L 9 B 30/00 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 3572/99 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 30/00 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zeitungszusteller Scheinselbständigkeit Aussetzung des Vollzug von Beitragsbescheiden
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Februar 2000 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 11. Dezember 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 1999 wird ebenfalls zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Hauptsacheverfahren angefochtenen Beitragsbescheide der Antragsgegnerin, mit denen diese von der Antragstellerin als Arbeitgeberin Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 330.169,47 DM fordert.

Die Antragstellerin, die aus dem Beitrittsgebiet stammt und dort nach ihren Angaben im Schreiben vom 5. Februar 1999 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages keine Möglichkeit hatte, eine ihrer Qualifikation entsprechende berufliche Existenz aufzubauen, betrieb seit 1991 (Gewerbeabmeldung zum 31. Dezember 1999) eine Agentur zur Verteilung von Zeitungen und Werbematerial in der Rechtsform einer Einzelfirma. Sie beschäftigte neben insgesamt 15 Arbeitnehmern, für die auch Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden, mehr als 350 Zusteller, die nach ihrer Auffassung selbständig erwerbstätig waren. Dementsprechend reichte sie der Einzugsstelle für diesen Personenkreis keine Meldungen ein und entrichtete auch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge.

Mit den Zustellern wurde jeweils ein schriftlicher Formular-„Vertrag für nebenberufliche Zeitungszusteller“ geschlossen, in dem ihnen ein bestimmtes Vertragsgebiet und die rechtliche Stellung eines selbständigen Gewerbetreibenden im Nebenberuf (§§ 84, 92 b Handelsgesetz-buch -HGB-) zugewiesen wurde. Die Zusteller wurden u.a. verpflichtet, die Belieferung der Abonnenten bis 6.00 Uhr im vertraglich festgelegten Bereich nach Anlieferung durch den Gruppenleiter vorzunehmen, die ihnen überlassenen Gegenstände und Unterlagen pfleglich zu behandeln, ihr Einkommen selbst zu versteuern, die erforderlichen Versicherungen abzuschließen, nicht für ein anderes Zeitungsunternehmen tätig zu werden und Urlaub sowie Erkrankung unverzüglich mitzuteilen, damit seitens der Antragstellerin für Ersatz gesorgt werden könnte. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vertragsgestaltung wird auf das Muster auf Blatt 36 bis 38 des Bandes I der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.

Nachdem zunächst das Hauptzollamt bei einer Prüfung im Juli 1996 festgestellt hatte, dass keine Sozialversicherungsbeiträge für den Personenkreis der Zusteller abgeführt worden waren und der Vorgang deshalb wegen des Verdachtes der Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266 a Strafgesetzbuch (StGB) an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden war, forderte diese die Antragsgegnerin zu einer Prüfung zur Feststellung des Beitragsschadens auf.

Da die Antragstellerin trotz wiederholter Aufforderung ihre Geschäftsunterlagen nicht zur Verfügung stellte, wurden diese beschlagnahmt. Die Antragsgegnerin stellte zunächst mit Bescheid vom 9. Dezember 1997 für den Zeitraum von Dezember 1992 bis Dezember 1993 eine Beitragsforderung von 73.794,-- DM (Summenbeitragsbescheid nach § 28 f Sozialgesetzbuch/Viertes Buch -SGB IV-) fest und widerrief diesen teilweise mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 (§ 28 f Abs. 2 Satz 5 SGB IV), nachdem die Durchsicht der beschlagnahmten Unterlagen Feststellungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht und zur Höhe des Arbeitsentgeltes noch möglich gemacht hatte. Für den Zeitraum von Dezember 1992 bis Dezember 1993 forderte die Antragsgegnerin nun personenbezogen 37.925,11 DM und summenbezogen 38.689,20 DM, insgesamt also 76.613,31 DM an Sozialversicherungsbeiträgen nach. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlage 1 Blatt 1 bis 84 zum Bescheid Bezug genommen. Gleichzeitig stellte sie die Versicherungsfreiheit von 113 Zeitungszustellern wegen offensichtlich geringfügig entlohnter Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV fest.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 1998 machte die Antragsgegnerin für die Zeit von Januar 1994 bis November 1997 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 253.556,16 DM geltend, wovon 182.950,02 DM personenbezogen und 70.606,14 DM summenbezogen nachgefordert wurden. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlage 1 Blatt 1 bis 61 zum Bescheid Bezug genommen. Außerdem stellte die Antragsgegnerin Versicherungsfreiheit wegen geringfügig entlohnter Beschäftigung für 156 Zeitungszusteller fest.

Den gegen diese Bescheide gerichteten Widersprüchen blieb jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 1999 der Erfolg versagt.

Hiergegen hat die Antragstellerin am 25. August 1999 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben (Az.: S 13 RA 3572/99) und gleichzeitig die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt.

Mit Beschluss vom 11. Februar 2000 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.

Gegen den ihr am 25. Februar 2000 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde vom 9. März 2000, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerin den Begriff des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses verkannt habe. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) habe am 16. Juli 1997 entschieden, dass Zeitungszusteller auch selbständig tätig sein könnten. Umfang und Organisation der Tätigkeit der Zusteller bei der Antragstellerin sprächen hier für eine selbständige und damit versicherungs- und beitragsfreie Tätigkeit.

Die Antragsgegnerin hat demgegenüber an ihrer in den angefochtenen Bescheiden dargelegten Rechtsauffassung festgehalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände) sowie weitere 4 Bände Beiakten, die Gerichtsakten zum Hauptsacheverfahren und die Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren verwiesen.

Die zulässige Beschwerde (§ 172 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht abgelehnt. Soweit das Sozialgericht über den Antrag nicht vollständig entschieden hat, musste der Senat ihn im Beschwerdeverfahren als unbegründet zurückweisen.

Im Beschwerdeverfahren war sowohl über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 9. Dezember 1997 und 10. Dezember 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 1999, denen das Sozialgericht irrtümlich die Beitragsforderung von 253.556,16 DM zugeordnet hat, obwohl mit diesen Bescheiden nur 76.613,31 DM gefordert werden, als auch über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 11. Dezember 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 1999, mit dem tatsächlich 253.566,16 DM gefordert werden, zu entscheiden, da die Antragstellerin dies mit der Beschwerde, die auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf den gesamten Klagegegenstand gerichtet ist, beantragt, und die Antragsgegnerin dem nicht widersprochen hat (zur vergleichbaren Prozesssituation, in der das Sozialgericht einen während des Klageverfahrens erlassenen Bescheid übersehen hat: Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 96 Rdnr. 12). Von der in seinem Ermessen stehenden Möglichkeit der Zurückverweisung an das Sozialgericht in analoger Anwendung des § 159 SGG hat der Senat auch wegen des im einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bestehenden Eilbedürfnisses keinen Gebrauch gemacht.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag entfällt auch nicht schon deshalb, weil die Antragstellerin ihr Gewerbe zum 31. Dezember 1999 abgemeldet hat, da sie als Inhaberin der Einzelfirma persönlich für die Beitragsrückstände haftet, auch wenn der vorliegende Sachverhalt angesichts des bisherigen beruflichen Werdegangs der Antragstellerin in der ehemaligen DDR, der im Ermittlungsverfahren auftretenden Herren P (Prokurist) und K (Bruder der Antragstellerin) sowie der Tätigkeit der Tochter des Prokuristen in der beauftragten Steuerberatungsgesellschaft Anhaltspunkte dafür bietet, dass die Antragstellerin in ihrer Firma nicht das Gewicht besaß, das normalerweise einem Eigentümer zukommt.

Im vorliegenden Fall sind die Vorschriften des SGG zum vorläufigen Rechtsschutz, insbesondere § 97 Abs. 1 Nr. 3 SGG, tatbestandlich nicht einschlägig. Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 26. Januar 2000 zur Begründung ihrer Rechtsauffassung, die Voraussetzungen des § 97 Abs. 1 Nr. 3 SGG lägen vor, die Ansicht vertreten hat, dass Anfechtungsklagen in der Regel zur Feststellung der Nichtigkeit des angefochtenen Bescheides führen, so kann der Senat dem nicht folgen. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin nicht einmal formal Nichtigkeitsfeststellungsklage erhoben hat, hat sie auch keine Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 40 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch -SGB X- geltend gemacht, so dass die beanspruchte aufschiebende Wirkung der Klage nicht auf § 97 Abs. 1 Nr. 3 SGG gestützt werden kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- nur dann in Betracht, wenn das Interesse des von einem kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes Betroffenen an dem Aufschub der Maßnahme das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Durchsetzung übersteigt. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich der Bescheid bei summarischer Prüfung als rechtswidrig erweist, da an der sofortigen Vollziehung rechtswidriger Maßnahmen kein öffentliches Interesse besteht. Allerdings erfolgt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten (hier: Sozialversicherungsbeiträge) nur dann, wenn ernstliche Zwei-fel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn seine Vollziehung für den betroffenen Zahlungspflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öf-fentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen erst dann, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes derart überwiegen, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen in der Hauptsache (ständige Rechtsprechung des Senats, etwa Beschluss vom 23. April 1997 - L 9 Kr-SE 40/97 -; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage 1998, Rdnr. 791 m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen muss der Antragstellerin abverlangt werden, die von der Antragsgegnerin geforderten Sozialversicherungsbeiträge bereits vor Rechtskraft einer Entscheidung im anhängigen Hauptsacheverfahren zu zahlen. Die Beiträge dienen dem hochrangigen Rechtsgut der Finanzierung öffentlicher Aufgaben im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme. Bei der hier gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden ernstlichen Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung.

Die Antragsgegnerin hat zu Recht in den angefochtenen Bescheiden die Versicherungs- und Beitragspflicht der jeweils in der Anlage 1 zu den angefochtenen Bescheiden aufgeführten Arbeitnehmer mit den sich jeweils ergebenden Besonderheiten in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und bis 31.Dezember 1997 nach § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz -AFG- festgestellt, die entsprechenden Beiträge berechnet und insoweit die Antragstellerin ge-mäß § 253 SGB V, § 60 SGB XI, § 174 SGB VI in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 28 d, 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV als Arbeitgeberin in Anspruch genommen.

Sie hat dabei die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit nach § 8 SGB IV bzw. die Beitragsfreiheit nach § 102 AFG ebenso berücksichtigt wie die Besonderheiten bei der Beitragshöhe und -entrichtung (§ 5 Abs. 4, § 172 Abs. 1 SGB VI; bis 31. Dezember 1997: § 172 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 175 Abs. 1 Nr. 5 AFG). Zweifel an der Richtigkeit der Beitragshöhe bestehen daher bei summarischer Prüfung nicht.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin waren die Zeitungszusteller nicht selbständig erwerbstätig, sondern bei ihr versicherungs- bzw. beitragspflichtig abhängig beschäftigt.

Wie § 7 Abs. 1 SGB IV dies für die Zweige der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung allgemein umschreibt, ist die als Anknüpfungspunkt für das Beitragsrecht maßgebliche Beschäftigung definiert als „nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“.

Für die Abgrenzung von versicherungspflichtiger Beschäftigung und (nicht versicherungspflichtiger) selbständiger Erwerbstätigkeit kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) darauf an, ob ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis eines Arbeitnehmers gegenüber einem Arbeitgeber infolge der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation besteht. Typisches Merkmal dieses Abhängigkeitsverhältnisses ist die Weisungsbefugnis des Arbeitsgebers über Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der Tätigkeit (BSGE 13, 196, 197, 201 f.; 35, 20, 21; SozR 2200 § 1227 RVO Nrn. 4, 8, 19; Urteil des Senats vom 27. Oktober 1993, abgedruckt in NZS ‘94, 409 und hierzu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Mai 1996, abgedruckt in NZS ‘96, 522); allerdings kann dieses Weisungsrecht - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein (BSGE 16, 289, 294; SozR 2200 § 1227 RVO Nr. 19, S. 42).

Die selbständige Tätigkeit kennzeichnet demgegenüber das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Bedeutsam ist dabei, ob eigenes Kapital und/oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr auch eines Verlustes eingesetzt werden, der Erfolg des Einsatzes und der sachlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.

Ob eine Tätigkeit abhängig oder selbständig verrichtet wird, entscheidet sich letztlich danach, welche Merkmale überwiegen. Alle Umstände des Einzelfalles sind zu berücksichtigen. Hierbei ist zwar auch die vertragliche Ausgestaltung des Verhältnisses zu beachten. Weichen die vertraglichen Regelungen jedoch von den tatsächlichen Verhältnissen ab, haben letztere ausschlaggebende Bedeutung (BSGE 35, 20, 21; 38, 53, 57; SozR 2200 § 1227 RVO Nrn. 4, 8, 19 m.w.N.; SozR 2200 § 165 RVO Nr. 63). Diese Grundsätze hat auch das BAG in der von der Antragstellerin herangezogenen Entscheidung vom 16. Juli 1997 (BAGE 86, 170-177) angewandt und ausgeführt, dass Zeitungszusteller daher sowohl in der arbeitsrechtlichen, als auch in der finanz- und sozialgerichtlichen Rechtsprechung überwiegend als Arbeitnehmer angesehen worden sind. Es hat ausgeführt, dass bei den Zeitungsausträgern, die sechs Tage in der Woche Tageszeitungen zustellen, der Unternehmer im Allgemeinen innerhalb des abgegrenzten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung des Zustellers verfügen kann, auch wenn diese nicht exakt nach Stunden und Minuten bestimmt ist und der Zusteller die Reihenfolge der Zustellung bestimmen kann. Dagegen spreche es gegen das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, wenn die Anzahl der auszutragenden Zeitungen so groß sei, dass die Einschaltung von Hilfskräften durch den Zusteller selbst erforderlich erscheint, das Arbeitsvolumen also erheblich über das hinausgeht, was ein Einzelner in der vorgegebenen Zeit leisten kann.

Eine derartige Fallgestaltung liegt hier aber offensichtlich nicht vor. Schon nach dem Vertrag war jeder Zusteller nur für einen bestimmten begrenzten Zustellungsbereich tätig, in dem er in der Regel die Zeitungen bis 6.00 Uhr morgens auszutragen hatte. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Touren nicht von einem Zusteller zu bewältigen waren. So hat der Zeuge Fröhlich im Ermittlungsverfahren ausgesagt, dass die festgelegten Touren zu schaffen gewesen seien (Aussage vom 11. Dezember 1996). Dieses Ergebnis bestätigen auch die Vielzahl von handschriftlichen Vermerken der Antragstellerin über die von den jeweiligen Zeitungszustellern bedienten Austragungstouren, die jeweils genau bezeichnet worden sind (Verzeichnis der sichergestellten Unterlagen, Blatt 105 f Verwaltungsakte). Es sind weder aus der Höhe des für diese Touren gezahlten Entgeltes noch aus den Vermerken selbst Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für das Austragen auf den vorgesehenen Routen vom Zeitungszusteller selbst auch noch Hilfskräfte eingesetzt werden mussten. Da die Zeitungszusteller nach den jeweiligen Anlagen zu den angefochtenen Bescheiden zwar regelmäßig über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus, meistens jedoch unter 1.000,-- DM monatlich, verdient haben, ist auch gar nicht ersicht-lich, wovon hier für die festen vorgesehenen Touren auch noch Hilfskräfte bezahlt worden sein sollen. Soweit die Antragstellerin für die in dem beschriebenen Rahmen liegenden Verdienste teilweise mehrere Namen als Zusteller angegeben und diese als „Familienzusteller“ bezeichnet hat, ist dies auch kein Hinweis darauf, dass die Touren zu groß gewesen sind, um von einem Zusteller bewältigt werden zu können.

Nach der oben zitierten Rechtsprechung ist es nicht entscheidend, dass die Zeitungszusteller in den Formularverträgen als selbständige Gewerbetreibende im Nebenberuf nach §§ 84 ff HGB, insbesondere § 92 b HGB, bezeichnet worden sind. Dies wäre nur dann von ausschlaggebender Bedeutung, wenn die tatsächlichen Verhältnisse mit dieser auf eine Selbständigkeit hindeutenden Terminologie auch in Einklang stünden. Dies ist nicht der Fall.

Für die Eingliederung in den Betrieb der Antragstellerin spricht, dass die Zeitungsbelieferung nach Nr. 5 Abs. 1 des Vertragswerkes in dem festgelegten Bereich täglich bis 6.00 Uhr vorzunehmen war. Wie auch das BAG in der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung dargelegt hat, spricht die Zustellung innerhalb eines abgegrenzten zeitlichen Rahmens und eines abgegrenzten örtlichen Bereiches für eine abhängige Beschäftigung, auch wenn die Arbeitsleistung nicht exakt nach Stunden und Minuten bestimmt ist und der Zusteller die Reihenfolge der Zustellung selbst bestimmen kann. Soweit von der Antragstellerin nun vorgetragen wird, dass der Vertrag nicht so wie geschlossen gehandhabt worden sei, ohne dass sie hierfür auch nur annähernd nachvollziehbaren Tatsachenvortrag erbringt, ist diese pauschale Behauptung in keiner Weise geeignet, die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses in Frage zu stellen. Im Falle einer Erkrankung hatte der Zusteller dies dem Unternehmen unverzüglich mitzuteilen, damit dieses - und nicht etwa der angeblich selbständige Zusteller - für Ersatzkräfte sorgen konnte. Eine Gesamtbetrachtung des Vertragswerkes ergibt, dass wie bei einem reinen Dienstvertrag und wie in einem Arbeitsverhältnis der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung hervorgehoben ist, was sich auch aus der Tatsache ergibt, dass nicht der Zusteller, sondern die Antragstellerin für einen Ersatz der Arbeitskraft des Zustellers bei Erkrankung sorgen musste. Im Übrigen fehlt in dem Vertrag jeder Hinweis darauf, dass der Zusteller generell berechtigt war, Hilfspersonen einzuschalten. Es ergeben sich auch keinerlei Hinweise, dass diesbezügliche Vertragsgestaltungen in der Praxis anders gehandhabt worden sind. Auch die in der Terminologie der Antragstellerin sogenannten Familienzusteller sind jeweils in die wenn auch mangelhafte Buchführung der Antragstellerin aufgenommen worden. Auch dies zeigt, dass sie selbst nicht davon ausgegangen ist, dass hier eine vom eigentlich beauftragten Zeitungszusteller angestellte Hilfsperson tätig geworden ist. Auch das Verbot für einen anderen Zeitungsverlag tätig zu werden (vgl. Nr. 8 des Vertrages), spricht angesichts der geringen Verdienstmöglichkeiten selbst bei einem Nebenberuf für eine abhängige Beschäftigung. Ein selbständiger Unternehmer, dem lediglich „Aufträge“ in einem Umfang erteilt werden, die Verdienstmöglichkeiten etwas über der Geringfügigkeitsgrenze nach dem SGB IV, aber in den meisten Fällen noch unter 1.000,-- DM monatlich, eröffnen, und der dennoch einem Wettbewerbsverbot unterliegen soll, ist praktisch nicht vorstellbar. Die Klägerin kann sich auch insoweit nicht darauf berufen, dass der Vertrag so gar nicht gehandhabt worden sei, weil auch insoweit ein nachvollziehbarer Tatsachenvortrag fehlt.

Abschließend ist die Antragstellerin darauf hinzuweisen, dass der Handelsvertreter nach § 84 HGB als selbständiger Gewerbetreibender damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Die von der Antragstellerin im Vertrag aufgestellte Behauptung, dass diese Tätigkeit auch im Austeilen von Zeitungen und Werbeprospekten liegen könne, stellt einen rechtlichen Formenmissbrauch dar. Selbst wenn in einem nicht bekannt gewordenen Umfang auch eine Abonnentenakquise Aufgabe der Zeitungszusteller gewesen sein sollte, wie der Vertrag dies nahe legt, die tatsächlichen Umstände aber nicht belegen können (zu einer solchen Annahme gibt weder die Aussage des Zeugen Fröhlich im Ermittlungsverfahren noch der dem Gericht vorliegende umfangreiche Verwal-tungsvorgang einen Anhalt), würde auch dies an der rechtlichen Bewertung nichts ändern. Auch bei der Abonnentenakquise durch sogenannte Drückerkolonnen kann in der Regel nicht angenommen werden, dass selbständige Handelsvertreter im Sinne des HGB tätig werden. Auch insoweit kommt es allein auf die tatsächlichen Verhältnisse an, zu denen auch unter diesem Gesichtspunkt nachvollziehbarer Vortrag fehlt.

Weder der geschlossene Vertrag noch die tatsächlichen Verhältnisse geben irgendeinen Hinweis darauf, dass die Zeitungszusteller in wesentlichem Umfang eigenes Betriebskapital in ihre Tätigkeit einbringen mussten. Sie erhielten vielmehr von den sogenannten Gruppenleitern (ein selbständiger Unternehmer untersteht nicht den Weisungen eines Gruppenleiters) die auszutragenden Zeitungen oder Werbematerialien und hatten diese im Rahmen der vorgegebenen Tour zu verteilen. Dafür wurden sie entlohnt, auch wenn im Vertrag formenmissbräuchlich von einer Provision die Rede ist. Der Einsatz eigener Betriebsmittel, verbunden mit einem Unternehmerrisiko ist dabei nicht ersichtlich, auch wenn die Zusteller im Einzelfall eigene Zustellwagen oder einmal den eigenen Pkw benutzt haben sollten. Auch hierzu fehlt allerdings substantiierter Tatsachenvortrag der Antragstellerin, der umso mehr veranlasst gewesen wäre, als in Nr. 5 Abs. 1 e) des Vertrages von überlassenen Zustellwagen, die von den Zustellern pfleglich zu behandeln gewesen seien, die Rede ist.

Damit steht im Ergebnis fest, dass die Antragsgegnerin bei der hier gebotenen summarischen Prüfung dem Grundsatz nach zu Recht von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen ausgegangen ist.

Soweit die Antragstellerin sich im Verfahren sinngemäß darauf bezogen hat, dass sogenannte Familienzusteller beitragsfrei seien (vgl. z.B. Schriftsatz vom 6. Januar 1999, Blatt 251 Band I der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin) so ist darauf hinzuweisen, dass es den Rechtsbegriff des Familienzustellers nicht gibt. Soweit mit diesem Begriff allerdings auf den Umstand hingewiesen werden soll, dass die Antragstellerin unter Verletzung ihrer Aufzeichnungspflicht die jeweiligen Verdienste nicht einzelnen, sondern mehreren Personen zugeordnet hat, so hat die Antragsgegnerin hieraus zutreffend die Rechtsfolge abgeleitet, dass ein Summenbeitragsbescheid nach § 28 f SGB IV zu erlassen, und nicht etwa Beitragsfreiheit wegen Geringfügigkeit oder „Familienzustellung“ anzunehmen ist. Der Behauptung der Antragstellerin, im Beitrittsgebiet habe gar keine Aufzeichnungspflicht bestanden, ist die Antragsgegnerin mit der auf Seite 12 und 13 des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 1999 gegebenen Begründung, der nichts hinzuzufügen ist, entgegen getreten (Bescheid über die Beitragsnachforderung von 253.556,16 DM).

Wenn die Antragstellerin auf den Seiten 34 ff der Gerichtsakte der Hauptsache Namen von Zustellern angibt und diesen Verdienste zurechnet, ohne den Zeitraum zu nennen, in dem sie erzielt worden sind, den angegebenen Gesamtbetrag aber gleichwohl durch 12 teilt, um glaubhaft zu machen, dass es sich um ein geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 8 SGB IV gehandelt habe, ist dieser Vortrag zur Glaubhaftmachung nicht geeignet, da der Berechnungsweise jede Rechtsgrundlage fehlt.

Auch der pauschale Hinweis, es habe sich bei den Zeitungszustellern um Rentner, Arbeitslose und Studenten gehandelt, ist in dieser Weise nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung in Frage zu stellen, da sich aus den jeweils angefochtenen Bescheiden bezogen auf bestimmte Zusteller ergibt, inwieweit die Antragsgegnerin diesen Umständen Rechnung getragen hat. Substantiierter Vortrag der Antragstellerin, warum hierbei Rechtsfehler unterlaufen sein sollen, fehlt. Zutreffend hat die Antragsgegnerin auch darauf hingewiesen, dass die Beitragsforderung für Dezember 1992 zum Zeitpunkt der Nachforderung durch den Summenbeitragsbescheid vom 9. Dezember 1997 nicht verjährt war (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Somit ist festzustellen, dass ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Beitragsnachforderung nicht bestehen. Umstände, die es im oben beschriebenen Sinne als unbillig erscheinen lassen, die Klägerin mit der Beitragsforderung schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu belasten, sind nicht ersichtlich.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes musste daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

II.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73 a SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung -ZPO-).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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