L 4 KA 11/13

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 170/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 11/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Januar 2013 abgeändert. Der Bescheid vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2011 wird für das Quartal III/05 vollständig, für die Quartale II/05, IV/05 bis I/07 nur insoweit aufgehoben, als die Honorarkürzung für das Quartal II/05 einen Betrag von 6.806,15 EUR, für das Quartal IV/05 einen Betrag von 3.921,63 EUR, für das Quartal I/06 einen Betrag von 3.434,88 EUR, für das Quartal II/06 einen Betrag von 9.626,42 EUR, für das Quartal III/06 einen Betrag von 3.528,48 EUR, für das Quartal IV/06 einen Betrag von 7.061,85 EUR und für das Quartal I/07 einen Betrag von 24.620,12 EUR (insgesamt 58.999,54 EUR) überschreitet.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger hat 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Honorarberichtigung aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen für die 8 Quartale II/05 bis I/07 in Höhe von insgesamt 76.447,01 EUR netto.

Der Kläger ist als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie seit 1990 mit Praxissitz in A Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal II/05 beschäftigte er bis zum 14. Mai 2005 die Ärztin im Praktikum C. Vom 28. Juni 2005 bis 31. Dezember 2006 beschäftigte er die Neurologin und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. als angestellte Ärztin im Rahmen eines sog. Job-Sharing-Verhältnisses. Für die streitbefangenen Quartale setzte die Beklagte das Honorar wie folgt fest:

II/05 III/05 IV/05 I/06
Honorarbescheid vom 29.06.2006 12.08.2006 06.08.2007 20.01.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 117.126,37 97.573,27 95.242,95 105.672,62
Fallzahl gesamt 1.492 1.380 1.359 1.449
Bruttohonorar PK + EK in EUR 116.798,04 97.071,47 98.125,46 106.625,09
Fallzahl PK + EK 1.467 1.353 1.337 1.456

Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Praxisbezogenes RLV in Punkten 1.319.052,1 1.315.587,5 1.311.998,2 1.370.591,6
Überschreitung in Punkten 3.386.140,9 2.181.111,5 2.498.113,3 2.816.143,9

II/06 III/06 IV/06 I/07
Honorarbescheid vom 04.02.2007 17.03.2007 18.04.2007 08.03.2008
Nettohonorar gesamt in EUR 111.109,04 96.150,86 102.110,44 100.696,94
Fallzahl gesamt 1.400 1.458 1.521 1474
Bruttohonorar PK + EK in EUR 111.150,26 96.417,62 102.406,99 101.158,42
Fallzahl PK + EK 1.379 1.438 1.503 1.457

Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3 HVV
Praxisbezogenes RLV in Punkten 1.346.612,8 1.375.297,9 1.604.643,8 1.413.119,7
Überschreitung in Punkten 2.302.103,7 3.798.496,0 2.682.011,2 2.438.968,8

Die Beklagte führte für die streitbefangenen Quartale eine Plausibilitätsprüfung durch und übersandte dem Kläger am 20. September 2008 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für die Quartale II/05 bis I/07 unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile.

Der Kläger erklärte hierzu, er habe im streitigen Zeitraum einen Arzt im Praktikum und einen Nervenarzt im Rahmen des Job-Sharing beschäftigt. Den daher genehmigten Zeitaufwand von 1.440 Minuten pro Tag habe er an keinem Tag überschritten.

Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 23. Juli 2010 aufgrund der zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung für die Quartale II/05 bis I/07 eine Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 76.447,01 EUR netto fest. Die Festsetzungen für die einzelnen Quartale ergingen wie folgt:
II/05 7.412,43 EUR netto
III/05 10.037,44 EUR netto
IV/05 4.051,82 EUR netto
I/06 4.002,79 EUR netto
II/06 10.708,73 EUR netto
III/06 4.228,42 EUR netto
IV/06 7.942,46 EUR netto
I/07 28.062,53 EUR netto

Zur Begründung führte sie aus, für die Prüfung nach Zeitprofilen würden primär die im Anhang 3 zum EBM aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde gelegt. Betrage die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens 3 Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden, erfolgten weitere Überprüfungen. Diese hätten zum Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden sei oder nicht. Die Berechnungsergebnisse der Praxis des Klägers hätten bezogen auf die Grenzwerte folgende Zeitwerte ergeben:

Quartal Tagesprofil Quartalsprofil Anzahl Tage ( 3 h
Anzahl Tage Zeitsumme
) 12 Stunden ) 16 Stunden Std.: Min.:
II/05 53 16 1.088:27 7
III/05 52 32 1.156:56 4
IV/05 47 37 1.197:15 5
I/06 50 39 1.274:40 0
II/06 40 29 1.172:47 6
III/06 51 32 1.249:45 1
IV/06 45 36 1.312:00 16
I/07 54 30 1.085:17 11
Gesamt 392 251 50

Spitzentage:

Wochentag Behandlungstag Zeit gesamt QP Stunden Zeit gesamt TP Stunden Zeit gesamt TP Minuten Zeit Gespräche Minuten
Dienstag 10.05.2005 23:52 22:37 1.357,00 10:54
Donnerstag 01.09.2005 25:46 23:41 1.421,00 10:54
Dienstag 04.10.2005 45:48 41:08 2.468,00 17:47
Montag 16.01.2006 38:21 34:39 2.079,00 15:58
Montag 03.04.2006 49:58 44:18 2.658,00 18:49
Montag 03.07.2006 47:32 41:46 2.506,00 18:22
Montag 02.10.2006 52:54 40:44 2.444,00 16:24
Montag 08.01.2007 38:46 32:26 1.946,00 15:13

Zugelassene bzw. genehmigte Assistenten:
15. November 2003 bis 14. Mai 2005 (II/05) C., Ärztin im Praktikum
28. Juni 2005 bis 31. Dezember 2006 (III/05 bis IV/06) D., Angestellte Ärztin.
Ärzte im Praktikum seien seinerzeit nicht generell mit Weiterbildungsassistenten gleichzusetzen gewesen. Die Ableistung einer 18-monatigen Phase als Arzt im Praktikum sei zum Erhalt der vollen Approbation notwendig gewesen. Grundsätzlich sei der Arzt im Praktikum als Berufsanfänger (noch in der ärztlichen Ausbildung befindlich) unter Aufsicht eines voll ausgebildeten Arztes tätig gewesen. Nach Abschaffung dieser Weiterbildungsform hätten einige Ärzte im Praktikum die Anerkennung des Weiterbildungsassistenten erhalten. Für Frau C. sei jedoch davon auszugehen, dass keine Weiterbildungsassistenz bescheinigt worden sei, da der Kläger selbst über keine Weiterbildungsermächtigung verfüge. Im Quartal II/05 verblieben aber auch bei Anerkennung eines zeitlichen Entlastungsfaktors von 0,5 noch 13 Tage mit mehr als 18 Stunden Arbeitszeit im Tagesprofil, ohne dass klägerseits bislang der arbeitstägliche reale Beschäftigungsumfang von Frau C. nachgewiesen worden sei. Die Beklagte hat hierzu in der Zeit bis 14. Mai 2005 beispielhaft vier Arbeitstage mit einer Arbeitszeit von 21:56 Stunden bis 22:37 Stunden mit Zeiten für ununterbrochene Gesprächsleistungen von 8:22 bis 11:18 Stunden angegeben. Vom 15. Mai bis 27. Juni 2005 hätten sich weitere 27 Tage mit mehr als 12 Stunden errechnet, die Gesprächsleistungen hätten sich bis zu 9:45 Stunden pro Tag summiert. Dr. D. sei im Quartalsprofil mit dem Faktor 0,25 und im Tagesprofil mit dem Faktor 1,0 berücksichtigt worden. Es ergäben sich folgende Zeitauffälligkeiten:

Quartal Anzahltage ) 24 h Zeit QP in Std.: Min. Sollzeit QP 780 Std. + 195 Std. Differenz zur Soll-Zeit
III/05./. 1.156:56 975:00 + 181:56
IV/05 6 1.197:15 975:00 + 204:15
I/06 12 1.274:40 975:00 + 299:40
II/06 17 1.172:47 975:00 + 197:47
III/06 10 1.249:45 975:00 + 274:45
IV/06 19 1.312:00 975:00 + 337:00
Gesamt 64

Wegen der erhöhten Fallzahlen gegenüber der Prüfgruppe mit dem zeitlichen Durchschnittswert der Ordinationskomplexe, berücksichtigt würden 12 Minuten, erhöhten sich die Grenzen der Quartalsprofile, was die Beklagte im Bescheid im Einzelnen auflistete. Auch in den Folgeprüfzeiträumen hätten sich ununterbrochene Gesprächsleistungen bzw. Arzt-Kontaktzeiten über 18 Stunden Dauer ergeben. Auch unter Berücksichtigung der Entlastungsassistentin und der Kollegin in Jobsharing-Tätigkeit sei die Abrechnung insgesamt zeitlich nicht plausibel. Die Zeitüberschreitungen entstünden durch die hohe Koppelung der Ordinationskomplexe in Verbindung mit Gesprächsleistungen sowohl nach Nr. 16220 EBM 2005 als auch nach Nr. 21220 EBM 2005. Die häufig gewählte Kombination des Ordinationskomplexes mit dem Gespräch von mindestens 10 Minuten Dauer (Nr. 16220 EBM 2005) erwecke angesichts der Häufigkeiten des Zeitaufwandes insgesamt den Verdacht, dass die im fakultativen Leistungsinhalt beschriebene Mindestkontaktzeit von 10 Minuten beim Ansatz der Nr. 16220 bzw. 21220 nicht in jedem Fall eingehalten worden sei, wonach die Nr. 16220 bzw. 21220 erst bei einer Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten zum Ansatz hätten kommen dürfen. Die Garantiewirkung der Abrechnungssammelerklärung und damit der rechnerisch-sachlichen Richtigkeit entfalle, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthalte. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig Leistungen auf den Abrechnungsbelegen eingetragen, deren Leistungsinhalt er nicht vollständig erbracht haben könne. Die Gesprächsziffern seien von ihm fehlerhaft in Ansatz gebracht worden, so dass eine Honorarberichtigung erforderlich sei. Der Vorstand habe beschlossen, die Honorarkürzung anhand einer sog. Überschreitungsquote zu ermitteln. Diese errechne sich nach dem prozentualen Verhältnis der als implausibel festgestellten Überschreitungszeit zur Gesamtzeit im Quartal auf der Grundlage der Prüfzeiten nach Anlage 3 zum EBM 2005. Die so ermittelte Überschreitungsquote sei dem erzielten Nettohonorar gegenüberzustellen und ergebe den Kürzungsbetrag.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 1. August 2010 Widerspruch und verwies zur Begründung erneut auf die bei ihm beschäftigten Ärzte. Er verlange, dass ihm ein Nachweis erbracht werde, wo eine Überschreitung von 1.440 Minuten pro Tag nachgewiesen werde. Wenn dieser Nachweis erbracht werde, könne an diesem Tag gekürzt werden, aber nur bis zu dieser Grenze. Es dürfe keine pauschale Kürzung vorgenommen werden. Eine Kürzung für das Jahr 2005 sei verjährt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Umsetzung der Honorarberichtigung sei die Rechtsprechung des BSG zur Garantiefunktion der Sammelerklärung zu beachten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. September 1997 6 RKa 86/95). Diese entfalle, wenn der Arzt - grob fahrlässig oder vorsätzlich - nicht erbrachte bzw. nicht ordnungsgemäß erbrachte Leistungen abgerechnet habe. Die für die Quartale II/05 bis I/07 erstellten Tageszeitprofile führten den Indizienbeweis, dass die Abrechnungen fehlerhaft seien. Das Tagesprofil entstehe durch die Addition der Prüfzeiten (festgelegt in Anh. 3 zum EBM 2005) aller an einem Tag von dem Arzt abgerechneten Leistungen, die für die Berechnung des Tagesprofils geeignet seien. Es würden auch Zeiten erfasst, die nach den Vorgaben des EBM (z.B. in den Leistungslegenden) bei der Nebeneinanderabrechnung von Leistungen von dem Arzt erbracht worden sein müssten (Beispiel: Nebeneinanderberechnung von Ordinationskomplex und Gesprächsleistung). In die Prüfzeit werde nur die Zeit eingerechnet, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetze (im Gegensatz zur Kalkulationszeit, die auch Zeitanteile für delegierbare Leistungsbestandteile enthalte). Zudem seien diese Durchschnittszeiten so zu bemessen, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen könne. Der Kläger habe mit Abgabe seiner Sammelerklärung bestätigt, dass er alle abgerechneten Leistungen (und damit die entsprechenden Zeiten) persönlich und ordnungsgemäß erbracht habe. Zu Gunsten des Arztes sei bei der Beurteilung der erhöhten Zeitprofile zu berücksichtigen, ob er einen Assistenten beschäftigt oder ob ein Jobsharingverhältnis vorgelegen habe. Für die Ärztin im Praktikum sei ein zeitlicher Entlastungsfaktor von 0,5 anerkannt worden und folglich sei das Tageszeitprofil erst ab 18 Stunden als zeitauffällig bewertet worden. Es könne nicht mit 12 Stunden berücksichtigt werden. Ein Arzt im Praktikum befinde sich noch in Ausbildung, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass er im gleichen zeitlichen Umfang mitarbeiten könne wie ein selbstverantwortlich tätiger Arzt. Es ergäben sich noch folgende auffällige Zeiten:

Quartal Anzahl der Tage über 18 Stunden im Zeitraum 01.04.2005 bis 14.05.2005 Datum Beispiele Gesamtzeit des Tagesprofils in Stunden
II/05 13 10.05.2005 22:37
09.05.2005 22:16
02.05.2005 21:56

Im Übrigen habe er im Quartal II/05 ab dem 17. Mai 2005 keinen genehmigten Arzt beschäftigt, so dass die Zeitprofile seine eigenen Leistungen wiedergäben. Auch hier kämen viele implausible Tageszeitprofile vor:

Quartal Anzahl der Tage über 12 Stunden im Zeitraum 17.05.2005 bis 27.06.2005 Datum Beispiele Gesamtzeit des Tagesprofils in Stunden
II/05 27 15.06.2005 14:49
07.06.2005 14:23
27.05.2005 14:26

Der Zulassungsbescheid für Dr. D. sei erst am 29. August 2005 ausgefertigt worden. Dennoch gehe sie davon aus, dass Dr. D. bereits ab dem 28. Juni 2005 in der Praxis beschäftigt gewesen sei. Dr. D. sei (im Tagesprofil) mit dem Faktor von 1,0 berücksichtigt worden. Das bedeute, dass erst ein Zeitprofil mit mehr als 24 Stunden als zeitauffällig bewertet worden sei. Damit sei die übliche Zeitaufteilung zwischen Jobsharing-Beschäftigten, die sich die Arbeitswoche in der Regel teilten, zu Gunsten des Klägers nicht berücksichtigt worden. Die Tageszeitprofile in den Quartalen IV/05 bis IV/06 hätten in jedem Quartal immer noch häufiger als dreimal die 24 Stunden-Marke überschritten:
Quartal Anzahl der Tage über 24 Stunden Datum Beispiele Gesamtzeit des Tagesprofils in Stunden für 2 Ärzte
IV/05 6 04.10.2005 41:08
10.10.2005 35:59
06.10.2005 33:48
I/06 12 16.01.2006 34:39
12.01.2006 32:25
19.01.2006 30:55
II/06 17 03.04.2006 44:18
04.04.2006 38:39
24.04.2006 36:59
III/06 0 03.07.2006 41:46
04.07.2006 36:39
06.07.2006 35:30
IV/06 19 02.10.2006 40:44
05.10.2006 38:16
09.10.2006 36:11

In dem Quartal I/07 habe keine Genehmigung für die Mitarbeit eines weiteren Arztes vorgelegen, so dass allein für die von dem Kläger als persönlich erbrachte Leistung abgerechneten Gebührenziffern folgende irreale Tageszeitprofile anfielen:

Quartal Anzahl der Tage über 12 Stunden Datum Beispiele Gesamtzeit des Tagesprofil in Stunden für einen Arzt
I/07 54 08.01.2007 32:26
15.01.2007 26:44
17.01.2007 24:55

Es müsse nicht für jeden einzelnen Tag nachgewiesen werden, dass der Kläger die Zeitprofilgrenze überschritten habe. Es genüge der Nachweis eines unrichtigen Abrechnungsscheins sowie zusätzlich das subjektive Element zumindest grob fahrlässiger Falschabrechnung, damit die Garantiewirkung der Sammelerklärung entfalle. Bei den vom Kläger erreichten Tageszeitprofilen handele es sich nicht nur um einen unrichtigen Schein, sondern bereits an einem Tag um eine Vielzahl systematisch fehlerhafter Behandlungsscheine. Hier liege ein offensichtlicher Verstoß gegen die Pflicht zur vollständigen Leistungserbringung vor. Für das Quartal III/05 gehe sie davon aus, dass Dr. D. im gesamten Quartal tätig gewesen sei. Im Tagesprofil lägen danach keine Überschreitungen vor. Allerdings erreiche das Quartalsprofil fast 1157 Stunden. Aufgrund der Mitarbeit eines Jobsharing-Partners sei es bereits um 25 % (195 Stunden) sowie aufgrund der höheren Fallzahlen (Berechnungsweise s. Ausgangsbescheid) auf insgesamt 1086:48 Stunden erhöht worden. Der Faktor 1,0 für eine Jobsharing-Angestellte müsse nicht für das Quartalszeitprofil gelten. Aus der Leistungsbeschränkung im Rahmen des Jobsharing folge, dass der angestellte Arzt nicht wie ein zweiter voll zugelassener Arzt in der Praxis tätig werden dürfe. Der Sinn des Jobsharing liege darin, da sich Ärzte die Arbeit des zugelassenen Arztes teilten und nicht die Arbeit verdoppeln sollten. Auf die Überschreitung des Regelleistungsvolumens komme es nicht an. Im Übrigen habe der Kläger dies für alle Quartale überschritten. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig Leistungen auf den Abrechnungsschein eingetragen, deren Leistungsinhalte er nicht vollständig erbracht haben könne. Für die Neuberechnung stehe ihr ein weites Schätzungsermessen zu. Die Honorarrückforderung orientiere sich an dem Verhältnis zwischen plausiblen Zeiten und Überschreitung der plausiblen Zeiten. Dieses Verhältnis werde auf das erwirtschaftete Gesamthonorar übertragen und ein entsprechender Rückforderungsbetrag festgesetzt. Damit werde ein erwirtschafteter Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt und der implausible Leistungsanteil, der über den Zeitgrenzwerten liege, abgeschöpft. Die Rückforderung sei lediglich auf die auffälligen Tage beschränkt worden, obschon von einem systematischen Abrechnungsfehler auszugehen sei. Im Quartal III/05 sei auf die Überschreitung des Quartalsprofils abgestellt worden. Vertrauensschutz bestehe nicht, die Ausschlussfrist von 4 Jahren seit Erlass des Quartalshonorarbescheids sei nicht abgelaufen.

Hiergegen hat der Kläger am 28. Februar 2011 Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Berechnung der Zeitprofile fehlerhaft sei, da die weiteren angestellten Ärzte nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Eine starre Berechnung nach Zeitprofilen scheide aus, da es in Hessen keine Vergleichsgruppe gebe. Er sei der einzige Arzt, der neurologische und psychiatrische Behandlungen und spezielle Schmerztherapien durchführe. Er habe auch in der Vergangenheit die Leistungen zu 100 % abgerechnet, was die Beklagte akzeptiert habe. Ein Verschulden seinerseits liege nicht vor. Da 2 Ärzte tätig gewesen seien, müsse das Zeitprofil auf 1440 Minuten/Tag angehoben werden. Ihm stehe Vertrauensschutz zu, da die Beklagte weitere Ärzte genehmigt habe, aber diese nicht in die Profilberechnung habe einfließen lassen. Er sei auch nie darauf hingewiesen worden, dass die Leistungen der weiteren Ärzte nicht in voller Höhe in den Profilen berücksichtigt und abgerechnet werden könnten. Er berufe sich auf Verjährung. Ausschlussfristen seien nicht eingehalten worden. Der Arzt im Jobsharingverhältnis könne nicht unterschiedlich im Tages- und Quartalsprofil berücksichtigt werden. Selbst bei einer Berücksichtigung von 0,5 ergebe sich im Quartalsprofil keine Überschreitung. Wenn an einzelnen Tagen das Tagesprofil von 24 Stunden überschritten worden sei, so liege es am erhöhten Fallaufkommen an diesen Spitzentagen und an seiner guten Praxisorganisation. Weiter liege dies daran, dass die Beklagte nach Einführung des EBM 2005 gekoppelte Leistungen nicht wie er mit 10 Minuten angesetzt habe, sondern mit 20 Minuten. Bei den vorgegebenen Zeiten handele es sich um Durchschnittswerte, die naturgemäß im Einzelfall unterschritten werden könnten. Die in Verfahren zur sachlich-rechnerischen Berichtigung herrschende Beweislastverteilung werde ins Gegenteil verkehrt. Selbst bei Auffälligkeit der Zeitprofile bestehe nur ein Anfangsverdacht, der durch weitere Überprüfung im Einzelfall verifiziert werden müsse. Hierbei seien Personalstruktur, die Beschäftigung angestellter Ärzte, Vertreterfälle, Prüfungen der Fertigkeiten des Arztes, Arbeitsabläufe in der Praxis, Rationalisierungen, operative Ausstattung, Spezialisierung, höhere Fallzahl, gleichzeitige Kopplung von Leistungen zu berücksichtigen. Er hätte im Verwaltungsverfahren angehört werden müssen. Die Beklagte habe die zeitbezogene Plausibilitätsprüfung mit einer angeblich sachlich-rechnerischen Berichtigung verknüpft und die Profile bisher nicht vorgelegt. Er habe nach Einführung des EBM 2005 wie zuvor gearbeitet und die Leistungen nebeneinander erbracht. Es fehle somit an dem zwingenden Tatbestandsmerkmal des Verschuldens. Es sei auch zu berücksichtigen, dass er bereits wegen Überschreitung des Gesamtpunktzahlvolumens, wie es vom Zulassungsausschuss festgesetzt worden sei, in den Quartalen I bis IV/05 gekürzt worden sei. Er habe im Jahr 2005 einen Gesamtumsatz von ca. 390.000 EUR erwirtschaftet. Die Beklagte habe eine Kürzung von ca. 35.000 EUR wegen Überschreitung des Gesamtpunktzahlvolumens vorgenommen. Wegen Unterschreitung der Anzahl der bewilligten Schmerztherapien habe die Beklagte eine weitere Kürzung um ca. 35.000 EUR vorgenommen. Mit der jetzt vorgenommenen Berichtigung würde sich sein Umsatz um fast 50 % reduzieren. Zu berücksichtigen sei auch die Honorarkürzung aufgrund der Honorarverteilung.

Mit Urteil vom 30. Januar 2013 hat das SG den Bescheid vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2011 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Rechtswidrigkeit des Bescheides folge für das Quartal III/05 aus einer fehlerhaften Anwendung des Quartalsprofils, da Jobsharing-Angestellte als Vollzeitkräfte zu berücksichtigen seien. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides folge zudem aus Nichtberücksichtigung der Verfahren zur Honorarrückforderung wegen des Jobsharings und wegen der Überprüfung der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV. Die Beklagte sei für die sachlich-rechnerische Berichtigung zuständig. Im Gegensatz zu den früher allein maßgeblichen Vorschriften nach § 45 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä) sei § 106a SGB V nicht auf den Bereich der Primär- und Ersatzkassen beschränkt. Daher sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei Erstellung der Zeitprofile auch die Leistungen gegenüber Versicherten anderer Versicherungsträger oder der Sozialhilfeträger einbezogen habe. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstrecke sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden seien. Solche Verstöße könnten z.B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden seien. Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden seien, sei es zulässig Tagesprofile zu verwenden (Hinweis auf BSG, Urteil vom 24. November 1993 - R 6 Ka 70/91, Juris Rn. 24 ff.; BSG, Urteil vom 8. März 2000 - B 6 KA 16/99 R, Juris Rn. 48). Ausgehend hiervon sei die Beklagte grundsätzlich berechtigt gewesen, Tages- und Quartalsprofile zu erstellen.
Der angegriffene Bescheid sei formell rechtmäßig. Für eine Anhörung reiche die Übersendung der Tagesprofile mit einem Anhörungsschreiben aus, so dass weder für die Anhörung im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X noch für die Begründung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X eine weitergehende Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlich sei (Hinweis auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 10. November 2009 - L 4 KA 70/09 B ER).
Der Bescheid sei aber materiell rechtswidrig. Die Beklagte habe die Tagesprofile nicht falsch berechnet. Sie habe die Tagesprofile auf der Grundlage der Zeitangaben im EBM 2005 erstellt. Soweit sie bei einer Nebeneinanderabrechnung der Nrn. 16210 bis 16212 bzw. 21210 bis 21212 EBM 2005 mit der Nr. 16220 bzw. 21220 EBM 2005 davon ausgehe, dass hier pro Behandlungsfall 20 Minuten anzusetzen seien, sei dies zutreffend. Nr. 16220 bzw. 21220 EBM 2005 "Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten" könnten für je vollendete 10 Minuten angesetzt werden. Nach dem EBM 2005 sei aber bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den der Nrn. 16210 bis 16212 bzw. 21210 bis 21212 EBM 2005 mit der Nr. 16220 bzw. 21220 EBM 2005 eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistungen nach Nr. 16220 bzw. 21220 EBM 2005. Dies folge aus der Leistungslegende dieser Vorschriften. Bei der die Leistungslegende ergänzenden Anmerkung handle es sich um einen Teil des vom Bewertungsausschuss verabschiedeten EBM, der die eigentliche Leistungslegende ergänze. Sie gelte für den behandelnden Vertragsarzt und die kassenärztliche Vereinigung und normiere gleichfalls die Voraussetzungen für eine vollständige Leistungserbringung. Die im Leistungsverzeichnis im Anhang zum EBM 2005 angegebene Prüfzeit von 13 Minuten für Nrn. 16210 bis 16212 bzw. 11 Min für Nr. 21210, 12 Minuten für Nr. 21211 und 13 Minuten für Nr. 21212 würden nur für die Berechnung des Quartalsprofils gelten. In das Tagesprofil könnten diese Leistungen einbezogen werden, wenn sie in Kombination mit einer Leistung nach Nr. 16220 bzw. 21220 EBM 2005 erbracht worden seien, wovon auch die Beklagte ausgehe. Ein Ansatz der Nr. 16220 bzw. 21220 EBM 2005 setzte dann aber eine ärztliche Kontaktzeit von 20 Minuten voraus. Der mit der Abrechnung geltend gemachte Zeitaufwand, der zu implausiblen Zeiten geführt habe, beruhe allein auf der Abrechnung des Klägers. Der Kläger habe mit Schriftsätzen des Prozessbevollmächtigten vom 1. Juni 2011 und 5. Oktober 2011 eingeräumt, die Überschreitung des Tagesumfangs liege daran, dass die Beklagte nach Einführung des EBM 2005 gekoppelte Leistungen nicht, wie von ihm selbst, mit 10 Minuten, sondern mit 20 Minuten angesetzt habe. Hierin liege objektiv eine Falschabrechnung. Auf die Einhaltung der Quartalsprofile komme es hinsichtlich der Tagesprofile nicht an. Mit der Überschreitung der Tagesprofile werde hinreichend nachgewiesen, dass an diesen Tagen eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr möglich gewesen sei. Mit dem Nachweis der Implausibilität werde der zulässige Nachweis einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung erbracht. Einer weitergehenden Einzelfallprüfung oder des Nachweises in jedem Einzelfall bedürfe es dann nicht. Wie auch immer geartete Praxisbesonderheiten könnten nicht berücksichtigt werden. Nicht zu beanstanden gewesen sei auch die Annahme, dass bei Tagesprofilen von über 16 Stunden bzw. bei wenigstens 3 Tagesprofilen von über 12 Stunden im Quartal eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr vorliege. Im Rahmen des Schätzungsermessens seien daher auch nicht vermeintliche Praxisbesonderheiten des Klägers zu berücksichtigen.
Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Die Beklagte habe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass sie die Abrechnungsweise des Klägers für zutreffend halte oder von einer Berichtigung absehen werde. Insbesondere werde für zulässig gehalten, dass zum Teil drei verschiedene sachlich-rechnerische Berichtigungsverfahren für einzelne Quartale durchgeführt worden seien. Neben dem hier streitgegenständlichen Plausibilitätsverfahren habe die Beklagte eine Honorarrückforderung aufgrund der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV, die alle streitbefangenen Quartale betreffe, und eine Kürzung aufgrund der Obergrenzen für das Job-Sharing-Verhältnis für die Quartale III/05-IV/06 festgesetzt. Alle Verfahren beträfen unterschiedliche Prüfgegenstände und begründeten daher gegenüber anderen Verfahren keinen Vertrauenstatbestand. Sich danach ergebende Benachteiligungen aufgrund der jeweiligen Honorarkürzung seien jedoch bei der Festsetzung des Berichtigungsbetrages zu berücksichtigen.
Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs seien nicht eingetreten: Die Frist zur Berichtigung innerhalb von 4 Jahren sei in allen streitbefangenen Quartalen eingehalten worden. Soweit der Honorarverteilungsvertrag eine kürzere Ausschlussfrist von 2 Jahren vorsehe, gelte dies nicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschabrechnung und bei Honorarberichtigungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen (vgl. 8.6 der ab dem Quartal II/05 geltenden Honorarvereinbarung, die insoweit fortgeführt worden sei). Der Bescheid sei aber für das Quartal III/05 insoweit fehlerhaft, als die Beklagte für das herangezogene Quartalsprofil davon ausgehe, dass der Jobsharing-Partner nur mit 25 % zu berücksichtigen sei. Für die Tagesprofile, auf die die Beklagte die Prüfung in den übrigen streitgegenständlichen Quartalen gestützt habe, gehe sie für den Zeitraum der Anstellung im Rahmen des Jobsharing zutreffend von 2 vollwertigen Behandlern aus. Grundsätzlich sei von der wöchentlich vereinbarten Arbeitszeit der angestellten Ärzten auszugehen, es sei denn, der Vertragsarzt weise die Ableistung entsprechender Überstunden nach. Soweit feststehe, dass die vereinbarte Arbeitszeit unterschritten worden sei, könnten diese Werte berücksichtigt werden. Sofern die Beklagte dem Kläger ein Zeitprofil von 1440 min/Tag zugestehe, unterstelle sie zu Gunsten des Klägers auch für die angestellte Ärztin eine Arbeitszeit von 12 Stunden. Dies sei, da der Kläger hierdurch nicht beschwert werde, im Ergebnis nicht zu beanstanden gewesen. Von daher sei der Vortrag des anwaltlich vertretenen Klägers, das Zeitprofil müsse auf 1440 min/Tage angehoben werden, unverständlich. Die Anstellung einer Ärztin im Praktikum habe die Beklagte mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt. Ob eine Ärztin im Praktikum überhaupt gesondert zu berücksichtigen sei, könne hier letztlich dahinstehen, da jedenfalls eine Berücksichtigung in einem größeren Umfang ausgeschlossen sei (Hinweis auf BSG, Urteil vom 28. September 2005 – B 6 KA 14/04 R, Juris Rn. 11 zur Weiterbildungsassistentin). Soweit die Beklagte im Quartal III/05 im Rahmen des Quartalsprofils davon ausgehe, dass der Jobsharingpartner nur mit 25 % zu berücksichtigen sei, folge dies nicht zwingend der der Plausibilitätsprüfung zu Grunde liegenden Logik. Die Plausibilitätsprüfung gehe davon aus, dass bei Überschreiten bestimmter zeitlicher Vorgaben die Leistung nicht mehr oder nicht mehr vollständig erbracht werden könne bzw. nicht erbracht worden sei. Soweit 2 Behandler tätig seien, könnten sie grundsätzlich das doppelte Leistungsvolumen erbringen, auch wenn sie damit unter Umständen gegen die Vorgaben einer Jobsharinggenehmigung verstoßen würden. Ein solch unzulässiges Abrechnungsverhalten werde nicht zwingend implausibel, verstoße aber im Regelfall gegen die Vorgaben der Obergrenzen durch den Zulassungsausschuss. Denklogisch sei dies nur dann nicht der Fall, wenn bereits die Obergrenzen aufgrund eines implausiblen Abrechnungsverhaltens überhöht angesetzt worden seien. Nach Eintritt der Bestandskraft gelte insofern aber eine Bindungswirkung für die Beklagte und das Gericht. Eine Jobsharing-Angestellte sei daher im Quartalsprofil entsprechend der vereinbarten bzw. tatsächlichen Arbeitszeit zu berücksichtigen, im Normalfall mit 40 Wochenstunden. Das Quartalsprofil von 780 Stunden gehe von einer durchgehenden Fünf-Tage-Woche für 52 Wochen im Jahr aus (3.220 Jahresstunden), die auf die vier Quartale gleichmäßig umgelegt würden. Eine volle Anstellung mit 40 Wochenstunden erhöhe daher das Quartalsprofil um 520 Stunden auf 1.300 Wochenstunden. Verstöße gegen die Vorgaben im Rahmen eines Jobsharingverhältnisses könnten nicht im Wege der Plausibilitätsprüfung zu einer Honorarrückforderung führen. Bereits deswegen sei der Bescheid bezüglich des Quartals III/05 aufzuheben gewesen. Zu beanstanden sei auch die Berechnung des Berichtigungsbetrages. Im Rahmen ihres Schätzungsermessens habe die Beklagte den Leistungsanteil abgeschöpft, der im Quartal III/05 auf Leistungen jenseits der zeitlichen Grenze von 12 Stunden bzw. der in den übrigen Quartalen auf die Überschreitung des Quartalsprofils entfalle. Dieser Ansatz der Beklagten sei zunächst nicht zu beanstanden. Der Rechenvorgang über die Feststellung eines Überschreitungsprozentsatzes bedeute letztlich, dass die Beklagte einen erwirtschafteten Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt habe. Auf diese Weise habe die Beklagte alle Vergütungsanteile und eventuelle Sachkostenerstattungen einbezogen, was nicht zu beanstanden gewesen sei. Nicht zu beanstanden gewesen sei ferner die quartalsbezogene Berechnung des jeweiligen Rückforderungsbetrages. Anhand der Überschreitung der Tages- bzw. Quartalsprofile habe die Beklagte den prozentualen Leistungsumfang ermittelt, der gekürzt werden könne. Soweit sie diese "Quote" mit dem jeweiligen Nettohonorar multipliziere, erhalte sie den Kürzungsbetrag. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Beklagte von einem durchschnittlichen Punktwert für alle Leistungen ausgehe, unabhängig davon, ob es sich im Einzelnen um Leistungen zum so genannten oberen Punktwert oder unteren Punktwert aufgrund der Überschreitung des Regelleistungsvolumens handle. Es bestehe kein Anspruch darauf, dass zunächst die im Rahmen der Honorarberechnung geringer vergüteten Leistungen als Maßstab genommen würden. Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen bleibe der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumens ergeben habe. Es erfolge keine Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten Punktzahlvolumens. Eine andere Berechnungsweise könne in Ausnahmefällen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Betracht kommen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 6 KA 62/07 R). Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Der tatsächliche Wert der Leistung könne nur praxisbezogen mithilfe des praxisindividuellen Punktwerts berechnet werden. Soweit eine solche punktwertbezogene Berechnung nicht sinnvoll sei, da nicht ein bestimmtes Punktzahlvolumen von der Vergütung ausgeschlossen sei, könne das dem Kläger verbleibende Honorar auch in der Weise bemessen werden, dass eine zu vergütende Tätigkeit im Umfang von höchstens 12 Stunden täglich angenommen werde und nur der darüber hinausgehende Teil die Grundlage der Berichtigung bilde. Der "Minutenpreis" entspreche dabei dem durchschnittlichen Punktwert. Die Vorgehensweise der Beklagten sei daher insoweit von ihrem Schätzungsermessen gedeckt. Die Beklagte habe ihr Schätzungsermessen jedoch insoweit fehlerhaft ausgeübt, als sie die Honorarrückforderung aufgrund der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV, die alle streitbefangenen Quartale betreffe und sich für die Quartale II/05 bis IV/06 auf einen Betrag von 66.986,10 EUR und für die Quartale I bis III/07 auf 33.844,01 EUR belaufe, nicht berücksichtigt habe. Ebenso sei es unzulässig, die Kürzung aufgrund der Obergrenzen für das Jobsharingverhältnis nicht einzubeziehen. Hinsichtlich des Jobsharingverhältnisses habe die Beklagte mit Bescheid vom 20. August 2007, der aufgrund des mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2009 abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens bestandskräftig sei, für die hier streitbefangenen Quartale III/05 bis II/06 weitere 12.103,08 EUR zurückgefordert, die aufgrund des so genannten Nettohonorarvergleichs auf 8.099,95 EUR reduziert worden seien. Für die Quartale III/06 bis IV/06 seien weitere 22.487,07 EUR zurückgefordert worden, insgesamt also 30.577,02 EUR. Für das Verhältnis von Wirtschaftlichkeitsprüfung und Plausibilitätsprüfung habe das SG bereits mit Urteil vom 7. September 2011 - S 10 KA 913/09, Juris Rn. 72 (Berufung HLSG – L 4 KA 57/11) entschieden, dass im jeweils nachfolgenden Bescheid, soweit sich eine sachlich-rechnerische Berichtigung wegen Implausibilität und eine Honorarkürzung überlappen, bei der Festsetzung des konkreten Kürzungsbetrages im Rahmen der Ermessensausübung die vorangehende Kürzung zu berücksichtigen sei. Es halte die dortigen Ausführungen auch für das Verhältnis von Plausibilitätsprüfung und Berichtigung aufgrund der Obergrenzen für ein Jobsharing-Verhältnis und einer Honorarrückforderung aufgrund der Ziff. 7.5 HVV, also weiteren sachlich-rechnerischen Berichtigungen (zur Honorarrückforderung aufgrund Ziff. 7. 5 HVV als sachlich-rechnerische Berichtigung s. SG Marburg, Urteil vom 10. Februar 2010 – S 12 KA 639/09 ; HLSG, Urteil vom 13. Juli 2011- L 4 KA 14/10 – Juris) für übertragbar. Alle Berichtigungsverfahren führten zu einer Honorarkürzung. Werde bei jeder Kürzung das ursprünglich in voller Höhe angesetzte Honorar als Berechnungsgrundlage genommen, so gehe die Beklagte von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage aus, da der tatsächliche Honoraranspruch aufgrund der vorangegangenen sachlich-rechnerischen Berichtigung bereits vermindert gewesen sei. Auf Anfrage des SG habe die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eine Vergleichsberechnung vorgelegt, die im Ergebnis die Kürzung (einschließlich des Quartals III/05) auf 68.222,82 EUR vermindern würde. Dabei habe die Beklagte die Rückforderungsbeträge für das Jobsharing-Verhältnis, die jahresweise berechnet würden, zu gleichen Teilen quartalsweise umgelegt, was nicht zu beanstanden sei. Die Vergleichsberechnung zeige deutlich die überproportionale Belastung des Klägers durch die fehlerhafte Ausübung des Schätzungsermessens. Von daher sei der Bescheid insgesamt aufzuheben gewesen. Im Rahmen einer Anfechtungsklage komme eine Verpflichtung zur Neubescheidung nicht in Betracht. Im Übrigen stehe es der Beklagten frei zu prüfen, ob sie eine erneute Prüfung der Plausibilität vornehme. Eine einmal bewirkte Fristwahrung und -hemmung wirke weiter für die Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens nach gerichtlicher Aufhebung des fristwahrenden bzw. fristhemmenden Bescheids bis zur Neubescheidung (vgl. Clemens in: JurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 106a SGB V Rn. 66 unter Hinweis auf die BSG-Rspr.). Fehle es an einer Bestandskraft des Honoraranspruchs oder der vorausgehenden Kürzung, so dürfte grundsätzlich die Möglichkeit bestehen, deren Eintritt abzuwarten oder aber Festsetzungen unter einem entsprechenden Vorbehalt zu treffen.

Gegen das ihr am 11. Februar 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. März 2013 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht (HLSG) eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG habe sie die Jobsharingangestellte bei Anwendung des Quartalsprofils zutreffend mit einem Faktor von 0,25 anstatt mit 1,0 (wie bei den Tagesprofilen) bezogen auf die Quartale IV/05-IV/06 berücksichtigt. Zwar könne die Praxisorganisation dazu führen, dass an einzelnen Wochentagen beide Ärzte gleichzeitig den ganzen Tag arbeiteten, weshalb zu Gunsten des Arztes in den Tagesprofilen eine Implausibilität erst ab 24 Stunden angenommen werde. Das Quartalsprofil unterscheide sich vom Tagesprofil dahingehend, dass Ersteres auch automatisch Tage einschließe, an denen nur ein Arzt tätig war. Die Zulassungsbeschränkung für angestellte Ärzte im Jobsharing-Verfahren würde faktisch umgangen, wenn sie wie Vollzeitkräfte im Quartalsprofil berücksichtigt würden. Die vom Kläger anerkannte Zulassungsbeschränkung lasse einen Aufschlag von 3 % der Punktzahl der Fachgruppe aus dem jeweiligen Aufsatzquartal zu. Dies führe dazu, dass der Kläger gemessen an seinem Punktezahlvolumen zusätzlich ca. 1 Prozent der Punktzahlen abrechnen dürfe. Bei der Prüfung des Quartalsprofils sei die Jobsharing-Angestellte mit einem Faktor von 0,25 bewertet worden, womit dem Kläger 25 % mehr Zeit zugebilligt worden sei. Dies sei im Vergleich zu dem "Mehr", das der Kläger an Punktzahlvolumen nach der Zulassungsbeschränkung habe abrechnen dürfen, ausreichend bemessen. Im Übrigen habe das SG verkannt, dass die Beklagte bei der Neufestsetzung des Honorars ein weites Schätzungsermessen habe. Vorliegend seien die Rückforderungen aus dem Jobsharing-Verhältnis bestandskräftig. Rückforderungen des Auffüllbetrages gemäß Ziff. 7.5 HVV seien durch die Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich für rechtmäßig erachtet worden. Dementsprechend sei die Beklagte dem Grunde nach auch zu unterschiedlichen Rückforderungen befugt gewesen. Die Beklagte könne jedoch gerade bei noch nicht bestandskräftigen Bescheiden nicht - wie vom SG gefordert - im jeweils nachfolgenden Bescheid im Rahmen der Ermessensausübung die vorangegangene Kürzung bei der Festsetzung des konkreten Kürzungsbetrages berücksichtigen. Reduzierten sich die zurückgeforderten Beträge oder fielen weg, würde die Berücksichtigung der Beträge den Arzt bei der Berechnung der Honorarkorrektur in einem anderen späteren erfolgten Prüfverfahren unangemessen besser stellen. Eine Berücksichtigung sei somit erst bei Berechnung des letzten Kürzungsbetrages möglich, wenn alle Bescheide bestandskräftig geworden seien. Nach den Vorgaben des SG müsste zunächst berechnet werden, in welchem Verhältnis eine Implausibilität in Bezug zum ursprünglichen Honorar vorliege. Dann müssten vom ursprünglichen Honorar die Rückforderungen aus dem Jobsharing-Verhältnis und der Ausgleichsregelung abgezogen werden. Vom verbleibenden Honorar müsste die Rückforderung aus der Plausibilitätsprüfung in dem Verhältnis abgezogen werden, wie dies ursprünglich festgestellt worden sei. Im konkreten Fall wäre im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nur noch ein Betrag in Höhe von 68.222,82 EUR anstatt von 76.447,01 EUR zurückzufordern. Es werde bestritten, dass die Nichtberücksichtigung der Rückforderungsbeträge aus den anderen Prüfverfahren den Kläger überproportional belaste. Vom LSG Berlin-Brandenburg sei eine Honorarkürzung bis zum Fachgruppendurchschnitt als rechtmäßig angesehen worden (Hinweis auf urteil vom 10. Oktober 2007 - L 4 7 KA 56/03). Aus der Gegenüberstellung lasse sich erkennen, dass der Unterschied gerade mal 10,8 % betrage. Berücksichtige man lediglich die Rückforderung aus dem Jobsharing-Verhältnis (insgesamt 30.587,01 EUR) und nicht aus der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV (insgesamt 84.641,25 EUR), käme man auf einen Rückforderungsbetrag von 74.260 EUR. Dies seien 3 % weniger als der von der Beklagten zurückgeforderte Betrag in Höhe von 76.447,01 EUR. Hier von einer überproportionalen Belastung auszugehen, die nicht mehr vom Schätzungsermessen der Beklagten gedeckt sei, ginge zu weit. Daher habe das SG der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Januar 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil des SG für rechtmäßig.

Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Urteil des SG vom 30. Januar 2013 ist rechtlich nicht zu beanstanden, soweit der Bescheid vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2011 für das Quartal III/05 vollständig aufgehoben wurde. Für die übrigen Quartale waren die angefochtenen Bescheide nur insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als die Beklagte bei der Berechnung des Rückforderungsbetrages die vorangegangene Honorarkürzung wegen Überschreitung der Leistungsbeschränkungen für das Job-Sharing-Verhältnis sowie die Honorarrückforderung aus der Ausgleichsregelung Ziff. 7.5 HVV nicht berücksichtigt hat. Daher war das Urteil des SG betreffend die Quartale II/05, IV/05 bis I/07 abzuändern.

Die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2011 für das Quartal III/05 resultiert aus einer fehlerhaften Anwendung des sog. Quartalsprofils.

Das SG hat zunächst unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 1993 - R 6 Ka 70/91, Juris Rn. 24 ff.; BSG, Urteil vom 8. März 2000 - B 6 KA 16/99 R, Juris Rn. 48) zutreffend dargelegt, dass die Beklagte im Rahmen der Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung grundsätzlich berechtigt gewesen ist, Tages- und Quartalsprofile zu erstellen, um zu ermitteln, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß, d.h. ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen erbracht worden sind. Nach jüngerer Rechtsprechung des BSG werden auch für die zeitbezogene Plausibilitätsprüfung gemäß § 106a Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V in der Fassung durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003, BGBl. I 2003, 2190 sowohl Tagesprofile als auch Quartalsprofile als Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung als geeignet angesehen (vgl. BSG Beschluss vom 18. August 2011 - B 6 KA 27/11 B, Juris Rn. 6 f m. w. N.; so auch HLSG, Beschluss des erkennenden Senats vom 10. November 2009 – L 4 KA 70/09 B ER; Beschluss vom 21. März 2011 – L 4 KA 7/10; Urteil vom 25. Juli 2012 L 4 KA 64/11). Ein Verstoß gegen die Anforderungen der BSG-Rechtsprechung an Tagesprofile oder Quartalsprofile als Beweismittel (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 Rka 70/91, Juris Rn. 25 ff = BSGE 73, 234, 238 f = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 S 13 ff) ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht ersichtlich. Gemäß § 106a Abs. 2 Satz 2 SGB V ist Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes. Gemäß § 106a Abs. 2 Satz 4 SGB V sind, soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB V bestimmt sind, diese bei den Prüfungen nach § 106a Abs. 2 SGB V zu Grunde zu legen. Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestimmt der EBM den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander; soweit möglich, sind Leistungen mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes zu versehen. So ist z. B. nach der Leistungslegende (ergänzende Anmerkung) der Nr. 16220 EBM 2005 "Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Min." bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nrn. 16210 bis 16212 und 16220 eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach Nr. 16220. Bei der Nebeneinanderberechnung diagnostischer bzw. therapeutischer Leistungen und der Leistung nach der Nr. 16220 ist eine mindestens 10 Minuten längere Arzt-Patienten-Kontaktzeit als in den entsprechenden Leistungen angegeben Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 16220. Von daher entspricht der Ansatz von 20 Minuten für die Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach Nrn. 16210 bis 16212 und 16220 EBM 2005 in den Tagesprofilen den gesetzlichen Vorgaben in § 106a Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 87 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V. Entsprechendes gilt für die Nebeneinanderabrechnung der Nrn. 21210 bis 21212 und 21220 EBM 2005. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte sind an diese gesetzlichen Vorgaben gebunden. Ebenso hat das SG zutreffend ausgeführt, das Tages- und Quartalsprofil alternativ und nicht kumulativ als Indizien für eine implausible Abrechnung nebeneinanderstehen (vgl. BSG, Beschluss vom 18. August 2011 - B 6 KA 27/11 B, Juris Rn. 6 f m. w. N.).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Überschreitung des Quartalsprofils im Quartal III/05 bei Berücksichtigung der Jobsharing-Angestellten Dr. D. mit einem Faktor von 0,25 bei der Berechnung des Quartalsprofils keine ausreichende Indizwirkung für eine implausible Abrechnung entfaltet. Der Zulassungsausschuss hat dem Kläger mit Beschluss vom 28. Juni 2005 die Genehmigung zur Anstellung der Fachärztin Dr. D. als ganztags beschäftigte Ärztin bei gleichzeitiger Festlegung von Leistungsbeschränkungen im Rahmen des sog. Jobsharing erteilt. Voraussetzung für die Genehmigung von Anstellungen nach § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V, 32b Abs. 2 Zulassungsordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) i. V. m. den Angestellte-Ärzte-Richtlinien (AÄRL) in überversorgten Gebieten zum Zweck eines sog. Jobsharing ist unter anderem, dass sich der Vertragsarzt gegenüber dem Zulassungsausschuss zu einer Leistungsbegrenzung verpflichtet, die den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich überschreitet. Eine solche Verpflichtungserklärung des Klägers lag vor. Jedoch können weder den vorgenannten Vorschriften noch § 8 der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen gemäß § 106 a Abs. 6 SGB V in der ab 1. April 2005 geltenden Fassung (DÄ 2004 A 2555, A 3135) unmittelbare Vorgaben für die zeitliche Aufteilung der Tätigkeit zwischen dem Vertragsarzt und eines im Rahmen eines Jobsharing angestellten Arztes oder zeitliche Obergrenzen für die Umsetzung eines sog. Jobsharing entnommen werden. § 8 Abs. 3 und 4 der Richtlinie gemäß § 106a SGB V lauten: (3) Beträgt bei Vertragsärzten und -therapeuten die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden, erfolgen weitere Überprüfungen nach § 12. (4) Für fachgruppengleiche Berufsausübungsgemeinschaften und Arztpraxen mit angestellten Ärzten sowie fachgruppenübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften und Medizinische Versorgungszentren gilt Absatz 3 entsprechend, wobei die Obergrenze für das Tages- bzw. Quartalszeitprofil multipliziert wird mit der Anzahl der in der Arztpraxis tätigen Vertragsärzte oder angestellten Ärzte im Umfang ihrer Tätigkeit." Der von der Beklagten hier zusätzlich angesetzte Faktor von 0,25 für die angestellte Ärztin Dr. D. im Rahmen des Quartalsprofils orientiert sich daran, dass im Rahmen des Jobsharing nur sehr eingeschränkt ein Zuwachs an Leistungen im Verhältnis zum bisherigen Praxisumfang vorgesehen ist. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die vom Kläger anerkannte Zulassungsbeschränkung einen Aufschlag von 3% der Punktzahl der Fachgruppe aus dem jeweiligen Aufsatzquartal des Jahres 2004 zulasse und der Kläger gemessen an seinem Punktzahlvolumen zusätzlich ca. ein Prozent der Punktzahlen abrechnen dürfe. Ziel der Honorarkürzungen im Rahmen der Plausibilitätsprüfung ist jedoch nicht die Sanktionierung von Überschreitungen der Leistungsbeschränkungen des Jobsharing, die hier bereits einem gesonderten Berichtigungsverfahren unterlagen, sondern die Sanktionierung zumindest grob fahrlässig erfolgter fehlerhafter Abrechnungen insbesondere nicht oder nicht vollständig erbrachter Leistungen. Wenn ein Vertragsarzt und eine gemäß der Genehmigung des Zulassungsausschusses ganztags angestellte Ärztin im Rahmen eines sog. Jobsharing innerhalb des (Quartals-)Zeitprofils für zwei in Vollzeit tätige Ärzte abrechnen, ist dies nach Auffassung des Senats nicht ohne Weiteres implausibel, auch wenn die Jobsharing-Leistungsbegrenzungen überschritten sind, wenn anderweitig keine fehlerhafte Abrechnung nachgewiesen werden kann. Dies ist hier bezogen auf das Quartal III/05 nicht der Fall. Wenn wie hier eine Ganztagsanstellung einer Ärztin genehmigt ist und keine Anhaltspunkte für eine davon abweichend vereinbarte Arbeitszeit vorliegen, ist dieser Sachverhalt auch im Quartalsprofil entsprechend zu berücksichtigen. Unabhängig davon beziehen sich die Leistungsbegrenzungen im Rahmen des Jobsharing auf das gesamte Leistungsjahr, so dass grundsätzlich eine unterschiedliche Praxisorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit der Jobsharing-Partner nicht nur innerhalb einer Arbeitswoche denkbar ist, sondern auch innerhalb der Quartale des Leistungsjahres.

Für die übrigen Quartale II/05 und IV/05 bis I/07 hat die Beklagte mit den Tagesprofilen den Indizienbeweis der inkorrekten Abrechnung geführt. Tatsächlich räumt der Kläger mit seinem Vortrag auch ein, dass er die Abrechnungsbestimmungen des EBM in Bezug auf die zeitgebundenen Gesprächsleistungen nicht eingehalten hat. Er hat über seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsätzen vom 1. Juni 2011 und 5. Oktober 2011 zugestanden, die Überschreitung des Tagesumfangs liege daran, dass die Beklagte nach Einführung des EBM 2005 gekoppelte Leistungen nicht, wie von ihm selbst, mit 10 Minuten, sondern mit 20 Minuten angesetzt habe. Damit räumt der Kläger in der Sache ein, die für ihn verbindlichen Vorgaben des EBM bei der Nebeneinanderabrechnung von Gesprächsleistungen und Ordinationskomplex nicht beachtet zu haben. Er hat somit in den streitgegenständlichen Quartalen zumindest grob fahrlässig falsch abgerechnet, womit die Garantiewirkung der Abrechnungssammelerklärung entfallen ist.

Der Senat ist wie das SG der Auffassung, dass vorliegend die Honorarkürzungen wegen Leistungsbegrenzungen beim Jobsharing sowie Honorarkürzungen aufgrund zeitbezogener Plausibilitätsprüfungen von der Beklagten im Rahmen der Ausübung des Schätzungsermessens bei der jeweils späteren Honorarkürzung zu berücksichtigen sind. Das SG hat zur Berechnung der Honorarkürzungen zutreffend ausgeführt, dass der Berechnungsansatz der Beklagten, im Rahmen ihres Schätzungsermessens den Leistungsanteil abzuschöpfen, der im Quartal III/05 auf Leistungen jenseits der zeitlichen Grenze von 12 Stunden bzw. der in den übrigen Quartalen auf die Überschreitung des Quartalsprofils entfalle, nicht zu beanstanden ist. Damit hat die Beklagte alle Vergütungsanteile und eventuelle Sachkostenerstattungen einbezogen, was ebenso wenig zu beanstanden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit ergänzend auf die zutreffenden erstinstanzlichen Ausführungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Im Übrigen kommt der Beklagten bei Neufestsetzungen des Honorars und Rückforderung des Differenzbetrags bei Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung ein weites Schätzungsermessen zu. In aller Regel ist es nicht zu beanstanden, wenn die Kassenärztliche Vereinigung in den Fällen, in denen die vom Arzt geltend gemachte Quartalsvergütung bezogen auf den Fallwert wesentlich über dem Durchschnitt der Fachgruppe liegt, deutliche Abschläge gegenüber der ursprünglich geltend gemachten Honorarforderung vornimmt und sich im Wege pauschalierender Schätzung damit begnügt, dem Vertragsarzt ein Honorar z.B. in Höhe des Fachgruppendurchschnittes oder in KV-Bezirken mit hohen Fallwerten eventuell niedriger - zuzuerkennen (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 1997 - 6RKa 86/95, Juris Rn. 23; BSG, Urteil vom 24. November 1993 – 6 RKa 70/91, Juris Rn. 27). Bei Schätzungen besteht jedoch kein der Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum. Vielmehr hat das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen. Die Verpflichtung zur eigenen Schätzung bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht nunmehr erneut alle Schätzungsgrundlagen erhebt und eine völlig eigene Schätzung vornimmt. Sofern der Verwaltungsakt überzeugende Ausführungen zur Schätzung enthält, reicht es aus, wenn das Gericht sich diese Ausführungen zu Eigen macht und sie in seinen Entscheidungsgründen nachvollzieht (vgl. BSG SozR 4100 § 115 Nr. 2, S. 14; BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6 RKa 86/95, Juris Rn. 28).

Vorliegend ist die von der Beklagten bei der Schätzung zugrunde gelegte Annahme zu beanstanden, dass beim Zusammentreffen verschiedener Honorarkürzungen, hier wegen Überschreitung der Leistungsbegrenzungen für das Jobsharing, Honorarrückforderungen aus der Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV und Honorarkürzungen wegen einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung, die vorangegangenen Honorarkürzungen bei der jeweils späteren Honorarkürzung nicht zu berücksichtigen sind. Wenn bei der von der Beklagten gewählten Methode das tatsächliche Honorar als Ausgangsbasis der Schätzung zugrunde gelegt wird, muss, wenn das tatsächliche Honorar bereits durch vorangegangene Honorarkürzungen - unabhängig von deren Bestandskraft - vermindert ist, dies bei der Berechnung nachfolgender Honorarkürzungen berücksichtigt werden. Ansonsten würde sich die Beklagte mit eigenen Festsetzungen in Widerspruch setzen und der Vertragsarzt würde ansonsten bei jeder weiteren Honorarkürzung überproportional belastet, wie vom SG zutreffend festgestellt wurde. Die überproportionale Belastung ergibt sich nicht aus der prozentualen Höhe der Mehrbelastung, sondern aus dem methodischen Ansatz. Dies führt allerdings nur insoweit zur Rechtswidrigkeit des Bescheids der Beklagten vom 23. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2011, als die für die Quartale II/05, IV/05 bis I/07 vorgenommenen Honorarkürzungen über die in der Vergleichsberechnung vom 23. Januar 2013 (vorgelegt in der mündlichen Verhandlung bei dem SG am 30. Januar 2013) aufgeführten Kürzungsbeträge, bei denen die vorangegangenen Honorarkürzungen berücksichtigt wurden, hinausgehen. Insoweit wird es als zulässig angesehen, bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage die Honorarkürzungen wegen Überschreitung der Leistungsbegrenzungen des Jobsharing innerhalb des Leistungsjahres gleichmäßig über die Quartale zu verteilen. Im Übrigen waren die Honorarkürzungen rechtlich nicht zu beanstanden, weshalb das Urteil des SG insoweit aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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