Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 12 BL 1/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 BL 4/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist ein Anspruch des Klägers auf Gehörlosengeld.
Der am ... 1960 geborene Kläger beantragte erstmals am 24. September 2004 beim Beklagten Gehörlosengeld nach dem Gesetz über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt. Der Beklagte holte von der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. B. einen Befundschein vom 15. Dezember 2004 ein, wonach Untersuchungen mittels Tonaudiogramm vom 16. November 2004 einen prozentualen Hörverlust rechts von 97 % und links von 100 % sowie mittels Sprachaudiogramm einen Hörverlust für Zahlen auf beiden Seiten von 85 dB, entsprechend einem prozentualen Hörverlust von 100 % auf beiden Seiten ergeben habe. Der Kläger sei mit Hörgeräten versorgt, eine Verständigung mit ihm sei sehr eingeschränkt. Des Weiteren legte Dr. B. einen Arztbrief der Fachärztin für HNO-Krankheiten Dr. H. vom 27. August 1996 vor, wonach der Kläger unter Schwerhörigkeit seit der Kindheit leide. Die Trommelfelle seien beidseits narbig, intakt und reizlos. Es bestehe beidseits eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Hörgeräteneuversorgung im April 1995. Nach den Angaben dieser Ärztin betrug der prozentuale Hörverlust nach Fowler/Sabine rechts 85,6 % und links 93,5 %. Gestützt auf diese Unterlagen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21. April 2005 den Antrag ab, da den Befundberichten von Dr. B. und Dr. H. zu entnehmen sei, dass keine angeborene oder bis zum 7. Lebensjahr erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit gegeben sei. Es liege keine Taubheit im Sinne des § 1 Abs. 3 des Landesblindengeldgesetzes vor. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Gehörlosengeld seien nicht erfüllt. Dagegen legte der Kläger, hierbei vertreten durch das Betreuungsbüro K. L., am 28. April/2. Mai 2005 Widerspruch ein und sprach im Widerspruchsverfahren persönlich in den Geschäftsräumen des Beklagten vor. Nach einem Aktenvermerk vom 3. Mai 2005 (Frau P.) seien dem Kläger die Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung von Gehörlosengeld erklärt worden. Dabei habe er akustisch gut verstehen können und es sei mit ihm eine fließende Verständigung im Sprachbereich möglich gewesen. Mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2005 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 21. Juni 2007 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gehörlosengeld, woraufhin der Beklagte abermals einen Befundbericht von Dr. B. vom 5. Juli 2007 einholte, die angab, es bestehe eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit seit Geburt und eine undeutliche verwaschene Sprache des Klägers. Sie legte ein Tonaudiogramm vom 14. Mai 2007 mit dem Ergebnis eines prozentualen Hörverlustes von 93 % auf dem rechten Ohr und von 95 % auf dem linken Ohr bei. Ferner übersandte sie ein Sprachaudiogramm vom selben Tag mit einem prozentualen Hörverlust auf dem rechten Ohr von 90 % und dem linken Ohr von 100 %. Der mit der Auswertung der Unterlagen beauftragte versorgungsärztliche Dienst des Beklagten gab in seiner Stellungnahme vom 24. Juli 2007 (MR Dr. S.) an, es sei nicht nachvollziehbar, wie der Kläger ausweislich des Sprachaudiogramms einen Hörverlust rechts von 90 % und links von 100 % haben könne. Im Vergleich zu den Werten des Jahres 2004 sei also auf dem rechten Ohr doch ein Restgehör vorhanden, was auch für das linke Ohr gelte. Die Werte entsprächen einem Grad der Behinderung (GdB) von 70, so dass nicht von einer beidseitigen Taubheit ausgegangen werden könne, sondern unverändert mit leichten Veränderungen seit 1995 von einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beidseits. Das seit der Geburt bzw. der Kindheit bestehende Ausmaß der Schwerhörigkeit sei aus den Unterlagen nicht ersichtlich bzw. nicht belegt. Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte der Beklagte den Antrag auf Gehörlosengeld mit Bescheid vom 25. Juli 2007 erneut mit der Begründung ab, es sei anhand des Befundberichtes von Dr. B. vom 5. Juli 2007 erkennbar, dass bei dem Kläger keine angeborene oder bis zum 7. Lebensjahr erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliege. Mit seinem dagegen am 15. August 2007 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Behinderung liege bereits seit der Geburt vor, wie von seinen Geschwistern auch bestätigt werden könne. Unter Hinweis darauf, dass mit dem Kläger eine gute Verständigung im Amt möglich gewesen sei, unterließ der Beklagte weitere Ermittlungen zum Sachverhalt und wies mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2008 den Widerspruch als unbegründet zurück: Maßgebend für die Bewertung des GdB-Grades bei Hörstörungen sei nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen sei. Die ermittelten GdB-Werte zur Schwerhörigkeit berücksichtigten dabei die Möglichkeit eines Teilausgleiches durch Hörhilfen mit. Die bei dem Kläger bestehende Hörminderung erreiche in ihrer Ausprägung einen GdB um 70 nach dem SGB IX. Schwere Sprechstörungen, die zu einer Erhöhung des Grades der Behinderung führen würden, seien nicht mitgeteilt worden. Ein medizinischer Nachweis, dass bereits seit Geburt eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorgelegen habe, sei nicht erbracht worden. Folglich lägen bei dem Kläger nicht die Voraussetzungen zur Feststellung von Gehörlosigkeit nach dem Landesblindengeld- und Gehörlosengeldgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vor.
Mit seiner am 23. Januar 2008 vor dem Sozialgericht Halle (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, seine Geschwister könnten bestätigen, dass die bei ihm bestehende Behinderung bereits seit der Geburt vorliege. Auch habe Dr. B. am 5. Juli 2007 zumindest eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit seit der Geburt bestätigt. Das SG hat von Dr. B. einen Befundbericht vom 6. Februar 2009 eingeholt, die angab, den Kläger seit 20. August 2004 zu behandeln. Es bestehe bei dem Kläger eine beidseitige Innenohrschwerhörigkeit, die sich seit Juni 2007 nicht erheblich verschlechtert habe. Des Weiteren bestehe eine beidseitige Taubheit. Auf dem rechten Ohr betrage der prozentuale Hörverlust 97 % und auf dem linken Ohr 100 %. Die Hörstörung bestehe seit der Geburt. Die Lautsprache sei schwer verständlich und auch der Sprachschatz sei eingeschränkt. Die erschwerte Kommunikation könne durch die Hörgeräte nicht vollständig kompensiert werden. Die Frage nach der Erstversorgung des Klägers mit Hörgeräten und die, weshalb er die Gebärdensprache nicht beherrsche, könne nicht beantwortet werden. Einen weiteren Befundbericht holte das SG von Dr. H. vom 19. März 2009 ein, wonach der Kläger seit der Kindheit unter einer beidseitigen Schwerhörigkeit leide. Den Audiogrammen vom 20. April 1995 und späteren Messungen sei eine hochgradige perzeptile Schwerhörigkeit auf beiden Seiten zu entnehmen, wobei im Zeitpunkt der letzten Behandlung im Jahre 2003 auf dem rechten Ohr eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und auf dem linken Ohr eine hochgradige Schwerhörigkeit bestanden habe. Eine an Taubheit oder eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, die angeboren oder bis zum 7. Lebensjahr erworben wurde, bestehe nicht. Zu der Frage, ob beim Kläger eine Sprachstörung vorliege, gab Dr. H. an, im Jahre 2003 sei eine Konversation möglich gewesen. Mithilfe der Hörhilfen sei eine ausreichende Verständigung über das Gehör gewährleistet. Eine an Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, die seit Geburt bestehe oder bis zum 7. Lebensjahr erworben worden sei, sei möglich, da der Kläger anamnestisch angegeben habe, die Schwerhörigkeit bestehe seit frühester Kindheit. Außerdem sollen Otitiden (Ohrentzündungen) bestanden haben und deswegen auch eine Operation durchgeführt worden sein. Dr. H. hat ihrem Befundbericht eine Kopie des Sozialmedizinischen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 2. November 1995 beigefügt, wonach auf der Grundlage der von Dr. H. durchgeführten Untersuchungen ersichtlich sei, dass der Kläger aufgrund der bestehenden Schwerhörigkeit in seiner Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt sei. Bei 65 dB Lautstärke verstehe dieser über Lautsprecher in 1 m Abstand ohne Hörgeräte 0 % und mit dem einseitig angepassten Hörgerät 60 % der angebotenen einsilbigen Wörter. Durch die beidohrige Versorgung habe auch im Störgeräusch das Sprachverstehen um 20 % auf einseitig 10 % und beidseitig 30 % gebessert werden können. Die beidohrige Hörgeräteversorgung sei deshalb medizinisch indiziert und zweckmäßig.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben das Zeugnis der Allgemeinbildenden polytechnischen Hilfsschule E. vom 30. Juni 1976 nach dem Besuch der Klasse 7b vorgelegt. Darin ist zur Gesamteinschätzung angegeben, dass der Kläger den Unterricht unpünktlich und unregelmäßig besucht und sich in die Klassengemeinschaft nicht eingefügt habe. Er habe nur selten zu Lehrern und Erziehern einen höflichen Umgangston gefunden und nur wenig Fleiß gezeigt. Gute Leistungen habe er in einigen Fächern erreichen können, ohne Fleiß aufwenden zu müssen. Es sei ihm sehr schwer gefallen, sich mündlich auszudrücken. Gebotene Hilfen habe er nicht angenommen und an außerschulischen Veranstaltungen nur selten teilgenommen. Bei den Schulnoten hatte der Kläger in Deutsch beim Lesen die Note eins, im mündlichen Ausdruck die Note vier und im schriftlichen Ausdruck sowie in der Rechtschreibung die Note zwei erreicht. Die übrigen Noten reichten von eins (Sport) bis vier (Biologie und Geschichte). Im Fach Musik erreichte er die Note zwei.
Nach Auswertung der vom SG eingeholten Unterlagen hat der Beklagte den Anspruch des Klägers weiterhin für nicht gegeben gehalten, da dieser offensichtlich in eine normale Schule eingeschult worden sei und später eine Hilfsschule besucht habe, nicht aber eine Schule für Schwerhörige oder Gehörlose. Nach der prüfärztlichen Stellungnahme vom 7. Juli 2009 (Dr. W.) sei nach den vorgelegten Befundberichten und dem Schulzeugnis eine angeborene oder bis zum 7. Lebensjahr erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit auszuschließen. 1995 habe eine hochgradige Schwerhörigkeit vorgelegen, die einen GdB von 50 bedingt habe. Die damals noch deutlich bessere Hörfähigkeit gehe auch aus den Angaben im Bericht vom 18. Dezember 1995 hervor, wo die Einschulung in die Normalschule und später die Lernbehindertenschule mitgeteilt worden sei. 1976 seien die Leistungen im Fach Lesen mit sehr gut bewertet worden und auch die anderen Zensuren belegten ein zumindest ausreichendes Hörvermögen. Relevante Sprachstörungen könnten damit nicht erklärt werden. 2004 sei dann von der HNO-Ärztin eine Schwerhörigkeit mit einem GdB von 80 bestätigt worden. Bei dem Kläger liege offensichtlich eine fortschreitende Schwerhörigkeit vor, die im Kindes- und Jugendalter noch nicht stark ausgeprägt gewesen sein könne. Die in den letzten Jahren zunehmend beschriebenen Sprachstörungen seien nicht mit der Hörbehinderung zu erklären.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. Oktober 2009 als unbegründet abgewiesen, weil bei dem Kläger eine angeborene oder bis zum 7. Lebensjahr erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit oder eine später erworbene Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, die allein wegen der Taubheit und der damit einhergehenden schweren Sprachstörungen einen GdB von 100 rechtfertige, nicht festgestellt werden könne. Dem Zeugnis der Allgemeinbildenden polytechnischen Hilfsschule E. vom 30. Juni 1976 sei zu entnehmen, dass der Kläger am 1. September 1968 im Alter von acht Jahren eingeschult worden sei und diese Schule nach der 7. Klasse verlassen habe. Einen Beruf habe er nicht erlernt und von 1976 bis 1983 im Obstbau, später als Heizer, gearbeitet. Nach den medizinischen Befunden liege aktuell eine beidseitige Taubheit vor, wobei 2003 auf dem rechten Ohr eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und auf dem linken Ohr eine hochgradige Schwerhörigkeit bestanden habe. Zu diesem Zeitpunkt habe keine auf beiden Seiten bestehende Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorgelegen, sondern nur eine einseitige. Dies habe zum damaligen Zeitpunkt einen GdB von 50 gerechtfertigt. Damit könne noch keine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit im Sinne des Landesblindengeldgesetzes festgestellt werden, was eine angeborene oder bis zum 18. Lebensjahr erworbene Taubheit oder eine bis zum 7. Lebensjahr eingetretene an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit ausschließe. Dieses Ergebnis stehe im Einklang mit den sonstigen Befunden: Der Kläger beherrsche die Gebärdensprache nicht, wobei nicht ersichtlich sei, dass er unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten die Gebärdensprache nicht hätte erlernen können. Er habe auch keine Schule für Hörbehinderte besucht und sowohl in den naturwissenschaftlichen als auch in den geisteswissenschaftlichen Fachgebieten durchschnittliche Leistungen erbracht. Bei einer bis zum 7. Lebensjahr erworbenen Taubheit wäre eine Einschulung in eine Normal- bzw. Hilfsschule nicht zu erwarten gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass eine besondere frühkindliche Förderung notwendig gewesen sei, bestünden nach dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck nicht. Es liege bei ihm weder eine schwer verständliche Lautsprache noch ein auffällig stark beeinträchtigter Sprachschatz vor. Soweit durch Dr. B. im Bericht vom 5. Juli 2007 eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit angegeben werde, sei dem nicht zu folgen. Diese Ärztin habe im Bericht vom 6. Februar 2009 klargestellt, zum Zeitpunkt des Eintretens einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit keine genauen Angaben machen zu können und eine solche Hörbehinderung aufgrund der Angaben des Klägers für lediglich möglich erklärt. Auf etwaige Angaben der Geschwister des Klägers komme es insoweit nicht an, da diese zwar eine schwere Schädigung der Hörleistung bestätigen, jedoch keine weitergehenden Aussagen zu dem nach medizinischen Kriterien zu bestimmenden genauen Ausmaß der Hörschädigung machen könnten.
Das ihm am 1. Dezember 2009 zugestellte Urteil greift der Kläger mit seiner am 11. Dezember 2009 vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in Halle eingelegten Berufung an und macht geltend, bei ihm sei sofort nach der Geburt Taubheit festgestellt worden. Er sei deswegen als Baby nach H. ins ...Krankenhaus gebracht und an beiden Ohren operiert worden. Zwei Jahre habe er sich dort von 1960 bis 1962 aufhalten müssen. Unterlagen könne er dazu nicht beibringen, sondern sich nur auf die Angaben seiner Geschwister M. und B. stützen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. Oktober 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Gehörlosengeld ab 21. Juni 2007 in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung sowie seine Bescheide für zutreffend und trägt ergänzend vor, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Gehörlosengeld in Auswertung aller aktenkundigen Befundunterlagen nicht vorlägen. In den medizinischen Unterlagen aus den Jahren 1995 und 1996 sei eine beidseitige mittel-bzw. hochgradige Schwerhörigkeit abzuleiten. Deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, dass bis zum 7. Lebensjahr ein schlechteres Hörvermögen vorgelegen habe. Entgegen dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten des Klägers, wonach das Vorliegen einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit durch die behandelnde Ohrenärztin bestätigt worden sei, sei festzustellen, dass Dr. B. im Befundbericht vom 26. Februar 2005 mitgeteilt habe, diese Aussage sei allein aufgrund der Angaben des Klägers getroffen worden. Ein medizinischer Nachweis auf eine seit Geburt vorliegende Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit sei den vorliegenden Befundunterlagen nicht zu entnehmen. Gegen das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen spreche auch, dass der Kläger in eine Normalschule eingeschult worden sei und dann in eine Hilfsschule, nicht aber eine Schule für Schwerhörige oder Gehörlose besucht habe. Insoweit sei auch eine Befragung der Geschwister entbehrlich, da diese nur bestätigen könnten, dass beim Kläger eine Hörbehinderung seit der Kindheit vorliege. Eine Schlussfolgerung über das Ausmaß der damals vorliegenden Hörstörung könne daraus nicht abgeleitet werden.
Das Krankenhaus ... und ... H. hat auf Anfrage des Senats am 17. Juni 2010 mitgeteilt, man habe in Erfahrung gebracht, dass der Kläger vom 14. November 1960 bis 15. Dezember 1960 aufgrund einer Meningo-Enzephalitis in der damaligen Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Standort ...straße stationär behandelt worden sei. Sämtliche diesbezüglichen Behandlungsunterlagen seien jedoch bereits vernichtet worden.
Der Berichterstatter hat im Erörterungstermin vom 13. Dezember 2013 die Schwestern des Klägers B. Z. und B. K. als Zeuginnen vernommen. Frau Z. hat ausgeführt, zu dem Verhalten ihres Bruders im Kindergarten keine Angaben mehr machen zu können. Sie erinnere sich aber noch, dass er auch mit anderen Kindern gespielt habe, dabei manchmal aber etwas zurückhaltend gewesen sei und nicht alles mitgemacht habe. Möglicherweise, weil er nicht alles verstanden habe. So genau wisse sie das aber nicht mehr. Allerdings habe er sich nicht so gleichmäßig wie die anderen Geschwister entwickelt, insbesondere beim Sprechen sei das festzustellen gewesen, er habe auch nicht so sprechen können. Körperlich sei er eigentlich ganz gut entwickelt gewesen und hätte sich auch im Streit wehren können. Er habe auch öfter nachgefragt, wenn man ihn ansprach. Aber sie habe das als Kind nicht so deutlich als Schwerhörigkeit eingeordnet. Zum Schulbesuch wisse sie noch, dass der Kläger in eine normale Schule eingeschult worden sei, obwohl er dort wahrscheinlich nicht hingehört habe. Er sei von Anfang an nicht richtig mitgekommen, weil in einer normalen schnelllebigen Schule ein gewisses Tempo angeschlagen werde, das er nicht habe mitgehen können. Sie wisse aber nicht mehr, warum er nicht in eine Schule für behinderte Schüler eingeschult worden sei. Sie, die Zeugin, sei diejenige gewesen, die sich am meisten mit dem Kläger unterhalten habe, weil sie ihn auch am besten verstanden habe. Von hinten habe man ihn eigentlich nicht ansprechen können, es sei notwendig gewesen, Blickkontakt zu ihm herzustellen, weil er manches auch von den Lippen abgelesen hatte. Es könne schon sein, dass er manches auch akustisch verstanden habe, vieles sei aber auch mit den Händen und Füßen und eben auch mit den Lippen erklärt worden. Die Mutter habe auch ganz gut mit dem Kläger kommunizieren können, weil auch sie sich wohl darauf eingestellt gehabt habe, dass er da gewisse Probleme hatte. Die jüngeren Geschwister hätten sich damit allerdings eher weniger auseinandergesetzt.
Die zweite Zeugin, B. K., hat angegeben, sie wisse noch von der Mutter, dass ihr Bruder einmal im Krankenhaus gewesen sei. Sie wisse aber nicht genau warum. Sie nehme an, das habe mit seiner Schwerhörigkeit zu tun gehabt, die er schon von Geburt an gehabt habe. Ihr sei im Verhältnis zu ihrem Bruder nicht allzu viel aufgefallen. Er habe öfter mal geschimpft, wenn die Geschwister bei der gemeinsamen Unterhaltung nicht laut genug gesprochen hätten. Sonst aber sei eigentlich immer alles in Ordnung gewesen. Sie habe ihn eigentlich nicht zu irgendeiner Zeit bewusst als schwerhörigen Menschen eingeschätzt. Sie habe sich mit ihm gelegentlich durchaus auch unter vier Augen unterhalten, allerdings habe sie sich dann direkt vor ihn stellen oder vor ihm hinsetzen müssen. Aber auch dann habe er gelegentlich geäußert, sie solle lauter sprechen oder das Gesagte wiederholen. Auch habe ihr Bruder die Schule bewältigt, dabei aber oft Unterstützung von der Mutter und der älteren Schwester gebraucht, die sich sehr um ihn gekümmert hätten.
Im Erörterungstermin hat der Kläger den Bericht des Logopäden B. vom 17. November 2008 über die mit dem Kläger vom 25. September bis 17. November 2008 durchgeführte logopädische Behandlung vorgelegt. Nach diesem Bericht sei das Sprechen des Klägers gekennzeichnet gewesen durch eine verwaschene undeutliche Artikulation und einen überhasteten Redefluss mit Verschlucken von Lauten und Silben.
Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des Klägers zum Verfahren beigezogen, wonach dem Kläger mit Bescheid vom 26. August 1996 ein GdB von 80 wegen Schwerhörigkeit (Einzel-GdB von 60) und einer exogenen Nervenschädigung mit Anfallsleiden und Gangstörung (Einzel-GdB von 50) zuerkannt wurde. Bei der Bewertung der Hörschädigung hatte sich die Behörde auf die von Dr. H. im August 1996 nach Anfertigung eines Sprachaudiogramms erhobenen Befunde gestützt, wonach der prozentuale Hörverlust (nach Fowler/Sabine) rechts 85,6 % und links 93,5 % betrage.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht erhobene Berufung ist unbegründet. Das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide sind zu Recht ergangen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gehörlosengeld.
Nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt vom 19. Juni 1992 (GVBl. LSA 1992, S. 565) erhalten Personen Gehörlosengeld 1. mit angeborener oder bis zum 7. Lebensjahr erworbener Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit, 2. mit später erworbener Taubheit, wenn der Grad der Behinderung allein infolge Taubheit und mit der Taubheit einhergehender schwerer Sprechstörung 100 beträgt.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.
Anknüpfungspunkt für die Feststellung, dass der Kläger nicht unter einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit leidet, die angeboren ist oder die er bis zum 7. Lebensjahr erworben hat, ist zunächst das Schwerbehindertenverfahren aus dem Jahre 1996, das zu einer Anerkennung des Klägers als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 80 wegen Schwerhörigkeit (Einzel-GdB von 60) und einer exogenen Nervenschädigung mit Anfallsleiden und Gangstörung (Einzel-GdB von 50) sowie Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "RF" geführt hat. Hinsichtlich der Hörbeeinträchtigung beruhen diese GdB-Feststellung auf dem Befundbericht von Dr. H. vom 27. August 1996, mit dem diese aus der Anamnese des Klägers "Schwerhörigkeit seit der Kindheit" und einen gemessenen prozentualen Hörverlust von 85,6 % auf dem rechten sowie von 93,5 % auf dem linken Ohr angeben hat. Zutreffend hat danach das Amt für Versorgung und Soziales H. in Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) 1996, Ziff. 26.5 Hör- und Gleichgewichtsorgan, Tabelle D, eine hochgradige Schwerhörigkeit mit einem Grad der Behinderung von 60 abgeleitet. Eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, für die ein Grad der Behinderung von 70 festzusetzen gewesen wäre, kann daraus nicht gefolgert werden, sodass der Kläger nach diesen Feststellungen im Jahre 1996 unter hochgradiger Schwerhörigkeit gelitten hat. Dann ist es aber eine medizinische Tatsache, dass sein Hörvermögen im Kindesalter nicht schlechter gewesen sein kann, weil das Gehör des Menschen im Erwachsenenalter nicht besser, sondern ab dem 31. Lebensjahr allmählich schlechter wird (vgl. Hesse/Laubert, Hörminderung im Alter – Ausprägung und Lokalisation, Deutsches Ärzteblatt 2005, A 2864 f.). Die dem entsprechende medizinische Argumentation des Beklagten trifft also zu. Im Übrigen hat auch der Kläger selbst in seinem Antrag vom 26. August 1996 auf eine hochgradige Schwerhörigkeit hingewiesen. Die späteren Befundberichte von Dr. B., nach denen beim Kläger im November 2004 und später eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit bestanden habe, widersprechen diesem Ergebnis nicht, weil sie die Tatsache, dass das Gehör 1995 noch besser war, nicht beiseite räumen.
Die Annahme, dass beim Kläger von einer im Kindesalter erworbenen hochgradigen Schwerhörigkeit auszugehen ist, wird auch durch die Aussagen seiner Schwestern bei der Zeugenvernehmung gestützt. Beide haben angegeben, dass der Kläger zwar Schwierigkeiten beim Hören hatte, dennoch aber in der Familie und, mit Schwierigkeiten auch in der Schule, integriert war. Ihm ist zuzugestehen, dass nach der Befunderhebung von Dr. H. am 20. April 1995 die Grenze zu einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit recht nahe war. Daraus kann aber, wie ausgeführt, nicht gefolgert werden, dass diese Grenze im Kindesalter bis zum 7. Lebensjahr überschritten war. Dafür gibt auch das Schulzeugnis vom 30. Juni 1976 nichts her, dem keine unmittelbaren Hinweise auf eine Schwerhörigkeit zu entnehmen sind. Lediglich mittelbar kann aus der Tatsache, dass der Kläger Schwierigkeiten bei der mündlichen Aussprache hatte, geschlossen werden, dass diese auf eine Hörbeeinträchtigung zurückzuführen sind. Eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit kann daraus aber nicht abgeleitet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG)
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist ein Anspruch des Klägers auf Gehörlosengeld.
Der am ... 1960 geborene Kläger beantragte erstmals am 24. September 2004 beim Beklagten Gehörlosengeld nach dem Gesetz über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt. Der Beklagte holte von der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. B. einen Befundschein vom 15. Dezember 2004 ein, wonach Untersuchungen mittels Tonaudiogramm vom 16. November 2004 einen prozentualen Hörverlust rechts von 97 % und links von 100 % sowie mittels Sprachaudiogramm einen Hörverlust für Zahlen auf beiden Seiten von 85 dB, entsprechend einem prozentualen Hörverlust von 100 % auf beiden Seiten ergeben habe. Der Kläger sei mit Hörgeräten versorgt, eine Verständigung mit ihm sei sehr eingeschränkt. Des Weiteren legte Dr. B. einen Arztbrief der Fachärztin für HNO-Krankheiten Dr. H. vom 27. August 1996 vor, wonach der Kläger unter Schwerhörigkeit seit der Kindheit leide. Die Trommelfelle seien beidseits narbig, intakt und reizlos. Es bestehe beidseits eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Hörgeräteneuversorgung im April 1995. Nach den Angaben dieser Ärztin betrug der prozentuale Hörverlust nach Fowler/Sabine rechts 85,6 % und links 93,5 %. Gestützt auf diese Unterlagen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21. April 2005 den Antrag ab, da den Befundberichten von Dr. B. und Dr. H. zu entnehmen sei, dass keine angeborene oder bis zum 7. Lebensjahr erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit gegeben sei. Es liege keine Taubheit im Sinne des § 1 Abs. 3 des Landesblindengeldgesetzes vor. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Gehörlosengeld seien nicht erfüllt. Dagegen legte der Kläger, hierbei vertreten durch das Betreuungsbüro K. L., am 28. April/2. Mai 2005 Widerspruch ein und sprach im Widerspruchsverfahren persönlich in den Geschäftsräumen des Beklagten vor. Nach einem Aktenvermerk vom 3. Mai 2005 (Frau P.) seien dem Kläger die Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung von Gehörlosengeld erklärt worden. Dabei habe er akustisch gut verstehen können und es sei mit ihm eine fließende Verständigung im Sprachbereich möglich gewesen. Mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2005 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 21. Juni 2007 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gehörlosengeld, woraufhin der Beklagte abermals einen Befundbericht von Dr. B. vom 5. Juli 2007 einholte, die angab, es bestehe eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit seit Geburt und eine undeutliche verwaschene Sprache des Klägers. Sie legte ein Tonaudiogramm vom 14. Mai 2007 mit dem Ergebnis eines prozentualen Hörverlustes von 93 % auf dem rechten Ohr und von 95 % auf dem linken Ohr bei. Ferner übersandte sie ein Sprachaudiogramm vom selben Tag mit einem prozentualen Hörverlust auf dem rechten Ohr von 90 % und dem linken Ohr von 100 %. Der mit der Auswertung der Unterlagen beauftragte versorgungsärztliche Dienst des Beklagten gab in seiner Stellungnahme vom 24. Juli 2007 (MR Dr. S.) an, es sei nicht nachvollziehbar, wie der Kläger ausweislich des Sprachaudiogramms einen Hörverlust rechts von 90 % und links von 100 % haben könne. Im Vergleich zu den Werten des Jahres 2004 sei also auf dem rechten Ohr doch ein Restgehör vorhanden, was auch für das linke Ohr gelte. Die Werte entsprächen einem Grad der Behinderung (GdB) von 70, so dass nicht von einer beidseitigen Taubheit ausgegangen werden könne, sondern unverändert mit leichten Veränderungen seit 1995 von einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beidseits. Das seit der Geburt bzw. der Kindheit bestehende Ausmaß der Schwerhörigkeit sei aus den Unterlagen nicht ersichtlich bzw. nicht belegt. Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte der Beklagte den Antrag auf Gehörlosengeld mit Bescheid vom 25. Juli 2007 erneut mit der Begründung ab, es sei anhand des Befundberichtes von Dr. B. vom 5. Juli 2007 erkennbar, dass bei dem Kläger keine angeborene oder bis zum 7. Lebensjahr erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliege. Mit seinem dagegen am 15. August 2007 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Behinderung liege bereits seit der Geburt vor, wie von seinen Geschwistern auch bestätigt werden könne. Unter Hinweis darauf, dass mit dem Kläger eine gute Verständigung im Amt möglich gewesen sei, unterließ der Beklagte weitere Ermittlungen zum Sachverhalt und wies mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2008 den Widerspruch als unbegründet zurück: Maßgebend für die Bewertung des GdB-Grades bei Hörstörungen sei nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen sei. Die ermittelten GdB-Werte zur Schwerhörigkeit berücksichtigten dabei die Möglichkeit eines Teilausgleiches durch Hörhilfen mit. Die bei dem Kläger bestehende Hörminderung erreiche in ihrer Ausprägung einen GdB um 70 nach dem SGB IX. Schwere Sprechstörungen, die zu einer Erhöhung des Grades der Behinderung führen würden, seien nicht mitgeteilt worden. Ein medizinischer Nachweis, dass bereits seit Geburt eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorgelegen habe, sei nicht erbracht worden. Folglich lägen bei dem Kläger nicht die Voraussetzungen zur Feststellung von Gehörlosigkeit nach dem Landesblindengeld- und Gehörlosengeldgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vor.
Mit seiner am 23. Januar 2008 vor dem Sozialgericht Halle (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, seine Geschwister könnten bestätigen, dass die bei ihm bestehende Behinderung bereits seit der Geburt vorliege. Auch habe Dr. B. am 5. Juli 2007 zumindest eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit seit der Geburt bestätigt. Das SG hat von Dr. B. einen Befundbericht vom 6. Februar 2009 eingeholt, die angab, den Kläger seit 20. August 2004 zu behandeln. Es bestehe bei dem Kläger eine beidseitige Innenohrschwerhörigkeit, die sich seit Juni 2007 nicht erheblich verschlechtert habe. Des Weiteren bestehe eine beidseitige Taubheit. Auf dem rechten Ohr betrage der prozentuale Hörverlust 97 % und auf dem linken Ohr 100 %. Die Hörstörung bestehe seit der Geburt. Die Lautsprache sei schwer verständlich und auch der Sprachschatz sei eingeschränkt. Die erschwerte Kommunikation könne durch die Hörgeräte nicht vollständig kompensiert werden. Die Frage nach der Erstversorgung des Klägers mit Hörgeräten und die, weshalb er die Gebärdensprache nicht beherrsche, könne nicht beantwortet werden. Einen weiteren Befundbericht holte das SG von Dr. H. vom 19. März 2009 ein, wonach der Kläger seit der Kindheit unter einer beidseitigen Schwerhörigkeit leide. Den Audiogrammen vom 20. April 1995 und späteren Messungen sei eine hochgradige perzeptile Schwerhörigkeit auf beiden Seiten zu entnehmen, wobei im Zeitpunkt der letzten Behandlung im Jahre 2003 auf dem rechten Ohr eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und auf dem linken Ohr eine hochgradige Schwerhörigkeit bestanden habe. Eine an Taubheit oder eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, die angeboren oder bis zum 7. Lebensjahr erworben wurde, bestehe nicht. Zu der Frage, ob beim Kläger eine Sprachstörung vorliege, gab Dr. H. an, im Jahre 2003 sei eine Konversation möglich gewesen. Mithilfe der Hörhilfen sei eine ausreichende Verständigung über das Gehör gewährleistet. Eine an Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, die seit Geburt bestehe oder bis zum 7. Lebensjahr erworben worden sei, sei möglich, da der Kläger anamnestisch angegeben habe, die Schwerhörigkeit bestehe seit frühester Kindheit. Außerdem sollen Otitiden (Ohrentzündungen) bestanden haben und deswegen auch eine Operation durchgeführt worden sein. Dr. H. hat ihrem Befundbericht eine Kopie des Sozialmedizinischen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 2. November 1995 beigefügt, wonach auf der Grundlage der von Dr. H. durchgeführten Untersuchungen ersichtlich sei, dass der Kläger aufgrund der bestehenden Schwerhörigkeit in seiner Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt sei. Bei 65 dB Lautstärke verstehe dieser über Lautsprecher in 1 m Abstand ohne Hörgeräte 0 % und mit dem einseitig angepassten Hörgerät 60 % der angebotenen einsilbigen Wörter. Durch die beidohrige Versorgung habe auch im Störgeräusch das Sprachverstehen um 20 % auf einseitig 10 % und beidseitig 30 % gebessert werden können. Die beidohrige Hörgeräteversorgung sei deshalb medizinisch indiziert und zweckmäßig.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben das Zeugnis der Allgemeinbildenden polytechnischen Hilfsschule E. vom 30. Juni 1976 nach dem Besuch der Klasse 7b vorgelegt. Darin ist zur Gesamteinschätzung angegeben, dass der Kläger den Unterricht unpünktlich und unregelmäßig besucht und sich in die Klassengemeinschaft nicht eingefügt habe. Er habe nur selten zu Lehrern und Erziehern einen höflichen Umgangston gefunden und nur wenig Fleiß gezeigt. Gute Leistungen habe er in einigen Fächern erreichen können, ohne Fleiß aufwenden zu müssen. Es sei ihm sehr schwer gefallen, sich mündlich auszudrücken. Gebotene Hilfen habe er nicht angenommen und an außerschulischen Veranstaltungen nur selten teilgenommen. Bei den Schulnoten hatte der Kläger in Deutsch beim Lesen die Note eins, im mündlichen Ausdruck die Note vier und im schriftlichen Ausdruck sowie in der Rechtschreibung die Note zwei erreicht. Die übrigen Noten reichten von eins (Sport) bis vier (Biologie und Geschichte). Im Fach Musik erreichte er die Note zwei.
Nach Auswertung der vom SG eingeholten Unterlagen hat der Beklagte den Anspruch des Klägers weiterhin für nicht gegeben gehalten, da dieser offensichtlich in eine normale Schule eingeschult worden sei und später eine Hilfsschule besucht habe, nicht aber eine Schule für Schwerhörige oder Gehörlose. Nach der prüfärztlichen Stellungnahme vom 7. Juli 2009 (Dr. W.) sei nach den vorgelegten Befundberichten und dem Schulzeugnis eine angeborene oder bis zum 7. Lebensjahr erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit auszuschließen. 1995 habe eine hochgradige Schwerhörigkeit vorgelegen, die einen GdB von 50 bedingt habe. Die damals noch deutlich bessere Hörfähigkeit gehe auch aus den Angaben im Bericht vom 18. Dezember 1995 hervor, wo die Einschulung in die Normalschule und später die Lernbehindertenschule mitgeteilt worden sei. 1976 seien die Leistungen im Fach Lesen mit sehr gut bewertet worden und auch die anderen Zensuren belegten ein zumindest ausreichendes Hörvermögen. Relevante Sprachstörungen könnten damit nicht erklärt werden. 2004 sei dann von der HNO-Ärztin eine Schwerhörigkeit mit einem GdB von 80 bestätigt worden. Bei dem Kläger liege offensichtlich eine fortschreitende Schwerhörigkeit vor, die im Kindes- und Jugendalter noch nicht stark ausgeprägt gewesen sein könne. Die in den letzten Jahren zunehmend beschriebenen Sprachstörungen seien nicht mit der Hörbehinderung zu erklären.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. Oktober 2009 als unbegründet abgewiesen, weil bei dem Kläger eine angeborene oder bis zum 7. Lebensjahr erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit oder eine später erworbene Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, die allein wegen der Taubheit und der damit einhergehenden schweren Sprachstörungen einen GdB von 100 rechtfertige, nicht festgestellt werden könne. Dem Zeugnis der Allgemeinbildenden polytechnischen Hilfsschule E. vom 30. Juni 1976 sei zu entnehmen, dass der Kläger am 1. September 1968 im Alter von acht Jahren eingeschult worden sei und diese Schule nach der 7. Klasse verlassen habe. Einen Beruf habe er nicht erlernt und von 1976 bis 1983 im Obstbau, später als Heizer, gearbeitet. Nach den medizinischen Befunden liege aktuell eine beidseitige Taubheit vor, wobei 2003 auf dem rechten Ohr eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und auf dem linken Ohr eine hochgradige Schwerhörigkeit bestanden habe. Zu diesem Zeitpunkt habe keine auf beiden Seiten bestehende Taubheit bzw. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorgelegen, sondern nur eine einseitige. Dies habe zum damaligen Zeitpunkt einen GdB von 50 gerechtfertigt. Damit könne noch keine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit im Sinne des Landesblindengeldgesetzes festgestellt werden, was eine angeborene oder bis zum 18. Lebensjahr erworbene Taubheit oder eine bis zum 7. Lebensjahr eingetretene an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit ausschließe. Dieses Ergebnis stehe im Einklang mit den sonstigen Befunden: Der Kläger beherrsche die Gebärdensprache nicht, wobei nicht ersichtlich sei, dass er unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten die Gebärdensprache nicht hätte erlernen können. Er habe auch keine Schule für Hörbehinderte besucht und sowohl in den naturwissenschaftlichen als auch in den geisteswissenschaftlichen Fachgebieten durchschnittliche Leistungen erbracht. Bei einer bis zum 7. Lebensjahr erworbenen Taubheit wäre eine Einschulung in eine Normal- bzw. Hilfsschule nicht zu erwarten gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass eine besondere frühkindliche Förderung notwendig gewesen sei, bestünden nach dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck nicht. Es liege bei ihm weder eine schwer verständliche Lautsprache noch ein auffällig stark beeinträchtigter Sprachschatz vor. Soweit durch Dr. B. im Bericht vom 5. Juli 2007 eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit angegeben werde, sei dem nicht zu folgen. Diese Ärztin habe im Bericht vom 6. Februar 2009 klargestellt, zum Zeitpunkt des Eintretens einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit keine genauen Angaben machen zu können und eine solche Hörbehinderung aufgrund der Angaben des Klägers für lediglich möglich erklärt. Auf etwaige Angaben der Geschwister des Klägers komme es insoweit nicht an, da diese zwar eine schwere Schädigung der Hörleistung bestätigen, jedoch keine weitergehenden Aussagen zu dem nach medizinischen Kriterien zu bestimmenden genauen Ausmaß der Hörschädigung machen könnten.
Das ihm am 1. Dezember 2009 zugestellte Urteil greift der Kläger mit seiner am 11. Dezember 2009 vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in Halle eingelegten Berufung an und macht geltend, bei ihm sei sofort nach der Geburt Taubheit festgestellt worden. Er sei deswegen als Baby nach H. ins ...Krankenhaus gebracht und an beiden Ohren operiert worden. Zwei Jahre habe er sich dort von 1960 bis 1962 aufhalten müssen. Unterlagen könne er dazu nicht beibringen, sondern sich nur auf die Angaben seiner Geschwister M. und B. stützen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. Oktober 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Gehörlosengeld ab 21. Juni 2007 in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung sowie seine Bescheide für zutreffend und trägt ergänzend vor, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Gehörlosengeld in Auswertung aller aktenkundigen Befundunterlagen nicht vorlägen. In den medizinischen Unterlagen aus den Jahren 1995 und 1996 sei eine beidseitige mittel-bzw. hochgradige Schwerhörigkeit abzuleiten. Deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, dass bis zum 7. Lebensjahr ein schlechteres Hörvermögen vorgelegen habe. Entgegen dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten des Klägers, wonach das Vorliegen einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit durch die behandelnde Ohrenärztin bestätigt worden sei, sei festzustellen, dass Dr. B. im Befundbericht vom 26. Februar 2005 mitgeteilt habe, diese Aussage sei allein aufgrund der Angaben des Klägers getroffen worden. Ein medizinischer Nachweis auf eine seit Geburt vorliegende Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit sei den vorliegenden Befundunterlagen nicht zu entnehmen. Gegen das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen spreche auch, dass der Kläger in eine Normalschule eingeschult worden sei und dann in eine Hilfsschule, nicht aber eine Schule für Schwerhörige oder Gehörlose besucht habe. Insoweit sei auch eine Befragung der Geschwister entbehrlich, da diese nur bestätigen könnten, dass beim Kläger eine Hörbehinderung seit der Kindheit vorliege. Eine Schlussfolgerung über das Ausmaß der damals vorliegenden Hörstörung könne daraus nicht abgeleitet werden.
Das Krankenhaus ... und ... H. hat auf Anfrage des Senats am 17. Juni 2010 mitgeteilt, man habe in Erfahrung gebracht, dass der Kläger vom 14. November 1960 bis 15. Dezember 1960 aufgrund einer Meningo-Enzephalitis in der damaligen Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Standort ...straße stationär behandelt worden sei. Sämtliche diesbezüglichen Behandlungsunterlagen seien jedoch bereits vernichtet worden.
Der Berichterstatter hat im Erörterungstermin vom 13. Dezember 2013 die Schwestern des Klägers B. Z. und B. K. als Zeuginnen vernommen. Frau Z. hat ausgeführt, zu dem Verhalten ihres Bruders im Kindergarten keine Angaben mehr machen zu können. Sie erinnere sich aber noch, dass er auch mit anderen Kindern gespielt habe, dabei manchmal aber etwas zurückhaltend gewesen sei und nicht alles mitgemacht habe. Möglicherweise, weil er nicht alles verstanden habe. So genau wisse sie das aber nicht mehr. Allerdings habe er sich nicht so gleichmäßig wie die anderen Geschwister entwickelt, insbesondere beim Sprechen sei das festzustellen gewesen, er habe auch nicht so sprechen können. Körperlich sei er eigentlich ganz gut entwickelt gewesen und hätte sich auch im Streit wehren können. Er habe auch öfter nachgefragt, wenn man ihn ansprach. Aber sie habe das als Kind nicht so deutlich als Schwerhörigkeit eingeordnet. Zum Schulbesuch wisse sie noch, dass der Kläger in eine normale Schule eingeschult worden sei, obwohl er dort wahrscheinlich nicht hingehört habe. Er sei von Anfang an nicht richtig mitgekommen, weil in einer normalen schnelllebigen Schule ein gewisses Tempo angeschlagen werde, das er nicht habe mitgehen können. Sie wisse aber nicht mehr, warum er nicht in eine Schule für behinderte Schüler eingeschult worden sei. Sie, die Zeugin, sei diejenige gewesen, die sich am meisten mit dem Kläger unterhalten habe, weil sie ihn auch am besten verstanden habe. Von hinten habe man ihn eigentlich nicht ansprechen können, es sei notwendig gewesen, Blickkontakt zu ihm herzustellen, weil er manches auch von den Lippen abgelesen hatte. Es könne schon sein, dass er manches auch akustisch verstanden habe, vieles sei aber auch mit den Händen und Füßen und eben auch mit den Lippen erklärt worden. Die Mutter habe auch ganz gut mit dem Kläger kommunizieren können, weil auch sie sich wohl darauf eingestellt gehabt habe, dass er da gewisse Probleme hatte. Die jüngeren Geschwister hätten sich damit allerdings eher weniger auseinandergesetzt.
Die zweite Zeugin, B. K., hat angegeben, sie wisse noch von der Mutter, dass ihr Bruder einmal im Krankenhaus gewesen sei. Sie wisse aber nicht genau warum. Sie nehme an, das habe mit seiner Schwerhörigkeit zu tun gehabt, die er schon von Geburt an gehabt habe. Ihr sei im Verhältnis zu ihrem Bruder nicht allzu viel aufgefallen. Er habe öfter mal geschimpft, wenn die Geschwister bei der gemeinsamen Unterhaltung nicht laut genug gesprochen hätten. Sonst aber sei eigentlich immer alles in Ordnung gewesen. Sie habe ihn eigentlich nicht zu irgendeiner Zeit bewusst als schwerhörigen Menschen eingeschätzt. Sie habe sich mit ihm gelegentlich durchaus auch unter vier Augen unterhalten, allerdings habe sie sich dann direkt vor ihn stellen oder vor ihm hinsetzen müssen. Aber auch dann habe er gelegentlich geäußert, sie solle lauter sprechen oder das Gesagte wiederholen. Auch habe ihr Bruder die Schule bewältigt, dabei aber oft Unterstützung von der Mutter und der älteren Schwester gebraucht, die sich sehr um ihn gekümmert hätten.
Im Erörterungstermin hat der Kläger den Bericht des Logopäden B. vom 17. November 2008 über die mit dem Kläger vom 25. September bis 17. November 2008 durchgeführte logopädische Behandlung vorgelegt. Nach diesem Bericht sei das Sprechen des Klägers gekennzeichnet gewesen durch eine verwaschene undeutliche Artikulation und einen überhasteten Redefluss mit Verschlucken von Lauten und Silben.
Der Senat hat die Schwerbehindertenakte des Klägers zum Verfahren beigezogen, wonach dem Kläger mit Bescheid vom 26. August 1996 ein GdB von 80 wegen Schwerhörigkeit (Einzel-GdB von 60) und einer exogenen Nervenschädigung mit Anfallsleiden und Gangstörung (Einzel-GdB von 50) zuerkannt wurde. Bei der Bewertung der Hörschädigung hatte sich die Behörde auf die von Dr. H. im August 1996 nach Anfertigung eines Sprachaudiogramms erhobenen Befunde gestützt, wonach der prozentuale Hörverlust (nach Fowler/Sabine) rechts 85,6 % und links 93,5 % betrage.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht erhobene Berufung ist unbegründet. Das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide sind zu Recht ergangen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gehörlosengeld.
Nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt vom 19. Juni 1992 (GVBl. LSA 1992, S. 565) erhalten Personen Gehörlosengeld 1. mit angeborener oder bis zum 7. Lebensjahr erworbener Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit, 2. mit später erworbener Taubheit, wenn der Grad der Behinderung allein infolge Taubheit und mit der Taubheit einhergehender schwerer Sprechstörung 100 beträgt.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.
Anknüpfungspunkt für die Feststellung, dass der Kläger nicht unter einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit leidet, die angeboren ist oder die er bis zum 7. Lebensjahr erworben hat, ist zunächst das Schwerbehindertenverfahren aus dem Jahre 1996, das zu einer Anerkennung des Klägers als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 80 wegen Schwerhörigkeit (Einzel-GdB von 60) und einer exogenen Nervenschädigung mit Anfallsleiden und Gangstörung (Einzel-GdB von 50) sowie Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "RF" geführt hat. Hinsichtlich der Hörbeeinträchtigung beruhen diese GdB-Feststellung auf dem Befundbericht von Dr. H. vom 27. August 1996, mit dem diese aus der Anamnese des Klägers "Schwerhörigkeit seit der Kindheit" und einen gemessenen prozentualen Hörverlust von 85,6 % auf dem rechten sowie von 93,5 % auf dem linken Ohr angeben hat. Zutreffend hat danach das Amt für Versorgung und Soziales H. in Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) 1996, Ziff. 26.5 Hör- und Gleichgewichtsorgan, Tabelle D, eine hochgradige Schwerhörigkeit mit einem Grad der Behinderung von 60 abgeleitet. Eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit, für die ein Grad der Behinderung von 70 festzusetzen gewesen wäre, kann daraus nicht gefolgert werden, sodass der Kläger nach diesen Feststellungen im Jahre 1996 unter hochgradiger Schwerhörigkeit gelitten hat. Dann ist es aber eine medizinische Tatsache, dass sein Hörvermögen im Kindesalter nicht schlechter gewesen sein kann, weil das Gehör des Menschen im Erwachsenenalter nicht besser, sondern ab dem 31. Lebensjahr allmählich schlechter wird (vgl. Hesse/Laubert, Hörminderung im Alter – Ausprägung und Lokalisation, Deutsches Ärzteblatt 2005, A 2864 f.). Die dem entsprechende medizinische Argumentation des Beklagten trifft also zu. Im Übrigen hat auch der Kläger selbst in seinem Antrag vom 26. August 1996 auf eine hochgradige Schwerhörigkeit hingewiesen. Die späteren Befundberichte von Dr. B., nach denen beim Kläger im November 2004 und später eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit bestanden habe, widersprechen diesem Ergebnis nicht, weil sie die Tatsache, dass das Gehör 1995 noch besser war, nicht beiseite räumen.
Die Annahme, dass beim Kläger von einer im Kindesalter erworbenen hochgradigen Schwerhörigkeit auszugehen ist, wird auch durch die Aussagen seiner Schwestern bei der Zeugenvernehmung gestützt. Beide haben angegeben, dass der Kläger zwar Schwierigkeiten beim Hören hatte, dennoch aber in der Familie und, mit Schwierigkeiten auch in der Schule, integriert war. Ihm ist zuzugestehen, dass nach der Befunderhebung von Dr. H. am 20. April 1995 die Grenze zu einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit recht nahe war. Daraus kann aber, wie ausgeführt, nicht gefolgert werden, dass diese Grenze im Kindesalter bis zum 7. Lebensjahr überschritten war. Dafür gibt auch das Schulzeugnis vom 30. Juni 1976 nichts her, dem keine unmittelbaren Hinweise auf eine Schwerhörigkeit zu entnehmen sind. Lediglich mittelbar kann aus der Tatsache, dass der Kläger Schwierigkeiten bei der mündlichen Aussprache hatte, geschlossen werden, dass diese auf eine Hörbeeinträchtigung zurückzuführen sind. Eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit kann daraus aber nicht abgeleitet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG)
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