L 16 KR 169/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 16 RA 115/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 169/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 1/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01. Juli 2002 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen zur Regelung eines Mindestlohns im Baugewerbe.

Der Beigeladene zu 1), der ausländischer Staatsbürger ist und sich seit Anfang 2000 wieder im Kosovo aufhält, war in der Zeit vom 01.07.1997 bis 31.03.1999 als Bauhelfer monatlich zwischen 42 und 49 Stunden bei der Klägerin beschäftigt. Diese zahlte aufgrund mündlicher Vereinbarung zunächst monatlich pauschal 610,- DM und ab dem 01.12.1998 620,- DM für die Arbeitsleistungen. Aufgrund einer Betriebsprüfung vom 08.08.2000 gelangte die Beklagte zu dem Ergebnis, dass infolge der AVE der Mindestlohn-Tarifverträge des Baugewerbes vom 02.09.1996 und 17.07.1997 mit Wirkung vom 01.01.1997 ein Stundenlohn von 16,- bzw. 17,- DM hätte gezahlt werden müssen, so dass die Geringfügigkeitsgrenze überschritten sei. Sie berechnete mit Bescheid vom 18.09.2000 Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 4.073,91 DM einschließlich der Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) in Höhe von 56,13 DM nach.

Die Klägerin legte am 18.10.2000 Widerspruch ein. Sie machte geltend, maßgebliches Entgelt, aus dem die Versicherungsbeiträge zu berechnen seien, könne nur das dem Arbeitnehmer zugeflossene Arbeitsentgelt sein. Dies entspreche zum einen der Intention des Gesetzgebers, der einen einheitlichen Arbeitsentgeltbegriff im Steuer- wie im Beitragsrecht habe schaffen wollen. Dies folge zum anderen aber auch aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Soweit sich in dessen jüngerer Rechtsprechung gegenteilige Äußerungen fänden, seien hiervon nur besondere Ausnahmetatbestände erfasst, insbesondere solche, in denen der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch selbst geltend gemacht habe. Aber auch wenn man allein auf den vertraglichen Entgeltanspruch abstellen wolle, verstoße die Geltendmachung der Beiträge gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, weil erst seit dem Jahr 2000 eine Weisungslage bestehe, nach der entsprechende Entgelte der Beitragspflicht zu unterwerfen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 12.07.2001 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben. Sie hat geltend gemacht, der angefochtene Bescheid sei schon mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig, weil er nur aus Textbausteinen zusammengesetzt sei, ohne den konkreten Einzelfall zu prüfen. Bei der gebotenen vorausschauenden Betrachtung habe das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1) auch nicht der Versicherungspflicht unterlegen. Da entsprechende Arbeitsentgeltansprüche auch in der Vergangenheit von ihr nicht befriedigt worden seien, habe auch in der Zukunft nicht mit der Zahlung des die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Betrags gerechnet werden können. Daneben sei es dem Arbeitnehmer auch nicht verwehrt, davon abzusehen, tarifvertragliche Entgeltansprüche gegen seinen Arbeitgeber durchzusetzen. Unabhängig davon müsse auch nach der neueren Rechtsprechung des BSG weiterhin davon ausgegangen werden, dass nur tatsächlich zugeflossenes Entgelt der Beitragspflicht unterliege, sofern nicht der Arbeitnehmer selbst die Entgeltansprüche zu realisieren versucht habe. Jedenfalls verstoße die Geltendmachung der Beiträge gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, weil es noch bis 1999 der Prüfpraxis entsprochen habe, unerfüllte Lohnansprüche, die auf der AVE von Lohntarifverträgen beruhten, bei der Beitragsschuld unberücksichtigt zu lassen.

Mit Urteil vom 01.07.2002 hat das SG der Klage stattgegeben. Es hat die Ansicht vertreten, die AVE en hätten nach ihrem persönlichen Geltungsbereich das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1) mit der Klägerin nicht erfasst, weil hiernach nur gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben, in die Tarifverträge zur Regelung eines Mindestlohns im Baugewerbe einbezogen worden seien. An einer solchen Versicherungspflicht habe es aber nach der Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses gefehlt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihr am 11.07.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.08.2002 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Versicherungspflicht nicht von der im individuellen Arbeitsvertrag festgesetzten Entgelthöhe abhänge, sondern der individuelle Arbeitsvertrag in der Fassung des Tarifvertrages maßgebend sein müsse, was sich aus dem eindeutigen Zweck des Tarifvertrages zur Durchsetzung von Mindestlöhnen ergebe. Insoweit könne auch nicht auf die Unkenntnis der AVE abgestellt werden, weil deren Nicht-zur-Kenntnisnahme zumindest als bedingt vorsätzlich angesehen werden müsse.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Münster vom 01.07.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Begründung des SG für zutreffend und bezieht sich im Übrigen auf ihre im ersten Rechtszug geäusserte Rechtsauffassung.

Die Beigeladene zu 5) (LVA Westfalen) verweist auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), wonach die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nur an die Tätigkeit des Arbeitnehmers, nicht aber an die individuelle Versicherungspflicht nach der Sozialgesetzgebung angeknüpft hätten (Hinweis auf BAG AP Nrn. 99, 100 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Die übrigen Beigeladenen haben sich in der Sache nicht geäussert und keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 5) verhandeln und entscheiden können, da diese mit der ordnungsgemäßen Ladung auf die entsprechende Möglichkeit, deren Zulässigkeit aus dem Regelungsgehalt der §§ 110 Abs. 1, 126, 127 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgessetz (SGG) folgt, hingewiesen worden sind.

Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, da der angefochtene Bescheid der Beklagten rechtmäßig und die Klägerin daher durch ihn nicht beschwert ist.

Die Beklagte hat zu Recht die Versicherungspflicht der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin festgestellt. Die dabei gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X grundsätzlich gebotene Beteiligung des Arbeitnehmers konnte hier unterbleiben, weil sich der Beigeladene zu 1) während des Feststellungsverfahrens bereits wieder unter unbekannter Anschrift im Kosovo aufhielt, so dass die Beklagte seinen Aufenthaltsort nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten hätte ermitteln können (vgl. Krasney, Kasseler Kommentar, Rdn. 14 zu § 12 SGB X).

Der angefochtene Bescheid ist auch nicht mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig. Die inhaltlich hinreichende Bestimmtheit, die § 33 Abs. 1 SGB X verlangt, setzt lediglich voraus, dass nach dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, welcher Sachverhalt wie geregelt werden soll (vgl. Engelmann in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 4. Aufl., Rdn. 3 zu § 33). Dem wird der angefochtene Bescheid der Beklagten aber gerecht, weil unzweifelhaft erkennbar ist, für welchen Beschäftigten welche Beiträge für welche Versicherungszweige in welchem Zeitraum erhoben werden. Da sich das Bestimmtheitserfordernis nur auf den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes bezieht (BSG SozR 1500 § 55 Nr. 35 S. 39; Engelmann a.a.O.), ist es dagegen belanglos, inwieweit die Beklagte bei der Begründung des Bescheides auf Textbausteine zurückgegriffen hat.

Die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V), in der Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI) sowie die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (§ 168 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -) setzen jeweils voraus, dass eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht, was unstreitig auf das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin zutrifft. Obwohl die Beteiligten ein monatliches Entgelt von lediglich 610,- DM bzw. 620,- DM vereinbart hatten, was die Klägerin auch tatsächlich nur gezahlt hat, lag keine geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV vor. Zwar bestimmt § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der hier maßgeblichen Fassung, dass eine geringfügige Beschäftigung vorliegt, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße (entsprechend im Jahr 1997 610,- DM; im Jahr 1998 620,- DM und im Jahr 1999 630,- DM) nicht übersteigt, der Entgeltanspruch des Beigeladenen zu 1) überschritt jedoch diese Grenze. Die Tarifverträge zur Regelung eines Mindestlohnes im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV-Mindestlohn) vom 02.09.1996 und 17.07.1997 sahen vor, dass der Gesamttarifstundenlohn 17,- bzw. ab 01.09.1997 16,- DM betrug. Diese TVe sind am 12.11.1996 (BAnz Nr. 215 vom 16.11.1996, S. 12102) und am 14.08.1997 (BAnz Nr. 157 vom 23.08.1997, S. 10909) für allgemeinverbindlich erklärt worden. Diese AVE erfasste entgegen der Auffassung des SG auch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse.

Nach § 1 Abs. 3 der TVe-Mindestlohn erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich auf gewerbliche Arbeitnehmer (Arbeiter), die eine nach den Vorschriften des SGB VI versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben. Die AVE vom 12.11.1996 hat den persönlichen Geltungsbereich in entsprechender Weise gefasst (Maßgabe zu Buchst. a) und die AVE vom 14.08.1997 (Nr. 3 zu Buchst. b) enthält lediglich zusätzlich die einschränkende Regelung, dass dienstpflichtige Angestellte, die eine geringfügige Beschäftigung i.S.d. § 8 des SGB IV ausgeübt haben, nicht erfasst werden. Da das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits mit Urteilen vom 28.09.1988 - 4 AZR 350/88 - und vom 23.11.1988 - 4 AZR 419/88 (= AP § 1 TVG, Tarifverträge: Bau Nrn. 99 und 100) entschieden hatte, dass die entsprechende Tarifklausel nicht nur tatsächlich versicherungspflichtige, sondern alle Beschäftigungsverhältnisse gegen Entgelt erfasste, die theoretisch der Versicherungspflicht unterfallen können, und damit den Anwendungsbereich auch auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse erstreckt hat, kann aus der unveränderten Praxis der Tarifvertragsparteien, diese Klausel bezüglich des persönlichen Geltungsbereichs beizubehalten, nur darauf geschlossen werden, dass auch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in den TV-Mindestlohn einbezogen sein sollten. Da die AVE diese Begrifflichkeit ebenfalls wieder aufgegriffen hat, besteht kein Anlass, den insoweit erfassten Geltungsbereich einzuschränken. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der in der AVE vom 14.08.1997 erfolgten Einschränkung für dienstpflichtige Angestellte.

Wären nämlich geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ohnehin nicht in den persönlichen Geltungsbereich einbezogen gewesen, hätte es dieses Zusatzes nicht bedurft.

Auch die weiteren Überlegungen des SG tragen seine Entscheidung nicht. Die AVE verhindert nicht die Begründung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse, sondern beschränkt lediglich den zeitlichen Arbeitseinsatz entsprechender Arbeitskräfte. Im übrigen führt die Auffassung des SG im Ergebnis dazu, dass mittels der Begründung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse die tarifvertraglichen Bestimmungen über den Mindestlohn unterlaufen werden könnten. Dass die AVE auch rückwirkend in Kraft treten kann, gebietet keine andere Beurteilung, weil dies zum einen nur eingeschränkt möglich ist (vgl. BAG NZA 1997, 495) und zum anderen die Beurteilung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse von einer Prognoseentscheidung abhängig ist (vgl. BSGE 78, 224, 225; BSG SozR 3-2400 § 8 Nr. 3; SozR 2100 § 8 Nr. 4), so dass die nicht vorhersehbare Erstreckung eines Tarifvertrages auf ein konkretes Beschäftigungsverhältnis an dessen Geringfügigkeit rückwirkend nichts ändert. Schließlich war zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme des Beigeladenen zu 1) die AVE bereits bekannt gemacht. Daher war bei der gebotenen vorausschauenden Betrachtung ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis nicht gegeben, weil der Beigeladene zu 1) regelmäßig in einem Umfang beschäftigt worden ist, der Entgeltansprüche von mehr als 610,-, 620,- bzw. 630,- DM begründete (monatlich mindestens 42 Stunden x 17,- DM bzw. 16,- DM = 714,- DM bzw. 672,- DM). Dass die Klägerin von vornherein nicht gewillt war, ihren tarifvertraglichen Pflichten nachzukommen, ist dagegen ohne Belang, denn für die Prognoseentscheidung ist allein die gesetzliche und vertragliche Rechtslage maßgeblich und nicht die rechtswidrige Praxis der Arbeitsvertragsparteien. Lag daher der Arbeitsentgeltanspruch des Beigeladenen zu 1) bei vorausschauender Betrachtung über den Geringfügigkeitsgrenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, konnte nach dieser Bestimmung keine Versicherungsfreiheit eintreten.

Die Beitragsfreiheit hängt schließlich nicht davon ab, ob das vertragsgemäße Entgelt dem Arbeitnehmer zugeflossen ist, oder dieser sich zumindest um dessen Durchsetzung bemüht hat. Das auch früher im Beitragsrecht der Sozialversicherung zugrundegelegte Zuflussprinzip (vgl. BSGE 22, 106) hat das BSG spätestens seit 1994 zugunsten des "Entstehungsprinzips" aufgegeben (vgl. BSG SozR 3-4100 § 160 Nr. 1; BSGE 75, 61, 65; 78, 224, 226; zur Rechtsentwicklung vgl. auch Urteile des LSG NRW vom 28.01.2003 - L 5 KR 191, 197/01 und 73/02; Revision anhängig unter B 12 KR 7 und 10/03 R).

Diese Rechtsprechung erfasst entgegen der Auffassung der Klägerin nicht lediglich besondere Ausnahmetatbestände. Vielmehr hat das BSG allgemein festgestellt, dass jedenfalls mit Inkrafttreten des SGB IV zum 01.07.1977 das im Steuerrecht geltende Zuflussprinzip im sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrecht keine Anwendung mehr findet (vgl. BSGE 75, 61, 65; 78, 224, 226). Maßgeblich ist dabei, dass die Versicherungspflicht mit der Aufnahme der Beschäftigung gegen Entgelt und nicht erst mit der Vergütung entsteht, so dass jedenfalls in der Krankenversicherung auch Ansprüche des Arbeitnehmers vor Erhalt seines Arbeitsentgeltes begründet werden können, wobei eine einheitliche Behandlung der Versicherungszweige geboten ist (BSG a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin hat auch der Gesetzgeber mit der Schaffung des SGB IV den Arbeitsentgeltbegriff im sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrecht vom steuerrechtlichen Einkommensbegriff abgrenzen wollen, wie die Einführung eines eigenständigen sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsentgeltbegriffs in § 14 SGB IV zeigt (vgl. BT-Drucks. 7/4122 S. 32; vgl. auch Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung - Kommentar - Rdn. 3 zu § 14 SGB IV).

Die Klägerin ist nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten von der Beitragsschuld freizustellen. Auch im Beitragsrecht ist anerkannt, dass es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar ist, dass der Beitragsschuldner, der aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Beitragsgläubigers darauf vertrauen durfte, dass letzterer sein Recht nicht mehr geltend machen werde und der auch tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Einzugsrecht nicht mehr ausgeübt werde und sein Verhalten entsprechend ausgerichtet hat, gleichwohl noch in Anspruch genommen wird (vgl. BSGE 41, 275, 248; 47, 194; darauf bezugnehmend zuletzt BSG Urt. vom 29.07.2003 - B 12 AL 1/02 R -). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat die Klägerin schon nicht aufgrund eines Verhaltens der Beklagten bzw. der Einzugsstellen (§ 28b, d SGB IV) darauf vertraut, dass das mit dem Beigeladenen zu 1) begründete Beschäftigungsverhältnis beitragsfrei gewesen ist, da sie geltend macht, allein die Nichtzahlung des tarifvertraglich geschuldeten Entgelts habe für die Beitragsfreiheit ausgereicht. Unabhängig davon lässt sich weder eine einheitliche Praxis der zuständigen Versicherungsträger i.S. eines Verzichts auf die Beitragserhebung in Fällen wie dem vorliegenden feststellen (vgl. dazu ausführlich LSG NRW wie vor). Schließlich kann der Klägerin aufgrund ihres eigenen Verhaltens keine schutzwürdige Position zuerkannt werden. Im Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes sind AVE en bestimmter Tarifverträge regelmäßig erfolgt, so dass auch die Klägerin von dieser Praxis Kenntnis haben musste. Wenn sie gleichwohl solche Tarifvertragsbestandteile nicht beachtet hat, muss ihr ein derartiges Verhalten i.S. eines bewussten Unterlassens zugerechnet werden, so dass ihre beitragsmäßige Inanspruchnahme unabhängig vom Verhalten der Einzugs- bzw. Prüfstelle (§ 28p SGB IV) gerechtfertigt ist.

Das der Beitragsberechnung zugrundezulegende Entgelt hat die Beklagte unter Berücksichtigung der von der Klägerin bescheinigten Arbeitsstunden und der in den TV en-Mindestlohn festgelegten Stundensätzen zutreffend festgesetzt, was von der Klägerin auch nicht angezweifelt worden ist. Dasselbe gilt bezüglich der Umlage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG), zu dessen Festsetzung die Beklagte ebenfalls berufen ist (vgl. BSG Urt. vom 30.10.2002 - B 1 KR 19/01 R -).

Die Berufung der Beklagten mußte daher insgesamt Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis zum 01.02.2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24 S. 115 ff.).

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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