Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 888/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3594/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.06.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 3102 (von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO bzw. BKV) festzustellen ist.
Der 1952 geborene Klägern war nach Ende des Studiums der Forstwirtschaft mit anschließendem Referendariat in der Forstverwaltung Baden-Württembergs bis 1983 wissenschaftlicher Angestellter bei der Universität München. Danach war er als selbstständiger vereidigter Sachverständiger für forstwirtschaftliche Betriebswirtschaft, Waldwertberechnung und forstliche Betriebsplanung, forstliche Bewertungstätigkeiten sowie Wildschadensschätzung tätig.
Wegen eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls am 17.04.1998 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 10.12.1999 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. Als Folgen des Unfalls wurden eine endgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, Kraftlosigkeit des rechten Beins mit Gang- und Standunsicherheit sowie Fußheberschwäche rechts und Gefühlsmissempfindungen im Bereich der Großzehe rechts nach Sturz auf den Rücken mit Bandscheibenvorfall in Form einer richtungsweisenden Verschlimmerung vorbestehender degenerativer Veränderungen anerkannt. Die Entscheidung war gestützt auf das unfallchirurgische Gutachten von Prof. Dr. W. vom 04.01.1999 und das neurologische Gutachten von Prof. Dr ...D. vom 14.01.1999.
Zu den Akten der Beklagten gelangte der Arztbrief des Nervenarztes Dr. S. vom 21.01.1998 mit der beim Kläger gestellten Diagnose einer Lyme-Arthritis. Außerdem erachtete Dr. S. die Aufklärung für erforderlich, ob eine Neuroborreliose vorliege. Der Kläger habe angegeben, während seiner Berufstätigkeit jährlich zwischen 60 und 80 Zeckenbisse erlitten und sich wohl 1983 bei einem Zeckenbiss eine Borreliose zugezogen zu haben.
Die Beklagte trat insoweit ebenfalls ist ein Feststellungsverfahren ein und zog zahlreiche Arztunterlagen bei, darunter auch den Befundbericht von Prof. Dr. K. , Neurologische Universitätsklinik T., vom 04.07.1995. Darin wird anamnestisch von massiven Arthralgien mit Bewegungseinschränkung infolge Zeckenbiss nach Latenzzeit von 2 Tagen berichtet, wobei die Beschwerden am Untersuchungstag am 22.06.1995 bereits wieder abgeklungen gewesen seien. Als Diagnose war angeführt: rezidivierende Borrelieninfektionen mit Erythemata chronica migrantes, zuletzt 05/1994, negative Borrelien-Serologie 09/1994.
Die Beklagte holte von PD Dr. H., Facharzt für Allgemeinmedizin, das Gutachten vom 26.11.1998 ein, das u.a. auch auf die molekulargenetische Untersuchung auf Borrelien-DNA durch Prof. Dr. H. (Bericht von Prof. Dr. H. vom 11.11.1998: kein Nachweis von Borrelien-DNA im Urin) gestützt war. Danach habe die eigene und die aktenkundige Borreliose-Serologie ein relativ einheitliches Bild ergeben. Es finde sich ein grenzwertiges IgG (Immunglobulin der Klasse G - Gammaglobulin, vgl. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online) und im Westernblot (Verfahren zum differentiellen Nachweis bestimmter Proteine oder Antikörper, vgl. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online) lediglich unspezifische Banden. Nach der übereinstimmenden Auffassung in der Weltliteratur seien für die Annahme einer Borrelien-Infektion mindestens zwei der hochspezifischen Banden nachzuweisen. Für eine chronische Borreliose hätte das Bandenmuster im Westernblot deutlich ausgeprägter vorliegen müssen. Zu diskutieren sei allenfalls, dass eine mit den verwendeten Testverfahren nicht zu diagnostizierende Borrelienart vorliege, was beim derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aber wenig wahrscheinlich sei. Die differentialdiagnostisch gesicherten Chlamydienantikörper belegten eine chronische Chlamydieninfektion, die ähnliche Symptome wie eine chronische Borreliose verursachen könne. Eine Übertragung durch Zecken sei bei Chlamydien jedoch nicht gegeben.
Der staatliche Gewerbearzt Dr. H. stimmte dem Gutachten von Dr. H. zu (Gewerbeärztliche Stellungnahme vom 07.01.1999), worauf die Beklagte mit Bescheid vom 20.01.1999 feststellte, dass eine BK Nr. 3102 nicht vorliege, und Entschädigungsleistungen ablehnte. Eine chronische Borreliose könne mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers vom 17.02.1999 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.1999 zurückgewiesen.
In der hiergegen am 19.05.1999 vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage unter dem Aktenzeichen S 6 U 1297/99 wurde mit Beschluss vom 24.11.1999 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Seinen Ruhensantrag hatte der Kläger damit begründet, dass er die angefragten Ergebnisse amerikanischer Institute zur dortigen Borrelienforschung abwarten wolle.
Am 03.03.2008 rief der Kläger das Verfahren wieder an unter Vorlage des Arztbriefes von Dr. S. vom 17.05.2001 (Diagnosen u.a.: Z.n Neuroborreliose, Z.n. Massenvorfall L4/5 rechts ca. 1998, weiter bestehender lumbale radikuläre Restsymptomatik L 5, elektrophysiologische Zeichen einer demyelisierenden Polyneuropathie, klinisch kein relevanter Anhalt für Polyneuropathie fassbar), der Laborbefunde des Universitätsklinikums Tübingen vom 16.10.2002 (Borrelien-Serologie: IgM grenzwertig, Westernblot IgG und IGM positiv) und vom 23.11.2006 (im Liquor kein Nachweis von Antikörpern gegen Borrelien), des Arztbriefes von Internist-Rheumatologe Dr. J. vom 07.11.2002 (Diagnosen: V.a. chronische Borreliose, V.a. sekundäres Fibromyalgie-Syndrom, Z.n. Bandscheibendekompression L5/L6 rechts), des Arztbriefes von Neurologe/Psychiater, Dr. Dipl.-Psychologe Z. vom 19.10.2006 (Diagnose: vorwiegend demyelinisierendes und mäßig auch axonal konfiguriertes polyneuropathisches Syndrom unklarer Ätiologie, differenzialdiagnostisch Neuroborreliose), Arztbriefe der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen vom 29.11.2006 (Fußheberschwäche rechts bei unspezifischen Liquorbefunden) und vom 09.01.2008 (Diagnose: demyelinisierende Neuropathie bei positiver Borrelienserologie, aber Borrelien-Antikörper IGM/IgG im Liquor nicht nachweisbar, Liquor mit geringer Schrankenstörung, tendenzielle Befundprogredienz; persistierende motorische Ausfälle/Fußheberparese rechts nach Bandscheibenvorfall LWK 5/6, enger lumbaler Spinalkanal), der Arztbriefe des praktischen Arztes Dr. N. der Praxisklinik für zeckenübertragene Erkrankungen, Borreliose Centrum Augsburg, vom 12.12.2007 (aufgrund der Vorgeschichte, des klinischen Erscheinungsbildes sowie der Untersuchungsbefunde bestehe die Überzeugung, dass eine chronische Verlaufsform der Borreliose bei Coinfektionen durch Chlamydien und Yersinien vorliege) und vom 26.02.2008 (nach Klinik und Laboruntersuchung chronische Verlaufsform einer Borreliose). Außerdem reichte der Kläger weitere zahlreiche Arztunterlagen zu den Akten, darunter auch die Berichte der Fachärzte für Laboratoriumsmedizin Dr. N., Borreliose Centrum Augsburg, vom 14.12.2008 (bestehende Besserungstendenz im Hinblick auf Borreliose, weiterhin Behandlungsbedürftigkeit bei starker Chlamydieninfektion) und Dr. S., Borreliose Centrum Augsburg, vom 04.09.2009 (in der zeitlichen Kinetik der chronischen zellulären Immunreaktionen ergebe sich mehrfach der Hinweis auf eine chronisch-aktive Borrelieninfektion, nebenbefundlich Hinweise auf eine aktuelle humoral und zelluläre Immunantwort gegenüber Chlamydia pneumoniae).
In dem vom SG eingeholten Gutachten von Prof. Dr. R., Facharzt für Orthopädie, Chirurgie, Unfallchirurgie, Borreliose Centrum Augsburg, vom 24.07.2009 – Eingang bei Gericht am 02.02.2010 –, kam dieser zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine chronische aktive Borrelieninfektion mit rezidivierenden Gelenksentzündungen, eine demyelinisierende Neuropathie mit tendenzieller Progredienz sowie eine persistierende Fußheberparese nach Bandscheibenvorfall und Operation 04/1998 vor. Die Neuropathie sei keine Folge der Borrelieninfektion. Eine Übertragung von Chlamydien durch eine Zecke sei wissenschaftlich bisher nicht belegt, weshalb ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dieser Infektion nicht wahrscheinlich sei. Die dargestellten Krankheitserscheinungen und Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers seien durch ihren schubhaften Verlauf und ihre hauptsächlichen Manifestationsorte nicht typisch für solche Infektionen. Die borrelieninfektionsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 25 v.H.
Vorgelegt wurde die laborärztlichen Stellungnahme zu Laborbefunden hinsichtlich der Borrelien-Diagnostik von Dr. S. vom 01.12.2009, der aufgrund des am 23.11.2009 erhobenen Laborbefundes eine chronisch-aktive Borrelien-Infektion im Stadium III sowie eine aktuell aktive Infektion mit Chlamydia pneumoniae/trachomatis diagnostizierte.
Die Beklagte wandte gegen das Gutachten von Prof. Dr. R. ein, die positive Testungen beträfen den Zeitraum nach Erlass der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen. Soweit beim Kläger jedoch eine beruflich bedingte Borreliose nun vorzuliegen scheine, sei durch ein weiteres Fachgutachten der Zeitraum des Entstehens bzw. des Beginns des chronischen Stadiums der Erkrankung aufzuklären, ebenso sei die von Prof. Dr. R. angenommene MdE von 25 v.H. zu hoch angesetzt. Insoweit sei abzuklären, inwieweit die vorgetragenen Beschwerden durch die Borreliose bedingt seien bzw. teilweise durch die Chlamydieninfektion und teils polyneuropathisch bedingt seien. Nachdem das gerichtliche Verfahren über 10 Jahre geruht habe, biete sie an, beim Kläger eine erneute Begutachtung durchführen zu lassen (Schriftsatz der Beklagten vom 28.04.2010).
Auf Vorschlag des Klägers (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 16.11.2010) holte die Beklagte das fachinternistische Gutachten von PD Dr. B. vom 26.09.2011 ein. Dieser diagnostizierte beim Kläger eine chronische Lyme-Borreliose und chronische Lyme-Neuroborreliose, eine Fußheber- und Fußsenkerparese beidseits infolge Neuroradikulitis bei Lyme-Neuroborreliose und eine Polyneuropathie. Die Lyme-Borreliose und chronische Lyme-Neuroborreliose ergebe sich aus den Umständen des hohen Infektionsrisikos, der sehr großen Zahl von Zeckenstichen bei wiederholt aufgetretenen Wanderröten (Erythemata migrantia). Wiederholt auftretende Wanderröten seien für die Krankheit einer Lyme-Borreliose beweisend. Das Erythema migrans sei erstmalig 1992 dokumentiert, ab diesem Zeitpunkt sei die Lyme-Borreliose nachgewiesen. Zahlreiche Krankheitserscheinungen des Klägers seien auf diese Erkrankung zurückzuführen, insbesondere die Fußheber- und Fußsenkerlähmung und die Polyneuropathie. Sie könnten einer Bandscheibenerkrankung bei L5/6 nicht zugeordnet werden. Eine Chlamydien-Infektion spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Sämtliche beim Kläger aufgetretenen Symptome könnten auf die Borrelieninfektion, nicht dagegen auf eine Chlamydieninfektion bezogen werden. Da zudem die neurologische Störung der Fußheber und -Senkerlähmung infolge Nervenwurzelerkrankung, der Neuroradikulitis, im Vordergrund stehe, könne ein möglicher Zusammenhang mit Chlamydien vernachlässigt werden.
Die Beklagte legte die beratungsfachärztliche Stellungnahme von PD Dr. R., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Neuroradiologie, vom 09.12.2011 mit Ergänzung vom 15.01.2012 vor. Danach könne beim Kläger aufgrund der vielfältigen serologischen Untersuchungen zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass es mehrfach zu einer Borrelieninfektion gekommen sei. Auch die Voraussetzungen für eine Spätmanifestation einer Borrelieninfektion sei wegen der durchgehend nachweisbaren Borrelien-IgG-Antikörper im Serum gegeben. Nach den sowohl von der Deutschen wie der Europäischen Gesellschaft für Neurologie entwickelten Leitlinien sei vorliegend eine Neuroborreliose allenfalls möglich, eine gesicherte Neuroborreliose könne jedoch nicht angenommen werden. Selbst die Kriterien für eine "wahrscheinliche" Neuroborreliose seien nach den Leitlinien nicht voll erfüllt. Das hierzu erforderliche "entzündliche Liquor-Syndrom mit lymphozytärer Pleozytose" und eine "intrathekale Immunglobulin-Synthese" seien bei der entsprechenden Liquor-Untersuchung 2008 nicht festgestellt worden. Dagegen bestehe zweifellos eine, wenn auch geringe "Blut-Liquor- Schrankenstörung", die als unspezifischer Befund nicht mit hinreichendem Wahrscheinlichkeitsgrad einen ursächlichen Zusammenhang der Polyneuropathie mit der Borrelieninfektion ergebe. In den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Neurologie werde auf eine Polyneuropathie-Unterform mit Liquor-Veränderungen verwiesen, die aber für die Anerkennung eines Zusammenhangs neben der klinischen Diagnose einer Polyneuropathie und positiver Antikörper im Serum auch die klinische Diagnose einer Hauterkrankung, Acrodermatitis chronica atrophicans, fordere. In sämtlichen vorliegenden ärztlichen Berichten fänden sich hierfür jedoch keine Hinweise. Eine Neuroborreliose sei nicht gesichert. Die ärztlich dokumentierte Symptomatik spreche mehr gegen als für einen Zusammenhang der Polyneuropathie mit einer Borrelieninfektion. Außerdem verwies die Beklagte auf die vorgelegte Stellungnahme der Internistin/Arbeitsmedizinern Heitkamp vom 06.02.2012, wonach die von Dr. B. berücksichtigten Labortests und medizinische Auffassungen nicht in die Leitlinien der neurologischen Fachgesellschaften aufgenommen worden seien bzw. diesen, insbesondere der Labortest LTT, der darin als ungeeignet genannt werde, widersprächen.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.05.2012 widersprach Dr. B. der Einschätzung von PD Dr. R., dass in bis zu einem Drittel der Polyneuropathie-Fälle eine Ursache nicht auffindbar sei. Dies sei literarisch nicht belegt. Die Kriterien der Neuroborreliose in den genannten Leitlinien beziehe sich ausschließlich auf die akute Lyme-Neuroborreliose nicht auf das beim Kläger diagnostizierte chronische Bannwarth-Syndrom, bei dem nur in 5 % der Fälle überhaupt eine Liquorveränderung vorliege. Die Forderung der Europäischen Gesellschaft für Neurologie, dass bei fehlenden Liquorveränderungen eine Akrodermatitis chronica atrophicans zur Bejahung des Zusammenhangs einer Polyneuropathie und einer Lyme-Borreliose vorliegen müsse, sei nicht gerechtfertigt, denn in der Literatur werde eine Polyneuropathie bei chronischer Lyme-Borreliose auch ohne die Hauterkrankung beschrieben.
In der hierzu von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme von PD Dr. R. vom 06.08.2012 hielt dieser an seiner Auffassung fest. Beim Bannwarth-Syndrom handele es sich um eine akute Meningo-Polyradikuloneuritis, die beim Kläger insbesondere durch die Liquoruntersuchung 2006 in Tübingen ausgeschlossen worden sei. Die von Dr. B. zur Begründung herangezogene Albuminerhöhung als Hinweis auf eine Schrankenstörung lasse keine beweisenden Schlüsse zu.
In der mündlichen Verhandlung am 20.06.2013 erklärte die Beklagte, es könne allenfalls eine folgenlos ausgeheilte Borrelieninfektion als Berufskrankheit anerkannt werden. Der Kläger verfolgte ausdrücklich die Anerkennung der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen einer chronischen Lyme-Borreliose sowie chronischen Lyme-Neuroborreliose als BK Nr. 3102 fort.
Mit Urteil vom 20.06.2013 wies das SG die Klage ab. Es sei davon auszugehen, dass die zahlreichen, teilweise unbemerkten Zeckenstiche während der beruflichen Tätigkeit mit einem erhöhten Risiko einher gegangen seien, an einer Borreliose zu erkranken. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit lägen vor. Dagegen seien die medizinischen Voraussetzungen nicht nachgewiesen. Es sei zwar möglich, jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die chronischen Erkrankungen des Klägers Folgen der beruflichen Infektion mit dem Erregern Borrelia burgdorferi seien.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 09.08.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger beim SG am 20.08.2013 Berufung eingelegt und macht geltend, entgegen der Auffassung des SG lägen die medizinischen Voraussetzungen vor. Nach den vorgelegten Leitlinien der Deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V. (Auflage Januar 2011) seien die auch vom SG als unspezifische Symptome bezeichneten Beschwerden, wie Müdigkeit, Erschöpfung, Nacken- und Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen, wiederkehrende Gelenkschmerzen, leichte Temperatur sowie Schwitzen ohne körperliche Anstrengung eindeutige und krankheitsverdächtige Symptome der chronischen Borreliose. Obwohl im angefochtenen Urteil der Nachweis von Borrelien-Infektionen festgestellt werde, verneine das Gericht einen Ursachenzusammenhang zwischen den Infektionen und der Polyneuropathie des Klägers, was nach den Leitlinien der Deutschen Borreliose-Gesellschaft jedoch einen Zusammenhang im Rahmen der dort aufgeführten neurologischen Symptome zulasse. Das SG unterscheide auch nicht hinreichend zwischen der von Dr. B. diagnostizierten Lyme-Borreliose und der Lyme-Neuroborreliose. Das SG beziehe sich auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und bewerte ohne nähere Begründung dies als wissenschaftlichen Konsens in der Neurologie bzw. als herrschenden Stand der medizinischen Wissenschaft. Die Leitlinien der Neurologischen Gesellschaft seien aber unvollständig und die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) seien nach Eigeneinschätzung ausweislich ihres Vorworts für die Ärzte nicht bindend und habe daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung. Es handle sich lediglich um Handlungsempfehlungen. Die Aufnahmekriterien für die aus 163 wissenschaftlichen Fachgesellschaften bestehende AWMF setze keine in der Fachliteratur dokumentierten Erkenntnisse der Mitglieder voraus, demzufolge könnten auch die Erfahrungen einer Hildegard von Bingen oder des Pfarrer K. als Leitlinie aufgefasst werden. Eine Leitlinie sei nur verwertbar, wenn es eine sogenannte AWMF S3-Leitlinie sei. Die Erfahrungen zum Krankheitsbild der gesamten Borreliose können bei den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Neurologie nicht gegeben sein, da die dort zusammengeschlossenen Mediziner die Fächer Infektiologie und Klinische Pharmakologie nicht abdeckten. Demgegenüber setzte sich die Deutsche Borreliose-Gesellschaft e.V. aktuell aus 24 Experten unterschiedlicher Fachrichtungen aus Deutschland zusammen. Soweit seitens der Beklagten eingeräumt werde, dass es sich bei der Leitlinie der Deutschen Borreliose Gesellschaft e.V. um eine S1-Leitlinie, also eine Expertenmeinung, handele und die Leitlinie der Deutschen Neurologischen Gesellschaft ebenfalls eine S1 Leitlinie sei, erschließe sich bereits aus dieser Definition nicht, weshalb den Leitlinien der Deutschen Neurologischen Gesellschafter Vorzug zu geben sei. Beim Kläger liege ein borreliosespezifisches Krankheitsbild vor, denn in der neurologischen Symptomatik könnten bei einer chronischen Borreliose die typischen Liquorbefunde viel diskreter sein oder gänzlich fehlen, was ein mikrobiologisches Gutachten beweisen könne. Nach Dr. B sei ein bloßer Schub bei chronischer Lyme-Borreliose anamnestisch nicht nachvollziehbar, weshalb eine chronische Lyme-Neuroborreliose vorliege, die sich in einer Polyneuropathie äußere. Die aufgetretene Fußheberschwäche sei durch die Polyneuropathie nicht zu erklären, weshalb die Nervenwurzelentzündungen mitbeweisend für eine chronische und sich im Spätstadium befindliche Lyme-Borreliose sei. Diese lägen in der Regel auch ohne Veränderungen im Liquor vor. Auf das Vorliegen einer Hauterkrankung komme es nicht an, als Beweis sei ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Die von Dr. B vorgenommene Differenzialdiagnostik zum Ausschluss anderer Entstehungsursachen sei überzeugend und nachvollziehbar. Darauf gehe das Sozialgericht nicht ein. Der Sachverhalt bedürfe einer weiteren medizinischen Aufklärung. Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23.04.2015 beantragt, von Dr. B., Facharzt für Neurochirurgie, ein Gutachten einzuholen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.06.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 20.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine chronische Lyme- Borreliose und eine chronische Lyme-Neuroborreliose als Berufskrankheit nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur BKV und eine Polyneuropathie und Fußheberschwäche beidseits als Folge dieser Berufskrankheit festzustellen, hilfsweise ein Gutachten von Dr. Bennefeld einzuholen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass die Leitlinien der Deutschen Neurologischen Gesellschaft als S1-Leitlinie erarbeitet worden seien, bei der wissenschaftlichen Dachgesellschaft angemeldet sei und unter Einbeziehung von 7 Fachgesellschaften aktuell als S3-Leitlinie überarbeitet werde. Die bei der AWMF gelisteten Leitlinien seien die offiziellen Leitlinien von Deutschland und allgemein anerkannt, dagegen die Leitlinie der Deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V. nicht. Mit dem Gutachten von Dr. B sei das Vorliegen einer Neuroborreliose, chronischen Lyme-Borreliose und damit ein Zusammenhang der Polyneuropathie nicht ausreichend gesichert. Dr. B habe Feststellungen auf neurologischem Fachgebiet getroffen, die bei weitem die Fachgrenzen der inneren Medizin überschritten. Im Übrigen sei das vorliegende Krankheitsbild einer progredienten distal-symmetrischen sensomotorischen Polyneuropathie von gemischt axonal-demyelinisierendem Schädigungstyp mit Beteiligung von Armen und Beinen bis jetzt ursächlich nicht geklärt. Die Beklagte verweist auf die vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahme von Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 21.06.2014, die sie zum Gegenstand ihres Vorbringens mache.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten (7 Bände) und die Akten des Sozialgerichts beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Erkrankung als Berufskrankheit bzw. als BK-Folgen.
Im vorliegenden Fall sind noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden, da sich das als Versicherungsfall geltend gemachte Ereignis, hier der Versicherungsfall der Berufskrankheit mit Einwirkung durch Zeckenstich ab 1983 und behaupteter Erkrankung ab Sommer 1992, bereits vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 1992 ereignet haben soll (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII), auch soweit nach diesem Zeitpunkt ggf. festzustellende Leistungen geltend gemacht werden sollten. Aus demselben Grund sind auch nicht die zum 01.12.1997 in Kraft getretenen Vorschriften der Berufskrankheitenverordnung vom 31.10.1997 (BKV - BGBl. I S. 2623 -) anzuwenden, die aufgrund des SGB VII erlassen worden ist, sondern die Regelungen der Berufskrankheitenverordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 18.12.1992 (BKVO). Im Übrigen ergibt sich für die Frage, ob der Versicherungsfall einer Berufskrankheit nach Nr. 3102 vorliegt, auch durch die ab 01. Januar 1997 geltenden Bestimmungen des SGB VII keine andere Bewertung als nach den zuvor geltenden Bestimmungen der RVO, da die Voraussetzungen für die Bejahung von Versicherungsschutz mit der Rechtsänderung insoweit keine Änderung erfahren haben, denn die Tatbestandsvoraussetzungen der BK Nr. 3102 der BKVO sind identisch mit denjenigen der BKV.
Als Arbeitsunfall galt gemäß § 551 Abs. 1 RVO auch eine BK. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Dabei war die Bundesregierung ermächtigt, solche Krankheiten als BK zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO). Auf der Grundlage dieser Ermächtigungsgrundlage war nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur BKVO (in der Fassung der Änderungsverordnung vom 18.12.1992, gleichlautend Nr. 3102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997 - BKV) als Berufskrankheit geregelt: von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Nach diesen Maßstäben ist eine BK Nr. 3102 für die im Antrag des Klägers erfassten Gesundheitsstörungen nicht festzustellen. Der Senat hatte nicht darüber zu entscheiden, ob bereits mit der Borrelieninfektion der Versicherungsfall der BK Nr. 3102 eingetreten ist, denn der anwaltlich vertretene Kläger begehrt die BK-Feststellung ausdrücklich für die aus seiner Sicht bei ihm hinreichend sicher diagnostizierten Lyme-Borreliose und Lyme-Neuroborreliose im Sinne einer chronischen Erkrankung als haftungsbegründende Erst-Erkrankung. Die Polyneuropathie und die Fußheberschwäche sind ausdrücklich als BK-Folgen im Rahmen der haftungsausfüllende Kausalität zur Feststellung beantragt.
Ausgehend von diesem Klagebegehren ist auch nicht entscheidungserheblich, durch welchen konkreten Infektionsvorgang diese vom Kläger geltend gemachten Erkrankungen entstanden sein sollen. Der Nachweis von Borrelien-Antikörpern schließt jeweilige Neuinfektionen trotz vorausgegangenen durchgeführten Antibiotikumstherapien nicht aus, wie sich der Stellungnahme von PD Dr. R. entnehmen lässt und was in den von PD Dr. R. vorgelegten Leitlinien "Neuroborreliose" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (vgl. Blatt 464ff der SG-Akte, (AWMF-Leitlinien)) auch ausgeführt ist (AWMF-Leitlinien Nr. 5). Gleichwohl liegen nicht mit jeder Neuinfektion jeweils gesonderte neue Versicherungsfälle der geltend gemachten BK vor, denn Streitgegenstand ist die Behauptung des Klägers, eine der seit 1983 erlittenen Infektionen sei nicht ausgeheilt bzw. die Häufung der berufsbedingten Zeckenstiche habe die Chronizität der Erkrankung verursacht. Damit ist aber die von dem Versicherungsfall Berufskrankheit erfasste Einwirkung – anders als das einmalige, konkret zu bezeichnende Unfallereignis beim Arbeitsunfall – vom Senat hinreichend sicher festzustellen. Der streitgegenständliche Bescheid vom Januar 1999/Widerspruchsbescheid vom April 1999 hat sich nicht durch die durchgeführten Antibiotikumstherapien erledigt, wie die Beklagte anfänglich meinte, denn die bereits zu diesem Zeitpunkt geltend gemachte chronische Erkrankung an Lyme-Borreliose bzw. Lyme-Neuroborreliose war mit diesem Bescheid als BK nicht anerkannt worden.
Ebenso wie das SG geht der Senat vom Vorliegen der Einwirkungskausalität aus, denn anhand der beigezogenen Arztunterlagen und des glaubhaften Vortrags des Klägers sind Zeckenstiche mit Erythembildung während seiner beruflichen Tätigkeit nachgewiesen, wie u.a. von Dr. S. im Krankheitsbericht vom 16.09.1997 über die Behandlung des Klägers am 12.10.1996 wegen eines Insektenstich am linken Unterschenkel nach Zeckenstich bei einer Waldbegehung am 08.10.1996 berichtet. Dass bereits zu früheren Zeitpunkten ebenfalls Zeckenstiche mit Erythembildung aufgetreten sind, hält der Senat ebenso für glaubhaft.
Dagegen ist auch zur Überzeugung des Senats die haftungsbegründende Kausalität für die geltend gemachte Lyme- Borreliose und Lyme-Neuroborreliose nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben.
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 RdNr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes gerade auf Gebieten, die in der Entwicklung begriffen sind, kann schwierig sein. Ausgangsbasis sind neben Fachbüchern und Standardwerken, deren Aktualität vom Sachverständigen den Gerichten zu vermitteln ist, außerdem, soweit sie vorliegen und einschlägig sind, die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) als Ausdruck des gegenwärtigen herrschenden wissenschaftlichen Forschungsstandes (vgl. BSG Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R – juris Rn. 17, Rn. 26 zu psychischen Erkrankungen, =SozR 4-2700 § 8 Nr. 17= BSGE 96, 196-209). Nach insoweit gefestigter Rechtsprechung bedarf es entgegen der Auffassung des Klägers einer sachkundigen Aufklärung zur Qualität der registrierten Leitlinien nicht.
Ein die BK nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur BKVO/BKV begründender Zusammenhang der vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen ist nach der derzeitigen herrschenden wissenschaftlichen Auffassung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu belegen.
Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend in Auswertung der gutachterlichen Äußerungen von Dr. H.r, Prof. Dr. R. und PD Dr. R. einen hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang der vom Kläger geltend gemachten Beschwerden mit einer Borrelien-Infektion verneint. Das Krankheitsbild einer ohne Nervenbeteiligung anzunehmenden chronischen Lyme-Borreliose oder das einer Lyme-Neuroborreliose ist nach den Ausführungen des SG medizinisch nicht gesichert. Der Senat kommt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis, weshalb auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (Seite 11 bis 16) verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen gibt keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist im angefochtenen Urteil des SG auch hinreichend zwischen einer Lyme-Borreliose und einer Lyme-Neuroborreliose, die die Beteiligung des peripheren oder zentralen Nervensystems voraussetzt, unterschieden worden. Nach einer Borrelieninfektion treten bei 80-90 % der Betroffenen als lokales Symptom ein Erythema migrans (Wanderröte) und gelegentlich nach wenigen Tagen bis Wochen allgemeine Symptome wie Krankheitsgefühl, Arthralgien, Myalgien, subfebrile Temperaturen und Nachtschweiß auf (Stadium 1) und Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich kann es zu einer disseminierten Infektion, die überwiegend das Nervensystem, die Gelenke und das Herz betrifft, kommen (Stadium 2). Diese Stadien werden in wenigen Fällen nacheinander durchlaufen und bei häufig unbekanntem Infektionszeitpunkt kommt der Einteilung aus klinischer Sicht nur bedingte Bedeutung zu (vgl. AWMF-Leitlinie Nr. 3).
Soweit die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden, wie Arthralgien, Müdigkeit, Erschöpfung, Nacken- und Kopfschmerzen usw., im angefochtenen Urteil als unspezifische Symptome bezeichnet, nach Zeckenstich und wahrgenommener Wanderröte aufgetreten sind, wäre damit die Symptomatik einer Borreliose im Stadium 1 vorhanden gewesen, die aber in der Vergangenheit in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Zeckenstich zur Verabreichung von Antibiotikum geführt hatte. Soweit auch ohne erneute Infektion und nach Antibiotikumsgabe diese Symptomatik angehalten hat, was der Kläger geltend macht, ist ein Zusammenhang mit der Borrelieninfektion auch zur Überzeugung des Senats nicht im Sinne einer Lyme-Borreliose mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit belegt. Der positive Nachweis borrelienspezifischer IgM- und/oder IgG-Antikörper weist keine aktive Infektion mit Borrelia Burgdorfen nach, sondern belegt lediglich, dass eine Infektion stattgefunden hatte, wie PD Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 09.12.2011 sinngemäß unter Bezugnahme auf die AWMF-Leitlinien (vgl. dort Nr. 4) ausführt. IgG-Banden im Liquor und eine intrathekale borrelien-spezifische Antikörperproduktion können noch Jahre nach der Antibiotikatherapie nachweisbar sein und gelten nicht als Parameter für eine aktive, behandlungsbedürftige Erkrankung. Der Nachweis von unverändert erhöhtem Serum-Antikörper-Titern nach Antibiotikatherapie belegt nicht eine persistierende Infektion (AWMF-Leitlinie Nr. 5). Auch ein positiver Erregernachweis durch hinreichend valide Laborbefunde zu Borrelien-DNA im Zusammenhang mit den geltend gemachten fortbestehenden unspezifischen Beschwerden ist nicht geführt. Im Gutachten von PD Dr. B vom 26.09.2011 wird der Erregernachweis mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) oder durch Kultur als ausreichender Beweis für eine Lyme-Borreliose bezeichnet, insoweit übereinstimmend mit der AWMF-Leitlinie (vgl. dort Nr. 4). Ein solcher Befund ist aber auch in seinem umfangreichen fachinternistischen Gutachten nicht angeführt. PD Dr. B verweist darauf, dass wegen der geringen Sensitivität die Untersuchungen zum Erregernachweis nicht zur Routinediagnostik gehörten. Dagegen spricht nach PD Dr. R. vielmehr die Tatsache, dass trotz mehrfacher und leitliniengerechter Therapie keine Rückbildung der Beschwerden, insbesondere auch der diagnostizierten peripheren Nervenerkrankung, hat erzielt werden können, gegen den Zusammenhang mit einer Borrelieninfektion (Stellungnahme vom 09.12.2011, Seite 7). Dies ist auch für den Senat überzeugend, denn diese gutachterliche Einschätzung steht im Einklang mit den AWMF-Leitlinien. Im dortigen Kapitel: "Post-Lyme-Disease-Syndrome und chronische unspezifische Beschwerden, assoziiert mit positiver Borrelien-Serologie" wird in der zu keinem nachhaltigem Beschwerderückgang führenden probatorischen Antibiotikabehandlung ein Indiz gesehen, das gegen das Vorliegen einer chronischen Lyme-Borreliose spricht (vgl. dort Nr. 3.1). Hinzu kommt, dass vorliegend auch Infektionen durch Chlamydien und Yersinien laborchemisch nachgewiesen sind, wobei nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. Hassler vergleichbare Beschwerden der Borreliose Stadium 1 auch bei einer Chlamydieninfektion auftreten können und eine Übertragung der Chlamydien durch Zecken nicht gegeben ist. Darauf hatte bereits das SG ebenfalls verwiesen.
Hiervon ausgehend ist auch eine chronische Lyme-Neuroborreliose nicht hinreichend wahrscheinlich, was das SG im angefochtenen Urteil ebenfalls mit zutreffender Begründung ausgeführt hat. Auch zur Überzeugung des Senats führt PD Dr. R. nachvollziehbar aus, dass eine "gesicherte" Neuroborreliose und selbst eine "wahrscheinliche" Neuroborreliose nach den AWMF-Leitlinien nicht zu begründen ist. In der Liquoruntersuchung im Jahr 2008 konnten die hierfür erforderlichen Kriterien eines "entzündlichen Liquor-Syndroms mit lymphozytärer Pleozytose" und eine "intrathekale Immunglobulin-Synthese" nicht diagnostiziert werden. Die lediglich aufgefallene geringe "Blut-Liquor-Schrankenstörung" ist als unspezifischer Befund nicht geeignet einen Zusammenhang der Polyneuropathie mit einer Borrelieninfektion zu begründen. Ein gutachterlicher Nachweis, den der Kläger in seiner Berufungsbegründung angeregt hat, darüber, dass im Verlauf einer chronischen Borreliose typische Liquorbefunde sehr viel diskreter sein bzw. gänzlich fehlen können, ist nicht entscheidungserheblich, denn der Nachweis einer positiven medizinischen Anknüpfungstatsache für eine Neuroborreliose ist damit nicht zu führen. Für eine klinisch gesicherte Diagnose einer Akrodermatitis chronica atrophicans finden sich in den zahlreichen zu den Akten gelangten Arztbefunden keinerlei Hinweise, sodass selbst die in Betracht kommende Unterform einer Polyneuropathie, bei der die üblichen Kriterien einer Neuroborreliose nicht zwingend vorliegen müssten, nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann. Diese Bewertung von PD Dr. R. ist auch für den Senat überzeugend, denn sie steht im Einklang mit den AWMF-Leitlinien. Soweit der Kläger rügt, auf das zusätzliche Vorliegen einer Hauterkrankung, die von der Beklagten auch nicht näher konkretisiert sei, komme es nicht an, verkennt er, dass die mit konkreter Diagnosebezeichnung benannte Hauterkrankung nur als zusätzliches Erfordernis einer neuroborreliosebedingten Polyneuropathie-Unterform verlangt wird. Seiner hierauf bezogenen Beweisanregung in der Berufungsbegründungsschrift vom 25.04.2014 musste der Senat nicht nachkommen, denn die Notwendigkeit eines dermatologischen oder sonstigen, vom Kläger schon nicht näher bezeichneten medizinischen Sachverständigengutachtens zur Klärung der von ihm unter Beweis gestellten Frage drängte sich dem Senat nicht auf. Es kann als wahr unterstellt werden, dass für die Diagnose einer Neuroborreliose eine Hauterkrankung nicht vorliegen muss.
Damit scheidet auch die im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität gesondert geltend gemachte Feststellung der diagnostizierten Polyneuropathie und Fußheberschwäche beidseits als BK-Folgen aus. Das SG hat auch insoweit die Klage zutreffend als unbegründet abgewiesen, worauf der Senat verweist.
Es kommt als Konkurrenzursache für die beschriebene Polyneuropathie und/oder der Fußheberschwäche zunächst die diagnostizierte Wurzelkompression bei LWK 5/6 als ebenso gute Möglichkeit in Betracht. Nach den überzeugenden Darlegungen im unfallchirurgischen Gutachten von Prof. Dr. W. vom 04.01.1999 ist die Polyneuropathie auf die Wurzelkompression bei LWK 5/6 zurückzuführen, was im neurologischen Gutachten von Prof. Dr. D. vom 14.01.1999 bestätigt wurde. Dieser bewertete die Fuß- und Großzehenheberparese rechts als Residuen der Wurzelkompression. Damit übereinstimmend beurteilte auch Prof. Dr. R. in seinem orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten vom 24.07.2009 die Neuropathie mit Missempfindungen an beiden Fußsohlen und Kribbelparästhesien in beiden Füßen und Unterschenkeln und Fußheberschwäche rechts nicht als Folge der von ihm aus anderen Gründen angenommenen Borrelieninfektion. Diese Bewertung wurde auch von behandelnden Ärzten des Klägers geteilt. Im Arztbrief der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen vom 09.01.2008 wird die Fußheberschwäche rechts in Bezug gesetzt zur Bandscheibenoperation am 21.04.1998 wegen des Bandscheibenvorfalls LWK 5/6 mit Wurzelkompression bei L5 und gering auch S1 rechts wie auch ein durchgehend enger lumbaler Spinalkanal angeführt wird. Ebenso wird im Arztbrief des Neurologen-Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. Dipl.-Psychologe Z. vom 23.04.2007 ein progredientes demyelinisierendes, mäßig axonal konfiguriertes polyneuropathisches Syndrom unklarer Ätiologie als Diagnose angegeben, eine Neuroborreliose als unwahrscheinlich eingeschätzt und ein residuales L5-Wurzelirritationssyndrom mit signifikanter Fußheberparese rechts nach Bandscheibenvorfall L5/6 diagnostiziert. Soweit im internistischen Gutachten von Dr. B dies infrage gestellt wird, ist dies angesichts der dargelegten Beurteilungen der Fachärzte in den hierzu sachnäheren Fachgebieten der Unfallchirurgie/Orthopädie und Neurologie für den Senat wenig überzeugend. In der beratungsärztlichen Stellungnahme der Ärztin H. vom 06.02.2012 wird zwar die Symptomatik als medizinisch streitig erörtert, ob sie Folge des Bandscheibenvorfalls ist oder ob zusätzlich noch eine Wurzelreizung im Sinne einer Radikulitis vorliegt. Sie hat dies aber ausdrücklich als allenfalls möglich, aber nicht wahrscheinlich beurteilt. Bei fehlendem Liquorbefund als Hinweis auf eine zerebrale bzw. spinale Manifestation einer Borrelieninfektion ist, worauf PD Dr. R. überzeugend hinweist, die diagnostizierte Polyneuropathie nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die erfolgten Borrelieninfektionen zurückzuführen, zumal nach PD Dr. R. bei einem Drittel aller Polyneuropathie-Fälle eine Ursache nicht auffindbar ist.
Der Senat hat aufgrund der überzeugenden gutachterlichen Ausführungen von Dr. H., Prof. Dr. R. und PD Dr. R. keinen Anlass für weitere medizinische Ermittlungen gesehen. Dem Hilfsbeweisantrag des Klägers auf Einholung eines neurochirurgischen Gutachtens von Dr. B. war nicht stattzugeben. Ein entscheidungsfähiger Beweisantrag ist dem Hilfsbeweisantrag nicht zu entnehmen. Weder ist ein Beweisthema vom Kläger ausdrücklich genannt noch ist für den Senat aus dem Klägervorbringen ersichtlich geworden, welche entscheidungsrelevante medizinische Frage auf neurochirurgischem Gebiet aufklärungsbedürftig wäre. Die aus Klägersicht allenfalls klärungsbedürftige Frage, ob die Krankheitsbilder einer Lyme-Borreliose oder Lyme-Neuroborreliose vorliegen, wäre gegebenenfalls durch ein internistisches oder neurologisches Gutachten zu klären. Ein neurochirurgisches Gutachten wäre jedenfalls zur Klärung dieser Frage auch ein ungeeignetes Beweismittel.
Der Senat sah sich aufgrund der vom Kläger vorgelegten Grundsätze der deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V., die von dieser ebenfalls als Leitlinien bezeichnet werden, weder veranlasst, eine andere Entscheidung zu treffen, noch sah er sich gedrängt, weitere Ermittlungen anzustellen. Der Senat hat seiner Beurteilung die herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung zu Grunde zu legen, die ihm in überzeugender Weise durch die gutachterlichen Stellungnahmen von PD Dr. R., Fachärztin für Innere Medizin/Arbeitsmedizin H. und Dr. M. unter Bezugnahme auf die AWMF-Leitlinien vermittelt worden ist. Der Senat hat sich der oben genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R –, a.a.O.) angeschlossen. Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die beim Dachverband der medizinischen Fachgesellschaften registrierten Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften Ausdruck der derzeitigen herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung sind (vgl. stellvertretend Urteile des Senats vom 27.06.2014 - L 8 U 1065/12 - zur Leitlinie der Kardiologischen Fachgesellschaft, unveröffentlicht; vom 22.08.2014 - L 8 U 3096/13 -, unveröffentlicht, m. H. a. Senatsurteil vom 28.01.2011, - L 8 U 4946/08 - juris Rn. 36, www.sozialgerichtsbarkeit.de jeweils zu Konsensempfehlungen als Leitlinien). Der Dachverband AWMF hat sich ein Regelwerk zur Erstellung von Leitlinien gegeben, das der Sicherstellung der wissenschaftlichen Qualität, Objektivität und der Transparenz der Leitlinienentwicklung dient (s. AWMF-Regelwerk Leitlinie mit Kapitel: Leitlinien-Entwicklung und Leitlinien-Register, veröffentlicht auf www.awmf.org/, Seite "AWMF-Regelwerk"). Die methodische Qualität einer S3-Leitlinie ist zwar höher einzuschätzen als die einer S2- oder S1-Leitlinie, was der Senat der Äußerung von Dr. Malzacher entnimmt. Die überwiegende Mehrheit (ca 60 %) aller Leitlinien der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften sind jedoch S1-Leitlinien (vgl. Schott, Lieb, König, Mühlbauer, Niebling, Pachl, Schmutz, Ludwig: Deklaration und Umgang mit Interessenkonflikten in deutschen Leitlinien, Deutsches Ärzteblatt -DtschÄrztebl.- Int 2015, 445 (Heft 26)), die als gelistete Leitlinien der entsprechenden medizinischen Fachgesellschaft den derzeitigen wissenschaftlichen Standard für Diagnostik und Therapie widerspiegeln. Die AWMF hat Empfehlungen zum Umgang mit Interessenkonflikten entwickelt, die im April 2010 veröffentlicht wurden und nach einer neueren Untersuchung der ab den Jahren 2010 bis 2013 herausgegebenen S1-Leitlinien waren in der Mehrzahl aller Leitlinien Interessenkonflikterklärungen abgegeben und somit ein etwaiger Interessenkonflikt transparent gemacht worden (Schott u.a., DtschÄrztebl. a.a.O.). Für die 2002 erstellte und im Oktober 2008 aktualisierte AWMF-Leitlinie zur Neuroborreliose konnte daher die entsprechende Empfehlung zur Transparenz von etwaigen Interessenkonflikten noch nicht berücksichtigt werden, gleichwohl ist durch das vom Dachverband AWMF vorgesehene Registrierungsverfahren ein wissenschaftliches Korrektiv bereits damals institutionalisiert gewesen. Die "Kommission Leitlinie der DGN" hatte die Leitlinie korrigiert und der Leitlinie ist außerdem die damals bereits verbreitete Erklärung angefügt, dass die Leitlinie ohne Einflussnahme oder Unterstützung durch die Industrie entstanden ist. Demgegenüber sind die Leitlinien der Deutschen Borreliose Gesellschaft e.V., soweit sie im ausdrücklichen Widerspruch zu den AWMF-Leitlinien stehen, als fachliche Mindermeinung und für den Senat nicht verbindlich anzusehen, und soweit darin zusätzliche, nicht in den AWMF-Leitlinien erwähnte Auffassungen vertreten werden, sind dies noch in der wissenschaftlichen Diskussion stehende fachliche Einschätzungen, die bislang nicht allgemein akzeptiert sind und nicht als derzeit herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung aufgefasst werden können, was PD Dr. R. und Dr. M. dem Senat fachkundig vermittelt haben. Die medizinischen Fachgesellschaften garantieren durch ihre Struktur und das vom Dachverband vorgegebene dargelegte Verfahren ein hohes Maß an wissenschaftlicher Unabhängigkeit und Objektivität, was bei von Spenden abhängigen Organisationen ohne offengelegter wissenschaftlicher Validitätsprüfung und Transparenz etwaiger Interessenskonstellationen, wie der deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V., nicht ohne weiteres unterstellt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 3102 (von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO bzw. BKV) festzustellen ist.
Der 1952 geborene Klägern war nach Ende des Studiums der Forstwirtschaft mit anschließendem Referendariat in der Forstverwaltung Baden-Württembergs bis 1983 wissenschaftlicher Angestellter bei der Universität München. Danach war er als selbstständiger vereidigter Sachverständiger für forstwirtschaftliche Betriebswirtschaft, Waldwertberechnung und forstliche Betriebsplanung, forstliche Bewertungstätigkeiten sowie Wildschadensschätzung tätig.
Wegen eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls am 17.04.1998 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 10.12.1999 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. Als Folgen des Unfalls wurden eine endgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, Kraftlosigkeit des rechten Beins mit Gang- und Standunsicherheit sowie Fußheberschwäche rechts und Gefühlsmissempfindungen im Bereich der Großzehe rechts nach Sturz auf den Rücken mit Bandscheibenvorfall in Form einer richtungsweisenden Verschlimmerung vorbestehender degenerativer Veränderungen anerkannt. Die Entscheidung war gestützt auf das unfallchirurgische Gutachten von Prof. Dr. W. vom 04.01.1999 und das neurologische Gutachten von Prof. Dr ...D. vom 14.01.1999.
Zu den Akten der Beklagten gelangte der Arztbrief des Nervenarztes Dr. S. vom 21.01.1998 mit der beim Kläger gestellten Diagnose einer Lyme-Arthritis. Außerdem erachtete Dr. S. die Aufklärung für erforderlich, ob eine Neuroborreliose vorliege. Der Kläger habe angegeben, während seiner Berufstätigkeit jährlich zwischen 60 und 80 Zeckenbisse erlitten und sich wohl 1983 bei einem Zeckenbiss eine Borreliose zugezogen zu haben.
Die Beklagte trat insoweit ebenfalls ist ein Feststellungsverfahren ein und zog zahlreiche Arztunterlagen bei, darunter auch den Befundbericht von Prof. Dr. K. , Neurologische Universitätsklinik T., vom 04.07.1995. Darin wird anamnestisch von massiven Arthralgien mit Bewegungseinschränkung infolge Zeckenbiss nach Latenzzeit von 2 Tagen berichtet, wobei die Beschwerden am Untersuchungstag am 22.06.1995 bereits wieder abgeklungen gewesen seien. Als Diagnose war angeführt: rezidivierende Borrelieninfektionen mit Erythemata chronica migrantes, zuletzt 05/1994, negative Borrelien-Serologie 09/1994.
Die Beklagte holte von PD Dr. H., Facharzt für Allgemeinmedizin, das Gutachten vom 26.11.1998 ein, das u.a. auch auf die molekulargenetische Untersuchung auf Borrelien-DNA durch Prof. Dr. H. (Bericht von Prof. Dr. H. vom 11.11.1998: kein Nachweis von Borrelien-DNA im Urin) gestützt war. Danach habe die eigene und die aktenkundige Borreliose-Serologie ein relativ einheitliches Bild ergeben. Es finde sich ein grenzwertiges IgG (Immunglobulin der Klasse G - Gammaglobulin, vgl. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online) und im Westernblot (Verfahren zum differentiellen Nachweis bestimmter Proteine oder Antikörper, vgl. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online) lediglich unspezifische Banden. Nach der übereinstimmenden Auffassung in der Weltliteratur seien für die Annahme einer Borrelien-Infektion mindestens zwei der hochspezifischen Banden nachzuweisen. Für eine chronische Borreliose hätte das Bandenmuster im Westernblot deutlich ausgeprägter vorliegen müssen. Zu diskutieren sei allenfalls, dass eine mit den verwendeten Testverfahren nicht zu diagnostizierende Borrelienart vorliege, was beim derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aber wenig wahrscheinlich sei. Die differentialdiagnostisch gesicherten Chlamydienantikörper belegten eine chronische Chlamydieninfektion, die ähnliche Symptome wie eine chronische Borreliose verursachen könne. Eine Übertragung durch Zecken sei bei Chlamydien jedoch nicht gegeben.
Der staatliche Gewerbearzt Dr. H. stimmte dem Gutachten von Dr. H. zu (Gewerbeärztliche Stellungnahme vom 07.01.1999), worauf die Beklagte mit Bescheid vom 20.01.1999 feststellte, dass eine BK Nr. 3102 nicht vorliege, und Entschädigungsleistungen ablehnte. Eine chronische Borreliose könne mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers vom 17.02.1999 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.1999 zurückgewiesen.
In der hiergegen am 19.05.1999 vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage unter dem Aktenzeichen S 6 U 1297/99 wurde mit Beschluss vom 24.11.1999 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Seinen Ruhensantrag hatte der Kläger damit begründet, dass er die angefragten Ergebnisse amerikanischer Institute zur dortigen Borrelienforschung abwarten wolle.
Am 03.03.2008 rief der Kläger das Verfahren wieder an unter Vorlage des Arztbriefes von Dr. S. vom 17.05.2001 (Diagnosen u.a.: Z.n Neuroborreliose, Z.n. Massenvorfall L4/5 rechts ca. 1998, weiter bestehender lumbale radikuläre Restsymptomatik L 5, elektrophysiologische Zeichen einer demyelisierenden Polyneuropathie, klinisch kein relevanter Anhalt für Polyneuropathie fassbar), der Laborbefunde des Universitätsklinikums Tübingen vom 16.10.2002 (Borrelien-Serologie: IgM grenzwertig, Westernblot IgG und IGM positiv) und vom 23.11.2006 (im Liquor kein Nachweis von Antikörpern gegen Borrelien), des Arztbriefes von Internist-Rheumatologe Dr. J. vom 07.11.2002 (Diagnosen: V.a. chronische Borreliose, V.a. sekundäres Fibromyalgie-Syndrom, Z.n. Bandscheibendekompression L5/L6 rechts), des Arztbriefes von Neurologe/Psychiater, Dr. Dipl.-Psychologe Z. vom 19.10.2006 (Diagnose: vorwiegend demyelinisierendes und mäßig auch axonal konfiguriertes polyneuropathisches Syndrom unklarer Ätiologie, differenzialdiagnostisch Neuroborreliose), Arztbriefe der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen vom 29.11.2006 (Fußheberschwäche rechts bei unspezifischen Liquorbefunden) und vom 09.01.2008 (Diagnose: demyelinisierende Neuropathie bei positiver Borrelienserologie, aber Borrelien-Antikörper IGM/IgG im Liquor nicht nachweisbar, Liquor mit geringer Schrankenstörung, tendenzielle Befundprogredienz; persistierende motorische Ausfälle/Fußheberparese rechts nach Bandscheibenvorfall LWK 5/6, enger lumbaler Spinalkanal), der Arztbriefe des praktischen Arztes Dr. N. der Praxisklinik für zeckenübertragene Erkrankungen, Borreliose Centrum Augsburg, vom 12.12.2007 (aufgrund der Vorgeschichte, des klinischen Erscheinungsbildes sowie der Untersuchungsbefunde bestehe die Überzeugung, dass eine chronische Verlaufsform der Borreliose bei Coinfektionen durch Chlamydien und Yersinien vorliege) und vom 26.02.2008 (nach Klinik und Laboruntersuchung chronische Verlaufsform einer Borreliose). Außerdem reichte der Kläger weitere zahlreiche Arztunterlagen zu den Akten, darunter auch die Berichte der Fachärzte für Laboratoriumsmedizin Dr. N., Borreliose Centrum Augsburg, vom 14.12.2008 (bestehende Besserungstendenz im Hinblick auf Borreliose, weiterhin Behandlungsbedürftigkeit bei starker Chlamydieninfektion) und Dr. S., Borreliose Centrum Augsburg, vom 04.09.2009 (in der zeitlichen Kinetik der chronischen zellulären Immunreaktionen ergebe sich mehrfach der Hinweis auf eine chronisch-aktive Borrelieninfektion, nebenbefundlich Hinweise auf eine aktuelle humoral und zelluläre Immunantwort gegenüber Chlamydia pneumoniae).
In dem vom SG eingeholten Gutachten von Prof. Dr. R., Facharzt für Orthopädie, Chirurgie, Unfallchirurgie, Borreliose Centrum Augsburg, vom 24.07.2009 – Eingang bei Gericht am 02.02.2010 –, kam dieser zu dem Ergebnis, beim Kläger liege eine chronische aktive Borrelieninfektion mit rezidivierenden Gelenksentzündungen, eine demyelinisierende Neuropathie mit tendenzieller Progredienz sowie eine persistierende Fußheberparese nach Bandscheibenvorfall und Operation 04/1998 vor. Die Neuropathie sei keine Folge der Borrelieninfektion. Eine Übertragung von Chlamydien durch eine Zecke sei wissenschaftlich bisher nicht belegt, weshalb ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dieser Infektion nicht wahrscheinlich sei. Die dargestellten Krankheitserscheinungen und Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers seien durch ihren schubhaften Verlauf und ihre hauptsächlichen Manifestationsorte nicht typisch für solche Infektionen. Die borrelieninfektionsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 25 v.H.
Vorgelegt wurde die laborärztlichen Stellungnahme zu Laborbefunden hinsichtlich der Borrelien-Diagnostik von Dr. S. vom 01.12.2009, der aufgrund des am 23.11.2009 erhobenen Laborbefundes eine chronisch-aktive Borrelien-Infektion im Stadium III sowie eine aktuell aktive Infektion mit Chlamydia pneumoniae/trachomatis diagnostizierte.
Die Beklagte wandte gegen das Gutachten von Prof. Dr. R. ein, die positive Testungen beträfen den Zeitraum nach Erlass der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen. Soweit beim Kläger jedoch eine beruflich bedingte Borreliose nun vorzuliegen scheine, sei durch ein weiteres Fachgutachten der Zeitraum des Entstehens bzw. des Beginns des chronischen Stadiums der Erkrankung aufzuklären, ebenso sei die von Prof. Dr. R. angenommene MdE von 25 v.H. zu hoch angesetzt. Insoweit sei abzuklären, inwieweit die vorgetragenen Beschwerden durch die Borreliose bedingt seien bzw. teilweise durch die Chlamydieninfektion und teils polyneuropathisch bedingt seien. Nachdem das gerichtliche Verfahren über 10 Jahre geruht habe, biete sie an, beim Kläger eine erneute Begutachtung durchführen zu lassen (Schriftsatz der Beklagten vom 28.04.2010).
Auf Vorschlag des Klägers (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 16.11.2010) holte die Beklagte das fachinternistische Gutachten von PD Dr. B. vom 26.09.2011 ein. Dieser diagnostizierte beim Kläger eine chronische Lyme-Borreliose und chronische Lyme-Neuroborreliose, eine Fußheber- und Fußsenkerparese beidseits infolge Neuroradikulitis bei Lyme-Neuroborreliose und eine Polyneuropathie. Die Lyme-Borreliose und chronische Lyme-Neuroborreliose ergebe sich aus den Umständen des hohen Infektionsrisikos, der sehr großen Zahl von Zeckenstichen bei wiederholt aufgetretenen Wanderröten (Erythemata migrantia). Wiederholt auftretende Wanderröten seien für die Krankheit einer Lyme-Borreliose beweisend. Das Erythema migrans sei erstmalig 1992 dokumentiert, ab diesem Zeitpunkt sei die Lyme-Borreliose nachgewiesen. Zahlreiche Krankheitserscheinungen des Klägers seien auf diese Erkrankung zurückzuführen, insbesondere die Fußheber- und Fußsenkerlähmung und die Polyneuropathie. Sie könnten einer Bandscheibenerkrankung bei L5/6 nicht zugeordnet werden. Eine Chlamydien-Infektion spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Sämtliche beim Kläger aufgetretenen Symptome könnten auf die Borrelieninfektion, nicht dagegen auf eine Chlamydieninfektion bezogen werden. Da zudem die neurologische Störung der Fußheber und -Senkerlähmung infolge Nervenwurzelerkrankung, der Neuroradikulitis, im Vordergrund stehe, könne ein möglicher Zusammenhang mit Chlamydien vernachlässigt werden.
Die Beklagte legte die beratungsfachärztliche Stellungnahme von PD Dr. R., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Neuroradiologie, vom 09.12.2011 mit Ergänzung vom 15.01.2012 vor. Danach könne beim Kläger aufgrund der vielfältigen serologischen Untersuchungen zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass es mehrfach zu einer Borrelieninfektion gekommen sei. Auch die Voraussetzungen für eine Spätmanifestation einer Borrelieninfektion sei wegen der durchgehend nachweisbaren Borrelien-IgG-Antikörper im Serum gegeben. Nach den sowohl von der Deutschen wie der Europäischen Gesellschaft für Neurologie entwickelten Leitlinien sei vorliegend eine Neuroborreliose allenfalls möglich, eine gesicherte Neuroborreliose könne jedoch nicht angenommen werden. Selbst die Kriterien für eine "wahrscheinliche" Neuroborreliose seien nach den Leitlinien nicht voll erfüllt. Das hierzu erforderliche "entzündliche Liquor-Syndrom mit lymphozytärer Pleozytose" und eine "intrathekale Immunglobulin-Synthese" seien bei der entsprechenden Liquor-Untersuchung 2008 nicht festgestellt worden. Dagegen bestehe zweifellos eine, wenn auch geringe "Blut-Liquor- Schrankenstörung", die als unspezifischer Befund nicht mit hinreichendem Wahrscheinlichkeitsgrad einen ursächlichen Zusammenhang der Polyneuropathie mit der Borrelieninfektion ergebe. In den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Neurologie werde auf eine Polyneuropathie-Unterform mit Liquor-Veränderungen verwiesen, die aber für die Anerkennung eines Zusammenhangs neben der klinischen Diagnose einer Polyneuropathie und positiver Antikörper im Serum auch die klinische Diagnose einer Hauterkrankung, Acrodermatitis chronica atrophicans, fordere. In sämtlichen vorliegenden ärztlichen Berichten fänden sich hierfür jedoch keine Hinweise. Eine Neuroborreliose sei nicht gesichert. Die ärztlich dokumentierte Symptomatik spreche mehr gegen als für einen Zusammenhang der Polyneuropathie mit einer Borrelieninfektion. Außerdem verwies die Beklagte auf die vorgelegte Stellungnahme der Internistin/Arbeitsmedizinern Heitkamp vom 06.02.2012, wonach die von Dr. B. berücksichtigten Labortests und medizinische Auffassungen nicht in die Leitlinien der neurologischen Fachgesellschaften aufgenommen worden seien bzw. diesen, insbesondere der Labortest LTT, der darin als ungeeignet genannt werde, widersprächen.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.05.2012 widersprach Dr. B. der Einschätzung von PD Dr. R., dass in bis zu einem Drittel der Polyneuropathie-Fälle eine Ursache nicht auffindbar sei. Dies sei literarisch nicht belegt. Die Kriterien der Neuroborreliose in den genannten Leitlinien beziehe sich ausschließlich auf die akute Lyme-Neuroborreliose nicht auf das beim Kläger diagnostizierte chronische Bannwarth-Syndrom, bei dem nur in 5 % der Fälle überhaupt eine Liquorveränderung vorliege. Die Forderung der Europäischen Gesellschaft für Neurologie, dass bei fehlenden Liquorveränderungen eine Akrodermatitis chronica atrophicans zur Bejahung des Zusammenhangs einer Polyneuropathie und einer Lyme-Borreliose vorliegen müsse, sei nicht gerechtfertigt, denn in der Literatur werde eine Polyneuropathie bei chronischer Lyme-Borreliose auch ohne die Hauterkrankung beschrieben.
In der hierzu von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme von PD Dr. R. vom 06.08.2012 hielt dieser an seiner Auffassung fest. Beim Bannwarth-Syndrom handele es sich um eine akute Meningo-Polyradikuloneuritis, die beim Kläger insbesondere durch die Liquoruntersuchung 2006 in Tübingen ausgeschlossen worden sei. Die von Dr. B. zur Begründung herangezogene Albuminerhöhung als Hinweis auf eine Schrankenstörung lasse keine beweisenden Schlüsse zu.
In der mündlichen Verhandlung am 20.06.2013 erklärte die Beklagte, es könne allenfalls eine folgenlos ausgeheilte Borrelieninfektion als Berufskrankheit anerkannt werden. Der Kläger verfolgte ausdrücklich die Anerkennung der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen einer chronischen Lyme-Borreliose sowie chronischen Lyme-Neuroborreliose als BK Nr. 3102 fort.
Mit Urteil vom 20.06.2013 wies das SG die Klage ab. Es sei davon auszugehen, dass die zahlreichen, teilweise unbemerkten Zeckenstiche während der beruflichen Tätigkeit mit einem erhöhten Risiko einher gegangen seien, an einer Borreliose zu erkranken. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit lägen vor. Dagegen seien die medizinischen Voraussetzungen nicht nachgewiesen. Es sei zwar möglich, jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die chronischen Erkrankungen des Klägers Folgen der beruflichen Infektion mit dem Erregern Borrelia burgdorferi seien.
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 09.08.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger beim SG am 20.08.2013 Berufung eingelegt und macht geltend, entgegen der Auffassung des SG lägen die medizinischen Voraussetzungen vor. Nach den vorgelegten Leitlinien der Deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V. (Auflage Januar 2011) seien die auch vom SG als unspezifische Symptome bezeichneten Beschwerden, wie Müdigkeit, Erschöpfung, Nacken- und Kopfschmerzen, Herzrhythmusstörungen, wiederkehrende Gelenkschmerzen, leichte Temperatur sowie Schwitzen ohne körperliche Anstrengung eindeutige und krankheitsverdächtige Symptome der chronischen Borreliose. Obwohl im angefochtenen Urteil der Nachweis von Borrelien-Infektionen festgestellt werde, verneine das Gericht einen Ursachenzusammenhang zwischen den Infektionen und der Polyneuropathie des Klägers, was nach den Leitlinien der Deutschen Borreliose-Gesellschaft jedoch einen Zusammenhang im Rahmen der dort aufgeführten neurologischen Symptome zulasse. Das SG unterscheide auch nicht hinreichend zwischen der von Dr. B. diagnostizierten Lyme-Borreliose und der Lyme-Neuroborreliose. Das SG beziehe sich auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und bewerte ohne nähere Begründung dies als wissenschaftlichen Konsens in der Neurologie bzw. als herrschenden Stand der medizinischen Wissenschaft. Die Leitlinien der Neurologischen Gesellschaft seien aber unvollständig und die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) seien nach Eigeneinschätzung ausweislich ihres Vorworts für die Ärzte nicht bindend und habe daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung. Es handle sich lediglich um Handlungsempfehlungen. Die Aufnahmekriterien für die aus 163 wissenschaftlichen Fachgesellschaften bestehende AWMF setze keine in der Fachliteratur dokumentierten Erkenntnisse der Mitglieder voraus, demzufolge könnten auch die Erfahrungen einer Hildegard von Bingen oder des Pfarrer K. als Leitlinie aufgefasst werden. Eine Leitlinie sei nur verwertbar, wenn es eine sogenannte AWMF S3-Leitlinie sei. Die Erfahrungen zum Krankheitsbild der gesamten Borreliose können bei den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Neurologie nicht gegeben sein, da die dort zusammengeschlossenen Mediziner die Fächer Infektiologie und Klinische Pharmakologie nicht abdeckten. Demgegenüber setzte sich die Deutsche Borreliose-Gesellschaft e.V. aktuell aus 24 Experten unterschiedlicher Fachrichtungen aus Deutschland zusammen. Soweit seitens der Beklagten eingeräumt werde, dass es sich bei der Leitlinie der Deutschen Borreliose Gesellschaft e.V. um eine S1-Leitlinie, also eine Expertenmeinung, handele und die Leitlinie der Deutschen Neurologischen Gesellschaft ebenfalls eine S1 Leitlinie sei, erschließe sich bereits aus dieser Definition nicht, weshalb den Leitlinien der Deutschen Neurologischen Gesellschafter Vorzug zu geben sei. Beim Kläger liege ein borreliosespezifisches Krankheitsbild vor, denn in der neurologischen Symptomatik könnten bei einer chronischen Borreliose die typischen Liquorbefunde viel diskreter sein oder gänzlich fehlen, was ein mikrobiologisches Gutachten beweisen könne. Nach Dr. B sei ein bloßer Schub bei chronischer Lyme-Borreliose anamnestisch nicht nachvollziehbar, weshalb eine chronische Lyme-Neuroborreliose vorliege, die sich in einer Polyneuropathie äußere. Die aufgetretene Fußheberschwäche sei durch die Polyneuropathie nicht zu erklären, weshalb die Nervenwurzelentzündungen mitbeweisend für eine chronische und sich im Spätstadium befindliche Lyme-Borreliose sei. Diese lägen in der Regel auch ohne Veränderungen im Liquor vor. Auf das Vorliegen einer Hauterkrankung komme es nicht an, als Beweis sei ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Die von Dr. B vorgenommene Differenzialdiagnostik zum Ausschluss anderer Entstehungsursachen sei überzeugend und nachvollziehbar. Darauf gehe das Sozialgericht nicht ein. Der Sachverhalt bedürfe einer weiteren medizinischen Aufklärung. Zuletzt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23.04.2015 beantragt, von Dr. B., Facharzt für Neurochirurgie, ein Gutachten einzuholen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.06.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 20.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.04.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine chronische Lyme- Borreliose und eine chronische Lyme-Neuroborreliose als Berufskrankheit nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur BKV und eine Polyneuropathie und Fußheberschwäche beidseits als Folge dieser Berufskrankheit festzustellen, hilfsweise ein Gutachten von Dr. Bennefeld einzuholen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass die Leitlinien der Deutschen Neurologischen Gesellschaft als S1-Leitlinie erarbeitet worden seien, bei der wissenschaftlichen Dachgesellschaft angemeldet sei und unter Einbeziehung von 7 Fachgesellschaften aktuell als S3-Leitlinie überarbeitet werde. Die bei der AWMF gelisteten Leitlinien seien die offiziellen Leitlinien von Deutschland und allgemein anerkannt, dagegen die Leitlinie der Deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V. nicht. Mit dem Gutachten von Dr. B sei das Vorliegen einer Neuroborreliose, chronischen Lyme-Borreliose und damit ein Zusammenhang der Polyneuropathie nicht ausreichend gesichert. Dr. B habe Feststellungen auf neurologischem Fachgebiet getroffen, die bei weitem die Fachgrenzen der inneren Medizin überschritten. Im Übrigen sei das vorliegende Krankheitsbild einer progredienten distal-symmetrischen sensomotorischen Polyneuropathie von gemischt axonal-demyelinisierendem Schädigungstyp mit Beteiligung von Armen und Beinen bis jetzt ursächlich nicht geklärt. Die Beklagte verweist auf die vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahme von Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 21.06.2014, die sie zum Gegenstand ihres Vorbringens mache.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten (7 Bände) und die Akten des Sozialgerichts beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Erkrankung als Berufskrankheit bzw. als BK-Folgen.
Im vorliegenden Fall sind noch die bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden, da sich das als Versicherungsfall geltend gemachte Ereignis, hier der Versicherungsfall der Berufskrankheit mit Einwirkung durch Zeckenstich ab 1983 und behaupteter Erkrankung ab Sommer 1992, bereits vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01. Januar 1997 1992 ereignet haben soll (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII), auch soweit nach diesem Zeitpunkt ggf. festzustellende Leistungen geltend gemacht werden sollten. Aus demselben Grund sind auch nicht die zum 01.12.1997 in Kraft getretenen Vorschriften der Berufskrankheitenverordnung vom 31.10.1997 (BKV - BGBl. I S. 2623 -) anzuwenden, die aufgrund des SGB VII erlassen worden ist, sondern die Regelungen der Berufskrankheitenverordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 18.12.1992 (BKVO). Im Übrigen ergibt sich für die Frage, ob der Versicherungsfall einer Berufskrankheit nach Nr. 3102 vorliegt, auch durch die ab 01. Januar 1997 geltenden Bestimmungen des SGB VII keine andere Bewertung als nach den zuvor geltenden Bestimmungen der RVO, da die Voraussetzungen für die Bejahung von Versicherungsschutz mit der Rechtsänderung insoweit keine Änderung erfahren haben, denn die Tatbestandsvoraussetzungen der BK Nr. 3102 der BKVO sind identisch mit denjenigen der BKV.
Als Arbeitsunfall galt gemäß § 551 Abs. 1 RVO auch eine BK. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Dabei war die Bundesregierung ermächtigt, solche Krankheiten als BK zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO). Auf der Grundlage dieser Ermächtigungsgrundlage war nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur BKVO (in der Fassung der Änderungsverordnung vom 18.12.1992, gleichlautend Nr. 3102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997 - BKV) als Berufskrankheit geregelt: von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - , veröffentlicht in juris). Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den Berufskrankheitenfolgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der Berufskrankheit keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Nach diesen Maßstäben ist eine BK Nr. 3102 für die im Antrag des Klägers erfassten Gesundheitsstörungen nicht festzustellen. Der Senat hatte nicht darüber zu entscheiden, ob bereits mit der Borrelieninfektion der Versicherungsfall der BK Nr. 3102 eingetreten ist, denn der anwaltlich vertretene Kläger begehrt die BK-Feststellung ausdrücklich für die aus seiner Sicht bei ihm hinreichend sicher diagnostizierten Lyme-Borreliose und Lyme-Neuroborreliose im Sinne einer chronischen Erkrankung als haftungsbegründende Erst-Erkrankung. Die Polyneuropathie und die Fußheberschwäche sind ausdrücklich als BK-Folgen im Rahmen der haftungsausfüllende Kausalität zur Feststellung beantragt.
Ausgehend von diesem Klagebegehren ist auch nicht entscheidungserheblich, durch welchen konkreten Infektionsvorgang diese vom Kläger geltend gemachten Erkrankungen entstanden sein sollen. Der Nachweis von Borrelien-Antikörpern schließt jeweilige Neuinfektionen trotz vorausgegangenen durchgeführten Antibiotikumstherapien nicht aus, wie sich der Stellungnahme von PD Dr. R. entnehmen lässt und was in den von PD Dr. R. vorgelegten Leitlinien "Neuroborreliose" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (vgl. Blatt 464ff der SG-Akte, (AWMF-Leitlinien)) auch ausgeführt ist (AWMF-Leitlinien Nr. 5). Gleichwohl liegen nicht mit jeder Neuinfektion jeweils gesonderte neue Versicherungsfälle der geltend gemachten BK vor, denn Streitgegenstand ist die Behauptung des Klägers, eine der seit 1983 erlittenen Infektionen sei nicht ausgeheilt bzw. die Häufung der berufsbedingten Zeckenstiche habe die Chronizität der Erkrankung verursacht. Damit ist aber die von dem Versicherungsfall Berufskrankheit erfasste Einwirkung – anders als das einmalige, konkret zu bezeichnende Unfallereignis beim Arbeitsunfall – vom Senat hinreichend sicher festzustellen. Der streitgegenständliche Bescheid vom Januar 1999/Widerspruchsbescheid vom April 1999 hat sich nicht durch die durchgeführten Antibiotikumstherapien erledigt, wie die Beklagte anfänglich meinte, denn die bereits zu diesem Zeitpunkt geltend gemachte chronische Erkrankung an Lyme-Borreliose bzw. Lyme-Neuroborreliose war mit diesem Bescheid als BK nicht anerkannt worden.
Ebenso wie das SG geht der Senat vom Vorliegen der Einwirkungskausalität aus, denn anhand der beigezogenen Arztunterlagen und des glaubhaften Vortrags des Klägers sind Zeckenstiche mit Erythembildung während seiner beruflichen Tätigkeit nachgewiesen, wie u.a. von Dr. S. im Krankheitsbericht vom 16.09.1997 über die Behandlung des Klägers am 12.10.1996 wegen eines Insektenstich am linken Unterschenkel nach Zeckenstich bei einer Waldbegehung am 08.10.1996 berichtet. Dass bereits zu früheren Zeitpunkten ebenfalls Zeckenstiche mit Erythembildung aufgetreten sind, hält der Senat ebenso für glaubhaft.
Dagegen ist auch zur Überzeugung des Senats die haftungsbegründende Kausalität für die geltend gemachte Lyme- Borreliose und Lyme-Neuroborreliose nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben.
Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58 m.w.N.; vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9 RdNr. 26.2). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).
Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes gerade auf Gebieten, die in der Entwicklung begriffen sind, kann schwierig sein. Ausgangsbasis sind neben Fachbüchern und Standardwerken, deren Aktualität vom Sachverständigen den Gerichten zu vermitteln ist, außerdem, soweit sie vorliegen und einschlägig sind, die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) als Ausdruck des gegenwärtigen herrschenden wissenschaftlichen Forschungsstandes (vgl. BSG Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R – juris Rn. 17, Rn. 26 zu psychischen Erkrankungen, =SozR 4-2700 § 8 Nr. 17= BSGE 96, 196-209). Nach insoweit gefestigter Rechtsprechung bedarf es entgegen der Auffassung des Klägers einer sachkundigen Aufklärung zur Qualität der registrierten Leitlinien nicht.
Ein die BK nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur BKVO/BKV begründender Zusammenhang der vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen ist nach der derzeitigen herrschenden wissenschaftlichen Auffassung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu belegen.
Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend in Auswertung der gutachterlichen Äußerungen von Dr. H.r, Prof. Dr. R. und PD Dr. R. einen hinreichend wahrscheinlichen Zusammenhang der vom Kläger geltend gemachten Beschwerden mit einer Borrelien-Infektion verneint. Das Krankheitsbild einer ohne Nervenbeteiligung anzunehmenden chronischen Lyme-Borreliose oder das einer Lyme-Neuroborreliose ist nach den Ausführungen des SG medizinisch nicht gesichert. Der Senat kommt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis, weshalb auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (Seite 11 bis 16) verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen gibt keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist im angefochtenen Urteil des SG auch hinreichend zwischen einer Lyme-Borreliose und einer Lyme-Neuroborreliose, die die Beteiligung des peripheren oder zentralen Nervensystems voraussetzt, unterschieden worden. Nach einer Borrelieninfektion treten bei 80-90 % der Betroffenen als lokales Symptom ein Erythema migrans (Wanderröte) und gelegentlich nach wenigen Tagen bis Wochen allgemeine Symptome wie Krankheitsgefühl, Arthralgien, Myalgien, subfebrile Temperaturen und Nachtschweiß auf (Stadium 1) und Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich kann es zu einer disseminierten Infektion, die überwiegend das Nervensystem, die Gelenke und das Herz betrifft, kommen (Stadium 2). Diese Stadien werden in wenigen Fällen nacheinander durchlaufen und bei häufig unbekanntem Infektionszeitpunkt kommt der Einteilung aus klinischer Sicht nur bedingte Bedeutung zu (vgl. AWMF-Leitlinie Nr. 3).
Soweit die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden, wie Arthralgien, Müdigkeit, Erschöpfung, Nacken- und Kopfschmerzen usw., im angefochtenen Urteil als unspezifische Symptome bezeichnet, nach Zeckenstich und wahrgenommener Wanderröte aufgetreten sind, wäre damit die Symptomatik einer Borreliose im Stadium 1 vorhanden gewesen, die aber in der Vergangenheit in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Zeckenstich zur Verabreichung von Antibiotikum geführt hatte. Soweit auch ohne erneute Infektion und nach Antibiotikumsgabe diese Symptomatik angehalten hat, was der Kläger geltend macht, ist ein Zusammenhang mit der Borrelieninfektion auch zur Überzeugung des Senats nicht im Sinne einer Lyme-Borreliose mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit belegt. Der positive Nachweis borrelienspezifischer IgM- und/oder IgG-Antikörper weist keine aktive Infektion mit Borrelia Burgdorfen nach, sondern belegt lediglich, dass eine Infektion stattgefunden hatte, wie PD Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 09.12.2011 sinngemäß unter Bezugnahme auf die AWMF-Leitlinien (vgl. dort Nr. 4) ausführt. IgG-Banden im Liquor und eine intrathekale borrelien-spezifische Antikörperproduktion können noch Jahre nach der Antibiotikatherapie nachweisbar sein und gelten nicht als Parameter für eine aktive, behandlungsbedürftige Erkrankung. Der Nachweis von unverändert erhöhtem Serum-Antikörper-Titern nach Antibiotikatherapie belegt nicht eine persistierende Infektion (AWMF-Leitlinie Nr. 5). Auch ein positiver Erregernachweis durch hinreichend valide Laborbefunde zu Borrelien-DNA im Zusammenhang mit den geltend gemachten fortbestehenden unspezifischen Beschwerden ist nicht geführt. Im Gutachten von PD Dr. B vom 26.09.2011 wird der Erregernachweis mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) oder durch Kultur als ausreichender Beweis für eine Lyme-Borreliose bezeichnet, insoweit übereinstimmend mit der AWMF-Leitlinie (vgl. dort Nr. 4). Ein solcher Befund ist aber auch in seinem umfangreichen fachinternistischen Gutachten nicht angeführt. PD Dr. B verweist darauf, dass wegen der geringen Sensitivität die Untersuchungen zum Erregernachweis nicht zur Routinediagnostik gehörten. Dagegen spricht nach PD Dr. R. vielmehr die Tatsache, dass trotz mehrfacher und leitliniengerechter Therapie keine Rückbildung der Beschwerden, insbesondere auch der diagnostizierten peripheren Nervenerkrankung, hat erzielt werden können, gegen den Zusammenhang mit einer Borrelieninfektion (Stellungnahme vom 09.12.2011, Seite 7). Dies ist auch für den Senat überzeugend, denn diese gutachterliche Einschätzung steht im Einklang mit den AWMF-Leitlinien. Im dortigen Kapitel: "Post-Lyme-Disease-Syndrome und chronische unspezifische Beschwerden, assoziiert mit positiver Borrelien-Serologie" wird in der zu keinem nachhaltigem Beschwerderückgang führenden probatorischen Antibiotikabehandlung ein Indiz gesehen, das gegen das Vorliegen einer chronischen Lyme-Borreliose spricht (vgl. dort Nr. 3.1). Hinzu kommt, dass vorliegend auch Infektionen durch Chlamydien und Yersinien laborchemisch nachgewiesen sind, wobei nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. Hassler vergleichbare Beschwerden der Borreliose Stadium 1 auch bei einer Chlamydieninfektion auftreten können und eine Übertragung der Chlamydien durch Zecken nicht gegeben ist. Darauf hatte bereits das SG ebenfalls verwiesen.
Hiervon ausgehend ist auch eine chronische Lyme-Neuroborreliose nicht hinreichend wahrscheinlich, was das SG im angefochtenen Urteil ebenfalls mit zutreffender Begründung ausgeführt hat. Auch zur Überzeugung des Senats führt PD Dr. R. nachvollziehbar aus, dass eine "gesicherte" Neuroborreliose und selbst eine "wahrscheinliche" Neuroborreliose nach den AWMF-Leitlinien nicht zu begründen ist. In der Liquoruntersuchung im Jahr 2008 konnten die hierfür erforderlichen Kriterien eines "entzündlichen Liquor-Syndroms mit lymphozytärer Pleozytose" und eine "intrathekale Immunglobulin-Synthese" nicht diagnostiziert werden. Die lediglich aufgefallene geringe "Blut-Liquor-Schrankenstörung" ist als unspezifischer Befund nicht geeignet einen Zusammenhang der Polyneuropathie mit einer Borrelieninfektion zu begründen. Ein gutachterlicher Nachweis, den der Kläger in seiner Berufungsbegründung angeregt hat, darüber, dass im Verlauf einer chronischen Borreliose typische Liquorbefunde sehr viel diskreter sein bzw. gänzlich fehlen können, ist nicht entscheidungserheblich, denn der Nachweis einer positiven medizinischen Anknüpfungstatsache für eine Neuroborreliose ist damit nicht zu führen. Für eine klinisch gesicherte Diagnose einer Akrodermatitis chronica atrophicans finden sich in den zahlreichen zu den Akten gelangten Arztbefunden keinerlei Hinweise, sodass selbst die in Betracht kommende Unterform einer Polyneuropathie, bei der die üblichen Kriterien einer Neuroborreliose nicht zwingend vorliegen müssten, nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann. Diese Bewertung von PD Dr. R. ist auch für den Senat überzeugend, denn sie steht im Einklang mit den AWMF-Leitlinien. Soweit der Kläger rügt, auf das zusätzliche Vorliegen einer Hauterkrankung, die von der Beklagten auch nicht näher konkretisiert sei, komme es nicht an, verkennt er, dass die mit konkreter Diagnosebezeichnung benannte Hauterkrankung nur als zusätzliches Erfordernis einer neuroborreliosebedingten Polyneuropathie-Unterform verlangt wird. Seiner hierauf bezogenen Beweisanregung in der Berufungsbegründungsschrift vom 25.04.2014 musste der Senat nicht nachkommen, denn die Notwendigkeit eines dermatologischen oder sonstigen, vom Kläger schon nicht näher bezeichneten medizinischen Sachverständigengutachtens zur Klärung der von ihm unter Beweis gestellten Frage drängte sich dem Senat nicht auf. Es kann als wahr unterstellt werden, dass für die Diagnose einer Neuroborreliose eine Hauterkrankung nicht vorliegen muss.
Damit scheidet auch die im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität gesondert geltend gemachte Feststellung der diagnostizierten Polyneuropathie und Fußheberschwäche beidseits als BK-Folgen aus. Das SG hat auch insoweit die Klage zutreffend als unbegründet abgewiesen, worauf der Senat verweist.
Es kommt als Konkurrenzursache für die beschriebene Polyneuropathie und/oder der Fußheberschwäche zunächst die diagnostizierte Wurzelkompression bei LWK 5/6 als ebenso gute Möglichkeit in Betracht. Nach den überzeugenden Darlegungen im unfallchirurgischen Gutachten von Prof. Dr. W. vom 04.01.1999 ist die Polyneuropathie auf die Wurzelkompression bei LWK 5/6 zurückzuführen, was im neurologischen Gutachten von Prof. Dr. D. vom 14.01.1999 bestätigt wurde. Dieser bewertete die Fuß- und Großzehenheberparese rechts als Residuen der Wurzelkompression. Damit übereinstimmend beurteilte auch Prof. Dr. R. in seinem orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten vom 24.07.2009 die Neuropathie mit Missempfindungen an beiden Fußsohlen und Kribbelparästhesien in beiden Füßen und Unterschenkeln und Fußheberschwäche rechts nicht als Folge der von ihm aus anderen Gründen angenommenen Borrelieninfektion. Diese Bewertung wurde auch von behandelnden Ärzten des Klägers geteilt. Im Arztbrief der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen vom 09.01.2008 wird die Fußheberschwäche rechts in Bezug gesetzt zur Bandscheibenoperation am 21.04.1998 wegen des Bandscheibenvorfalls LWK 5/6 mit Wurzelkompression bei L5 und gering auch S1 rechts wie auch ein durchgehend enger lumbaler Spinalkanal angeführt wird. Ebenso wird im Arztbrief des Neurologen-Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. Dipl.-Psychologe Z. vom 23.04.2007 ein progredientes demyelinisierendes, mäßig axonal konfiguriertes polyneuropathisches Syndrom unklarer Ätiologie als Diagnose angegeben, eine Neuroborreliose als unwahrscheinlich eingeschätzt und ein residuales L5-Wurzelirritationssyndrom mit signifikanter Fußheberparese rechts nach Bandscheibenvorfall L5/6 diagnostiziert. Soweit im internistischen Gutachten von Dr. B dies infrage gestellt wird, ist dies angesichts der dargelegten Beurteilungen der Fachärzte in den hierzu sachnäheren Fachgebieten der Unfallchirurgie/Orthopädie und Neurologie für den Senat wenig überzeugend. In der beratungsärztlichen Stellungnahme der Ärztin H. vom 06.02.2012 wird zwar die Symptomatik als medizinisch streitig erörtert, ob sie Folge des Bandscheibenvorfalls ist oder ob zusätzlich noch eine Wurzelreizung im Sinne einer Radikulitis vorliegt. Sie hat dies aber ausdrücklich als allenfalls möglich, aber nicht wahrscheinlich beurteilt. Bei fehlendem Liquorbefund als Hinweis auf eine zerebrale bzw. spinale Manifestation einer Borrelieninfektion ist, worauf PD Dr. R. überzeugend hinweist, die diagnostizierte Polyneuropathie nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die erfolgten Borrelieninfektionen zurückzuführen, zumal nach PD Dr. R. bei einem Drittel aller Polyneuropathie-Fälle eine Ursache nicht auffindbar ist.
Der Senat hat aufgrund der überzeugenden gutachterlichen Ausführungen von Dr. H., Prof. Dr. R. und PD Dr. R. keinen Anlass für weitere medizinische Ermittlungen gesehen. Dem Hilfsbeweisantrag des Klägers auf Einholung eines neurochirurgischen Gutachtens von Dr. B. war nicht stattzugeben. Ein entscheidungsfähiger Beweisantrag ist dem Hilfsbeweisantrag nicht zu entnehmen. Weder ist ein Beweisthema vom Kläger ausdrücklich genannt noch ist für den Senat aus dem Klägervorbringen ersichtlich geworden, welche entscheidungsrelevante medizinische Frage auf neurochirurgischem Gebiet aufklärungsbedürftig wäre. Die aus Klägersicht allenfalls klärungsbedürftige Frage, ob die Krankheitsbilder einer Lyme-Borreliose oder Lyme-Neuroborreliose vorliegen, wäre gegebenenfalls durch ein internistisches oder neurologisches Gutachten zu klären. Ein neurochirurgisches Gutachten wäre jedenfalls zur Klärung dieser Frage auch ein ungeeignetes Beweismittel.
Der Senat sah sich aufgrund der vom Kläger vorgelegten Grundsätze der deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V., die von dieser ebenfalls als Leitlinien bezeichnet werden, weder veranlasst, eine andere Entscheidung zu treffen, noch sah er sich gedrängt, weitere Ermittlungen anzustellen. Der Senat hat seiner Beurteilung die herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung zu Grunde zu legen, die ihm in überzeugender Weise durch die gutachterlichen Stellungnahmen von PD Dr. R., Fachärztin für Innere Medizin/Arbeitsmedizin H. und Dr. M. unter Bezugnahme auf die AWMF-Leitlinien vermittelt worden ist. Der Senat hat sich der oben genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R –, a.a.O.) angeschlossen. Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die beim Dachverband der medizinischen Fachgesellschaften registrierten Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften Ausdruck der derzeitigen herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung sind (vgl. stellvertretend Urteile des Senats vom 27.06.2014 - L 8 U 1065/12 - zur Leitlinie der Kardiologischen Fachgesellschaft, unveröffentlicht; vom 22.08.2014 - L 8 U 3096/13 -, unveröffentlicht, m. H. a. Senatsurteil vom 28.01.2011, - L 8 U 4946/08 - juris Rn. 36, www.sozialgerichtsbarkeit.de jeweils zu Konsensempfehlungen als Leitlinien). Der Dachverband AWMF hat sich ein Regelwerk zur Erstellung von Leitlinien gegeben, das der Sicherstellung der wissenschaftlichen Qualität, Objektivität und der Transparenz der Leitlinienentwicklung dient (s. AWMF-Regelwerk Leitlinie mit Kapitel: Leitlinien-Entwicklung und Leitlinien-Register, veröffentlicht auf www.awmf.org/, Seite "AWMF-Regelwerk"). Die methodische Qualität einer S3-Leitlinie ist zwar höher einzuschätzen als die einer S2- oder S1-Leitlinie, was der Senat der Äußerung von Dr. Malzacher entnimmt. Die überwiegende Mehrheit (ca 60 %) aller Leitlinien der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften sind jedoch S1-Leitlinien (vgl. Schott, Lieb, König, Mühlbauer, Niebling, Pachl, Schmutz, Ludwig: Deklaration und Umgang mit Interessenkonflikten in deutschen Leitlinien, Deutsches Ärzteblatt -DtschÄrztebl.- Int 2015, 445 (Heft 26)), die als gelistete Leitlinien der entsprechenden medizinischen Fachgesellschaft den derzeitigen wissenschaftlichen Standard für Diagnostik und Therapie widerspiegeln. Die AWMF hat Empfehlungen zum Umgang mit Interessenkonflikten entwickelt, die im April 2010 veröffentlicht wurden und nach einer neueren Untersuchung der ab den Jahren 2010 bis 2013 herausgegebenen S1-Leitlinien waren in der Mehrzahl aller Leitlinien Interessenkonflikterklärungen abgegeben und somit ein etwaiger Interessenkonflikt transparent gemacht worden (Schott u.a., DtschÄrztebl. a.a.O.). Für die 2002 erstellte und im Oktober 2008 aktualisierte AWMF-Leitlinie zur Neuroborreliose konnte daher die entsprechende Empfehlung zur Transparenz von etwaigen Interessenkonflikten noch nicht berücksichtigt werden, gleichwohl ist durch das vom Dachverband AWMF vorgesehene Registrierungsverfahren ein wissenschaftliches Korrektiv bereits damals institutionalisiert gewesen. Die "Kommission Leitlinie der DGN" hatte die Leitlinie korrigiert und der Leitlinie ist außerdem die damals bereits verbreitete Erklärung angefügt, dass die Leitlinie ohne Einflussnahme oder Unterstützung durch die Industrie entstanden ist. Demgegenüber sind die Leitlinien der Deutschen Borreliose Gesellschaft e.V., soweit sie im ausdrücklichen Widerspruch zu den AWMF-Leitlinien stehen, als fachliche Mindermeinung und für den Senat nicht verbindlich anzusehen, und soweit darin zusätzliche, nicht in den AWMF-Leitlinien erwähnte Auffassungen vertreten werden, sind dies noch in der wissenschaftlichen Diskussion stehende fachliche Einschätzungen, die bislang nicht allgemein akzeptiert sind und nicht als derzeit herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung aufgefasst werden können, was PD Dr. R. und Dr. M. dem Senat fachkundig vermittelt haben. Die medizinischen Fachgesellschaften garantieren durch ihre Struktur und das vom Dachverband vorgegebene dargelegte Verfahren ein hohes Maß an wissenschaftlicher Unabhängigkeit und Objektivität, was bei von Spenden abhängigen Organisationen ohne offengelegter wissenschaftlicher Validitätsprüfung und Transparenz etwaiger Interessenskonstellationen, wie der deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V., nicht ohne weiteres unterstellt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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Aus
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