L 9 KR 81/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 KR 683/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 81/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 16. Mai 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit Bescheid vom 20. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 1997 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger in der Zeit seit dem 1. Mai 1996 in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 4. in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung nicht versicherungspflichtig und in der Arbeitslosenversicherung nicht beitragspflichtig ist. Der Widerspruchsbescheid wurde mittels Postzustellungsurkunde an ihn auf den Weg gebracht und am 29. August 1997 der unter der Zustellanschrift erreichten zum Empfang berechtigten NP übergeben.

Hiergegen hat der Kläger am 30. September 1997 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Auf den gerichtlichen Hinweis, dass die Klagefrist um einen Tag versäumt sei und als unzulässig abgewiesen werden müsse, sofern keine Tatsachen vorlägen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigten, hat der Kläger vorgetragen: Er sei vom 20. August bis zum 10. September 1997 verreist gewesen und habe deshalb erst am 10. September 1997 von dem Widerspruchsbescheid Kenntnis erlangt. Vom 20. bis zum 30. September 1997 sei er bettlägerig erkrankt gewesen. Einen Arzt habe er seinerzeit nicht konsultiert. Seine Bettlägerigkeit könne jedoch seine Lebensgefährtin, Frau NP, bestätigen, mit der er in seiner Privatwohnung zusammen wohne. Dort befinde sich kein Faxgerät.

Das Sozialgericht hat die Träger der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung sowie den vom Kläger als solchen bezeichneten
Arbeitgeber zum Rechtsstreit beigeladen. In der mündlichen Verhandlung vom 13. August 1998 hat die Kammervorsitzende als Erklärung des Klägers zu Protokoll genommen, dass es sich bei seiner damaligen Erkrankung um eine Bronchitis gehandelt habe; seine Lebensgefährtin, mit der er schon seinerzeit zusammen gewohnt habe, sei damals nicht erkrankt gewesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. Mai 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unzulässig. Denn der Kläger habe die Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides versäumt. Da ihm der Widerspruchsbescheid am 29. August 1997 zugestellt worden sei, sei die Klagefrist am 29. September 1997 abgelaufen. Die erst am Dienstag, dem 30. September 1997, bei Gericht eingegangene Klage sei verspätet. Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist habe dem Kläger nicht gewährt werden können. Denn er habe die Frist nicht ohne Verschulden versäumt. Soweit er hierzu ausgeführt habe, dass er bis zum 30. September 1997 wegen Bronchitis bettlägerig erkrankt gewesen sei, erscheine dieses Vorbringen mangels ärztlicher Bestätigung bereits zweifelhaft. Hierauf komme es jedoch nicht entscheidend an, weil der Kläger auf Befragen angegeben habe, dass er schon seinerzeit mit seiner Lebensgefährtin zusammen gelebt habe, die ihrerseits nicht erkrankt gewesen sei. Er habe damit jedenfalls die Möglichkeit gehabt, sie mit der Übersendung der Klageschrift zu beauftragen.

Gegen diesen ihm am 7. Juli 2000 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 26. Juli 2000.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 20. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 1997 aufzuheben und festzustellen, dass er seit dem 1. Mai 1996 in seiner Tätigkeit für die Firma P-Immobilien in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung versicherungspflichtig und in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig ist.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 3. beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der angegriffene Gerichtsbescheid ist zutreffend.

Die vom Kläger erhobene Klage ist unzulässig. Denn der Kläger hat die in § 87 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung geregelte Klagefrist von einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides um einen Tag versäumt. Der mittels Postzustellungsurkunde auf den Weg gebrachte Widerspruchsbescheid vom 28. August 1997, der im Fall des Klägers nach § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG in der bis zum 31. Mai 1998 geltenden Fassung noch förmlich zuzustellen war, ist dem Kläger am 29. August 1997 ordnungsgemäß zugestellt worden. Wie sich aus der hierüber beweisbegründenden Postzustellungsurkunde vom 29. August 1997 ergibt, ist er dem Kläger an diesem Tag zwar nicht persönlich ausgehändigt worden. Er ist jedoch ersatzweise der unter der als Zustellanschrift dienenden Geschäftsadresse erreichten und zum Empfang berechtigten NP übergeben worden, was nach § 3 Abs. 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes in Verbindung mit § 183 Abs. 1 der Zivilprozessordnung - jeweils in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung - für eine ordnungsgemäße Zustellung ausreicht. Da die Beklagte den Widerspruchsbescheid mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, ist mit seiner Zustellung die einmonatige Klagefrist des § 87 Abs. 1 und 2 SGG in Lauf gesetzt worden, die nach § 64 SGG am Montag, dem 29. September 1997, ablief. Die unter diesem Datum auch erst verfasste Klage ist jedoch erst am 30. September 1997 bei Gericht eingegangen und damit um einen Tag verspätet.

Für eine Wiedereinsetzung in der versäumte Klagefrist gemäß § 67 SGG ist im Fall des Klägers kein Raum. Der Kläger hat zwar die versäumte Rechtshandlung (hier die Klageerhebung) bereits einen Tag nach Ablauf der Klagefrist nachgeholt, weshalb ein Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 67 Abs. 2 Satz 4 SGG nicht binnen Monatsfrist nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden musste. Den Kläger trifft jedoch an der Versäumung der Klagefrist Verschulden. Denn er hat zwecks Wahrung dieser Frist nicht diejenige Sorgfalt walten lassen, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen des Falles nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang zunächst darauf
berufen hat, dass er vom 20. August bis zum 10. September 1997 verreist gewesen sei und deshalb erst am 10. September 1997 von dem Widerspruchsbescheid Kenntnis erlangt habe, entschuldigt dies das Fristversäumnis nicht. Denn vom 10. September 1997 bis zum Ablauf der Klagefrist am 29. September 1997 verblieben ihm ohne den Tag der Kenntnisnahme - noch volle 19 Tage, die er zur rechtzeitigen Klageerhebung hätte nutzen können. Soweit der Kläger darüber hinaus zur Entschuldigung des Fristversäumnisses vorgetragen hat, er sei vom 20. bis zum 30. September 1997 bettlägerig erkrankt gewesen, hat schon das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass es hierfür an einer ärztlichen Bestätigung fehlt. Hierauf bzw. auf das vom Kläger anstelle einer ärztlichen Bestätigung zum Beleg für die Richtigkeit seines Vorbringens angebotene Zeugnis seiner (damaligen) Lebensgefährtin kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn abgesehen davon, dass es sich bei der Erkrankung des Klägers unter Zugrundelegung seiner in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 13. August 1998 zu Protokoll genommenen Erklärung lediglich um eine Bronchitis gehandelt haben soll, die bei normalem Verlauf nicht zu einer völligen Handlungsunfähigkeit geführt haben kann, hat der Kläger auch sonst keinerlei Gesichtspunkte dafür vorgetragen, dass er trotz der von ihm behaupteten Erkrankung mit Bettlägerigkeit nicht seine mit ihm (seinerzeit) zusammen wohnende Lebensgefährtin oder einen sonstigen Dritten mit der Übermittlung der Klageschrift hätte beauftragen können. Insbesondere spricht in diesem Zusammenhang nichts dafür, dass es ihm unmöglich gewesen sein könnte, einfach nur in der von ihm und seinen Geschwistern betriebenen Firma P - Immobilien anzurufen und ein dort tätiges Mitglied seiner Familie oder einen sonstigen Mitarbeiter zur Abfassung und Übermittlung einer Klageschrift in seinem Namen - notfalls mittels des dort vorhandenen Faxgerätes - zu veranlassen. Mangels Zulässigkeit der Klage ist es dem Senat verwehrt, eine Entscheidung über das vom Kläger in der Sache verfolgte Begehren zu treffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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