L 6 KR 56/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 25 KR 159/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 56/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung von Übernachtungskosten für eine Ferienwohnung, die der Klägerin anlässlich ihrer mehrmaligen Aufenthalte in der orthopädischen Kinderklinik des Behandlungszentrums A. (Bayern) in der Zeit vom 31. Januar bis 16. Februar 2008 entstanden sind.

Die am ... 1995 geborene Klägerin ist bei der Beklagten familienversichert und leidet an einer angeborenen Tetraspastik mit Athetose (Syndrom mit unaufhörlichen Bewegungen) und einer rechtskonvexen Skoliose. Das Landesverwaltungsamt stellte bei ihr ab dem 9. Januar 1997 einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG" und "H" fest. Nach einem beigezogenen Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 11. April 2007 des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) war die Klägerin bei der Begutachtung geh- und stehunfähig. Ein freies Sitzen sei nicht möglich. Es liege die Pflegestufe III mit einem Zeitaufwand in der Grundpflege von 323 Minuten pro Tag vor. Als pflegerelevante Behinderungen bestünden eine Cerebralparese mit Spastik, eine Darmträgheit, Schluck-, Kau-, Lungenfunktionsstörungen sowie eine inkomplette Harninkontinenz und eine beidseitige Sehschädigung sowie eine Entwicklungsverzögerung mit schwerer Sprachstörung. Die Klägerin steht unter der Betreuung ihrer Mutter, die sie auch nach Eintritt der Volljährigkeit vertritt.

Mit Schreiben vom 20. März 2007 beantragte die Mutter der Klägerin bei der Beklagten für die Zeit vom 1. bis 16. Mai 2007 die Erstattung von Fahrtkosten für die Fahrt nach A. in die orthopädische Kinderklinik, da eine Kontrolle der Orthesen vorgesehen sei. Mit Bescheid vom 25. April 2007 bewilligte die Beklagte die Fahrkosten für eine Hin- und Rückfahrt. Hiergegen legte die Klägerin - nunmehr anwaltlich vertreten - Widerspruch ein und machte geltend: Die orthopädische Kinderklinik in A. sei eine auf Kinder mit seltenen Erkrankungsbildern spezialisierte Klinik. Dort lasse die Klägerin die Versorgung sowie Anpassung von orthopädischen Hilfsmitteln seit Jahren vornehmen und sei dabei auf eine Begleitperson angewiesen, was durch eine bereits bekannte Stellungnahme des Behandlungszentrums A. vom 21. Oktober 2005 bestätigt werde. In den vergangenen Jahren seien stets zwei Hin- und Rückfahrten genehmigt worden. An diese ständig geübte Verwaltungspraxis sei die Beklagte gebunden, da keine Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Die Beklagte holte von der Klinik A. eine Stellungnahme vom Mai 2007 ein, in der die Hilfe einer weiteren Begleitperson befürwortet und dies mit der nur bedingt bestehenden Kopfkontrolle sowie der fehlenden Rumpfkontrolle der Klägerin begründet wurde. Die Behandlung könne ambulant stattfinden. Es seien wachstumsbedingte Anpassungen der Orthesen erforderlich, was einen zeitlichen Abstand der fortzusetzenden Behandlungen von ca. sechs Monaten erfordere. Mit Bescheid vom 8. Juni 2007 half die Beklagte dem Widerspruch ab und hob den Bescheid vom 25. April 2007 auf.

Am 3. Mai 2007 beantragte die Mutter der Klägerin für das gesamte Jahr 2007 die Erstattung von Übernachtungskosten wegen notwendiger Aufenthalte in der Klinik A. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Mai 2007 ab und führte zur Begründung aus, dass eine Übernahme von Übernachtungskosten seit der zum 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Strukturreform im Gesundheitswesen nicht mehr möglich sei.

Am 30. Juli 2007 beantragte die Mutter der Klägerin für die Zeit vom 19. bis 25. August 2007 erneut Fahrtkosten für zwei Fahrzeuge sowie Übernachtungskosten für den genannten Zeitraum. Mit Bescheid vom 8. August 2007 bewilligte die Beklagte die Fahrtkosten, lehnte jedoch die Übernahme der Übernachtungskosten ab.

In einem weiteren Schreiben vom 14. Dezember 2007 beantragte die Mutter der Klägerin für eine erneute Behandlung in A. (31. Januar bis 24. Februar 2008) die Erstattung von Fahrt- sowie Übernachtungskosten. Mit Bescheid vom 16. Januar 2008 bewilligte die Beklagte die Erstattung der Fahrkosten, lehnte jedoch erneut die Übernahme von Übernachtungskosten ab. Hiergegen legte die Klägerin am 30. Januar 2008 Widerspruch ein, beantragte die Überprüfung des Bescheides vom 18. Mai 2007 und führte zur Begründung aus: Der Anspruch auf Übernachtungskosten ergebe sich aus § 60 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Verbindung mit § 53 Abs. 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Seit dem 1. Januar 1989 bestehe gemäß § 60 SGB V keine Möglichkeit, Übernachtungskosten als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu erstatten. Auch eine Kostenübernahme nach § 53 SGB IX in Verbindung mit § 60 Abs. 5 SGB V komme nicht in Betracht, da es sich bei der Behandlung in der Klinik A. nicht um Leistungen einer medizinischen Rehabilitation handele.

Die Klägerin hat am 9. Juli 2008 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) gegen den Bescheid vom 16. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2008 mit dem Antrag erhoben, die Übernachtungskosten, welche durch die ambulanten Behandlungen der Klägerin in der orthopädischen Kinderklinik in A. "für das Jahr 2007" angefallen seien, zu bewilligen. Dabei hat sich in der Begründung auch gegen die Ablehnung einer Übernahme der Unterkunftskosten aus dem Jahr 2008 gewandt. Als Schwerstbehinderte müsse sie mehrmals jährlich ambulant in der Klinik in A. mit neuen Hilfsmitteln versorgt bzw. die vorhandenen Hilfsmittel neu angepasst werden. Da es sich um eine ambulante Behandlung gehandelt habe, sei sie auf eine Übernachtungsmöglichkeit angewiesen. Zur Sicherung der bisher erreichten Behandlungserfolge sowie zur Besserung der Gesamtsituation seien die therapeutischen Maßnahmen sowie die orthopädietechnischen Leistungen in A. weiterhin notwendig. Für die aufwändige Spezialversorgung sei die Anwesenheit der Mutter der Klägerin erforderlich, bis die Hilfsmittel optimal angepasst und fertiggestellt seien. Eine mehrmalige An- und Abreise wäre vergleichsweise viel teurer und zudem für die Klägerin auch deutlich belastender. Bei den in Anspruch genommenen Leistungen handele es sich um solche der medizinischen Rehabilitation. Der Anspruch ergebe sich daher aus § 60 Abs. 5 SGB V. In einer beigefügten Stellungnahme des Behandlungszentrums A. hat die Fachärztin für Orthopädie Dr. B. angegeben: Der ambulante Termin in der Klinik mache weitere Anwesenheitstage bei der Firma P. erforderlich, um die vorhandenen Hilfsmittel auf das aktuelle Körperwachstum anzupassen. Es werde gebeten, die Kosten der Unterkunft zu übernehmen, damit die Klägerin auch weiterhin die Termine im Behandlungszentrum wahrnehmen könne.

Die Klägerin hat für die Jahre 2007 sowie 2008 eine Aufstellung der Termine sowie Übernachtungen einschließlich entsprechender Anwesenheitsbestätigungen des Behandlungszentrums A. (Bl. 54 d. GA) und der Firma P. GmbH (Bl. 55 d. GA) vorgelegt. Darüber hinaus hat die Klägerin zwei Quittungen für die Nutzung einer Ferienwohnung vom 15. Februar 2008 sowie 24. Mai 2008 zur Gerichtsakte gereicht.

Das SG hat einen Arztbrief des Behandlungszentrums A. vom 21. Februar 2011 sowie einen Befundbericht vom 29. August 2011 eingeholt. Darin hat die Fachärztin für Orthopädie S. u.a. ausgeführt: Die Klägerin sei zuletzt am 4. Februar 2011 ambulant behandelt worden. Bei der Kontrolluntersuchung sei sie mit Oberschenkel-orthesen (beidseits) sowie Handlagerungsorthesen versorgt worden. Sie bekomme vier Mal die Woche Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie. Derzeit besuche sie die siebte Klasse im Lernbehindertenbereich. Aktuell bestünden keinerlei Schmerzen. Wachstumsbedingt sei die Orthese neu anzufertigen. Die Klägerin sei seit über zehn Jahren Patientin der Klinik. Im Jahr 2007 habe sie sich am 8. Februar, 2. Mai und 22. August ambulant vorgestellt. Während im Februar die vorhandenen Orthesen nachgepasst worden seien und eine ausführliche klinische Untersuchung stattgefunden habe, sei im Mai desselben Jahres die Hüfte radiologisch kontrolliert worden. Im August 2007 habe sich gezeigt, dass die Orthesen zu klein geworden seien und neu angefertigt werden müssten, was auch für den Rollstuhl gegolten habe. Hieran habe sich am 1. Februar 2008 eine erneute ambulante Vorstellung angeschlossen. Nach diesen Untersuchungen und Kontrollen habe wachstumsbedingt eine Veränderung der Orthesen vorgenommen werden müssen. Zudem sei vorgeschlagen worden, einen E-Fix am Rollstuhl auszuprobieren. Die Klinik sei eine besondere Kinderorthopädische Klinik, die sich auf die Behandlung junger Patienten mit seltenen Erkrankungsbildern und besonderen orthopädischen Erkrankungen spezialisiert habe. Während der Behandlung finde eine enge Zusammenarbeit von Fachärzten, Therapeuten und Orthopädietechnikern statt. Im Jahr 2007-2008 sei die Klägerin 12 bzw. 13 Jahre alt gewesen. Dies sei ein Alter, bei dem es gerade bei Mädchen zum größten Wachstumsschub komme. Nahezu bei jedem Vorstellungstermin habe eine Korrektur der Orthesen vorgenommen werden müssen. Die Neuanfertigung von Oberschenkelorthesen erfordere einen Zeitaufwand von ca. 14 bis 20 Tagen, während die bloße Anpassung derselben nur ca. 5 bis 10 Tage benötigte.

Zur Glaubhaftmachung hat die Klägerin eine Aufstellung der Tourist Info A. im C. vom 16. Juni 2011 über ihre Aufenthalte bei der Ferienhausvermietung H. sowie eine Erklärung der Vermieterin zur Gerichtsakte gereicht. Hiernach habe die Klägerin seit dem Jahr 2005 die Unterkunft für jeweils 30 EUR die Nacht genutzt.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2012 hat die gesetzliche Vertreterin ausgeführt: Die Klägerin sei bei Frau Dr. F. (W.) in ständiger kinder- ärztlicher Behandlung, die vor jeder Behandlung im Zentrum A. eine ärztliche Überweisung ausgestellt habe. Einen gesonderten Antrag für die Behandlung in der Klinik A. habe sie jedoch nicht gestellt. Vielmehr sei nur die Erstattung der Fahrt- und Unterkunftskosten beantragt worden. Nach der Anreise sei in aller Regel die Vorstellung in der Ambulanz erfolgt (teilweise mit röntgenologischer Untersuchung). Hieran hätten sich fast tägliche Besuche bei der Orthopädietechnik P. angeschlossen. Die Orthesen sowie anderen Hilfsmittel seien täglich angepasst worden. Die Physio- sowie Ergotherapie dienten begleitend dazu, eine möglichst optimale Anpassung der Hilfsmittel zu erreichen. Die enge Vernetzung der verschiedenen Fachbereiche habe auch sichergestellt, dass die Hilfsmittel tatsächlich optimal passten und keine Probleme im Alltagseinsatz aufgetreten seien. Eine stationäre Versorgung, die wohl auch möglich gewesen wäre, sei nicht angestrebt worden, da die Klägerin Angst gehabt habe, allein im Krankenhaus zu übernachten.

Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens die Übernachtungskosten für die Behandlung in der orthopädischen Kinderklinik A. für die Zeiträume vom 8. bis 16. Februar 2007, 2. bis 11. Mai 2007, 10. bis 26. Oktober 2007 sowie 1. bis 15. Februar 2008 seien. Hinsichtlich der Folgezeiträume solle das Ergebnis des Verfahrens abgewartet werden.

Das SG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Hinsichtlich der geltend gemachten Übernachtungskosten für die Zeit vom 8. bis 16. Februar 2007 habe die Klägerin den "Beschaffungsweg" nicht eingehalten. Ein Erstattungsanspruch sei daher nach § 13 Abs. 3 SGB V in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ausgeschlossen. Schließlich habe die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 22. April 2007 die Übernahme der Übernachtungskosten für das gesamte Jahr 2007 beantragt, das heißt zu einem Zeitpunkt, als die Behandlung vom 8. bis 16. Februar 2007 bereits abgeschlossen war. Hinsichtlich der weiteren Behandlungszeiten fehle es an einem Anspruch gemäß § 60 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit § 53 Abs. 1 SGB IX. § 60 Abs. 5 SGB V regele den Anspruch für Fahr- und Reise- und Unterkunftskosten bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Maßgebend sei daher, ob die ambulanten Behandlungen zur medizinischen Rehabilitation oder nur zur ambulanten (kurativen) Krankenbehandlung geleistet worden seien. Der Begriff der medizinischen Rehabilitation bestimme sich dabei aus § 40 SGB V. Die Abgrenzung zwischen medizinischer Rehabilitation und bloß kurativer Krankenbehandlung habe dabei nach Ziel, Art (Methode), Intensität und Schwerpunkt der Maßnahme zu erfolgen. Für eine medizinische Rehabilitation spreche die besondere Qualifikation des Behandlungszentrums A. im Zusammenwirken von ärztlicher Behandlung, Physio- und Ergotherapie sowie der medizinischen Hilfsmittelversorgung. Gegen die Annahme einer medizinischen Rehabilitation spreche die hohe Bedeutung der orthetischen Versorgung der Klägerin. Auch die Art und Weise der Durchführung der Leistungsgewährung spreche gegen eine medizinische Rehabilitation. Eine spezielle Verordnung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation habe im vorliegenden Fall auch nicht vorgelegen. Vielmehr habe die behandelnde Ärztin der Klägerin lediglich eine Überweisung an die kinderorthopädische Klinik A. ausgestellt. Auch ein Genehmigungsverfahren, wie dies § 40 SGB V verlange, sei nicht durchgeführt worden.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 8. Juni 2012 zugestellte Urteil am 6. Juli 2012 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und ergänzend geltend gemacht: Die Argumentation des SG beruhe auf einem Zirkelschluss, der allein die Ansicht der Beklagten zur Beantwortung der Frage heranziehe, ob sie eine medizinische Rehabilitation durchgeführt habe oder nicht. Die Behandlungen in der Klinik A. erfüllten die Voraussetzungen einer medizinischen Rehabilitation. Schließlich hätten die Behandlungen dazu gedient, die Folgen ihrer Behinderung abzumildern.

In der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 2013 hat die Klägerin mitgeteilt, sie habe schon im Jahre 2007/2008 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bezogen. Auf die Idee, die Übernachtungskosten als sonstigen Bedarf nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) geltend zu machen, sei sie bislang nicht gekommen. Auf Anregung des Senats haben die Beteiligten den Streitgegenstand durch einen Teilvergleich beschränkt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. Februar 2012 sowie den Bescheid vom 16. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2008 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise die Beigeladenen zu verurteilen, die ihr anlässlich der ambulanten Behandlungen in der orthopädischen Kinderklinik des Behandlungszentrums A. im Zeitraum vom 31. Januar bis 16. Februar 2008 entstandenen Übernachtungskosten in Höhe von 480,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide sowie das angegriffene Urteil für rechtmäßig. In der Klinik A. sei es zu ambulanten Behandlungen (ambulante Kontrolluntersuchung, Krankengymnastik und Ergotherapie) gekommen, die einzeln abgerechnet worden seien. Die Klinik habe zudem Rezepte für Hilfsmittel sowie Hilfsmittelanpassungen ausgestellt, die von der Orthopädiewerkstatt P. umgesetzt und selbständig abgerechnet worden seien. Eine medizinische Rehabilitation nach §§ 23, 40 SGB V habe daher nicht vorgelegen. Im Falle einer ambulanten Reha-Maßnahme hätte sie lediglich eine Pauschale in Höhe von 13,00 EUR zu zahlen gehabt. Tatsächlich seien jedoch Fahrtkosten für zwei Fahrzeuge übernommen worden. Ein Versorgungsvertrag zwischen der Klinik und der Beklagten habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Hätte die Klägerin eine medizinische Rehabilitation durchführen wollen, hätte sie gegenüber der Beklagten einen entsprechenden Antrag stellen müssen. Sie habe jedoch nur die Erstattung von Fahrt- und Unterkunftskosten begehrt.

Die Beklagte hat ergänzend darauf hingewiesen, dass in H. eine medizinische Universität sowie auch ein Sozialpädiatrisches Zentrum vorhanden seien, so dass nicht nachvollzogen werden könne, warum die Klägerin nicht hier versorgt worden sei. Sie hat eine Vielzahl weiterer Einrichtungen benannt, die für die Behandlung der Klägerin geeignet seien. Eine Behandlung sei auch in dem Universitätsklinikum L. möglich gewesen, das ebenfalls über eine Neuropädiatrische Ambulanz verfüge, in der die Klägerin auch zusätzlich behandelt worden sei (vgl. Bl. 299 GA). Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass ihre Ärzte sie in jene Kinderklinik überwiesen hätten. Ggf. müssten die überweisenden Ärzte nach der Notwendigkeit der Überweisung nach A. befragt werden. Zudem habe die Beklagte auch die Fahrtkosten bezahlt, so dass sie die Notwendigkeit der Behandlung in dieser Klinik damit anerkannt habe. Sie sei dort ausgezeichnet behandelt worden. Beigefügt war eine Bescheinigung des Behandlungszentrums A., wonach keine näher gelegene Einrichtung bekannt sei.

Die Beigeladene zu 1. hat darauf hingewiesen, dass die Übernachtungskosten nicht als Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII in Betracht kämen, da sie nicht der Eingliederung in die Gesellschaft dienten. Sie sollten auch nicht die Pflege der Klägerin erleichtern.

Das zu 2. beigeladene Jobcenter S. hat mitgeteilt, dass vom 1. November 2006 bis 30. April 2008 von der Agentur für Arbeit H. - SGB II Saalekreis - jeweils Leistungen nach dem SGB II bestandskräftig bewilligt worden seien.

Die Klägerin hat hiergegen eingewandt, über die streitigen Ansprüche sei in den erwähnten Leistungsbescheiden nicht entschieden worden. Die Verjährung sei durch die Antragstellung bei der Beklagten unterbrochen worden.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

A. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung von Unterkunftskosten. Die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten sowie das angegriffene Urteil des SGs verletzen die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten. Gegenstand der Klage waren von vornherein auch die Unterkunftskosten für den Zeitraum vom 31. Januar bis 16. Februar 2008. In dieser Hinsicht war schon die Klageschrift trotz der Formulierung "Kosten für das Jahr 2007" auszulegen, weil sich die Klage nach der Begründung auch dagegen richtete, dass die Beklagte mit Bescheid vom 16. Januar 2008 die Erstattung weiterer Unterkunftskosten abgelehnt hatte.

Ein Erstattungsanspruch richtet sich dabei nicht nach § 13 Abs. 3 SGB V (im Folgenden 1.) sondern ausschließlich nach § 60 Abs. 5 i.V.m. § 53 SGB IX (im Folgenden 2.).

1. Entgegen der Ansicht des Hessischen LSG im Urteil vom 27. Januar 2011 (L 8 KR 201/09, juris) sowie der Vorinstanz kann für die Erstattung von Fahrt- bzw. auch Unterkunftskosten als Rechtsgrundlage weder § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX noch § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V herangezogen werden, da es sich hierbei nicht um selbst beschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation handelt, sondern ggf. Nebenkosten vorliegen, die lediglich im Zusammenhang damit angefallen sind. Derartige bloße Nebenkosten, die im Zusammenhang mit der eigentlichen Behandlungsleistung stehen (sei es als Fahrt- oder Unterkunftskosten), sind von vornherein als Ansprüche auf eine Geldleistung gerichtet, da sie typischerweise nicht als Sachleistung erbracht werden. Die Gewährung einer privat beschafften Unterkunft ist nicht selbst eine Leistung zu einer medizinischen Rehabilitation. Dies ergibt sich auch der gesetzlich geregelten Sonderregelung für Reisekosten in § 53 SGB IX. Wäre § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V tatsächlich auch auf Nebenkosten (Fahrt- oder Unterkunftskosten) anzuwenden, hätte der Gesetzgeber keine Verweisung auf § 15 SGB IX, sondern auf § 53 SGB IX vornehmen müssen. Auch der gesetzlich ausdrücklich geregelten Verweisung in § 60 Abs. 5 auf § 53 SGB IX hätte es dann nicht bedurft.

2. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit § 53 Abs. 1 SGB IX liegen nicht vor. Hiernach hat die Krankenkasse Reisekosten, die im Zusammenhang mit der Ausführung der Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind, in Form von Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten zu übernehmen.

§ 60 Abs. 5 SGB V bestimmt nach seinem Wortlaut, dass im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Fahr- und andere Reisekosten nach § 53 Abs. 1 bis 3 SGB IX übernommen werden können. In § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB IX heißt es dann wörtlich: "Als Reisekosten werden die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen;"

Bei den Kosten für die von der Klägerin gemietete Ferienwohnung handelt es sich nicht um Kosten der Unterkunft, die im "Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" angefallen sind. Weder haben die Grundvoraussetzungen einer medizinischen Rehabilitation vorgelegen (im Folgenden a.) noch erfüllt die konkrete Behandlung in der Klinik A. die Erfordernisse einer medizinischen Rehabilitation im vorliegenden Einzelfall (im Folgenden b.).

a. Eine ambulante Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung kann genehmigt werden, wenn bei einem Versicherten die bloß ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen (Abwendung, Beseitigung, Minderung, Ausgleich, Verhinderung einer Verschlimmerung oder Beseitigung der Folgen einer Behinderung oder Pflegebedürftigkeit). In diesen Fällen können erforderliche ambulante Reha-Leistungen mit Rehabilitationseinrichtungen, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht oder durch wohnortnahe Einrichtungen erbracht werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 28.3.2011, L 1 KR 368/08, zitiert nach juris unter Hinweis auf die BSG-Rechtsprechung).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Weder bestand zwischen der Klinik A. und der Beklagten ein Versorgungsvertrag noch lag die Klinik A. in der vom Gesetz geforderten Wohnortnähe zum Wohnsitz der Klägerin im Sinne des § 40 SGB V.

b. Auch im Übrigen kann nicht vom Vorliegen einer medizinischen Rehabilitation während der Behandlungsdauer in der Klinik A. ausgegangen werden. Der Begriff "ambulante Rehabilitationsleistungen" nach § 40 Abs. 1 SGB V ist dabei so zu verstehen, dass in einer Komplexleistung unterschiedliche Einzelmaßnahmen als funktionale Einheit zusammengeführt werden. Erst durch das konzentrierte Zusammenwirken gewinnt die ambulante Rehabilitationsleistung ihre besondere Bedeutung. Dies verlangt eine konzeptionelle Planung sowie die Gesamtverantwortung eines Arztes des Reha-Trägers für das jeweilige Behandlungsziel.

Gegen die Annahme einer ambulant erbrachten medizinischen Rehabilitation spricht bereits die Abrechnung der erbrachten Leistungen selbst. Schließlich haben die Klinik A. und die Firma für Medizintechnik P. GmbH abrechnungstechnisch nur jeweils Einzelmaßnahmen gegenüber der Beklagten in Rechnung gestellt. Aus Sicht der Leistungserbringer bestand daher kein Zweifel daran, dass keine medizinische Rehabilitation als Gesamtleistung im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB V erbracht werden sollte.

Gegen eine ambulante medizinische Rehabilitation im Sinne des § 40 SGB V sprechen auch insbesondere die Art sowie die Intensität der Maßnahme in der Klinik. Mit Ausnahme der ärztlichen Eingangsuntersuchung sind von Seiten der Klinikärzte keine weiteren Kontrollen der Ergebnisse der Medizintechnik (Fa. P. GmbH) vorgenommen worden. Es hat damit kein enges Wechselspiel der beteiligten Leistungserbringer auf ein bestimmtes Therapieziel hin gegeben, wie dies bei einer medizinischen Rehabilitation im Rahmen einer Gesamtleistung zu erwarten gewesen wäre. So sind auch von der Klinik keine konkreten Therapieziele vorgegeben worden, deren Erreichen eine ständige ärztliche Begleitung und Kontrolle der Klinik erfordert hätte. Nach der ärztlichen Eingangsuntersuchung und Diagnostik sowie den regelmäßig ausgestellten Rezepten für die Fa. P. GmbH haben die Ärzte der Klinik A. keine weiteren Leistungen erbracht. Schwerpunkt war auch nach dem Vortrag der Klägerin die Anpassung der Orthesen. Dies genügt nicht, um eine ärztlich geführte und kontrollierte Komplexleistung im Sinne einer medizinischen Rehabilitation nach § 40 SGB V zu erbringen. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Firma für Medizintechnik P. GmbH ihren Geschäftssitz nicht in unmittelbarer Nähe zur Klinik A. gehabt hatte und gegenüber der Klinik, der Beklagten und der Klägerin völlig eigenständig aufgetreten war. Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Leistungen entsprechen daher im Gegensatz zu einer Rehabilitation einer sehr gelockerten Behandlungsform, die ganz wesentlich von verschiedenen, voneinander unabhängigen Einzelmaßnahmen verschiedener Leistungserbringer geprägt worden war. Als eine medizinische Rehabilitation im Sinne einer ärztlich kontrollierten Komplexmaßnahme können diese unabhängigen Leistungen nicht bewertet werden.

Zu keinem anderen Ergebnis würde man gelangen, wenn der Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten im Wege einer erweiternden Auslegung als konkludenter Antrag auf Bewilligung einer medizinischen Rehabilitation gewertet werden würde. Ein derartiger Antrag wäre wegen der fehlenden Voraussetzungen des § 40 SGB V nie genehmigungsfähig gewesen.

B. Eine Verurteilung des Beigeladenen zu 2) gemäß § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kam nicht in Betracht. Zwar ist dieser der für Sozialleistungen gem. § 23 SGB II zuständige Träger.

Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Hierzu gehören nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II u.a. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Dies ist hier der Fall; die Klägerin hat von der Beigeladenen auch Leistungen nach dem SGB II im streitigen Zeitraum bezogen.

Bezüglich der Unterkunftskosten ist allerdings ein Anspruch aus dem SGB II allein denkbar im Sinne eines fortlaufenden atypischen Bedarfs außerhalb der Regelleistung in entsprechender Anwendung des heutigen § 21 Abs. 6 SGB II (siehe zur damaligen Rechtslage BVerfG, 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, BVerfGE 125, 175, Rn. 205). Zu einem solchen Anspruch hat das BSG aber entschieden, die Gewährung eines Mehrbedarfs könne nicht zulässigerweise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden, denn die Regelungen eines Trägers von Leistungen nach dem SGB II über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft) ließen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (BSG, 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R, SozR 4-4200 § 20 Nr. 13, Rn. 14). Wenn der hier streitige Anspruch aber nach dieser Rechtsprechung nicht direkt gegen die Beigeladene zu 2) geltend gemacht werden darf, ist eine Verurteilung gemäß § 75 Abs. 5 SGG ebenfalls nicht möglich.

Schließlich könnte ein derartiger Anspruch, den der SGB II-Träger mangels Kenntnis noch nie prüfen konnte, ggf. nur über einen (noch nicht gestellten) Antrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) beschieden und in das Gerichtsverfahren einbezogen werden. Die 4-Jahresfrist nach Abs. 4 dieser Vorschrift ist jedoch abgelaufen, so dass eine Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide nicht mehr möglich ist. Die Bescheide des Beigeladenen zu 2) vom 13. November 2006 (bezüglich Leistungen vom 1. November 2006 bis 30. April 2007), 29. September 2006 (bezüglich Leistungen vom 1. November 2006 bis 30. April 2007), 16. April 2007 (bezüglich Leistungen vom 1. Mai 2007 bis 31. Oktober 2007) und 26. September 2007 (bezüglich Leistungen vom 1. November 2007 bis 30. April 2008) sind bestandskräftig. Unerheblich ist insoweit, dass dieser Mehrbedarf, bei dem es sich um eine laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt, nicht gesondert beantragt wurde (so auch BSG, 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R, SozR 4-4200 § 20 Nr. 13, Rn. 19).

Objektiv und gemäß § 77 SGG bindend wurde damit über alle Ansprüche der Klägerin gegen den Beigeladenen zu 2) in dem streitigen Zeitraum entschieden. Ob diese Bescheide inhaltlich zutreffend waren, hat der Senat nicht zu beurteilen.

Dieser grundsätzlich denkbare Leistungsanspruch nach dem SGB II schließt Leistungen nach dem Dritten Kapitel SGB XII durch die Beigeladene zu 1) aus. Der Anspruch auf Hilfen zur Gesundheit nach §§ 47-52 SGB XII kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da die Ansprüche allenfalls im Umfang des SGB V bestehen, wonach hier - wie dargelegt - ein Anspruch ausgeschlossen ist. Überdies ist § 60 Abs. 5 SGB V von § 48 Abs. 1 SGB XII gerade nicht erfasst. Auch ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 SGB XII kommt nicht in Betracht, da er nur Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne der Gesetzlichen Krankenversicherung betreffen könnte (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Deren Voraussetzungen sind - wie dargelegt - nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG hat der Senat nicht gesehen. Insbesondere hat er der Sache keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen.
Rechtskraft
Aus
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