L 11 AS 91/15 WA

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 91/15 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Zulässigkeit einer Wiederaufnahmeklage
I. Die Klage auf Wiederaufnahme des durch Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 02.02.2012 abgeschlossenen Verfahrens L 11 AS 162/11 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme eines durch Urteil abgeschlossenen Berufungsverfahrens wegen der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als Zuschuss statt als Darlehen.

Der 1958 geborene Kläger bezog seit 01.01.2005 Alg II. Bei seiner erstmaligen Antragstellung am 25.11.2004 gab er an, Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Flächen zu sein und Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu erzielen. In der Folgezeit bewilligte der Beklagte dem Kläger daher bis 30.06.2008 Alg II als Zuschuss unter Anrechnung von Einkommen.

Nachdem der Kläger anlässlich des Weiterbewilligungsantrages für die Zeit ab dem 01.07.2008 angegeben hatte, kein Einkommen zu erzielen, ermittelte der Beklagte auf der Grundlage des Grundbuches des Amtgerichtes K., der Kläger sei Eigentümer mehrerer Grundstücke in den Gemarkungen S. und R. (vorgetragen im Grundbuch R.). Auf der Grundlage der Angaben des Gutachterausschuss beim Landratsamt K. ermittelte der Beklagte für die Grundstücke des Klägers einen Verkehrswert von 19.622,50 EUR, der den für den Kläger maßgeblichen Freibetrag (8.250.- EUR) übersteige. Nachdem der sofortige Verbrauch dieses Vermögens nicht möglich gewesen sei, bewilligte der Beklagte dem Kläger in der Folge der Fortzahlungsanträge vom 24.11.2008, 03.06.2009, 07.12.2009 und 11.06.2010 für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 Leistungen nach dem SGB II (ua Beträge zur freiwilligen Krankenversicherung des Klägers) als Darlehen (Bescheid vom 18.12.2008 idG des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009 und dF des Bescheides vom 15.05.2009 - Zeitraum 01.01.2009 bis 30.06.2009; Bescheid vom 04.06.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009 - Zeitraum 01.07.2009 bis 31.12.2009; Bescheid vom 07.12.2009 idG des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 - Zeitraum 01.01.2010 bis 30.06.2010; Bescheid vom 14.06.2010 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2010 und 19.01.2011 - Zeitraum 01.07.2010 bis 31.12.2010).

Die hiergegen zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klagen S 10 AS 195/09, S 10 AS 937/09, S 10 AS 222/10 und S 10 AS 722/10 hat das SG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und diese Klagen mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2011 abgewiesen. Die dagegen zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 02.02.2012 zurückgewiesen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat die hiergegen vom Kläger selbst eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen (Beschluss vom 10.05.2012 - B 4 AS 64/12 B).

Am 17.02.2014 hat der Kläger - anlässlich anderer Berufungsverfahren - beim LSG die Wiederaufnahme des Verfahrens L 11 AS 162/11 beantragt. Es sei noch immer kein Gutachten mit drei Unterschriften erstellt worden. Alles sei falsch ermittelt worden. Außerdem gebe es eine Urkunde, auf die er keinen Zugriff habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Verfahren L 11 AS 162/11 wieder aufzunehmen, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 02.02.2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.01.2011 aufzuheben sowie den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 18.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2009, vom 04.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2009, vom 07.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2010 und vom 14.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2011 zu verurteilen, Alg II als Zuschuss statt als Darlehen für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt, die Wiederaufnahmeklage als unzulässig verwerfen.

Gründe für eine Wiederaufnahme seien nicht schlüssig dargelegt.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens L 11 AS 162/11 ist nicht statthaft und damit als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat ist vorliegend für die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens zuständig. Gemäß § 179 Abs 1 SGG iVm § 584 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist für Wiederaufnahmeklagen ausschließlich zuständig das Gericht, das im ersten Rechtszug erkannt hat, und wenn das angefochtene Urteil von dem Berufungsgericht erlassen wurde, das Berufungsgericht, wobei zu beachten ist, dass das LSG nur dann zuständig ist, wenn es - wie vorliegend - sachlich entschieden und nicht die Berufung als unzulässig verworfen hat (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.1998 - 5/5b RJ 92/86 - Juris).

Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der ZPO wieder aufgenommen werden (§ 179 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Hiernach kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen (§ 578 Abs 1 ZPO).

Die Wiederaufnahme ist ferner zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat (§ 179 Abs 2 SGG)

Zuletzt ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch zulässig, wenn mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig anerkannt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig zur Leistung verurteilt worden sind bzw. wenn ein oder mehrere Versicherungsträger denselben Anspruch endgültig abgelehnt haben oder wegen desselben Anspruchs rechtskräftig von der Leistungspflicht befreit worden sind, weil ein anderer Versicherungsträger leistungspflichtig sei, der seine Leistung bereits endgültig abgelehnt hat oder von ihr rechtskräftig befreit worden ist (§ 180 Abs 1 SGG).

In diesem Zusammenhang gehört zur Statthaftigkeit eines Wiederaufnahmeantrages zumindest die schlüssige Behauptung, ein Wiederaufnahmegrund liege vor (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.1994 - X ZR 51/92 - NJW 1995, 332ff; Greger in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 589 Rn.2 mwN), wohingegen erst die weitergehende Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund tatsächlich vorliegt, eine Frage der Begründetheit ist.

Vorliegend hat der Kläger mit seinem Wiederaufnahmeantrag im Februar 2014 geltend gemacht, es sei kein (Wert-)Gutachten in Bezug auf sein Immobilienvermögen eingeholt worden, eine Argumentation, die er bereits im Rahmen des Verwaltungs-, Klage und Berufungsverfahrens vorgetragen hatte, so dass er mit dem Wiederaufnahmeantrag lediglich die sachliche Richtigkeit des Urteils vom 02.02.2012 in Frage stellt. Soweit der Kläger kurz vor der mündlichen Verhandlung am 18.03.2015 noch behauptet hat, es gebe eine Urkunde, auf die er keinen Zugriff habe, genügt auch dieser Vortrag nicht, einen Restitutionsgrund iSd § 580 Nr. 7 b ZPO schlüssig darzulegen. Dem Vortrag des Klägers ist nämlich nicht zu entnehmen, ob diese Urkunde überhaupt einen Bezug zu dem Verfahren hat, dessen Wiederaufnahme er begehrt, so dass diesem Vortrag ebenfalls nur zu entnehmen ist, der Kläger stelle erneut, gestützt jedoch auf andere Argumente, die sachliche Richtigkeit des Urteils vom 02.02.2012 in Frage. Einen Wiederaufnahmegrund im oben genannten Sinne legt der Kläger jedoch auch damit nicht dar.

Sinn und Zweck der Vorschriften über die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens ist die Beseitigung schwerster verfahrensrechtlicher Mängel (Nichtigkeitsklage iSd § 579 ZPO), die Beseitigung von Urteilen, die auf unrichtiger insbesondere verfälschter Grundlage ergangen sind (§ 179 Abs 2 SGG bzw. Restitutionsklage iSd § 580 ZPO) oder auf die Beseitigung widersprechender Entscheidungen von Sozialleistungsträgern abzielen (180 SGG). Eine materielle Prüfung des Anspruches ist daher erst möglich, wenn feststeht, dass der Weg der gerichtlichen Entscheidungsfindung mit erheblichen Mängeln im oben genannten Sinne behaftet war, die eine Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteiles geboten erscheinen lassen. Allein das Bestehen eines materiellen Anspruches - der nach Lage der Akten jedoch nicht zu erkennen ist - rechtfertigt die Rechtskraftdurchbrechung des Urteiles vom 02.02.2012 nicht. Soweit der Kläger die materielle Rechtswidrigkeit der bindenden Bescheide des Beklagten aus den Jahren 2008 bis 2010 geltend machen will, ist dies nur im Rahmen eines beim Beklagten durchzuführenden Verwaltungsverfahrens möglich, wobei die geltend gemachten Ansprüche bereits an der Jahresfrist des § 44 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II scheitern dürften. Hierüber hat der Senat vorliegend jedoch nicht zu entscheiden.

Im Ergebnis ist die Klage auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens - mangels Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes - nicht statthaft und damit als unzulässig zu verwerfen (§ 589 Abs 1 Satz 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des Klägers

Gründe, die Revision gemäß § 160 Absatz 2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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