Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 2401/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 42/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit der an die Antragstellerin ergangenen Aufforderung des Antragsgegners, vorzeitig Altersrente zu beantragen.
Die am ... 1951 geborene Antragstellerin steht beim Antragsgegner seit 1. Oktober 2010 im laufenden Bezug von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Sie bewohnt ein 86 qm großes, 1892 erbautes und unsaniertes Eigenheim.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II ab Januar 2013 bis März 2015 in Höhe von monatlich zwischen 522,60 EUR (Januar 2013) und 738 EUR (März 2015). Die monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) errechnete er aus einem Zwölftel der im Kalenderjahr aufzubringenden Aufwendungen. Die Heizkosten übernahm er nach einer Kostensenkungsaufforderung nur in Höhe des aus seiner Sicht angemessenen Betrages in Höhe von 80 EUR/Monat, ab 1. September 2014 in Höhe von 70 EUR/Monat.
Ausweislich einer Kurzauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 28. April 2014 könne die Antragstellerin ab 1. September 2014 eine vorgezogene Altersrente mit einem Abschlag von 7,2% in Höhe von monatlich 675,19 EUR brutto (604,29 EUR netto) beziehen.
Mit Schreiben vom 5. Mai und 26. Juni 2014 hatte der Antragsgegner die Antragstellerin aufgefordert, einen Antrag auf Gewährung von Altersrente zu stellen. Nach Durchführung eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes hatte er diese Aufforderungen auf Hinweis des Sozialgerichts Magdeburg wegen Fehlens einer Ermessensausübung mit Schriftsatz vom 31. Juli 2014 zurückgenommen.
Mit Bescheid vom 4. August 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut auf, Altersrente zu beantragen. Am 2014 vollende sie das 63. Lebensjahr. Da das Arbeitslosengeld II nur eine nachrangige Sozialleistung darstelle, sei sie entsprechend § 12a SGB II verpflichtet, andere Sozialleistungen zu beantragen, die die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II verkürzten, verringerten oder beseitigten. Gründe, die die Antragstellung unbillig erscheinen ließen, seien nicht vorgetragen worden und aus dem Aktenvorgang auch nicht ersichtlich. Es gingen weder Ansprüche auf Arbeitslosengeld (Alg I) nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung - SGB III) verloren noch sei innerhalb der nächsten drei Monate der Bezug einer abschlagsfreien Rente möglich. Eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit liege aktuell nicht vor und ein glaubhafter Nachweis einer Arbeitsaufnahme in naher Zukunft sei ebenso nicht gegeben. Somit scheide eine Unbilligkeit vorliegend aus. Nach Abwägung des Interesses der Antragstellerin an dem fortlaufenden Arbeitslosengeld II-Bezug bis zum Zeitpunkt des Erreichens des Regelrentenalters und dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung bzw. Verringerung der Hilfebedürftigkeit, komme er (der Antragsgegner) zu dem Ergebnis, dass die Aufforderung zur Rentenbeantragung verhältnismäßig sei. Aus den Unterlagen (Kurzauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 28. April 2014) sei ersichtlich, dass der Anspruch auf Altersrente mit Abschlag höher sei als der aktuelle Leistungsanspruch nach dem SGB II oder nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (Sozialhilfe - SGB XII). Da die Antragstellerin möglicherweise einen Anspruch auf Altersrente habe, werde sie aufgefordert, den entsprechenden Antrag zu stellen. Im Fall, dass sie die Voraussetzungen für eine Altersrente noch nicht erfüllte, werde sie gebeten, eine Rentenauskunft einzureichen, die bescheinige, ab welchem Zeitpunkt sie die Rente beantragen könne. Im Fall, dass sie dieser Aufforderung nicht nachkomme, sei er (der Antragsgegner) entsprechend § 5 Abs. 3 SGB II berechtigt, den Antrag von Amts wegen zu stellen.
Hiergegen legte die Antragstellerin unter dem 14. August 2014 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist.
Am 18. August 2014 hat sie beim Sozialgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Die Aufforderung zur vorzeitigen Beantragung der Rente sei rechtswidrig. Die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen das Aufforderungsschreiben vom 4. August 2014 solle festgestellt sowie der Antragsgegner verpflichtet werden, bis zur Entscheidung über den Widerspruch keinen Rentenantrag zu stellen. Ihr drohten durch den Bezug der vorzeitigen Altersrente unzumutbare Nachteile, die nicht rückgängig zu machen seien. So erhalte sie eine Rente, welche unter der Armutsgrenze liege. Die Höhe der Rentenzahlung decke entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht ihren Grundsicherungsbedarf. Sie habe unter Berücksichtigung weiterer fälliger Hauslasten für August 2014 Leistungen in Höhe von 624,92 EUR und für September 2014 in Höhe von 697,60 EUR erhalten. Weiterhin würde der Antragsgegner nicht die tatsächlichen Heizkosten übernehmen. So seien von Januar bis August 2014 Kosten in Höhe von 1.021 EUR angefallen. Davon seien nur 640 EUR vom Grundsicherungsträger übernommen worden. Weiterhin seien zukünftig anfallende Kosten notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Der Antragsgegner habe sein Ermessen nicht rechtmäßig ausgeübt. Er habe nicht geprüft, ob ein milderes Mittel (z.B. Vermittlung in Arbeit) gegeben sei. Sie sei Dipl.-Ingenieurökonomin. Vom Antragsgegner seien weder Arbeitsstellen noch Weiterbildungen vermittelt worden. Sie werde zudem als Frau benachteiligt gegenüber den SGB II-Empfängern, die nicht die Voraussetzungen einer vorgezogenen Altersrente erfüllten. Zudem greife die streitgegenständliche Aufforderung des Antragsgegners in ihre grundgesetzlich geschützten Persönlichkeits- und Gestaltungsrechte ein. Ferner liege ein unzulässiger Eingriff in ihr durch Art. 14 Grundgesetz (GG) geschütztes Eigentum vor.
Mit Beschluss vom 18. Dezember 2014 hat das Sozialgericht die Anträge zurückgewiesen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 4. August 2014 sei nicht anzuordnen gewesen. Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiege nicht das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners. Der Widerspruch habe wohl keine Aussicht auf Erfolg. Nach summarischer Prüfung habe der Antragsgegner die Antragstellerin zu Recht aufgefordert, vorzeitig Altersrente zu beantragen. Die Inanspruchnahme der Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres vermindere die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin nach dem SGB II nicht nur, sondern vermeide diese sogar. Dem Rentenanspruch in Höhe von 604,29 EUR (netto) stehe ein geringerer Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegenüber. Diese hätten im Zeitraum von Januar 2013 bis Februar 2015, abgesehen von August 2014, zwischen 500 EUR und 600 EUR monatlich gelegen. Einzelheiten könnten insoweit dahinstehen. Ein Fall im Sinne der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor. Die Aufforderung zur Rentenantragstellung beruhe schließlich nicht auf einer fehlerhaften Ermessensausübung des Antragsgegners. Denn die in diesem Zusammenhang von der Antragstellerin vorgetragenen Gesichtspunkte (Ausschluss von Vorteilen des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II, Erhöhung der Armutsgefahr, Gleichbehandlung mit Leistungsempfängern ohne Rentenanspruch) seien notwendige Folge der gesetzlichen Regelung. Es seien aber keine Gesichtspunkte, die es dem Antragsgegner erlaubten, eine Rechtsfolge zu verfügen, die von der Aufforderung zur Rentenantragstellung abweiche.
Der Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, bis zur Entscheidung über den Widerspruch keinen Rentenantrag zu stellen, sei unzulässig. In Fällen, in denen der Antragsgegner, wie hier, einen Ermessensspielraum habe, sei eine einstweilige Anordnung nur zulässig, wenn das Ermessen auf Null reduziert sei. Daran fehle es vorliegend.
Gegen den ihr am 27. Dezember 2014 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 26. Januar 2015 Beschwerde eingelegt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts decke der monatliche Betrag der vorgezogenen Altersrente nicht den Grundsicherungsbedarf. So seien ihr von August 2014 bis Februar 2015 Leistungen in Höhe von durchschnittlich 621,32 EUR/Monat bewilligt worden (unter Berücksichtigung eines Entzugs der Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 4. Februar 2015 wegen fehlender Mitwirkung beim Ausfüllen des Rentenantrags). Zu einer Erhöhung des Bedarfs führten die nicht vom Antragsgegner anerkannten Heizkosten, die notwendige Sanierung des Schornsteinkopfes (Auflage des Schornsteinfegers) sowie Kosten einer vom Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserversorgung und der Stadt T. angekündigten Erneuerung der Trinkwasserversorgungs- sowie der Trinkwasserhausanschlussleitung. Die in den §§ 2 - 5 der Unbilligkeitsverordnung aufgeführten Einzelfälle seien nur beispielhaft, nicht vollständig und keine abschließende Aufzählung. Soweit sich eine Rente unterhalb der Armutsgrenze bewege, die für Alleinstehende nach dem aktuellen Armutsbericht 892 EUR betrage, sei eine vorzeitige Berentung generell unbillig. Gleiches gelte bei nur unzureichender Vermittlungstätigkeit. Seit 2010 seien ihr weder eine sozialversicherungspflichtige Stelle noch eine Weiterbildungsmaßnahme angeboten worden.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. August 2014 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er weist insbesondere darauf hin, er habe seit 2009 zahlreiche Beratungsgespräche mit der Antragstellerin geführt. Diese habe sich aktiv um eine sozialversicherungspflichtige Anstellung bemüht und parallel auch den gemeinsamen Arbeitgeberservice des Jobcenters und der Arbeitsagentur aufgesucht. 2011 habe er ihr vor dem Hintergrund, dass sie seit Jahren nicht mehr in ihrem Beruf tätig gewesen sei und daher Bedenken hinsichtlich der Qualifikation bestanden hätten, alternative Stellen im Helferbereich angeboten. Die Antragstellerin habe diese jedoch abgelehnt. Ende November 2011 sei ihr eine sechsmonatige Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei der Gesellschaft für Arbeitsförderung T. angeboten worden. Diese habe sie jedoch im Hinblick auf eine ausstehende Bewerbung bei einer Q. Heizungs- und Sanitärfirma als Bürokraft/Materialeinkäuferin abgelehnt. Weitergehende geeignete Stellenangebote hätten ihr nicht unterbreitet werden können. Die den ersten Arbeitsmarkt betreffenden durchgeführten Stellensuchläufe seien ohne Erfolg geblieben. Eine Teilnahme der Antragstellerin am Programm "Aktiv bis zur Rente" sei im März 2014 gescheitert, da die Antragstellerin von keinem Arbeitgeber angestellt worden sei. Die Kosten eines von ihr gewünschten Computerkurses (Officepaket von Microsoft) hätten nicht übernommen werden können, da die Fördervoraussetzungen (Einstellungsabsicht eines konkreten Arbeitgebers) nicht erfüllt gewesen seien.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft nach § 172 Abs. 3 SGG. Sie unterfällt nicht der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da sich die Antragstellerin vorliegend gegen die Aufforderung wendet, vorzeitig Altersrente in Anspruch nehmen zu müssen.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen das Aufforderungsschreiben des Antragsgegners vom 4. August 2014 abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
Rechtsfolge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ist es, den Vollzug eines Verwaltungsaktes zu verhindern. Der Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner zu verpflichten, keinen vorzeitigen Rentenantrag zu stellen, ist daher vom o.g. Begehren mit umfasst.
Der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. August 2014 hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung.
Das Rechtsschutzbegehren ist unbegründet. Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet auf Grund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b, Rn. 12). Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs u.a. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Das vom Gesetzgeber in § 39 SGB II angeordnete vordringliche Vollzugsinteresse hat für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Bedeutung, dass der Antragsgegner von der ihm nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG obliegenden Pflicht entbunden wird, das öffentliche Interesse der sofortigen Vollziehbarkeit gesondert zu begründen. Das Gesetz unterstellt aber den Sofortvollzug keineswegs als stets, sondern als nur im Regelfall geboten und verlagert somit die konkrete Interessenbewertung auf Antrag des Antragstellers hin in das gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 17. September 2001, 4 VR 19/01, NZV 2002, 51, 52 unter Bezug auf BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1994, 4 VR 1/94, BVerwGE 96, 239 ff, jeweils zu § 80 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der bis 31. Dezember 1996 gültigen Fassung, der wortgleich zu § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG ist). Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Interesse der Antragstellerin am Nichtvollzug, denn der Bescheid 4. August 2014 ist wohl rechtmäßig.
Die Antragstellerin ist vor Erlass des Bescheides ordnungsgemäß nach § 24 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) angehört worden. Durch die vom Antragsgegner zurückgenommenen Aufforderungsschreiben vom 5. Mai und 25. Juni 2014 hat die Antragstellerin ausreichend Gelegenheit erhalten, sich im Verwaltungsverfahren zum geplanten Vorgehen des Antragsgegners zu äußern.
Der Bescheid vom 4. August 2014 ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Gemäß § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistun¬gen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte gemäß § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II können die Leistungsträger, wenn die Leistungsberechtigten trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht stellen, den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Hieraus schließen die Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend, dass sowohl die Stellung des Antrags anstelle des Leistungsempfängers als auch die Aufforde¬rung, einen derartigen Antrag zu stellen, im Ermessen des Leistungsträgers stehen (vgl. LSG Sachsen, Beschluss vom 28. August 2014, L 7 AS 836/14 B ER, Rn. 24 m.w.N., Juris).
§ 12a Satz 1 SGB II beinhaltet eine Konkretisierung des § 3 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach dürfen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Nach § 2 Abs. 1 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II ausschöpfen. Nach § 2 Abs. 2 SGB II haben erwerbsfähige Leistungsberechtigte in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Dazu gehört die Inanspruchnahme von im Laufe des Erwerbslebens erarbeiteten Rentenversicherungsleistungen der Deutschen Rentenversicherung Bund, wenn sie nicht mehr in den Genuss der sog. "58er-Regelung" kommen können. Das ist gemäß § 65 Abs. 4 SGB II der Fall, wenn die Leistungsberechtigten nach dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben. Nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine "Unbilligkeit" gemäß § 13 Abs. 2 SGB II in Zusammenhang mit der ab dem 1. Januar 2008 erlassenen Unbilligkeitsvorordnung darstellt. Das in der Verordnungsermächtigung zum Ausdruck gebrachte Regel-Ausnahme-Verhältnis soll verdeutlichen, dass die Verordnung lediglich eng umgrenzte Fälle bestimmen soll, in denen die Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, unbillig wäre (vgl. zu letzterem BT¬Drs. 16/7460 S. 12 zu § 13).
§ 12a SGB II findet Anwendung auf die Antragstellerin. Diese hatte nach dem 1. Januar 2008, nämlich am 2009 das 58. Lebensjahr und am 2014 das 63. Lebensjahr vollendet.
Es bestehen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung keine Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters im Sinne der §§ 2 bis 5 der Unbilligkeitsverordnung.
Die Inanspruchnahme der Rente führt bei der Antragstellerin nicht zum Verlust von Arbeitslosengeld im Sinne des § 2 Unbilligkeitsverordnung. Sie kann auch nicht gem. § 3 Unbilligkeitsverordnung in nächster Zukunft abschlagsfrei die Altersrente in Anspruch nehmen. Ausweislich der Verordnungsbegründung ist mit "in nächster Zukunft" ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint (vgl. Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung, S. 8). Sie übt auch keine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 4 Unbilligkeitsverordnung aus. Eine solche steht auch nicht bevor (§ 5 Unbilligkeitsverordnung). Eine diesbezügliche Prognoseentscheidung hinsichtlich der Vermittlungsmöglichkeiten der Antragstellerin in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis hat der Antragsgegner getroffen. Die Antragstellerin kann sich mithin nicht darauf berufen, sie müsse vorrangig in Arbeit vermittelt werden. Der Antragsgegner hat dies seit 2009 vergeblich versucht. Auch Eigenbemühungen der Antragstellerin sind erfolglos geblieben.
Die Gründe, die zur Unbilligkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente führen, sind abschließend (offen gelassen LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Oktober 2014, L 4 AS 448/14 B ER, Rn. 29, Juris). Nach dem Willen des Gesetzgebers, sollen die in der Unbilligkeitsverordnung genannten Gründe als Ausnahmen eng umgrenzt sein (vgl. BT-Drs. 16/7460 S. 12 zu § 13).
Die von ihr beschriebene "Armutsgrenze" kann vorliegend bereits deswegen nicht zur Unbilligkeit der vorgezogenen Altersrente führen, da auch ihre abschlagsfreie Rente unterhalb von 892 EUR/Monat liegen dürfte. Unter Außerachtlassung des Abschlags von 7,2 % ergäbe sich eine ungekürzte Altersrente von etwa 730 EUR brutto/Monat.
Der Antragsgegner hat auch sein Ermessen in genügender Weise ausgeübt.
Die gerichtliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen beschränkt sich gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG auf die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens und die Ermessensausübung in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise. Der Bescheid vom 4. August 2014 lässt eine im Hinblick auf die Sachlage hinreichende Ermessensbetätigung erkennen. Er geht insbesondere auf das gesetzliche Regel-/Ausnahmeverhältnis des § 12a SGB II ein und auf die Frage, ob im konkreten Fall ein Grund gegeben ist, hiervon abzuweichen. Im Übrigen kann noch bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens eine Nachholung bzw. Konkretisierung der Ermessensausübung erfolgen.
Unerheblich ist nach Auffassung des Senats, ob die Antragstellerin tatsächlich in der Lage wäre, durch die vorgezogene Altersrente ihren Grundsicherungsbedarf zu decken. Ein Ermessensfehlgebrauch des Antragsgegners liegt diesbezüglich in keinem Fall vor. Der Antragsgegner ist nur verpflichtet, das Ermessen unter Zugrundelegung der von ihm als gegeben erachteten Tatsachen auszuüben. Seiner Auffassung nach besteht kein Anspruch der Antragstellerin auf Übernahme der tatsächlichen Heizkosten. Zudem ist es nicht Aufgabe des Grundsicherungsträgers, den Versuch einer Schätzung zu unternehmen, ob die abschlagsfreie Altersrente voraussichtlich bedarfsdeckend sein würde. Eine solche Schätzung wäre ohnehin äußerst unsicher, da die künftige Höhe der Rentenwerte, Regelsätze, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wie auch der Kosten der Unterkunft und Heizung (Energiepreise, Witterung im Winter usw.) nur mit großen Unsicherheiten vorhergesagt werden könnten (vgl. auch LSG Sachsen, Beschluss vom 19. Februar 2015, L 8 AS 1232/14 ER, Rn. 38). Die Antragstellerin hat die Möglichkeit, ergänzend Leistungen nach dem SGB XII oder Wohngeld in Anspruch zu nehmen.
Gründe für eine Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente sieht der Senat nach summarischer Prüfung nicht.
Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Die Antragstellerin wird als Frau gegenüber anderen (männlichen) SGB II-Empfängern nicht benachteiligt. § 12a SGB II gilt nach den o.g. Grundsätzen für alle Leistungsberechtigten nach dem SGB II, die das 63. Lebensjahr und vor dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben. Diese Vorschrift korrespondiert zudem mit § 237 Abs. 3 i.V.m. Anlage 19 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI), wonach eine vorgezogene Altersrente ab 63 Jahren möglich ist für die von 1949 bis 1951 geborenen Versicherten. Diese Regelung ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungskonform erachtet worden (vgl. den Beschluss vom 11. November 2011, 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 sowie den Nichtannahmebeschluss vom 5. Februar 2009, 1 BvR 1631/04, beide zitiert nach Juris). Es handele sich um verhältnismäßige Eingriffe, die zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich seien, die Betroffenen nicht übermäßig belasteten und für sie deswegen zumutbar seien.
§ 12a SGB II greift auch nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG ein. Dieses ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Bestand an individuell geschützten vermögenswerten Rechten aufgrund einer gesetzlichen oder auf einem Gesetz beruhenden Maßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt vermindert wird (vgl. BVerfG zur Arbeitslosenhilfe, Nichtannahmebeschluss vom 26. September 2005, 1 BvR 1773/03, Rn. 14, Juris).
Der Anspruch auf Grundsicherungsleistungen unterfällt nicht diesem Grundrechtsschutz, weil es an dem Beruhen auf nicht unerheblichen Eigenleistungen fehlt (vgl. BVerfG zur Arbeitslosenhilfe, Beschluss vom 7. Dezember 2010, 1 BvR 2628/07, Rn. 33. Juris).
Das Anwartschaftsrecht auf eine Altersrente ist zwar eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte vermögenswerte Rechtsposition (BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985, 1 BvL 5/80 u.a., BVerfGE 69, 272, 298 m.w.N.). Die Antragstellerin hat aber als Bezieherin von Sozialleistungen die Verpflichtung, vorrangig Vermögen zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes einzusetzen (vgl. § 12 SGB II). In diesem Sinne sind die Rentenanwartschaften Vermögen, welches sie durch den Rentenantrag aktivieren kann. Bei einer Anrechnung von Vermögen oder Einkommen auf Grundsicherungsleistungen hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. November 2011, 1 BvR 2007/11, Rn. 8, Juris).
Auch die fehlende Möglichkeit, ihre Rentenanwartschaften nach verpflichtender Rentenantragstellung erhöhen zu können, stellt keinen Verstoß gegen Art. 14 GG dar. Denn Art. 14 Abs. 1 GG verleiht dem Gesetzgeber die Befugnis, Inhalt oder Schranken des Eigentums zu bestimmen, und damit auch die gesetzlichen Regeln über den Erwerb von und den Zugang auf Anwartschaftsrechten zu ändern. Voraussetzung für eine solche Inhalts- oder Schrankenbestimmung ist, dass sie dem Gemeinwohl dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Dezember 2014, L 7 AS 1775/14, Rn. 40, m.w.N., Juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit der an die Antragstellerin ergangenen Aufforderung des Antragsgegners, vorzeitig Altersrente zu beantragen.
Die am ... 1951 geborene Antragstellerin steht beim Antragsgegner seit 1. Oktober 2010 im laufenden Bezug von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Sie bewohnt ein 86 qm großes, 1892 erbautes und unsaniertes Eigenheim.
Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II ab Januar 2013 bis März 2015 in Höhe von monatlich zwischen 522,60 EUR (Januar 2013) und 738 EUR (März 2015). Die monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) errechnete er aus einem Zwölftel der im Kalenderjahr aufzubringenden Aufwendungen. Die Heizkosten übernahm er nach einer Kostensenkungsaufforderung nur in Höhe des aus seiner Sicht angemessenen Betrages in Höhe von 80 EUR/Monat, ab 1. September 2014 in Höhe von 70 EUR/Monat.
Ausweislich einer Kurzauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 28. April 2014 könne die Antragstellerin ab 1. September 2014 eine vorgezogene Altersrente mit einem Abschlag von 7,2% in Höhe von monatlich 675,19 EUR brutto (604,29 EUR netto) beziehen.
Mit Schreiben vom 5. Mai und 26. Juni 2014 hatte der Antragsgegner die Antragstellerin aufgefordert, einen Antrag auf Gewährung von Altersrente zu stellen. Nach Durchführung eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes hatte er diese Aufforderungen auf Hinweis des Sozialgerichts Magdeburg wegen Fehlens einer Ermessensausübung mit Schriftsatz vom 31. Juli 2014 zurückgenommen.
Mit Bescheid vom 4. August 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut auf, Altersrente zu beantragen. Am 2014 vollende sie das 63. Lebensjahr. Da das Arbeitslosengeld II nur eine nachrangige Sozialleistung darstelle, sei sie entsprechend § 12a SGB II verpflichtet, andere Sozialleistungen zu beantragen, die die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II verkürzten, verringerten oder beseitigten. Gründe, die die Antragstellung unbillig erscheinen ließen, seien nicht vorgetragen worden und aus dem Aktenvorgang auch nicht ersichtlich. Es gingen weder Ansprüche auf Arbeitslosengeld (Alg I) nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung - SGB III) verloren noch sei innerhalb der nächsten drei Monate der Bezug einer abschlagsfreien Rente möglich. Eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit liege aktuell nicht vor und ein glaubhafter Nachweis einer Arbeitsaufnahme in naher Zukunft sei ebenso nicht gegeben. Somit scheide eine Unbilligkeit vorliegend aus. Nach Abwägung des Interesses der Antragstellerin an dem fortlaufenden Arbeitslosengeld II-Bezug bis zum Zeitpunkt des Erreichens des Regelrentenalters und dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung bzw. Verringerung der Hilfebedürftigkeit, komme er (der Antragsgegner) zu dem Ergebnis, dass die Aufforderung zur Rentenbeantragung verhältnismäßig sei. Aus den Unterlagen (Kurzauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 28. April 2014) sei ersichtlich, dass der Anspruch auf Altersrente mit Abschlag höher sei als der aktuelle Leistungsanspruch nach dem SGB II oder nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (Sozialhilfe - SGB XII). Da die Antragstellerin möglicherweise einen Anspruch auf Altersrente habe, werde sie aufgefordert, den entsprechenden Antrag zu stellen. Im Fall, dass sie die Voraussetzungen für eine Altersrente noch nicht erfüllte, werde sie gebeten, eine Rentenauskunft einzureichen, die bescheinige, ab welchem Zeitpunkt sie die Rente beantragen könne. Im Fall, dass sie dieser Aufforderung nicht nachkomme, sei er (der Antragsgegner) entsprechend § 5 Abs. 3 SGB II berechtigt, den Antrag von Amts wegen zu stellen.
Hiergegen legte die Antragstellerin unter dem 14. August 2014 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist.
Am 18. August 2014 hat sie beim Sozialgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Die Aufforderung zur vorzeitigen Beantragung der Rente sei rechtswidrig. Die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen das Aufforderungsschreiben vom 4. August 2014 solle festgestellt sowie der Antragsgegner verpflichtet werden, bis zur Entscheidung über den Widerspruch keinen Rentenantrag zu stellen. Ihr drohten durch den Bezug der vorzeitigen Altersrente unzumutbare Nachteile, die nicht rückgängig zu machen seien. So erhalte sie eine Rente, welche unter der Armutsgrenze liege. Die Höhe der Rentenzahlung decke entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht ihren Grundsicherungsbedarf. Sie habe unter Berücksichtigung weiterer fälliger Hauslasten für August 2014 Leistungen in Höhe von 624,92 EUR und für September 2014 in Höhe von 697,60 EUR erhalten. Weiterhin würde der Antragsgegner nicht die tatsächlichen Heizkosten übernehmen. So seien von Januar bis August 2014 Kosten in Höhe von 1.021 EUR angefallen. Davon seien nur 640 EUR vom Grundsicherungsträger übernommen worden. Weiterhin seien zukünftig anfallende Kosten notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Der Antragsgegner habe sein Ermessen nicht rechtmäßig ausgeübt. Er habe nicht geprüft, ob ein milderes Mittel (z.B. Vermittlung in Arbeit) gegeben sei. Sie sei Dipl.-Ingenieurökonomin. Vom Antragsgegner seien weder Arbeitsstellen noch Weiterbildungen vermittelt worden. Sie werde zudem als Frau benachteiligt gegenüber den SGB II-Empfängern, die nicht die Voraussetzungen einer vorgezogenen Altersrente erfüllten. Zudem greife die streitgegenständliche Aufforderung des Antragsgegners in ihre grundgesetzlich geschützten Persönlichkeits- und Gestaltungsrechte ein. Ferner liege ein unzulässiger Eingriff in ihr durch Art. 14 Grundgesetz (GG) geschütztes Eigentum vor.
Mit Beschluss vom 18. Dezember 2014 hat das Sozialgericht die Anträge zurückgewiesen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 4. August 2014 sei nicht anzuordnen gewesen. Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiege nicht das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners. Der Widerspruch habe wohl keine Aussicht auf Erfolg. Nach summarischer Prüfung habe der Antragsgegner die Antragstellerin zu Recht aufgefordert, vorzeitig Altersrente zu beantragen. Die Inanspruchnahme der Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres vermindere die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin nach dem SGB II nicht nur, sondern vermeide diese sogar. Dem Rentenanspruch in Höhe von 604,29 EUR (netto) stehe ein geringerer Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegenüber. Diese hätten im Zeitraum von Januar 2013 bis Februar 2015, abgesehen von August 2014, zwischen 500 EUR und 600 EUR monatlich gelegen. Einzelheiten könnten insoweit dahinstehen. Ein Fall im Sinne der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor. Die Aufforderung zur Rentenantragstellung beruhe schließlich nicht auf einer fehlerhaften Ermessensausübung des Antragsgegners. Denn die in diesem Zusammenhang von der Antragstellerin vorgetragenen Gesichtspunkte (Ausschluss von Vorteilen des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II, Erhöhung der Armutsgefahr, Gleichbehandlung mit Leistungsempfängern ohne Rentenanspruch) seien notwendige Folge der gesetzlichen Regelung. Es seien aber keine Gesichtspunkte, die es dem Antragsgegner erlaubten, eine Rechtsfolge zu verfügen, die von der Aufforderung zur Rentenantragstellung abweiche.
Der Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, bis zur Entscheidung über den Widerspruch keinen Rentenantrag zu stellen, sei unzulässig. In Fällen, in denen der Antragsgegner, wie hier, einen Ermessensspielraum habe, sei eine einstweilige Anordnung nur zulässig, wenn das Ermessen auf Null reduziert sei. Daran fehle es vorliegend.
Gegen den ihr am 27. Dezember 2014 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 26. Januar 2015 Beschwerde eingelegt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts decke der monatliche Betrag der vorgezogenen Altersrente nicht den Grundsicherungsbedarf. So seien ihr von August 2014 bis Februar 2015 Leistungen in Höhe von durchschnittlich 621,32 EUR/Monat bewilligt worden (unter Berücksichtigung eines Entzugs der Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 4. Februar 2015 wegen fehlender Mitwirkung beim Ausfüllen des Rentenantrags). Zu einer Erhöhung des Bedarfs führten die nicht vom Antragsgegner anerkannten Heizkosten, die notwendige Sanierung des Schornsteinkopfes (Auflage des Schornsteinfegers) sowie Kosten einer vom Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserversorgung und der Stadt T. angekündigten Erneuerung der Trinkwasserversorgungs- sowie der Trinkwasserhausanschlussleitung. Die in den §§ 2 - 5 der Unbilligkeitsverordnung aufgeführten Einzelfälle seien nur beispielhaft, nicht vollständig und keine abschließende Aufzählung. Soweit sich eine Rente unterhalb der Armutsgrenze bewege, die für Alleinstehende nach dem aktuellen Armutsbericht 892 EUR betrage, sei eine vorzeitige Berentung generell unbillig. Gleiches gelte bei nur unzureichender Vermittlungstätigkeit. Seit 2010 seien ihr weder eine sozialversicherungspflichtige Stelle noch eine Weiterbildungsmaßnahme angeboten worden.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. August 2014 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er weist insbesondere darauf hin, er habe seit 2009 zahlreiche Beratungsgespräche mit der Antragstellerin geführt. Diese habe sich aktiv um eine sozialversicherungspflichtige Anstellung bemüht und parallel auch den gemeinsamen Arbeitgeberservice des Jobcenters und der Arbeitsagentur aufgesucht. 2011 habe er ihr vor dem Hintergrund, dass sie seit Jahren nicht mehr in ihrem Beruf tätig gewesen sei und daher Bedenken hinsichtlich der Qualifikation bestanden hätten, alternative Stellen im Helferbereich angeboten. Die Antragstellerin habe diese jedoch abgelehnt. Ende November 2011 sei ihr eine sechsmonatige Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bei der Gesellschaft für Arbeitsförderung T. angeboten worden. Diese habe sie jedoch im Hinblick auf eine ausstehende Bewerbung bei einer Q. Heizungs- und Sanitärfirma als Bürokraft/Materialeinkäuferin abgelehnt. Weitergehende geeignete Stellenangebote hätten ihr nicht unterbreitet werden können. Die den ersten Arbeitsmarkt betreffenden durchgeführten Stellensuchläufe seien ohne Erfolg geblieben. Eine Teilnahme der Antragstellerin am Programm "Aktiv bis zur Rente" sei im März 2014 gescheitert, da die Antragstellerin von keinem Arbeitgeber angestellt worden sei. Die Kosten eines von ihr gewünschten Computerkurses (Officepaket von Microsoft) hätten nicht übernommen werden können, da die Fördervoraussetzungen (Einstellungsabsicht eines konkreten Arbeitgebers) nicht erfüllt gewesen seien.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft nach § 172 Abs. 3 SGG. Sie unterfällt nicht der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da sich die Antragstellerin vorliegend gegen die Aufforderung wendet, vorzeitig Altersrente in Anspruch nehmen zu müssen.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen das Aufforderungsschreiben des Antragsgegners vom 4. August 2014 abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
Rechtsfolge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ist es, den Vollzug eines Verwaltungsaktes zu verhindern. Der Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner zu verpflichten, keinen vorzeitigen Rentenantrag zu stellen, ist daher vom o.g. Begehren mit umfasst.
Der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. August 2014 hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung.
Das Rechtsschutzbegehren ist unbegründet. Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet auf Grund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b, Rn. 12). Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs u.a. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Das vom Gesetzgeber in § 39 SGB II angeordnete vordringliche Vollzugsinteresse hat für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Bedeutung, dass der Antragsgegner von der ihm nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG obliegenden Pflicht entbunden wird, das öffentliche Interesse der sofortigen Vollziehbarkeit gesondert zu begründen. Das Gesetz unterstellt aber den Sofortvollzug keineswegs als stets, sondern als nur im Regelfall geboten und verlagert somit die konkrete Interessenbewertung auf Antrag des Antragstellers hin in das gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 17. September 2001, 4 VR 19/01, NZV 2002, 51, 52 unter Bezug auf BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1994, 4 VR 1/94, BVerwGE 96, 239 ff, jeweils zu § 80 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der bis 31. Dezember 1996 gültigen Fassung, der wortgleich zu § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG ist). Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Interesse der Antragstellerin am Nichtvollzug, denn der Bescheid 4. August 2014 ist wohl rechtmäßig.
Die Antragstellerin ist vor Erlass des Bescheides ordnungsgemäß nach § 24 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) angehört worden. Durch die vom Antragsgegner zurückgenommenen Aufforderungsschreiben vom 5. Mai und 25. Juni 2014 hat die Antragstellerin ausreichend Gelegenheit erhalten, sich im Verwaltungsverfahren zum geplanten Vorgehen des Antragsgegners zu äußern.
Der Bescheid vom 4. August 2014 ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Gemäß § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistun¬gen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte gemäß § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II können die Leistungsträger, wenn die Leistungsberechtigten trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht stellen, den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Hieraus schließen die Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend, dass sowohl die Stellung des Antrags anstelle des Leistungsempfängers als auch die Aufforde¬rung, einen derartigen Antrag zu stellen, im Ermessen des Leistungsträgers stehen (vgl. LSG Sachsen, Beschluss vom 28. August 2014, L 7 AS 836/14 B ER, Rn. 24 m.w.N., Juris).
§ 12a Satz 1 SGB II beinhaltet eine Konkretisierung des § 3 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach dürfen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Nach § 2 Abs. 1 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II ausschöpfen. Nach § 2 Abs. 2 SGB II haben erwerbsfähige Leistungsberechtigte in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Dazu gehört die Inanspruchnahme von im Laufe des Erwerbslebens erarbeiteten Rentenversicherungsleistungen der Deutschen Rentenversicherung Bund, wenn sie nicht mehr in den Genuss der sog. "58er-Regelung" kommen können. Das ist gemäß § 65 Abs. 4 SGB II der Fall, wenn die Leistungsberechtigten nach dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben. Nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine "Unbilligkeit" gemäß § 13 Abs. 2 SGB II in Zusammenhang mit der ab dem 1. Januar 2008 erlassenen Unbilligkeitsvorordnung darstellt. Das in der Verordnungsermächtigung zum Ausdruck gebrachte Regel-Ausnahme-Verhältnis soll verdeutlichen, dass die Verordnung lediglich eng umgrenzte Fälle bestimmen soll, in denen die Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, unbillig wäre (vgl. zu letzterem BT¬Drs. 16/7460 S. 12 zu § 13).
§ 12a SGB II findet Anwendung auf die Antragstellerin. Diese hatte nach dem 1. Januar 2008, nämlich am 2009 das 58. Lebensjahr und am 2014 das 63. Lebensjahr vollendet.
Es bestehen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung keine Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters im Sinne der §§ 2 bis 5 der Unbilligkeitsverordnung.
Die Inanspruchnahme der Rente führt bei der Antragstellerin nicht zum Verlust von Arbeitslosengeld im Sinne des § 2 Unbilligkeitsverordnung. Sie kann auch nicht gem. § 3 Unbilligkeitsverordnung in nächster Zukunft abschlagsfrei die Altersrente in Anspruch nehmen. Ausweislich der Verordnungsbegründung ist mit "in nächster Zukunft" ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint (vgl. Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung, S. 8). Sie übt auch keine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 4 Unbilligkeitsverordnung aus. Eine solche steht auch nicht bevor (§ 5 Unbilligkeitsverordnung). Eine diesbezügliche Prognoseentscheidung hinsichtlich der Vermittlungsmöglichkeiten der Antragstellerin in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis hat der Antragsgegner getroffen. Die Antragstellerin kann sich mithin nicht darauf berufen, sie müsse vorrangig in Arbeit vermittelt werden. Der Antragsgegner hat dies seit 2009 vergeblich versucht. Auch Eigenbemühungen der Antragstellerin sind erfolglos geblieben.
Die Gründe, die zur Unbilligkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente führen, sind abschließend (offen gelassen LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Oktober 2014, L 4 AS 448/14 B ER, Rn. 29, Juris). Nach dem Willen des Gesetzgebers, sollen die in der Unbilligkeitsverordnung genannten Gründe als Ausnahmen eng umgrenzt sein (vgl. BT-Drs. 16/7460 S. 12 zu § 13).
Die von ihr beschriebene "Armutsgrenze" kann vorliegend bereits deswegen nicht zur Unbilligkeit der vorgezogenen Altersrente führen, da auch ihre abschlagsfreie Rente unterhalb von 892 EUR/Monat liegen dürfte. Unter Außerachtlassung des Abschlags von 7,2 % ergäbe sich eine ungekürzte Altersrente von etwa 730 EUR brutto/Monat.
Der Antragsgegner hat auch sein Ermessen in genügender Weise ausgeübt.
Die gerichtliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen beschränkt sich gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG auf die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens und die Ermessensausübung in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise. Der Bescheid vom 4. August 2014 lässt eine im Hinblick auf die Sachlage hinreichende Ermessensbetätigung erkennen. Er geht insbesondere auf das gesetzliche Regel-/Ausnahmeverhältnis des § 12a SGB II ein und auf die Frage, ob im konkreten Fall ein Grund gegeben ist, hiervon abzuweichen. Im Übrigen kann noch bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens eine Nachholung bzw. Konkretisierung der Ermessensausübung erfolgen.
Unerheblich ist nach Auffassung des Senats, ob die Antragstellerin tatsächlich in der Lage wäre, durch die vorgezogene Altersrente ihren Grundsicherungsbedarf zu decken. Ein Ermessensfehlgebrauch des Antragsgegners liegt diesbezüglich in keinem Fall vor. Der Antragsgegner ist nur verpflichtet, das Ermessen unter Zugrundelegung der von ihm als gegeben erachteten Tatsachen auszuüben. Seiner Auffassung nach besteht kein Anspruch der Antragstellerin auf Übernahme der tatsächlichen Heizkosten. Zudem ist es nicht Aufgabe des Grundsicherungsträgers, den Versuch einer Schätzung zu unternehmen, ob die abschlagsfreie Altersrente voraussichtlich bedarfsdeckend sein würde. Eine solche Schätzung wäre ohnehin äußerst unsicher, da die künftige Höhe der Rentenwerte, Regelsätze, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wie auch der Kosten der Unterkunft und Heizung (Energiepreise, Witterung im Winter usw.) nur mit großen Unsicherheiten vorhergesagt werden könnten (vgl. auch LSG Sachsen, Beschluss vom 19. Februar 2015, L 8 AS 1232/14 ER, Rn. 38). Die Antragstellerin hat die Möglichkeit, ergänzend Leistungen nach dem SGB XII oder Wohngeld in Anspruch zu nehmen.
Gründe für eine Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente sieht der Senat nach summarischer Prüfung nicht.
Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Die Antragstellerin wird als Frau gegenüber anderen (männlichen) SGB II-Empfängern nicht benachteiligt. § 12a SGB II gilt nach den o.g. Grundsätzen für alle Leistungsberechtigten nach dem SGB II, die das 63. Lebensjahr und vor dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben. Diese Vorschrift korrespondiert zudem mit § 237 Abs. 3 i.V.m. Anlage 19 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI), wonach eine vorgezogene Altersrente ab 63 Jahren möglich ist für die von 1949 bis 1951 geborenen Versicherten. Diese Regelung ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungskonform erachtet worden (vgl. den Beschluss vom 11. November 2011, 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 sowie den Nichtannahmebeschluss vom 5. Februar 2009, 1 BvR 1631/04, beide zitiert nach Juris). Es handele sich um verhältnismäßige Eingriffe, die zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich seien, die Betroffenen nicht übermäßig belasteten und für sie deswegen zumutbar seien.
§ 12a SGB II greift auch nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG ein. Dieses ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Bestand an individuell geschützten vermögenswerten Rechten aufgrund einer gesetzlichen oder auf einem Gesetz beruhenden Maßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt vermindert wird (vgl. BVerfG zur Arbeitslosenhilfe, Nichtannahmebeschluss vom 26. September 2005, 1 BvR 1773/03, Rn. 14, Juris).
Der Anspruch auf Grundsicherungsleistungen unterfällt nicht diesem Grundrechtsschutz, weil es an dem Beruhen auf nicht unerheblichen Eigenleistungen fehlt (vgl. BVerfG zur Arbeitslosenhilfe, Beschluss vom 7. Dezember 2010, 1 BvR 2628/07, Rn. 33. Juris).
Das Anwartschaftsrecht auf eine Altersrente ist zwar eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte vermögenswerte Rechtsposition (BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985, 1 BvL 5/80 u.a., BVerfGE 69, 272, 298 m.w.N.). Die Antragstellerin hat aber als Bezieherin von Sozialleistungen die Verpflichtung, vorrangig Vermögen zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes einzusetzen (vgl. § 12 SGB II). In diesem Sinne sind die Rentenanwartschaften Vermögen, welches sie durch den Rentenantrag aktivieren kann. Bei einer Anrechnung von Vermögen oder Einkommen auf Grundsicherungsleistungen hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. November 2011, 1 BvR 2007/11, Rn. 8, Juris).
Auch die fehlende Möglichkeit, ihre Rentenanwartschaften nach verpflichtender Rentenantragstellung erhöhen zu können, stellt keinen Verstoß gegen Art. 14 GG dar. Denn Art. 14 Abs. 1 GG verleiht dem Gesetzgeber die Befugnis, Inhalt oder Schranken des Eigentums zu bestimmen, und damit auch die gesetzlichen Regeln über den Erwerb von und den Zugang auf Anwartschaftsrechten zu ändern. Voraussetzung für eine solche Inhalts- oder Schrankenbestimmung ist, dass sie dem Gemeinwohl dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Dezember 2014, L 7 AS 1775/14, Rn. 40, m.w.N., Juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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