L 12 RA 51/97

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 An 997/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 51/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. September 1997 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin erstrebt die Gewährung einer höheren Rente unter Berücksichtigung der Zeit einer Internierung in der sowjetischen Besatzungszone.

Die am 7. November 1923 geborene Klägerin war seit 1942 als Tontechnikerin beim Rundfunk beschäftigt. Am 28. Juni 1945 wurde die zu dieser Zeit in ... (im Westteil Berlins) lebende Klägerin an ihrem Arbeitsplatz in Berlin-Charlottenburg von sowjetischen Soldaten verhaftet und schließlich in das Lager F bei N in der Sowjetischen Besatzungszone verbracht, wo sie bis zum 20. Juli 1948 verbleiben musste. Am 28. Oktober 1948 nahm sie ihre Beschäftigung als Tontechnikerin wieder auf.

Mit Bescheid vom 20. August 1987 gewährte die Beklagte der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Februar 1987 und an deren Stelle mit Bescheid vom 26. September 1988 ab 1. Dezember 1988 Altersruhegeld, wobei sie die Zeit vom 28. Juni 1945 bis zum 15. Oktober 1948 jeweils als Ersatzzeit („Politische Haft, Gewahrsam“) berücksichtigte.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 1995 stellte das Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben - Landesversorgungsamt – fest, dass die Klägerin politisch Verfolgte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) sei und bescheinigte ihr für Zwecke der Rentenversicherung eine Verfolgungszeit vom 28. Juni 1945 bis 20. Juli 1948 (korrigierte Bescheinigung vom 2. April 1996). Daraufhin beantragte die Klägerin am 15. Januar 1996 eine Vergleichsberechnung ihrer Rente.

Mit Bescheid vom 28. August 1996 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Berechnung der Rente unter Berücksichtigung der in der Rehabilitierungsbescheinigung festgestellten Verfolgungszeiten (nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches [SGB VI]) keinen höheren Rentenbetrag ergebe; die Altersrente werde deshalb in der bisherigen Höhe weitergezahlt. Bei der Vergleichsberechnung seien für den Zeitraum, für den der Nachteilsausgleich nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz vorzunehmen sei, die Tabellenentgelte der Anlagen zum Fremdrentengesetz (FRG) zugrunde zu legen.

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1997) am 27. Februar 1997 erhobene Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 1. September 1997 abgewiesen; zur Begründung hat es ausgeführt: Die von der Beklagten durchgeführte Vergleichberechnung entspreche den Vorschriften des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes. Die Berücksichtigung der Verfolgungszeiten als Beitragszeiten im Beitrittsgebiet ergebe sich aus § 11 BerRehaG, deren Bewertung nach den Vorschriften des FRG aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 BerRehaG. Da das Fremdrentengesetz aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Verweisung anzuwenden sei, komme es nicht darauf an, dass die Klägerin dem eigentlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht unterfalle. Hinsichtlich der Einstufung der Klägerin sei die Beklagte nach § 22 Abs. 3 BerRehaG an die Festlegungen des Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben gebunden.

Gegen das ihr am 6. November 1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. Dezember 1997 eingelegte Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie vorträgt, dass die fragliche Verfolgungszeit vom 28. Juni 1945 bis zum 20. Juni 1948 nicht als Beitragszeit im Beitrittsgebiet zu berücksichtigen und nicht als Fremdrentenzeit zu bewerten sei, sondern als Zeit einer Beschäftigung in Berlin (West). Sie wiederholt, dass sie in der fraglichen Zeit ihren „gewöhnlichen Wohnsitz (und) ständigen Aufenthaltsort, Lebens- und Berufsmittelpunkt“ in ...(im Westteil Berlins) gehabt habe. Sie habe kein Einkommen aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Beitrittsgebiet erzielt und dort auch nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Deshalb seien der Vergleichsberechnung die für das übrige Bundesgebiet geltenden Entgelte zugrunde zu legen, in ihrem Fall das Entgelt, das sie als Tontechnikerin erzielt hätte.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. September 1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. August 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,
die sie für unbegründet hält. Sie sei an den Inhalt der vom Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben erteilten Rehabilitationsbescheinigung gebunden. Bei der Vergleichsberechnung seien nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 BerRehaG die sich aus den Anlagen 1 bis 16 zum Fremdrentengesetz ergebenden Werte zu berücksichtigen. Nach § 300 Abs. 1 SGB VI seien die Vorschriften dieses Buches auch bei einer Neufeststellung einer vor dessen Inkrafttreten bewilligten Rente anzuwenden.

Beide Beteiligte haben erklärt, dass sie mit einer Entscheidung des Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Einheitsakte (Versi-cherungs-Nr. 65 071123 K 516) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, nachdem sich beide Beteiligte damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die zulässige (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2, 151 Abs. 1 SGG) Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente.

Da kein Anhalt besteht und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht wird, dass die ihr durch den Bescheid vom 26. September 1988 zuerkannte Rente (Altersruhegeld) unzutreffend berechnet worden ist, könnte sich ein Anspruch auf eine höhere Rente nur infolge der Berücksichtigung der festgestellten Verfolgungszeit nach den Vorschriften des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ergeben. Die dann nach den Vorschriften des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuches (§ 300 Abs. 1 SGB VI) zu berechnende Rente ist jedoch nicht höher als die der Klägerin bislang gewährte Rente. Insbesondere sind für die fraglichen Verfolgungszeiten keine höheren Entgeltpunkte zu ermitteln. Für die durch die Rehabilitierungsbehörde festgestellten Verfolgungszeiten gelten nach § 11 Satz 1 BerRehaG Pflichtbeiträge für eine Beschäftigung im Beitrittsgebiet als gezahlt. Entscheidend ist, dass nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BerRehaG zur Ermittlung von Entgeltpunkten für diese Zeiten die sich aus den Anlagen 1 bis 16 des Fremdrentengesetzes ergebenden Werte zu berücksichtigen sind - und zwar unabhängig davon und ohne dass es darauf ankommt, ob der oder die Versicherte vor oder nach der Verfolgung im Beitrittsgebiet gewohnt hat oder beschäftigt gewesen ist; entscheidend für die Anwendbarkeit des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ist allein, dass der Versicherte Opfer einer Verfolgung im Beitrittsgebiet war; dies war bei der Klägerin der Fall. Diese gesetzlichen Regelungen hat die Beklagte beachtet. Dass die von ihr durchgeführte Vergleichsberechnung sonst fehlerhaft sein könnte, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht.

Bereits das Sozialgericht hat vollkommen zu Recht darauf hingewiesen, dass der Klägerin augenscheinlich eine andere Bewertung der Verfolgungszeiten vorschwebt, als sie das Berufliche Rehabilitierungsgesetz vorsieht. Darauf hat sie allerdings keinen Anspruch. Weder kann die Beklagte diese Zeiten anders bewerten, noch ist das Gericht befugt, ihr eine Leistung zuzusprechen, die das Gesetz nicht vorsieht. Dass das Berufliche Rehabilitierungsgesetz Verfolgungszeiten Zeiten einer Beschäftigung (oder selbständigen Tätigkeit) im Beitrittsgebiet - und nicht im übrigen Bundesgebiet - gleichstellt, beruht darauf, dass durch dieses Gesetz ein Ausgleich für Verfolgungen im Beitrittsgebiet gewährt werden soll; dadurch werden allerdings vermutlich vornehmlich verfolgte Versicherte begünstigt, die zu der fraglichen Zeit ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (anders als die Klägerin) im Beitrittsgebiet hatten; dem entspricht die in § 13 BerRehaG vorgesehene Bewertung dieser Zeiten.

Im Übrigen scheint die Klägerin zu verkennen, dass Verfolgte, die wie sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu der fraglichen Zeit nicht im Beitrittsgebiet hatten, ohnehin bereits früher durch die Berücksichtigung dieser Zeiten als Ersatzzeiten nach § 28 Abs. 1 Nr. 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes (= § 1251 Abs. 1 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung) bzw. § 250 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI begünstigt worden sind - wie auch die Klägerin; sie bedürfen deshalb zum Ausgleich des durch die Verfolgung erlittenen rentenrechtlichen Schadens nicht der Regelungen durch das Berufliche Rehabilitierungsgesetz. Deshalb ist auch ausdrücklich eine Vergleichsberechnung vorgesehen, die berücksichtigt, dass die frühere - im Allgemeinen günstigere - Regelung erhalten bleibt. So sind auch der Klägerin bei der Berechnung ihres Altersruhegeldes für jeden Monat ihrer Inhaftierung 11,80 Werteinheiten (das entspricht 1,416 Entgeltpunkten jährlich und dem Durchschnitt des von ihr vorher und nachher erzielten Arbeitsentgeltes) gutgebracht worden. Damit ist sie - pauschaliert - schon bisher so gestellt worden wie sie jetzt gestellt werden möchte.

Im Übrigen gibt es ohnehin keine - auch nicht aus dem Grundgesetz abzuleitende - rechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland oder der Beklagten, die rentenversicherungsrechtlichen Schäden, die der Klägerin oder anderen Personen durch Unrechtstaten einer anderen Staatsmacht entstanden sind, zu Lasten anderer Beitragszahler oder der Allgemeinheit - vollständig - auszugleichen.

Die dem Ergebnis der Hauptsache Rechnung tragende Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved