L 3 SB 2545/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 1257/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 2545/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

(I)

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig, insb. ob bei der Klägerin die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist.

Bei der am 28.03.1967 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt A. (LRA) mit Bescheid vom 23.08.2011 (Widerspruchsbescheid vom 21.06.2012) einen GdB von 30 seit dem 23.05.2011 fest. Es berücksichtigte hierbei, entsprechend versorgungsärztlicher Stellungnahmen von Dr. B. vom 15.08.2011 und von Dr. C. vom 17.04.2012, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine Persönlichkeitsstörung und eine psychovegetative Erschöpfung mit einem Einzel-GdB von 30.

Am 19.06.2012 beantragte die Klägerin beim LRA die Erhöhung des festgestellten GdB. Sie führte hierzu u.a. an, wegen eines Chronic-Fatigue-Syndroms (CFS) an extremer Erschöpfbarkeit, Leistungsverlust und Abwehrschwäche zu leiden und legte hierzu diverse Arztbriefe bzw. Befundberichte, eine Aufstellung der Arbeitsunfähigkeitszeiten der Techniker Krankenkasse sowie eine selbst verfasste Aufstellung "Diagnosen/Krankheitsverlauf" vor. Das LRA forderte bei der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin, Dr. D.-E., eine Befundbeschreibung an und führte diese und die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dres. C./F./G. kamen in Auswertung der Unterlagen unter dem 08.11.2012 zu der Einschätzung, dass eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei, woraufhin das LRA den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 11.12.2012 ablehnte. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach einer abermaligen versorgungsärztlichen Überprüfung durch Dr. H.-I. vom 14.01.2013 und Dr. K. vom 08.03.2013 mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2013 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 05.04.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, zu deren Begründung sie vorgebracht hat, die Zusammenfassung des CFS als chronisches Schmerzsyndrom sei unzulässig, da hierdurch weitere Beeinträchtigungen der Erkrankung nicht gewürdigt würden. Sie leide insb. an extremen Erschöpfungserscheinungen mit Konzentrationsstörungen und an Muskelschwäche, weswegen sie nicht in der Lage sei, ihren eigenen Haushalt zu führen. Ferner sei sie durch eine herabgesetzte Entgiftung, eine geschädigte Darmflora, eine herabgesetzte Entzündungshemmung und Energieproduktion und eine Reihe von Überempfindlichkeiten beeinträchtigt.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. L. vom 31.10.2013 vorgetragen, die vorliegenden Akteninhalte, einschließlich der Stellungnahmen der behandelnden Ärzte im Klageverfahren, rechtfertigten einen höheren GdB als 30 nicht.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. M., Nervenarzt, hat in seiner Stellungnahme vom 03.06.2013 ausgeführt, die Klägerin leide neben dem CFS auch an einer toxischen Schädigung, einer chemischen Überempfindlichkeit, einem chronischen Müdigkeitssyndrom und einem Zustand nach Amalganentfernung. Die Erkrankungen führten zu Schwierigkeiten in der Konzentration und einem nachlassenden Kurzzeitgedächtnis. Der GdB sei, so Dr. M. weiter, mit 60 zu bewerten. Dr. D.-E. hat in ihrer undatierten Stellungnahme von einem schweren Schmerzsyndrom bei einem ausgeprägten multiple chemical sensitivity Syndrom (MCS) berichtet und ausgeführt, die Erkrankung führe zu schwersten Kopfschmerzen, einer deutlichen Reduzierung der Kraft und der Belastungsfähigkeit. Die osteopathische Therapeutin N.-O. hat unter dem 01.08.2013 ausgeführt, Befundgrundlage für die Behandlung der Klägerin sei ein cervico-cephales Schmerzsyndrom auf dem Boden einer myo-faszialen Störung mit Auswirkungen auf das gesamte Achsenorgan gewesen. Dem SG wurden diverse Befundunterlagen und ferner durch die TCM-Klinik Bad P. der Entlassungsbericht vom 29.05.2013 über eine dortige stationäre Behandlung der Klägerin vom 17.04. - 22.05.2013 vorgelegt.

Das SG hat sodann Dr. Q., Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 21.02.2014 hat Dr. Q. ausgeführt, CFS sei ein an der Hauptsymptomatik ausgerichteter Sammelbegriff, der erhebliche Überschneidungen mit anderen Krankheitsbildern zeige. Das MCS, das rezidivierende Symptome in Zusammenhang mit Umwelteinflüssen zeige, gehe oft mit somatoformen Störungen einher. Da es sich hierbei um eine nicht anerkannte Erkrankung handle, seien bei der Klägerin die Diagnosen einer Neurasthenie und einer Somatisierungsstörung zu stellen. Durch diese Gesundheitsstörungen sei die psychische und seelische Belastbarkeit der Klägerin leicht- bis mittelgradig eingeschränkt. Nach der Befundlage sei der GdB hierfür mit 30 zutreffend festgestellt. Die vorliegenden Befunde zeigten den Ausprägungsgrad von mittelgradigen Anpassungsstörungen nicht.

Die Klägerin ist der gutachterlichen Einschätzung entgegen getreten und hat hierzu unter Vorlage medizinischer Fachliteratur angeführt, der Gutachter sei mit dem Krankheitsbild nicht ausreichend vertraut gewesen.

Mit Urteil vom 07.05.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die von der Klägerin geltend gemachten Beeinträchtigungen durch MCS und CFS seien mit einem Einzel-GdB von 30 ausreichend gewürdigt. Die Bewertung erfolge anhand der bestehenden funktionellen Auswirkungen. Da nach den Ausführungen von Dr. Q., der von einem angemessenen Antrieb, einer ausgeglichenen Stimmungslage, einer einschränkungsfreien affektiven Resonanzfähigkeit und auch im Übrigen von einem unauffälligen psychischen Befund berichtet habe, von einer stärker behindernden psychischen Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen sei, sei ein GdB von 30 angemessen und ausreichend. Die bestehenden körperlichen Beeinträchtigungen rechtfertigten eine weitergehende Berücksichtigung nicht.

Gegen das ihr am 16.05.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.06.2014 Berufung eingelegt. Das SG habe sich bei seiner Entscheidung auf das Gutachten von Dr. Q. gestützt, obschon dieser das bei ihr bestehende Krankheitsbild negiert habe. Dessen Schlussfolgerungen basierten auf untersuchungsunabhängigen Verallgemeinerungen, ließen jedoch eine Auseinandersetzung mit den beklagten Beschwerden vermissen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Mai 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19. März 2013 zu verurteilen, die bei ihr bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 ab dem 19. Juni 2012 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte bringt vor, auch im Entlassungsbericht der TCM-Klinik werde eine depressive Erkrankung benannt und als stärker behindernde Störung graduiert.

Auf einen Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Dr. R., Facharzt für Orthopädie sowie für physikalische und rehabilitative Medizin, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem freien orthopädisch-sozialmedizinischen Gutachten vom 29.10.2014 hat Dr. R. bei der Klägerin ein CFS und ein MCS diagnostiziert. Beide Erkrankungen seien mittelschwer bis schwer ausgeprägt. Zwar bestünden, so Dr. R. weiter, bei der Klägerin bei einer reinen Funktionsuntersuchung keine Einschränkungen, die eine Leistungseinschränkung bedingen könnten, es läge jedoch eine Einschränkung der Dauerleistungsfähigkeit auf muskulärem Gebiet vor. Die GdB-Bewertung habe nach den versorgungsrechtlichen Vorgaben analog anhand der funktionellen Auswirkungen zu erfolgen. Die bei der Klägerin bestehenden Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf psychischer Ebene, in Form einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung, auf den Verdauungstrakt und auf muskulärem Gebiet führten dazu, dass die funktionellen Einschränkungen der Erkrankungen jeweils einen Einzel-GdB von 40 und unter Berücksichtigung der sich gegenseitig negativ beeinflussenden Komponenten insg. einen GdB von 50 bedingten.

Nachdem der Beklagte, gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. S. vom 08.01.2015, der gutachterlichen Einschätzung unter der Begründung widersprochen hat, diese werde nicht durch entsprechende Befunde belegt, hat Dr. R. unter dem 16.02.2015 ergänzend dahingehend Stellung genommen, dass die bestehende Befundlage, anders als Dr. S. meine, seine Einschätzung trage. In der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.03.2015 hat Dr. T. einen GdB von 30 für sachgerecht erachtet.

Mit Schreiben vom 02.04.2015 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat erwäge, nach § 153 Abs. 4 SGG über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden. Ihnen ist Gelegenheit eingeräumt worden, sich hierzu zu äußern. Die Klägerin hat unter dem 28.04.2015 hiervon der Gestalt Gebrauch gemacht, als sie vorbringt, Dr. R. habe in seinem Gutachten, anders als Dr. Q., die bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen zutreffend bewertet. Sie wolle ihre Beeinträchtigungen persönlich darlegen und beantrage die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für die Klägerin geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.

(II)

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, führt jedoch für diese nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Wunsch der Klägerin, ihre Beeinträchtigungen persönlich darzulegen, macht es nicht erforderlich, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, da die Klägerin ihre Beschwerden bereits gegenüber dem SG, den Gutachtern und schriftsätzlich ausführlich darlegen konnte.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, der angefochtene Bescheid vom 11.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mit einem GdB von 30 nach wie vor angemessen und ausreichend bewertet.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 23.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2012 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen Verhältnissen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.01.2015 geltenden Fassung, dass soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs.1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.

In Anlegung der dortigen Maßstäbe sind die bei der Klägerin bestehenden funktionellen Beeinträchtigungen mit einem GdB von 30 unverändert ausreichend und angemessen bewertet.

Nach Nr. 18.4 (S. 104) der VG in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249) sind die Fibromyalgie, das CFS, das MCS und ähnliche Syndrome jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Hierbei kommt es zwar grds. auf die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen an, jedoch ist als Vergleichsmaßstab für die Bewertung von Erkrankungen, die mit vegetativen Symptomen, gestörter Schmerzverarbeitung, Leistungseinbußen und Körperfunktionsstörungen, denen kein oder primär kein organischer Befund zugrunde liegt, wie dem CFS und dem MCS, die Bewertung psychovegetativer oder psychischer Störungen führend heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2002 - B 9 SB 6/01 R - veröffentlicht in juris, dort Rn. 39; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2012 - L 6 SB 4838/10; Urteil vom 27.01.2012 - L 8 SB 668/11 - jew. veröffentlicht in juris; vgl. auch Niederschrift über die Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim BMA vom 25. - 26.11.1998). Für derartige Störungen ist in Nr. 3.7 (S. 42) der VG niedergelegt, dass leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 - 20, stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Schmerzstörungen) mit einem solchen von 30 - 40, schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen mit einem solchen von 50 - 70 und solche mit schweren sozialen Anpassungsstörungen mit einem Einzel-GdB von 80 - 100 zu bewerten sind. Nach den von Dr. Q. im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen psychopathologischen Befunden eines angemessenen Antriebs, einer ausgeglichenen Stimmungslage, einer uneingeschränkten affektiven Resonanz-, Konzentrations- und Gedächtnisfähigkeit sowie eines auch im Übrigen im Wesentlichen regelgerechten psychischen Befundes ist bei einer reinen Analogbewertung im oben beschriebenen Sinne allenfalls von einer leichten psychischen Störung auszugehen. Dies wird insb. dadurch bestätigt, dass die Klägerin nach ihrem eigenen Bekunden gegenüber Dr. Q. viele Interessen hat, insb. gerne reist sowie fotografiert und die Klägerin in der Lage ist, sich selbst zu versorgen und ihren Haushalt mit Hilfe einer Putzhilfe, welche alle ein bis zwei Wochen kommt, zu bewältigen.

Nur unter Berücksichtigung der von Dr. R. beschriebenen organischen Beeinträchtigungen auf den Verdauungstrakt und auf muskulärem Gebiet sowie in Form einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung ist im Rahmen der Analogbewertung die Annahme einer stärker behindernden Störung gerechtfertigt und ein GdB-Rahmen von 30 - 40 eröffnet, wobei dessen Ausschöpfung in Ansehung des Umstandes, dass eine ambulante Psychotherapie, eine medikamentöse Therapie oder eine regelmäßige fachärztliche Konsultation nicht durchgeführt wird, nicht möglich ist.

Soweit Dr. R. in seinem Gutachten vom 29.10.2014 jeweils für das CFS und das MCS einen Einzel-GdB von 40 vorschlägt, ist dem bereits aus rechtlichen Aspekten nicht zu folgen, da die VG in ihren Gemeinsamen Grundsätzen (Teil A Nr. 2 Buchst. e der VG) vorgeben, dass die GdB-Bewertung anhand der Beeinträchtigungen in Funktionssystemen, vorliegend "Gehirn einschließlich Psyche", nicht jedoch für jede Gesundheitsstörung isoliert erfolgt. Im Übrigen hat Dr. R. in seinem Gutachten keine Befunde betr. die psychische Beeinträchtigung der Klägerin mitgeteilt, die eine höhere Bewertung tragen könnten. Dies gilt gleichermaßen für die Einschätzung der behandelnden Ärzte Dr. M. und Dr. D.-E., die gleichfalls keine ihre jeweilige Einschätzung tragenden Befunde mitgeteilt haben.

Gesundheitsstörungen, die, ohne bereits in die Analog-Bewertung eingeflossen zu sein, GdB-pflichtige Beeinträchtigungen bedingen, liegen nicht vor. Insb. ist das Achsenorgan der Klägerin nach den Bekundungen von Dr. R. funktionell nicht eingeschränkt, so dass keine GdB-pflichte Beeinträchtigung angenommen werden kann.

Die bei der Klägerin bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind mithin mit einem GdB von 30 angemessen und ausreichend bewertet.

Der Bescheid vom 11.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2013 ist hiernach rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG vom 07.05.2014 ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved