die Antragsteller nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfordert eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe des Aufenthaltsrechts am Maßstab des FreizügG/EU und ggf. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Der Leistungsausschluss greift daher nur, wenn positiv festgestellt werden kann, dass ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche besteht und nicht die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 – B 14 AS 138/11 R, juris Rn. 20; vgl. hinsichtlich der fiktiven Prüfung auch BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 23 ff. m.w.N.).
a) Dem Antragsteller zu 1) kommt nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger seines Vaters zu. Es handelt sich mithin nicht um ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU haben Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 genannten Unionsbürger das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Familienangehörige sind bei einem Alter ab 21 Jahren nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU erfasst, wenn sie Verwandte in gerader aufsteigender und in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner sind, denen diese Personen oder ihre Ehegatten oder Lebenspartner Unterhalt gewähren.
Da der Vater des Antragstellers zu 1) jedenfalls bis vor kurzem noch als selbstständiger Schrotthändler aktiv tätig war und nach wie vor aus dieser Tätigkeit nach den bestandskräftigen Feststellungen des Antragsgegners noch nachwirkend Einnahmen erzielt, geht der Senat davon aus, dass der Vater nach wie vor ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU bzw. i.V.m. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU hat.
Der Vater gewährt dem Antragsteller zu 1) nach dessen eidesstattlicher Versicherung auch gegenwärtig noch Unterhalt in Gestalt der Gewährung von Unterkunft und Lebensmitteln. Eine solche Unterhaltsgewährung liegt in Übereinstimmung mit Nr. 3.2.2.1. der Verwaltungsvorschrift zum FreizügG/EU (abgedruckt in der Kommentierung zu § 3 FreizügG/EU von Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht 10. Auflage 2013) vor, "wenn dem Verwandten tatsächlich Leistungen zukommen, die vom Ansatz her als Mittel der Bestreitung des Lebensunterhalts angesehen werden können. Dazu gehört eine fortgesetzte regelmäßige Unterstützung in einem Umfang, der es ermöglicht, zumindest einen Teil des Lebensunterhalts regelmäßig zu decken. Maßstab ist dabei das Lebenshaltungsniveau in dem EU-Mitgliedstaat, in dem sich der Familienangehörige ständig aufhält. Es ist nicht erforderlich, dass derjenige, dem Unterhalt gewährt wird, einen Anspruch auf Unterhaltsgewährung hat oder seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten könnte. Auf die Gründe für die Unterstützung kommt es ebenfalls nicht an."
Insoweit ist es hinreichend, dass die Eltern gegenwärtig dem Antragsteller zu 1) kostenfreie Unterkunft und weitere Naturalleistungen gewähren. Bereits in der Bereitstellung der Unterkunft besteht eine Unterhaltsgewährung in einem hinreichenden, dem o.g. Maßstab genügenden Umfang. Der Einwand des Antragsgegners, dass der Antragsgegner und nicht der Vater diesen die Unterkunft gewährten, geht insoweit fehl, da die Kosten der Unterkunft im bestandskräftigen letzten Leistungsbescheid der Eltern gerade anteilig um die Unterkunftskosten der hiesigen Antragsteller gekürzt worden sind. Im Übrigen geht der Antragsgegner nach wie vor von einem monatlichen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit i.H.v. 200,- EUR aus, so dass ein Teil der Unterstützungsleistung auch noch der wirtschaftlichen Sphäre des Vaters zuzurechnen ist.
Es handelt sich auch um einen Nachzug zur Herstellung der Familieneinheit, da der Antragsteller zu 1) in eine Familienwohnung nachgezogen ist und dadurch die Familieneinheit hinsichtlich des Wohnens wieder so hergestellt wurde, wie sie vor dem Wegzug der Eltern aus Bulgarien bestand. Aufgrund Sinn und Zweck des Aufenthaltsrechts zum Nachzug und des Erfordernisses der Unterhaltsgewährung ist darüber hinaus zu fordern, dass das Abhängigkeitsverhältnis zu dem Zeitpunkt, zu dem der betreffende Familienangehörige den Nachzug zu dem Unionsbürger beantragt (oder bei Unionsbürgern: vollzieht), der ihm Unterhalt gewährt, im Herkunftsland dieses Familienangehörigen bestehen muss (zuletzt EuGH, Urteil vom 16. Januar 2014, Rs. C-423/12 – Reyes – juris, Rn. 30 m.w.N.; vgl. auch Tewocht, in: Kluth/Heusch, Beck-OK Ausländerrecht, § 3 FreizügG/EU, Rn. 15). Hiervon ist der Senat aufgrund der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Versicherung an Eides statt überzeugt. Der Antragsteller hat ohne Ausbildung und Erwerbstätigkeit in Bulgarien bei seinen Eltern gewohnt, wurde während der Trennung von Deutschland aus von seinen Eltern unterstützt, während er in Bulgarien bei seiner Großmutter gelebt hat. Die Großmutter wäre angesichts der mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25. März 2015 dargelegten Rentenhöhe, an der der Senat keine Zweifel hegt, ohne Unterstützung der Eltern auch nicht in der Lage gewesen, den Lebensunterhalt des Antragstellers zu 1) sicherzustellen. Unerheblich ist, dass künftig die Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts nach § 3 FreizügG/EU durch einen Auszug oder die Einstellung der Unterhaltsgewährung infolge einer Leistung des Antragsgegners entfallen könnten. Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage ist der der gerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren.
b) Die Antragstellerin zu 2) kann sich gegenwärtig allein auf die Freizügigkeitsvermutung berufen (dazu aa) fällt aber aus diesem Grund nicht unter § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (dazu bb). Die Vorschrift kann auch nicht gegen den Wortlaut erweiternd ausgelegt oder analog auf die hiesige Fallkonstellation angewendet werden (dazu cc).
aa) Das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche nach § 2 Abs. 1 Nr. 1a FreizügG/EU haben Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Mit der zum 9. Dezember 2014 in Kraft getretenen Neufassung der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche wurden nach Auffassung des Senats nur die Begrenzungsmöglichkeiten in das nationale Recht aufgenommen, die sich ohnehin aus Unionsrecht ergaben (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 1991, Rs. C-292/89 – Antonissen) und die der Senat auch schon bislang in § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU a.F. im Rahmen der Auslegung des Begriffs "Arbeitsuche" anwendete (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. November 2013 – L 6 AS 378/12 –, juris Rn. 52). Die Antragstellerin zu 2) hat indes bislang weder in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet noch hat sie in der Bundesrepublik Deutschland Arbeit gesucht.
Sie ist auch nicht Familienangehörige des Antragstellers zu 1). Aus ihrer sonstigen familiären Situation kann sie ebenfalls kein Aufenthaltsrecht nach § 3 FreizügG/EU herleiten, da die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 FreizügG/EU nicht vorliegen. An einem Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union fehlt es, da die Antragstellerin zu keinem früheren Zeitpunkt die Arbeitnehmereigenschaft erfüllte und ihr Sohn noch keine Ausbildung begonnen hat.
Es besteht mithin allein ein Aufenthaltsrecht aus der Freizügigkeitsvermutung. Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU erst dann ausreisepflichtig, wenn die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht. Nach dem vom Gesetzgeber ausdrücklich vollzogenen Umkehrschluss (BT-Drs. 15/420, S. 106; zuletzt ) gilt bis dahin die Freizügigkeitsvermutung (Oberhäuser, ASR 2014, 191; Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 11 FreizügG/EU, Rn. 7 f., beide m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v.16.11.2010, 1 C 17/09, juris Rn. 11 = BVerwGE 138, 122; BSG, Urt. vom 30.1.2013,B 4 AS 54/12 R, BSGE 113, 60 ff., Rn. 18-21 im Rahmen der Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts). Im Falle des Nichthandelns der Ausländerbehörde müssen damit andere Behörden vom legalen Aufenthalt ausgehen (st. Rspr. des Senats seit Urteil vom 27. November 2013 – L 6 AS 378/12 –, juris).
bb) Bei der Freizügigkeitsvermutung handelt es sich nicht um ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Der Leistungsausschluss ist aufgrund der notwendigen fiktiven Prüfung (s.o.) deckungsgleich mit den Begriffen und der Systematik des FreizügG/EU auszulegen. Die Systematik des FreizügG/EU verbietet es, im Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche gleichsam ein "Auffang-Aufenthaltsrecht" zu sehen (so ausdrücklich auch Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 59 m.w.N.). Wie bereits oben dargelegt, handelt es sich beim Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche um einen qualifizierten Tatbestand mit objektivierbaren Kriterien; insbesondere die erforderliche Erfolgsprognose und das fehlende Erfordernis, die Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU einhalten zu müssen, stehen einer Auslegung als Auffang-Tatbestand entgegen. Die Gegenauffassung würde zum aufenthaltsrechtlich widersinnigen Ergebnis führen, dass es allein am Unionsbürger läge, durch die bloße Behauptung, er suche Arbeit, die Anforderungen von § 2 Abs. 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 4 FreizügG/EU zu umgehen. Nach diesen Vorschriften gelten nämlich bei wirtschaftlicher Inaktivität wesentlich strengere Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht als beim Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche.
cc) Es gibt auch nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 11. November 2014 – Rs. C-333/13 – Dano – keinen methodisch tragfähigen Grund, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erweiternd auszulegen oder analog auf die Konstellation anzuwenden, dass der Aufenthalt allein wegen der Freizügigkeitsvermutung legal ist (aus jüngster Zeit wie hier: SG Darmstadt, Urteil vom 27. Januar 2015 – S 20 AS 480/14 – juris; SG Frankfurt, Beschluss vom 4. Februar 2015 – S 16 AS 2122/14 ER – (unveröffentlicht); Groth, jurisPR-SozR 2/2015 Anm. 1; Schreiber, info also 2015, 3; Wallrabenstein, in: Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität (Hrsg.), 100 Jahre Rechtswissenschaft in Frankfurt (Festschrift), 2014, S. 229, 240 ff.; im Ergebnis im Wege der Folgenabwägung bei der hiesigen Fallgruppe auch: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2015 – L 25 AS 38/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 2015 – L 19 AS 195/15 B; vgl. auch die ausführlichen Nachweise zum Meinungsstand im Beschluss des Senates vom 5. Februar 2015 – L 6 AS 883/15 B ER). Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 11. November 2014 im Tenor festgestellt, dass u.a. Art. 24 Abs. 1 der Unionsbürger-Richtlinie (RL 2004/38/EG) einem Leistungsausschluss nicht entgegensteht, "sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht." Ein derartiger Leistungsausschluss ist – wie oben ausgeführt – in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht geregelt.
Insbesondere Systematik, Entstehungsgeschichte und der Zweck stehen einer erweiternden Auslegung gegen den Wortlaut ("erst recht-Schluss") oder einer analogen Anwendung entgegen (ausf. dazu: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. März 2014 – L 31 AS 1348/13; Hessisches LSG, Urteil vom 27. November 2013 - L 6 AS 378/12; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Oktober 2013 – L 19 AS 129/13; Thüringer LSG, Beschl. v. 25. April 2014 – L 4 AS 306/14 B ER): Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II dient primär der Umsetzung von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG bei einem bestehenden Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche (so BT-Drs. 16/5065, S. 234; vgl. auch BT-Drs. 16/688, S. 13). Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ist im Fall fehlender Arbeitsuche aber gerade nicht einschlägig (so auch EuGH, Urteil vom 11. November 2014 – Rs. C-333/13 – Dano, Rn. 66).
Die Gesamtregelung des § 7 Abs. 1 SGB II ist in sich stimmig und ohne Regelungslücke, da Fälle, in denen dem betreffenden Staatsangehörigen "kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht", teilweise vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II mit einer entsprechenden Überleitung ins Leistungssystem des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) erfasst werden. Dieser Leistungsausschluss greift allerdings nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG – der aufenthaltsrechtlichen Systematik folgend – erst bei vollziehbarer Ausreisepflicht, die wiederum einen entsprechenden ausländerbehördlichen Verwaltungsakt voraussetzt. Eine analoge Anwendung des Leistungsausschlusses auf Personen mit vermutetem Aufenthaltsrecht führte zudem zum systemwidrigen Ergebnis, dass nicht vollziehbar ausreisepflichtige Personen schlechter gestellt werden würden, als vollziehbar ausreisepflichtige Personen, die immerhin noch nach dem AsylbLG leistungsberechtigt sind.
Entgegen einer jüngst häufiger vertretenen Auffassung (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2015 – L 29 AS 3339/14 B ER – juris, Rn. 52; LSG Hamburg, Beschluss vom 1. Dezember 2014 – L 4 AS 444/14 B ER – juris, Rn.10 Hessisches LSG, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – L 7 AS 528/14 B ER – juris, Rn. 56) existiert auch kein Systembruch oder eine Gleichheitswidrigkeit des Leistungsausschlusses bei freizügigkeitsberechtigten Arbeitsuchenden im Vergleich zu Personen, die sich allein aufgrund der Freizügigkeitsvermutung rechtmäßig aufhalten: Bei Personengruppen, deren gewöhnlicher Aufenthalt durch die Anwendung des Aufenthaltsrechts beendet werden kann, bedarf es keines sozialrechtlichen Leistungsausschlusses, wenn der Zugang zur Leistung grundsätzlich gerade über den gewöhnlichen Aufenthalt gesteuert wird. Hierbei handelt es sich insbesondere nicht um eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG: Dem allgemeinen Gleichheitssatz kann grundsätzlich kein Schlechterstellungsgebot dergestalt entnommen werden, dass aus einer Ungleichbehandlung allein die Rechtsfolge einer Schlechterstellung der ursprünglich bessergestellten Vergleichsgruppe abgeleitet werden müsste (statt vieler: Epping, Grundrechte, 5. Aufl. 2012, Rn. 773; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 3, Rn. 40 ff.). Zudem handelt es sich nicht um eine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Personengruppen: Bei der einen Personengruppe kann die Ausländerbehörde das Fehlen eines Aufenthaltsrechts feststellen, bei der anderen nicht.
Verfassungsrechtliche Gründe stehen vielmehr einer Analogie zu Lasten des betroffenen Personenkreises entgegen. Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG. Ein Hilfebedürftiger darf nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter verwiesen werden, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen gewährleistet ist. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthält (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125,175 – zitiert nach juris, Rn. 136). Konsequent hat das Bundessozialgericht bei der Anwendung des Europäischen Fürsorgeabkommens ungeschriebene Leistungsausschlüsse im SGB II als mit § 31 SGB I unvereinbar angesehen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R – BSGE 107, 66 ff., zit. nach juris, Rn. 40). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die neuere Gesetzgebungsentwicklung die methodischen Bedenken des Senats gegen einen "erst recht"-Schluss oder eine anspruchsausschließende Analogie noch erheblich verstärkt hat. Der Gesetzgeber hat sich jüngst aufgrund einer Würdigung der hier betroffenen Konstellation und der hierzu ergangenen Rechtsprechung bewusst gegen eine Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II entschieden (siehe Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2. Dezember 2014, BGBl. I 2014, 1922). Diesem Artikelgesetz voraus ging der BMI/BMAS-Abschlussbericht des Staatssekretärsausschusses zu "Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten" (BT-Drs. 18/2470), in dem sowohl Änderungen des Sozialrechts wie des Aufenthaltsrechts eingehend erörtert wurden. Zur Frage des Leistungsausschlusses findet sich dort sowohl eine Aufarbeitung der Rechtslage (BT-Drs. 18/2470, S. 37 f.) als auch die Feststellung, dass hinsichtlich einer Änderung der Leistungsausschlüsse im SGB II keine Handlungsspielräume gesehen werden (S. 62). Vorgeschlagen wurde im SGB II allein (siehe BT-Drs. 18/2470, S. 5) die nunmehr durch Art. 4 des genannten Artikelgesetzes auch umgesetzte finanzielle Entlastung der Kommunen durch § 46 Abs. 7a SGB II.
c) Aus vergleichbaren Gründen unterfällt der Antragsteller zu 3) nicht dem Leistungsausschluss; er hat mithin einen Sozialgeldanspruch (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Da der Antragsteller zu 1) lediglich ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger hat, kann der Antragsteller zu 3) von ihm kein weiteres Aufenthaltsrecht ableiten. Die Definition des Familienangehörigen in § 3 Abs. 2 FreizügG/EU schließt die Ableitung eines Aufenthaltsrechts von einem nur als Familienangehörigen Freizügigkeitsberechtigten wegen der fehlenden Bezugnahme auf § 2 Abs. 2 Nr.6 FreizügG/EU aus.
4. Da das Sozialgericht Leistungen dem Grunde nach zuerkannt hat, war die Entscheidung auch nicht aufgrund des Umstandes zu ändern, dass nach Auffassung des 14. Senats des Bundessozialgerichts entgegen der bislang vorherrschenden Ansicht und Verwaltungspraxis eine sog. Drei-Generationen-Bedarfsgemeinschaft konstruierbar ist (siehe BSG, Urteil vom 17. Juli 2014 - B 14 AS 54/13, juris Rn. 25). Der 14. Senat hat sich in dieser Entscheidung allerdings nicht abschließend festgelegt, so dass nichts dagegen spricht, den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anrechnung des Großelterneinkommens beim Enkel (dazu Urteil des erkennenden Senats vom 24. April 2013 – L 6 AS 376/11) in der Weise Rechnung zu tragen, wie dies in den letzten Leistungsbescheiden geschehen ist.
5. In Anbetracht des Umfangs der Bedarfssituation der Antragsteller ist das Sozialgericht auch zutreffend von einem Anordnungsgrund ausgegangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
II. Der Antragsgegner hat den Antragstellern deren außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vom Antragsgegner die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Kosten der Unterkunft.
Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige. Der Antragsteller zu 1) reiste nach eigenen Angaben im April 2012 aus Bulgarien nach Deutschland ein. Gemeldet ist er seit 1. April 2012 in der Wohnung seiner Eltern in A-Stadt, wo er zusammen mit diesen und seiner Schwester lebt. Die Eltern und seine Schwester stehen seit 1. Februar 2014 im Leistungsbezug und wurden bislang von dem Antragsgegner in dieser Zusammensetzung als Bedarfsgemeinschaft geführt (BG 1234). Nach seinen Angaben sind seine Eltern ungefähr 4 bis 5 Monate vor ihm nach Deutschland gekommen; sein Vater hätte zunächst einen Schrotthandel betrieben, diesen aber 2014 aufgegeben. Die Antragstellerin zu 2) ist die Partnerin des Antragstellers zu 1), sie sind nicht verheiratet. Sie reiste nach Angaben des Antragstellers zu 1) erst einige Monate nach ihm nach Deutschland ein und wohnt ebenfalls mit in der Wohnung der Eltern des Antragstellers zu 1). Der Antragsteller zu 3) ist das gemeinsame Kind der Antragsteller zu 1) und 2) und wurde 2014 in A-Stadt geboren. Die Antragstellerin zu 2) erhält in Deutschland Eltern- und Kindergeld für den Antragsteller zu 3). Für das Wohnen bei den Eltern des Antragstellers zu 1) entstehen den Antragstellern keine Kosten.
Den Eltern und der Schwester des Antragstellers zu 1) wurden zuletzt mit Bescheid vom 6. November 2014 Leistungen für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis 30. April 2014 bewilligt, wobei die Kosten der Unterkunft – anders als im vorangegangenen Bewilligungszeitraum – nur anteilig wegen der drei weiteren Mitbewohner übernommen wurden (Bl. 165 bis 168 der Verwaltungsakte bezgl. der BG 1234).
Nach Auskunft der Stadt A-Stadt, Bürgeramt, Abteilung für Zuwanderung und Integration, vom 16. Dezember 2014 ist bei den Antragstellern kein Verlust des Freizügigkeitsrechts festgestellt worden. Nach einer telefonischen Anfrage des Berichterstatters vom 26. Februar 2015 liegen beim Antragsgegner zur aufenthaltsrechtlichen Situation keine neuen Erkenntnisse vor.
Der Antragsteller zu 1) verfügt nach eigenen Angaben über kein Einkommen oder Vermögen. Er hat auch kein eigenes Girokonto. Die Antragstellerin zu 2) verfügt über Einkommen in Gestalt von Eltern- und Kindergeld. Der Kontostand ihres Girokontos belief sich am 14. Dezember 2014 auf 204,10 EUR. Der Vater des Antragstellers verfügt nach den Feststellungen des Antragsgegners nach wie vor über ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit i.H.v. 200,- EUR monatlich. Obwohl er seine Reisegewerbekarte bereits im April 2014 zurückgegeben hat, gab er an, zwischen Juni und September 2014 durchschnittlich Einnahmen von 428,84 EUR bei Ausgaben von 200,15 EUR erzielt zu haben. Die Mutter des Antragstellers zu 1), Frau F., verfügte am 19. Februar 2014 über ein Vermögen von 224,59 EUR (Girokonto). Sie erhielt für Ihre Tochter G. 184,- EUR Kindergeld monatlich. Hinsichtlich der weiteren Angaben zu Einkommen und Vermögen wird auf die Verwaltungsakte des Antragsgegners zur hiesigen Bedarfsgemeinschaft, zur Bedarfsgemeinschaft BG 1234, die beigezogen worden ist, und auf die Kontoauszüge auf Bl. 44 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Am 31. Oktober 2014 beantragten die Antragsteller die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 12. November 2014 lehnte der Antragsgegner die Leistungsgewährung gegenüber dem Antragsteller zu 1) ab. Zur Begründung führte er aus, dass sich der Antragsteller zu 1) allein zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhalte. Ein Daueraufenthaltsrecht liege nicht vor.
Hiergegen legten die Antragsteller am 3. Dezember 2014 Widerspruch ein, der mit Bescheid vom 22. Januar 2015 zurückgewiesen wurde. Im Widerspruchsbescheid wurden alle Antragsteller genannt. Zur Begründung wurde ausgeführt, es könne davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller zu 1) zur Arbeitsuche eingereist sei. Da sich das Aufenthaltsrecht demnach ausschließlich auf den Grund "Arbeitsuche" stützen könne, bestehe ein Ausschluss vom Leistungsbezug. Die hiergegen am 16. Februar 2015 erhobene Klage ist am Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S 7 AS 102/15 anhängig.
Ebenfalls am 3. Dezember 2014 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Kassel einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.
Zur Begründung haben sie vorgetragen, der Antragsteller zu 1) sei nicht ausschließlich zum Zwecke der Arbeitsuche nach Deutschland eingereist, sondern um zu seiner Familie (Eltern) zu gelangen; zu diesem Zeitpunkt sei er erst 20 Jahre alt gewesen, so dass ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht für ihn bestanden habe. Es bestehe Eilbedürftigkeit, da die Antragsteller nur von Kinder- und Elterngeld lebten und daher nicht über ausreichende Mittel zum Lebensunterhalt verfügten.
Im Rahmen der informatorischen Anhörung im Erörterungstermin am 19. Dezember 2014 hat der Antragsteller zu 1) angegeben, dass er nach seinem Zuzug zu seinen Eltern zunächst im Schrotthandel des Vaters gearbeitet habe; Geld habe er nur gelegentlich bekommen, da er ja bei seinen Eltern gewohnt habe. Es habe sich nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um eine Tätigkeit als Familienmitglied gehandelt. Er habe nicht mehr gearbeitet, seit der Vater den Schrotthandel aufgegeben habe. Er möchte gerne die deutsche Sprache lernen und – da er einen Führerschein habe – im Bereich Pizzaauslieferung oder Chauffeurdienste arbeiten. Die Antragstellerin zu 2) habe in Deutschland nicht gearbeitet, da sie bald schwanger geworden sei, nach dem der Antragsteller zu 1) sie nach Deutschland geholt habe.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, der Antragsteller zu 1) sei schon aufgrund seiner Arbeitsmarktferne von SGB II-Leistungen ausgeschlossen. Ein Aufenthaltsrecht nach § 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) liege aufgrund wirtschaftlicher Inaktivität und mangels ausreichender Existenzmittel der Betroffenen nicht vor. Das Urteil des EuGH vom 11. November 2014 – Rs. C-333/13 – Dano bestätige, dass EU-Ausländer in Fällen wirtschaftlicher Inaktivität vom nationalen Sozialleistungssystem ausgeschlossen werden dürften.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2014 hat das Sozialgericht Kassel den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig vom 3. Dezember 2014 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens bis 31. März 2015, "Regelbedarf nach dem SGB II zu gewähren". Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sei zulässig und begründet.
Der die Leistungen ablehnende Bescheid sei zwar nur an den Antragsteller zu 1) gerichtet. Die Antragsteller hätten die Ablehnung jedoch umfassend bezogen auf alle antragstellenden Personen verstanden. Auch der Antragsgegnervertreter habe im Termin vom 19. Dezember 2014 klargestellt, dass der Bescheid in diesem Sinne auch die Ablehnung der Leistungsgewährung an die Antragsteller zu 2) und 3) umfasse.
Nach summarischer Prüfung seien die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II und damit ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht worden. Auch sei wegen Eilbedürftigkeit ein Anordnungsgrund gegeben. Nach summarischer Prüfung sei der Antragsgegner vorliegend zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen in Form der Regelbedarfe nach dem SGB II zu verpflichten, da die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II vorlägen und im Rahmen des insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstabes mehr dafür spreche, dass die Antragsteller einen entsprechenden Leistungsanspruch besäßen als dagegen. Zwar spreche Einiges dafür, dass der Tatbestand des Ausschlussgrundes gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vorliege, jedoch sei offen, ob dieser Ausschlussgrund nicht gegen höherrangiges Recht verstoße bzw. europarechtskonform auszulegen sei. Jedenfalls wirke sich hier eine Folgenabwägung zugunsten der Antragsteller aus.
Die Antragsteller seien hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II, denn sie hätten glaubhaft angegeben, weder über Einkommen noch über Vermögen zu verfügen. Auch seien die Antragsteller zu 1) und 2) erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 8 SGB II. Ein gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik sei ebenfalls glaubhaft gemacht. Aus den Erklärungen des Antragstellers zu 1) im Erörterungstermin gehe für das Gericht hinreichend deutlich hervor, dass er weiterhin vorhabe, in Deutschland zu bleiben. Ob die Antragsteller vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II wirksam ausgeschlossen sind, sei nach summarischer Prüfung offen und lasse sich in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht sicher beurteilen. Nach dieser Vorschrift seien Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" ergebe, und ihre Familienangehörigen, nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II. Diese Ausschlussregelung erfordere allerdings ihrem Wortlaut nach bereits, dass sich das Aufenthaltsrecht der Antragsteller nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Dies bedeute umgekehrt, dass soweit weitere Gründe vorlägen, die den Antragstellern ein Aufenthaltsrecht vermitteln, diese Ausschlussregelung nicht eingreife. Das BSG führe in diesem Zusammenhang in seiner aktuellen Rechtsprechung aus, dass die Ausschlussregelung des § 7 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern, regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung erfordere. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindere die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Aufgrund dessen, dass Unionsbürger für die Einreise kein Visum benötigten und für den Aufenthalt keinen Aufenthaltstitel, könne bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das SGB II entnommen werden. Bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlustes einer Freizügigkeitsberechtigung bestehe eine Freizügigkeitsvermutung und damit die Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes zugunsten von Unionsbürgern.
Vorliegend spreche durchaus Vieles dafür, dass sich das Aufenthaltsrecht jedenfalls des Antragstellers zu 1) "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" ergebe. Zwar könnte zum Zeitpunkt der Einreise im April 2012 ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1) aus § 3 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 FreizügigG/EU abzuleiten sein. Denn damals sei der Antragsteller zu 1) zu seinen - nach seinen Angaben selbstständig tätigen - Eltern nach Deutschland gekommen. Sein Beweggrund sei gewesen, dass seine Eltern hier lebten und sein Vater den Schrotthandel betrieben habe; hier habe er auch arbeiten wollen. Damit habe der Antragsteller zu 1) zum Ausdruck gebracht, dass ein wesentliches Motiv der familiäre Nachzug nach Deutschland gewesen sei. Dementsprechend habe der Antragsteller zu 1) - wie er vorgetragen habe - auch von Anfang an bei seinem Vater im Schrotthandel mitgearbeitet und so familienhafte Mithilfe als Unterhaltsbeitrag geleistet. Er habe nämlich angegeben, hierfür keinen Lohn erhalten zu haben und nur gelegentlich etwas Geld, er sei aber von den Eltern im Übrigen mitfinanziert worden. Allerdings habe sich die Sachlage geändert, als der Vater den Schrotthandel aufgegeben habe. Nach Angaben des Antragstellers zu 1) liege die Geschäftsaufgabe ungefähr 7 - 8 Monate zurück. Seit diesem Zeitpunkt bezögen seine Eltern SGB II-Leistungen. Der Antragsteller zu 1) habe angegeben, dass er versuche eine Arbeitsstelle - möglichst in einer Tätigkeit als Fahrer - zu finden. Im Falle der Antragstellerin zu 2) sei dies offen. Es sei nicht bekannt, ob sie sich aktiv um Arbeit bemühe oder ob dies nicht der Fall ist und sie sich möglicherweise lediglich um die Betreuung und Erziehung des gemeinsamen Sohnes kümmere. Im letzteren Fall wäre die Antragstellerin zu 2), als "wirtschaftliche Inaktive" anzusehen, mit der Folge, dass die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bereits vom Wortlaut her nicht einschlägig sei. Bei Erfüllung der übrigen Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs.1 Satz 1 SGB II stünde ihr dann unter alleiniger Beachtung des nationalen Rechts ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen zu. Ein Verlust des Freizügigkeitsrechts der Antragsteller liege ausweislich der Auskunft der Stadt A-Stadt nicht vor, sodass derzeit von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen sei.
Allerdings sei umstritten, ob die Ausschlussnorm des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegen höherrangiges europäisches Recht verstoße. Ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen zu dieser Fragestellung habe der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständige 4. Senat des BSG mit seiner Vorlage vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 9/13 R - an den EuGH gestellt. Das BSG habe insbesondere die Frage aufgeworfen, ob Art. 45 Abs. 2 AEUV i.V.m. Art. 18 AEUV einer nationalen Bestimmung entgegenstehe, die Unionsbürgern, die sich als Arbeitsuchende auf die Ausübung des Freizügigkeitsrechts berufen könnten, eine Sozialleistung, die der Existenzsicherung diene und gleichzeitig auch den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtere, ausnahmslos für die Zeit eines Aufenthaltsrechts nur zur Arbeitsuche und unabhängig von der Verbindung mit dem Aufnahmestaat verweigere. Eine Klärung der Rechtsfrage sei noch nicht durch das Urteil des EuGH vom 11. November 2014 – Rs. C-333/13 – erfolgt. Einem Mitgliedstaat sei danach durch Art. 7 der Richtlinie 2004/38 die Möglichkeit eröffnet, nicht erwerbstätigen Unionsbürgern Sozialleistungen zu versagen, die von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machten, in den Genuss des Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaats zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel für die Beanspruchung eines Aufenthaltsrechts verfügten. Dies betreffe die so genannten "wirtschaftlich inaktiven" Personen. Nur für diesen Personenkreis habe der EuGH vorgenannte Aussage getätigt. Im Recht des SGB II - anders im Bereich des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch, Sozialhilfe (SGB XII), dort § 23 Abs. 3 - fehle jedoch eine Regelung die ausländischen Personen, die eingereist sind, um Grundsicherungsleistungen zu erhalten, den Anspruch auf diese Leistungen versage. Im Urteil vom 11. November 2014 habe der EuGH jedoch nicht darüber entschieden, ob die Ausschlussklausel des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II hinsichtlich eines Aufenthaltsrechts allein zum Zweck der Arbeitsuche mit höherrangigem Europarecht vereinbar sei.
Entscheidend sei daher hier auf das Ergebnis einer Folgenabwägung abzustellen. Diese falle zugunsten der Antragsteller aus. Auf der einen Seite stünden Grundrechte der Antragsteller, ihr Recht auf Menschenwürde in Form des Rechts auf Sicherung des Existenzminimums; das Existenzminimum der Betroffenen könne hier auf andere Weise als durch die vorläufige Gewährung von Sozialleistungen nicht erkennbar gesichert werden, denn eine zu Unrecht verweigerte Sicherung des Existenzminimums ließe sich für die Vergangenheit nicht mehr rückgängig machen. Dem stehe vor allem das Interesse des Staates an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gegenüber, welches aber im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegenüber dem dargestellten bedeutsamen Interesse der Antragsteller nachrangig sei. Unwägbarkeiten über die nicht eindeutig geklärte, aber immerhin nicht von vornherein Leistungsansprüche ausschließende Rechtslage dürften sich nicht zum Nachteil von potenziellen Leistungsberechtigten auswirken. Hinzuweisen sei allerdings darauf, dass das von den Antragstellern bezogene Kindergeld und das Elterngeld auf die Grundsicherungsleistungen anzurechnen seien.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners ist am 22. Januar 2015 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Der Antragsgegner ist der Rechtsauffassung, dass für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II hinreichend sei, dass der Antragsteller zu 1) zum Aufenthaltszweck allein die Arbeitsuche vortragen könne. Dem Antragsteller zu 1) könne kein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger zustehen, da der Antragsgegner bis Oktober 2014 im Rahmen der Leistungsgewährung an die Bedarfsgemeinschaft der Eltern die vollen Unterkunftskosten übernommen habe. Den Unterhalt hätten mithin nicht die Eltern, sondern der Antragsgegner zur Verfügung gestellt.
Unabhängig davon seien die Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB II um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu erweitern, wonach Personen vom Anspruch ausgeschlossen seien, denen kein (materielles) Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zustünde. Er beruft sich auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Dezember 2014 – L 7 AS 528/14 B ER.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 22. Dezember 2014 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsteller haben mit Versicherung an Eides statt des Antragstellers zu 1) vom 11. März 2015 vorgetragen, dass der Antragsteller zu 1) in Bulgarien bei seinen Eltern gewohnt habe. Er habe die Schule bis zur 8. Klasse besucht und danach eine Ausbildung zum Techniker begonnen, aber aus finanziellen Gründen abgebrochen. Nach der Ausreise der Eltern sei er zu seiner Großmutter gezogen. Die Eltern hätten im Monat ca. 200,- EUR bis 300,- EUR an ihn aus Deutschland geschickt. Die Großmutter sei vor vier Monaten verstorben. In Deutschland seien die Lebensmittel und die Wohnung von den Eltern finanziert worden.
Die Antragsteller tragen vor, dass die monatliche Rente der Großmutter umgerechnet 153,40 EUR betragen habe. Die Unterhaltszahlungen aus Deutschland für den Enkel seien daher notwendig gewesen.
Die Antragsteller sind der Rechtsauffassung, dass dem Antragsteller zu 1) ein Aufenthaltsrecht aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU zukomme. Da der Vater des Antragstellers bisher selbstständig erwerbstätig gewesen sei und bislang zumindest durch das Zurverfügungstellen der Wohnung Unterhaltsleistungen erbracht habe, dürfte das abgeleitete Freizügigkeitsrecht noch erhalten sein. Dies ergebe sich auch aus Ziff. 3.2.2.1 der Verwaltungsvorschrift zum FreizügG/EU. Der Antragsteller zu 3) sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt.
In der vom Antragsgegner zitierten Entscheidung des 7. Senats des Hessischen Landessozialgerichts sei nicht wirklich eine Auseinandersetzung mit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Dano erfolgt. Der EuGH habe dort lediglich den Fall entschieden, dass ein Antragsteller Sozialleistungen beantrage, der nicht willens sei zu arbeiten. Nur für diesen Fall sei gesagt worden, dass der nationale Gesetzgeber die Möglichkeit habe, diese Personengruppe von Leistungen auszuschließen. Der deutsche Gesetzgeber habe diesen Fall bisher nicht ausgeschlossen, obwohl das Bundesparlament die Entwicklung der Rechtsprechung beobachte. Die Antragsteller berufen sich insoweit auf die Stellungnahme von Prof. Dr. Daniel Thym in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 13. Oktober 2014 (Ausschussdrucksache 18(4)164F).
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die angegriffene einstweilige Anordnung zu Recht erlassen.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Ein solcher wesentlicher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm darüber hinaus nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
Das Leistungsverhältnis war bezüglich aller Antragsteller einer vorläufigen Regelung zugänglich (dazu 1.). Hinsichtlich des Anordnungsanspruches ist das Sozialgericht zutreffend von einer Leistungsberechtigung dem Grunde nach ausgegangen (dazu 2.). Die Antragsteller unterfallen keinem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II (dazu 3. a) bis c). Angesichts der Feststellungen des Senats zur Bedürftigkeit begegnet der Ausspruch des Sozialgerichts im Ergebnis keinen Bedenken; da es sich nur um eine Verpflichtung dem Grunde nach handelt, gab es auch keinen Änderungsbedarf wegen der zu Grunde gelegten Bedarfsgemeinschaft (dazu 4.).
1. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2015 hat der Antragsgegner klargestellt, dass das vorherige Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren die Ansprüche aller Antragsteller betraf. In Folge der zwischenzeitlich erfolgten Klageerhebung sind auch die Ansprüche aller Antragsteller einer vorläufigen Regelung zugänglich.
2. Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II nimmt der Senat Bezug auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Versicherung an Eides statt bestätigt die Würdigung des Sozialgerichts hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit auf der Grundlage der Verwaltungsakten des Antragsgegners, der vorgelegten Kontoauszüge und der erstinstanzlichen Anhörung im Erörterungstermin (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Insbesondere der gewöhnliche Aufenthalt der Antragsteller zu 2) und zu 3) ist auch gegenwärtig nicht in Zweifel zu ziehen, da es nach Auskunft des Antragsgegners keine von der Auskunft der Ausländerbehörde vom 16. Dezember 2014 abweichenden Bemühungen gibt, den Aufenthalt zu beenden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II).
3. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sind die Antragsteller nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfordert eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe des Aufenthaltsrechts am Maßstab des FreizügG/EU und ggf. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Der Leistungsausschluss greift daher nur, wenn positiv festgestellt werden kann, dass ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche besteht und nicht die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 – B 14 AS 138/11 R, juris Rn. 20; vgl. hinsichtlich der fiktiven Prüfung auch BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 23 ff. m.w.N.).
a) Dem Antragsteller zu 1) kommt nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger seines Vaters zu. Es handelt sich mithin nicht um ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU haben Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 genannten Unionsbürger das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Familienangehörige sind bei einem Alter ab 21 Jahren nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU erfasst, wenn sie Verwandte in gerader aufsteigender und in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 genannten Personen oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner sind, denen diese Personen oder ihre Ehegatten oder Lebenspartner Unterhalt gewähren.
Da der Vater des Antragstellers zu 1) jedenfalls bis vor kurzem noch als selbstständiger Schrotthändler aktiv tätig war und nach wie vor aus dieser Tätigkeit nach den bestandskräftigen Feststellungen des Antragsgegners noch nachwirkend Einnahmen erzielt, geht der Senat davon aus, dass der Vater nach wie vor ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU bzw. i.V.m. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU hat.
Der Vater gewährt dem Antragsteller zu 1) nach dessen eidesstattlicher Versicherung auch gegenwärtig noch Unterhalt in Gestalt der Gewährung von Unterkunft und Lebensmitteln. Eine solche Unterhaltsgewährung liegt in Übereinstimmung mit Nr. 3.2.2.1. der Verwaltungsvorschrift zum FreizügG/EU (abgedruckt in der Kommentierung zu § 3 FreizügG/EU von Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht 10. Auflage 2013) vor, "wenn dem Verwandten tatsächlich Leistungen zukommen, die vom Ansatz her als Mittel der Bestreitung des Lebensunterhalts angesehen werden können. Dazu gehört eine fortgesetzte regelmäßige Unterstützung in einem Umfang, der es ermöglicht, zumindest einen Teil des Lebensunterhalts regelmäßig zu decken. Maßstab ist dabei das Lebenshaltungsniveau in dem EU-Mitgliedstaat, in dem sich der Familienangehörige ständig aufhält. Es ist nicht erforderlich, dass derjenige, dem Unterhalt gewährt wird, einen Anspruch auf Unterhaltsgewährung hat oder seinen Unterhalt nicht selbst bestreiten könnte. Auf die Gründe für die Unterstützung kommt es ebenfalls nicht an."
Insoweit ist es hinreichend, dass die Eltern gegenwärtig dem Antragsteller zu 1) kostenfreie Unterkunft und weitere Naturalleistungen gewähren. Bereits in der Bereitstellung der Unterkunft besteht eine Unterhaltsgewährung in einem hinreichenden, dem o.g. Maßstab genügenden Umfang. Der Einwand des Antragsgegners, dass der Antragsgegner und nicht der Vater diesen die Unterkunft gewährten, geht insoweit fehl, da die Kosten der Unterkunft im bestandskräftigen letzten Leistungsbescheid der Eltern gerade anteilig um die Unterkunftskosten der hiesigen Antragsteller gekürzt worden sind. Im Übrigen geht der Antragsgegner nach wie vor von einem monatlichen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit i.H.v. 200,- EUR aus, so dass ein Teil der Unterstützungsleistung auch noch der wirtschaftlichen Sphäre des Vaters zuzurechnen ist.
Es handelt sich auch um einen Nachzug zur Herstellung der Familieneinheit, da der Antragsteller zu 1) in eine Familienwohnung nachgezogen ist und dadurch die Familieneinheit hinsichtlich des Wohnens wieder so hergestellt wurde, wie sie vor dem Wegzug der Eltern aus Bulgarien bestand. Aufgrund Sinn und Zweck des Aufenthaltsrechts zum Nachzug und des Erfordernisses der Unterhaltsgewährung ist darüber hinaus zu fordern, dass das Abhängigkeitsverhältnis zu dem Zeitpunkt, zu dem der betreffende Familienangehörige den Nachzug zu dem Unionsbürger beantragt (oder bei Unionsbürgern: vollzieht), der ihm Unterhalt gewährt, im Herkunftsland dieses Familienangehörigen bestehen muss (zuletzt EuGH, Urteil vom 16. Januar 2014, Rs. C-423/12 – Reyes – juris, Rn. 30 m.w.N.; vgl. auch Tewocht, in: Kluth/Heusch, Beck-OK Ausländerrecht, § 3 FreizügG/EU, Rn. 15). Hiervon ist der Senat aufgrund der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Versicherung an Eides statt überzeugt. Der Antragsteller hat ohne Ausbildung und Erwerbstätigkeit in Bulgarien bei seinen Eltern gewohnt, wurde während der Trennung von Deutschland aus von seinen Eltern unterstützt, während er in Bulgarien bei seiner Großmutter gelebt hat. Die Großmutter wäre angesichts der mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25. März 2015 dargelegten Rentenhöhe, an der der Senat keine Zweifel hegt, ohne Unterstützung der Eltern auch nicht in der Lage gewesen, den Lebensunterhalt des Antragstellers zu 1) sicherzustellen. Unerheblich ist, dass künftig die Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts nach § 3 FreizügG/EU durch einen Auszug oder die Einstellung der Unterhaltsgewährung infolge einer Leistung des Antragsgegners entfallen könnten. Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage ist der der gerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren.
b) Die Antragstellerin zu 2) kann sich gegenwärtig allein auf die Freizügigkeitsvermutung berufen (dazu aa) fällt aber aus diesem Grund nicht unter § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (dazu bb). Die Vorschrift kann auch nicht gegen den Wortlaut erweiternd ausgelegt oder analog auf die hiesige Fallkonstellation angewendet werden (dazu cc).
aa) Das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche nach § 2 Abs. 1 Nr. 1a FreizügG/EU haben Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Mit der zum 9. Dezember 2014 in Kraft getretenen Neufassung der Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche wurden nach Auffassung des Senats nur die Begrenzungsmöglichkeiten in das nationale Recht aufgenommen, die sich ohnehin aus Unionsrecht ergaben (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 1991, Rs. C-292/89 – Antonissen) und die der Senat auch schon bislang in § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU a.F. im Rahmen der Auslegung des Begriffs "Arbeitsuche" anwendete (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. November 2013 – L 6 AS 378/12 –, juris Rn. 52). Die Antragstellerin zu 2) hat indes bislang weder in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet noch hat sie in der Bundesrepublik Deutschland Arbeit gesucht.
Sie ist auch nicht Familienangehörige des Antragstellers zu 1). Aus ihrer sonstigen familiären Situation kann sie ebenfalls kein Aufenthaltsrecht nach § 3 FreizügG/EU herleiten, da die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 FreizügG/EU nicht vorliegen. An einem Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union fehlt es, da die Antragstellerin zu keinem früheren Zeitpunkt die Arbeitnehmereigenschaft erfüllte und ihr Sohn noch keine Ausbildung begonnen hat.
Es besteht mithin allein ein Aufenthaltsrecht aus der Freizügigkeitsvermutung. Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU erst dann ausreisepflichtig, wenn die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nicht besteht. Nach dem vom Gesetzgeber ausdrücklich vollzogenen Umkehrschluss (BT-Drs. 15/420, S. 106; zuletzt ) gilt bis dahin die Freizügigkeitsvermutung (Oberhäuser, ASR 2014, 191; Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 11 FreizügG/EU, Rn. 7 f., beide m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v.16.11.2010, 1 C 17/09, juris Rn. 11 = BVerwGE 138, 122; BSG, Urt. vom 30.1.2013,B 4 AS 54/12 R, BSGE 113, 60 ff., Rn. 18-21 im Rahmen der Prüfung des gewöhnlichen Aufenthalts). Im Falle des Nichthandelns der Ausländerbehörde müssen damit andere Behörden vom legalen Aufenthalt ausgehen (st. Rspr. des Senats seit Urteil vom 27. November 2013 – L 6 AS 378/12 –, juris).
bb) Bei der Freizügigkeitsvermutung handelt es sich nicht um ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Der Leistungsausschluss ist aufgrund der notwendigen fiktiven Prüfung (s.o.) deckungsgleich mit den Begriffen und der Systematik des FreizügG/EU auszulegen. Die Systematik des FreizügG/EU verbietet es, im Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche gleichsam ein "Auffang-Aufenthaltsrecht" zu sehen (so ausdrücklich auch Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 2 FreizügG/EU, Rn. 59 m.w.N.). Wie bereits oben dargelegt, handelt es sich beim Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche um einen qualifizierten Tatbestand mit objektivierbaren Kriterien; insbesondere die erforderliche Erfolgsprognose und das fehlende Erfordernis, die Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU einhalten zu müssen, stehen einer Auslegung als Auffang-Tatbestand entgegen. Die Gegenauffassung würde zum aufenthaltsrechtlich widersinnigen Ergebnis führen, dass es allein am Unionsbürger läge, durch die bloße Behauptung, er suche Arbeit, die Anforderungen von § 2 Abs. 2 Nr. 5 in Verbindung mit § 4 FreizügG/EU zu umgehen. Nach diesen Vorschriften gelten nämlich bei wirtschaftlicher Inaktivität wesentlich strengere Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht als beim Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche.
cc) Es gibt auch nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 11. November 2014 – Rs. C-333/13 – Dano – keinen methodisch tragfähigen Grund, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erweiternd auszulegen oder analog auf die Konstellation anzuwenden, dass der Aufenthalt allein wegen der Freizügigkeitsvermutung legal ist (aus jüngster Zeit wie hier: SG Darmstadt, Urteil vom 27. Januar 2015 – S 20 AS 480/14 – juris; SG Frankfurt, Beschluss vom 4. Februar 2015 – S 16 AS 2122/14 ER – (unveröffentlicht); Groth, jurisPR-SozR 2/2015 Anm. 1; Schreiber, info also 2015, 3; Wallrabenstein, in: Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität (Hrsg.), 100 Jahre Rechtswissenschaft in Frankfurt (Festschrift), 2014, S. 229, 240 ff.; im Ergebnis im Wege der Folgenabwägung bei der hiesigen Fallgruppe auch: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2015 – L 25 AS 38/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 2015 – L 19 AS 195/15 B; vgl. auch die ausführlichen Nachweise zum Meinungsstand im Beschluss des Senates vom 5. Februar 2015 – L 6 AS 883/15 B ER). Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 11. November 2014 im Tenor festgestellt, dass u.a. Art. 24 Abs. 1 der Unionsbürger-Richtlinie (RL 2004/38/EG) einem Leistungsausschluss nicht entgegensteht, "sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht." Ein derartiger Leistungsausschluss ist – wie oben ausgeführt – in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht geregelt.
Insbesondere Systematik, Entstehungsgeschichte und der Zweck stehen einer erweiternden Auslegung gegen den Wortlaut ("erst recht-Schluss") oder einer analogen Anwendung entgegen (ausf. dazu: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. März 2014 – L 31 AS 1348/13; Hessisches LSG, Urteil vom 27. November 2013 - L 6 AS 378/12; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Oktober 2013 – L 19 AS 129/13; Thüringer LSG, Beschl. v. 25. April 2014 – L 4 AS 306/14 B ER): Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II dient primär der Umsetzung von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG bei einem bestehenden Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche (so BT-Drs. 16/5065, S. 234; vgl. auch BT-Drs. 16/688, S. 13). Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ist im Fall fehlender Arbeitsuche aber gerade nicht einschlägig (so auch EuGH, Urteil vom 11. November 2014 – Rs. C-333/13 – Dano, Rn. 66).
Die Gesamtregelung des § 7 Abs. 1 SGB II ist in sich stimmig und ohne Regelungslücke, da Fälle, in denen dem betreffenden Staatsangehörigen "kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht", teilweise vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II mit einer entsprechenden Überleitung ins Leistungssystem des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) erfasst werden. Dieser Leistungsausschluss greift allerdings nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG – der aufenthaltsrechtlichen Systematik folgend – erst bei vollziehbarer Ausreisepflicht, die wiederum einen entsprechenden ausländerbehördlichen Verwaltungsakt voraussetzt. Eine analoge Anwendung des Leistungsausschlusses auf Personen mit vermutetem Aufenthaltsrecht führte zudem zum systemwidrigen Ergebnis, dass nicht vollziehbar ausreisepflichtige Personen schlechter gestellt werden würden, als vollziehbar ausreisepflichtige Personen, die immerhin noch nach dem AsylbLG leistungsberechtigt sind.
Entgegen einer jüngst häufiger vertretenen Auffassung (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2015 – L 29 AS 3339/14 B ER – juris, Rn. 52; LSG Hamburg, Beschluss vom 1. Dezember 2014 – L 4 AS 444/14 B ER – juris, Rn.10 Hessisches LSG, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – L 7 AS 528/14 B ER – juris, Rn. 56) existiert auch kein Systembruch oder eine Gleichheitswidrigkeit des Leistungsausschlusses bei freizügigkeitsberechtigten Arbeitsuchenden im Vergleich zu Personen, die sich allein aufgrund der Freizügigkeitsvermutung rechtmäßig aufhalten: Bei Personengruppen, deren gewöhnlicher Aufenthalt durch die Anwendung des Aufenthaltsrechts beendet werden kann, bedarf es keines sozialrechtlichen Leistungsausschlusses, wenn der Zugang zur Leistung grundsätzlich gerade über den gewöhnlichen Aufenthalt gesteuert wird. Hierbei handelt es sich insbesondere nicht um eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG: Dem allgemeinen Gleichheitssatz kann grundsätzlich kein Schlechterstellungsgebot dergestalt entnommen werden, dass aus einer Ungleichbehandlung allein die Rechtsfolge einer Schlechterstellung der ursprünglich bessergestellten Vergleichsgruppe abgeleitet werden müsste (statt vieler: Epping, Grundrechte, 5. Aufl. 2012, Rn. 773; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 3, Rn. 40 ff.). Zudem handelt es sich nicht um eine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Personengruppen: Bei der einen Personengruppe kann die Ausländerbehörde das Fehlen eines Aufenthaltsrechts feststellen, bei der anderen nicht.
Verfassungsrechtliche Gründe stehen vielmehr einer Analogie zu Lasten des betroffenen Personenkreises entgegen. Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG. Ein Hilfebedürftiger darf nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter verwiesen werden, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen gewährleistet ist. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthält (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125,175 – zitiert nach juris, Rn. 136). Konsequent hat das Bundessozialgericht bei der Anwendung des Europäischen Fürsorgeabkommens ungeschriebene Leistungsausschlüsse im SGB II als mit § 31 SGB I unvereinbar angesehen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R – BSGE 107, 66 ff., zit. nach juris, Rn. 40). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die neuere Gesetzgebungsentwicklung die methodischen Bedenken des Senats gegen einen "erst recht"-Schluss oder eine anspruchsausschließende Analogie noch erheblich verstärkt hat. Der Gesetzgeber hat sich jüngst aufgrund einer Würdigung der hier betroffenen Konstellation und der hierzu ergangenen Rechtsprechung bewusst gegen eine Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II entschieden (siehe Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2. Dezember 2014, BGBl. I 2014, 1922). Diesem Artikelgesetz voraus ging der BMI/BMAS-Abschlussbericht des Staatssekretärsausschusses zu "Rechtsfragen und Herausforderungen bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme durch Angehörige der EU-Mitgliedstaaten" (BT-Drs. 18/2470), in dem sowohl Änderungen des Sozialrechts wie des Aufenthaltsrechts eingehend erörtert wurden. Zur Frage des Leistungsausschlusses findet sich dort sowohl eine Aufarbeitung der Rechtslage (BT-Drs. 18/2470, S. 37 f.) als auch die Feststellung, dass hinsichtlich einer Änderung der Leistungsausschlüsse im SGB II keine Handlungsspielräume gesehen werden (S. 62). Vorgeschlagen wurde im SGB II allein (siehe BT-Drs. 18/2470, S. 5) die nunmehr durch Art. 4 des genannten Artikelgesetzes auch umgesetzte finanzielle Entlastung der Kommunen durch § 46 Abs. 7a SGB II.
c) Aus vergleichbaren Gründen unterfällt der Antragsteller zu 3) nicht dem Leistungsausschluss; er hat mithin einen Sozialgeldanspruch (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Da der Antragsteller zu 1) lediglich ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger hat, kann der Antragsteller zu 3) von ihm kein weiteres Aufenthaltsrecht ableiten. Die Definition des Familienangehörigen in § 3 Abs. 2 FreizügG/EU schließt die Ableitung eines Aufenthaltsrechts von einem nur als Familienangehörigen Freizügigkeitsberechtigten wegen der fehlenden Bezugnahme auf § 2 Abs. 2 Nr.6 FreizügG/EU aus.
4. Da das Sozialgericht Leistungen dem Grunde nach zuerkannt hat, war die Entscheidung auch nicht aufgrund des Umstandes zu ändern, dass nach Auffassung des 14. Senats des Bundessozialgerichts entgegen der bislang vorherrschenden Ansicht und Verwaltungspraxis eine sog. Drei-Generationen-Bedarfsgemeinschaft konstruierbar ist (siehe BSG, Urteil vom 17. Juli 2014 - B 14 AS 54/13, juris Rn. 25). Der 14. Senat hat sich in dieser Entscheidung allerdings nicht abschließend festgelegt, so dass nichts dagegen spricht, den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anrechnung des Großelterneinkommens beim Enkel (dazu Urteil des erkennenden Senats vom 24. April 2013 – L 6 AS 376/11) in der Weise Rechnung zu tragen, wie dies in den letzten Leistungsbescheiden geschehen ist.
5. In Anbetracht des Umfangs der Bedarfssituation der Antragsteller ist das Sozialgericht auch zutreffend von einem Anordnungsgrund ausgegangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved