S 15 KR 73/13

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 15 KR 73/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Führt der Arbeitgeber unter Verkennung von steuerrechtlichen Bestimmungen Sozialversicherungsbeiträge ab, kann nach Klärung der Rechtsfrage durch den BFH dieses Versehen auch für die Vergangenheit berichtigt werden und Beiträge zu erstatten sein.
2. Finanzierungsanteile des Arbeitnehmers am Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers zur kapitalgeckten betrieblichen Altersversorgung sind steuer- und damit beitragsfrei.
3. Zur Beurteilung der Steuerfreiheit iS von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 SvEV kommt es auf die materielle Rechtslage nach dem EStG an.
4.In der SvEV ist kein Grundsatz enthalten, wonach Zuwendungen iS von § 3 Nr. 63 EStG nur dann nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zu zählen seien, wenn diese im Rahmen der Entgeltabrechnung vom Arbeitgeber tatsächlich und rechtlich zulässig steuerfrei behandelt würden bzw. worden seien.
5. Der Beitragserstattung steht nicht der Grundsatz der Unverän-derlichkeit eines bereits "abgewickelten" Versicherungsverhältnisses entgegen.
6. Die Krankenkasse schuldet als Einzugsstelle die überzahlten Beiträge nach den Gemeinsamen Grundsätzen für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge.
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 15.10.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 04.02.2014 verurteilt, Sozialversicherungsbeiträge an die Klägerin zu 1 in Höhe von 709,00 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit 01.01.2012, an die Klägerin zu 2 in Höhe von 447,75 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit 01.08.2011, an die Klägerin zu 3 in Höhe von 204,37 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit 01.08.2011 und an den Kläger zu 4 in Höhe von 147,96 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit 01.08.2011 zu erstatten; im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten des Rechtsstreites der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte tragen die Klägerin zu 1 und die Beklagte zu je ½; im Übrigen erstattet die Beklagte den Klägern zu 2 - 4 deren notwendige außergerichtliche Kosten zu je ½. III. Der Streitwert des Rechtsstreites der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte wird auf 709,00 EUR festgesetzt. IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die Klägerin zu 1, ein im Vereinsregister eingetragener kommunaler Arbeitgeberverband, ist der Landesverband der kommunalen Gebietskörperschaften und Betriebe im Freistaat S. Bei ihr ist u.a. seit 1999 die Klägerin zu 2 als kaufmännische Angestellte beschäftigt; sie war seit April 2007 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Die Klägerin zu 3 ist seit 2005 als Justiziarin bei der Klägerin zu 1 angestellt und bei der Beklagten ebenfalls gesetzlich krankenversichert; sie hat in den Jahren 2007 bis 2009 einen sog. Riester-Vertrag abgeschlossen und für den Zeitraum einen Antrag auf Förderung nach § 10a Einkommenssteuergesetz (EStG) gestellt. Seit 17.06.2009 ist der Kläger zu 4 bei der Klägerin zu 1 als Syndikusanwalt angestellt; er ist als Rechtsanwalt von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert gewesen. Einkommensabhängige Leistungen haben sie alle nicht bezogen. Die Klägerin zu 1 hat zugunsten ihrer Arbeitnehmer – darunter auch den Klägern zu 2 bis 4 - einen Gruppenversicherungsvertrag zur betrieblichen Altersversorgung bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbands (ZVK) S. abgeschlossen; nach Ablauf einer Wartezeit steht dem begünstigten Beschäftigten ein Anspruch auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung gegen die ZVK zu. Nach der zwischen der Klägerin zu 1 und der ZVK abgeschlossenen Beteiligungsvereinbarung iVm § 13 Abs. 1 Satz 1, 16 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der ZVK ist die Klägerin zu 1 alleinige Schuldnerin der Versicherungsbeiträge. Diese betragen u.a. für das kapitalgedeckte System (Abrechnungsverband II) 4 vH des zusatzversorgungspflichtigen Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers. Arbeitsvertraglich wurde zwischen der Klägerin zu 1 und ihren Arbeitnehmern – auch den Klägern zu 2 bis 4 – vereinbart, dass die Arbeitnehmer einen Eigenanteil zu den Versicherungsbeiträgen der Klägerin zu 1 zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersvorsorge (im folgenden: Finanzierungsanteil) zahlen, ab 01.01.2007 in Höhe von 1,1 vH, ab 01.07.2007 in Höhe von 2 vH des zusatzversorgungspflichtigen Arbeitsentgelts (vgl. § 37a des Tarifvertrages über die zusätzliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – Altersvorsorge-TV-Kommunal - ATV-K). Den Finanzierungsanteil der Kläger zu 2 bis 4 behielt die Klägerin zu 1 bei der Gehaltsabrechnung jeweils ein und führte ihn – zusammen mit ihrem Anteil am Gesamtversicherungsbeitrag - an die ZVK ab. Die Klägerin zu 1 berechnete die auf das Arbeitsentgelt zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge und führte an die beklagte Einzugsstelle sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil am Sozialversicherungsbeitrag zur Gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, Sozialen Pflegeversicherung und zur Arbeitsförderung ab. Dabei rechnete sie in das zu verbeitragende Arbeitsentgelt auch die jeweiligen Finanzierungsanteile der Kläger zu 2 bis 4 zu der kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung mit ein.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 09.12.2010 – VI R 57/08 – (BFHE 232, 158, BStBl II 2011, 978) entschieden, dass Finanzierungsanteile der Arbeitnehmer, die in dem Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers an eine Pensionskasse enthalten sind, als Arbeitgeberbeiträge nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei sind; für die Qualifizierung einer Zahlung als Beitrag des Arbeitgebers i.S. des § 3 Nr. 63 EStG sei die versicherungsvertragliche Außenverpflichtung maßgeblich. Es komme dagegen nicht darauf an, wer die Versicherungsbeiträge finanziert, d.h. wer durch sie wirtschaftlich belastet wird. Das Urteil wurde durch das Bundesministerium für Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 28.07.2011 und 25.11.2012 für allgemein anwendbar erklärt.

Die Klägerin zu 1 stellte daraufhin ab 01.01.2011 ihre Abrechnungspraxis um und führte Sozialversicherungsbeiträge ausgehend von einem Arbeitsentgelt ohne Einbeziehung des Finanzierungsanteils der Kläger zu 2 bis 4 zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung ab. Mit Schreiben vom 09.06.2011 stellten die Kläger zu 2 bis 4 bei der Beklagten jeweils einen eigenen Antrag auf Erstattung ihrer Arbeitnehmeranteile am Sozialversicherungsbeitrag für die von ihnen gezahlten Finanzierungsanteile zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung: die Klägerin zu 2 für den Zeitraum von April 2007 bis Dezember 2010, die Klägerin zu 3 für das Jahr 2010 und der Kläger zu 4 für den Zeitraum vom 17.06.2009 bis Ende Dezember 2010.

Die Klägerin zu 1 stellte mit Schreiben vom 03.08.2011 bei der Beklagten ebenfalls einen Antrag auf Erstattung ihrer bis Dezember 2010 entrichteten Arbeitgeberanteile am Sozialversicherungsbeitrag für die von den Klägern zu 2 bis 4 getragenen Finanzierungsanteile zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung.

Die Beklagte bat mit Schreiben vom 29.07.2011 bzw. 09.08.2011 die Antragsteller, eine Entscheidung des Bundesministeriums für Finanzen abzuwarten.

Die Kläger haben am 31.12.2012 beim Sozialgericht Dresden gemeinsam Klage erhoben.

Im laufenden Klageverfahren hat die Beklagte mit Bescheiden vom 15.10.2013 die Erstattungsanträge abgelehnt. Die dagegen am 18.10.2013 bzw. 07.11.2013 erhobenen Widersprüche hat sie mit Widerspruchsbescheiden vom 04.02.2014 zurückgewiesen. Die Erstattung der geleisteten Arbeitnehmer- bzw. Arbeitgeberanteile an der Finanzierung einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung vor dem 01.01.2011 könne nicht erfolgen, weil sie im Rahmen der Entgeltabrechnung vom Arbeitgeber nicht steuerfrei behandelt worden seien.

Nach Ansicht der Kläger liegen die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung vor. Es komme nur darauf an, dass eine materiell-rechtliche Steuerfreiheit gegeben sei, um von einer Beitragsfreiheit auszugehen. Entscheidend sei nicht, ob der Arbeitgeber die Steuerfreiheit im Rahmen seiner Entgeltabrechnung auch tatsächlich angewandt habe. Die weitere Klage auf gesonderte Feststellung der Sozialversicherungspflichtigkeit der Eigenanteile sei der für Beitragsrückerstattung vorgreiflich. Die Zwischenfeststellungsklage sei bei Klagen zur Beitragshöhe unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG vom 09.10.1984 (– 12 RK 18/83 = NJW 1985, 2215) statthaft.

Die Kläger beantragen:

I. Es wird festgestellt, dass die von den Klägern zu 2 - 4 getragenen, der Klägerin zu 1 zur Finanzierung einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung bei der Zusatzversorgungskasse im Kommunalen Versorgungsverband Sachsen belassenen Entgelte bis zur Höhe von insgesamt jährlich vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung kein: (hilfsweise: teilweise kein) sozialversicherungspflichtiges Entgelt sind, solange die Kläger von 2 - 4 jeweils keine Förderung nach § 3 Nr. 63 Satz 2 Einkommensteuergesetz in Anspruch nehmen. II. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2014 verurteilt, an die Klägerin zu 1 einen Betrag in Höhe von 709,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % ab dem 01.01.2012 zu zahlen. III. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2014 verurteilt, an die Klägerin zu 2 einen Betrag in Höhe von 447,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % ab dem 01.08.2011 zu zahlen. IV. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2014 verurteilt, an die Klägerin zu 3 einen Betrag in Höhe von 204,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % ab dem 01.08.2011 zu zahlen. V. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2014 verurteilt, an den Kläger zu 4 einen Betrag in Höhe von 147,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % ab dem 01.08.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

I. die Klagen abzuweisen, II. die Sprungrevision, hilfsweise Berufung zuzulassen.

Nach ihrer Meinung komme unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 09.11.2012, das Besprechungsergebnis des GKV-Spitzenverbandes vom 14./15.11.1012 sowie das Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes vom 29.05.2013 eine Erstattung der auf die Eigenbeiträge des Arbeitnehmers entfallenden Sozialversicherungsbeiträge nur dann in Betracht, wenn die Eigenbeiträge des Arbeitnehmers nach § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG im Rahmen der Entgeltabrechnung durch den Arbeitgeber auch steuerfrei behandelt worden seien. Eine Beitragserstattung scheide hingegen aus, wenn die Steuerfreiheit nicht (mehr) im Rahmen der Entgeltabrechnung des Arbeitgebers, sondern vom Arbeitnehmer nachträglich bei seiner Einkommenssteuerveranlagung geltend gemacht werde. Dies ergebe sich aus dem der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt - Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) innewohnenden Grundsatz, Einnahmen, Zuwendungen oder Leistungen seien nur dann nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zu zählen, wenn diese im Rahmen der Entgeltabrechnung vom Arbeitgeber tatsächlich und rechtlich zulässig steuerfrei behandelt würden bzw. worden seien.

Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Den Anfechtungs- und Leistungsklagen auf Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen ist vollumfänglich stattzugeben; im Übrigen ist die Feststellungsklage als unzulässig abzuweisen.

Die Klage nach § 55 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf (Zwischen)Feststellung ist unzulässig. Sie scheitert an der Subsidiarität gegenüber Gestaltungs- und Leistungsklagen (vgl. BSGE 46, 81, 84; BSGE 43, 148, 150/151) sowie an fehlendem Rechtsschutzbedürfnis. Mit vorliegender Feststellungsklage wird die gerichtliche Klärung begehrt, ob es sich bei dem von den Klägern zu 2 bis 4 getragenen, der Klägerin zu 1 zur Finanzierung einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung bei der ZVK Sachsen belassenen Entgelte bis zur Höhe von insgesamt jährlich 4 vH der Beitragsbemessungsgrenze um kein sozialversicherungspflichtiges Entgelt handele, so lange die Kläger zu 2 bis 4 keine Förderung nach § 3 Nr. 63 Satz 2 EStG in Anspruch nehmen. Über die Frage der Beitragspflicht von Arbeitsentgelt für Zeiten ab Januar 2011 besteht kein Streit, da die Klägerin zu 1 ihre Abrechnungspraxis umgestellt und keine Beiträge auf Finanzierungsanteile mehr abgeführt hat. Die Beklagte hat dies nicht beanstandet. Insofern besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit über die Beitragspflicht, der vom Gericht zu klären wäre. Insofern fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Über die Frage der Beitragspflicht von Arbeitsentgelt für Zeiträume vor 2011 wird im Rahmen der ebenfalls zeitgleich erhobenen Anfechtungs- und Erstattungsklage inzident mitentschieden, so dass diese der Feststellungsklage vorgeht. Einer gesonderten isolierten Feststellung der Beitragspflichtigkeit gewisser Arbeitsentgeltanteile bedurfte es deswegen nicht mehr. Vorliegender Sachverhalt unterscheidet sich insofern von dem von den Klägern angeführten Urteil des BSG vom 09.10.1984 (12 RK 18/83 – in juris), weil dort der klagende Arbeitgeber ausschließlich die Klärung des Rechtsverhältnisses als solches betrieben hat, ohne Beitragsteile eigenmächtig einzubehalten oder erstattet zu begehren.

Die Anfechtungs- und Leistungsklagen sind zulässig geworden, nachdem im laufenden Klageverfahren die Beklagte über die Erstattungsanträge mit Bescheiden vom 15.10.2013 entschieden hatte. Der Erlass eines Verwaltungsaktes war entgegen der Ansicht der Kläger nicht entbehrlich, weil über einen Antrag auf Beitragserstattung nach § 26 Abs. 2 SGB IV stets durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist (st.Rspr., BSGE 45, 296, 299 = SozR 2200 § 381 Nr. 26 S. 65; BSG SozR 3-2400 § 26 Nr. 4 S. 12 f; BSGE 75, 298, 299 = SozR 3-2400 § 26 Nr. 6 S. 24 f, jeweils m.w.N.). Dass die Beklagte auch über die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 04.02.2014 entschieden hat, ist unschädlich, obwohl eine auf Beitragserstattung gerichtete Anfechtungs- und Leistungsklage auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens erhoben werden kann (vgl. BSGE 45, 296, 299 = SozR 2200 § 381 Nr. 26 S. 65; BSG SozR 3-2400 § 26 Nr. 4 S. 12 f; BSGE 75, 298, 299 = SozR 3-2400 § 26 Nr. 6 S. 24 f, jeweils m.w.N.).

Die Anfechtungs- und Leistungsklagen sind auch begründet. Die Bescheide vom 15.10.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 04.02.2014 sind rechtwidrig und verletzen die Kläger jeweils in ihren Rechten. Sie haben einen jeweils eigenen Anspruch auf Erstattung der von ihnen für die Zeit bis 31.12.2010 auf Finanzierungsanteile der Kläger zu 2 bis 4 am Gesamtversicherungsbeitrag zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung gezahlten jeweiligen Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge. Diese sind zu Unrecht entrichtet worden. Sie sind als steuerfreie Arbeitgeberbeiträge auch beitragsfrei. Eine Erstattung scheitert nicht daran, dass die Finanzierungsanteile von der Klägerin zu 1 im Rahmen der Entgeltabrechnung nicht als lohnsteuerfrei behandelt worden sind. Die Ansprüche sind weder verfallen noch verjährt. Erstattungsschuldnerin ist die Beklagte.

Die von der Klägerin zu 1 als Arbeitgeberin und den Klägern zu 2 bis 4 als Arbeitnehmer für die genannte Zeit auf den Finanzierungsanteil der Kläger zu 2 bis 4 jeweils am Versicherungsbeitrag zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung entrichteten Beiträge zur Sozialversicherung sind nach § 26 Abs. 2 Halbs 1 iVm Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV), § 351 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) zu erstatten, weil sie zu Unrecht entrichtet worden sind.

Nach § 26 Abs. 2 Halbs 1 SGB IV (idF des Gesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2330, 2331) sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten. Nach § 351 Abs. 1 Satz 1 SGB III gilt für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge abweichend von § 26 Abs. 2 SGB IV, dass sich der zu erstattende Betrag um den Betrag der Leistung mindert, der in irrtümlicher Annahme der Versicherungspflicht gezahlt worden ist. Gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB IV steht der Erstattungsanspruch demjenigen zu, der die Beiträge getragen hat.

Zu Unrecht entrichtet sind die Beiträge dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Beitragsentrichtung (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt: BSG, Urteil vom 25.01.1995 - 12 RK 51/93 - SozR 3-2400 § 26 Nr. 6; BSG, Urteil vom 30.06.1997 - 8 RKn 3/96 - SozR 3-2400 § 26 Nr. 8; BSG, Urteil vom 11.10.2001 - B 12 KR 11/01 R - SozR 3-2400 § 26 Nr. 13) ohne Rechtsgrund gezahlt wurden. Ohne Rechtsgrund sind Beiträge entrichtet, wenn für die Zahlung weder ein formaler noch ein materiell-rechtlicher Grund gegeben war. Vorliegend ist weder ein formeller noch ein materieller Grund für die Beitragszahlung gegeben.

Ein formeller Rechtsgrund für die Beitragszahlung fehlt. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn der Beitragszahlung ein Verwaltungsakt des Sozialversicherungsträgers zugrunde lag. Die Beklagte hat einen Beitragsbescheid über die Höhe der zu zahlenden Beiträge unter Festsetzung eines zu verbeitragenden Arbeitsentgelts nicht erlassen; Beitragsbescheide anderer Sozialversicherungsträger liegen ebenfalls nicht vor. Der von der Klägerin zu 1 an die Beklagte übermittelte Beitragsnachweis stellt zudem keinen formellen Rechtsgrund dar. Denn er gilt nach § 28f Abs. 3 Satz 3 SGB IV lediglich für die im Gesetz genannten beiden Bereiche der Vollstreckung und im Insolvenzverfahren ausnahmsweise als Leistungsbescheid bzw. als Dokument zur Glaubhaftmachung der Forderungen der Einzugsstelle. Eine Ausweitung des Gesetzes auf vorliegende Bereiche des Beitragsrechts ist aufgrund des Ausnahmecharakters der gesetzlichen Regelung nicht angezeigt.

Auch materiell-rechtlich sind die auf die Finanzierungsanteile der Kläger zu 2 bis 4 zur kapitalgedeckten Altersversorgung gezahlten Sozialversicherungsbeiträge ohne Rechtsgrund entrichtet worden. Nach materiellem Recht gehören die Finanzierungsanteile der Kläger zu 2 bis 4 zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung wegen ihrer Steuerfreiheit nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt.

Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung (§§ 226 SGB V, 20 SGB XI, 168 SGB VI, 342 SGB III, 153 SGB VII) ist bei versicherungspflichtig Beschäftigten – wie den Klägern zu 2 bis 4 - das Arbeitsentgelt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind dies alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Nach § 17 Abs. 1 SGB IV wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung, zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung oder zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, zu bestimmen, dass u.a. Beiträge an Direktversicherungen und Zuwendungen an Pensionskassen oder Pensionsfonds ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten (Satz 1 Nr. 2). Dabei ist eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen (Satz 2). Dem ist die Bundesregierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 SvEV in der für den streitigen Zeitraum bis 2010 geltenden Fassung nachgekommen, wonach dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen sind u.a. steuerfreie Zuwendungen an Pensionskassen, Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach § 3 Nr. 63 Satz 1 und 2 EStG im Kalenderjahr bis zur Höhe von insgesamt 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung; dies gilt auch für darin enthaltene Beträge, die aus einer Entgeltumwandlung (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 des Betriebsrentengesetzes) stammen (Nr. 9). Dies ist vorliegend gegeben.

Bei den strittigen Finanzierungsanteilen der Kläger zu 2 bis 4 am Gesamtversicherungsbeitrag der Klägerin zu 1 zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung handelt es sich um – eigentlich steuerpflichtiges - Arbeitsentgelt.

Zum steuerpflichtigen Arbeitsentgelt/-lohn gehören u.a. Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Person für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern (Zukunftssicherung). Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang - wirtschaftlich betrachtet - so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht (st.Rspr., vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 09.12.2010 – VI R 57/08- BFHE 232, 158 = BStBl II 2011, 978 RdNr. 14 f mit Hinweis auf BFH, Urteile vom 30.05.2001 - VI R 159/99BFHE 195, 364 = BStBl II 2001, 815; vom 14.09.2005 - VI R 148/98BFHE 210, 443 = BStBl II 2006, 532; vom 12.04.2007 - VI R 55/05 - BFHE 217, 558 = BStBl II 2007, 619; vom 05.074.2007 - VI R 47/02 - BFH/NV 2007, 1876; vom 15.11.2007 - VI R 30/04 - BFH/NV 2008, 550; vom 11.12.2008 - VI R 9/05 - BFHE 224, 70 = BStBl II 2009, 385; vom 07.05.2009 - VI R 8/07 - BFHE 225, 68 = BStBl II 2010, 194). Erlangt der Arbeitnehmer einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Versicherer – so wie hier -, fließt im Zeitpunkt der Beitragszahlung des Arbeitgebers Arbeitslohn zu. Der Lohnzufluss liegt dabei in den gegenwärtigen Beiträgen des Arbeitgebers, mit denen dieser den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers finanziert (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2007, 1876 und in BFHE 224, 70 = BStBl II 2009, 385). Beiträge zur Zukunftssicherung der Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber nur abgeführt, aber aus bereits individuell versteuertem Nettoeinkommen des Arbeitnehmers geleistet werden, haben dagegen keine Arbeitslohnqualität (BFH-Urteil in BFHE 217, 558, BStBl II 2007, 619). Letzteres ist aufgrund des eigenen Rechtsanspruchs der Kläger zu 2 bis 4 gegen die ZVK hier dagegen nicht der Fall.

Ausnahmsweise steuerfrei sind jedoch nach § 3 Nr. 63 EStG (idF des Art. 30 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzes vom 09.12.2004, BGBl I 3242 m.W.v. 01.01.2005 und des Art. 1 Nr. 50 des Gesetzes vom 13.12.2006, BGBl I 2878 m.W.v. 01.01.2007) die eigentlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassenden Beiträge des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung, bei der eine Auszahlung der zugesagten Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgungsleistungen in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplans (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310, 1322), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 5. Juli 2004 (BGBl. I S. 1427) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung) vorgesehen ist, soweit die Beiträge im Kalenderjahr 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigen (Satz 1). Dies gilt nicht, soweit der Arbeitnehmer nach § 1a Absatz 3 des Betriebsrentengesetzes verlangt hat, dass die Voraussetzungen für eine Förderung nach § 10a oder Abschnitt XI erfüllt werden (Satz 2). Vorliegend sind die Voraussetzungen einer Steuerfreiheit der Finanzierungsanteile der Kläger zu 2 bis 4 nach § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG gegeben; Ausschlussgründe nach Satz 2 liegen ausschließlich bei der Klägerin zu 3 und nur für die Jahre 2007 bis 2009 vor.

Die Kläger zu 2 bis 4 haben nach der Satzung der ZVK als Versorgungsberechtigte bei Eintritt des Versicherungsfalls einen Anspruch auf Leistungen zur Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung. Weiter ist gegenüber der Versicherungsgesellschaft (ZVK) ausschließlich die Klägerin zu 1 und nicht die Kläger zu 2 bis 4 zahlungsverpflichtet. Der Finanzierungsanteil der Kläger zu 2 bis 4 wird zwar im Gruppenversicherungsvertrag als "Eigenanteil des Pflichtversicherten" und in der Zusatzvereinbarung zum Personalüberleitungstarifvertrag als Beitrag "für den Arbeitnehmer" bezeichnet. Dies dient allerdings lediglich der Berechnung des Gesamtbeitrags. Denn als Versicherungsnehmer und als Beitragsschuldner für den Gesamtbeitrag ist ausschließlich die Klägerin zu 1 als Arbeitgeberin bestimmt. Eine andere Auslegung lässt bereits der eindeutige Wortlaut der vertraglichen Vereinbarungen nicht zu. Die vertraglichen Pflichten, insbesondere die Zahlungsverpflichtungen, treffen ausschließlich die Klägerin zu 1 und qualifizieren die an den Versicherer (ZVK) geleisteten Zahlungen als ihre - auch aus dem Finanzierungsanteil der Kläger zu 2 bis 4 bestehenden - Versicherungsbeiträge. Demzufolge sind die Finanzierungsanteile der Kläger zu 2 bis 4, die in dem Gesamtversicherungsbeitrag der arbeitgebenden Klägerin zu 1 an eine Pensionskasse enthalten sind, als Arbeitgeberbeiträge nach § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG steuerfrei (vgl. zum identischen Sachverhalt: BFH, Urteil vom 09.12.2010 – VI R 57/08 - BFHE 232, 158 = BStBl II 2011, 978). Ausschlussgründe iS von § 3 Nr. 63 Satz 2 EStG liegen bei der Klägerin zu 3 nur für die Jahre 2007 bis 2009 vor: sie hat in dem Zeitraum eine sog. "Riester-Förderung" in Anspruch genommen.

Die Steuerfreiheit gilt auch für zeitlich vor der Entscheidung des BFH liegende Sachverhalte. Zum einen existiert die Regelung des § 3 Nr. 63 EStG in der hier maßgeblichen Fassung bereits seit 2005 unverändert und damit auch in dem streitigen Zeitraum. Zudem hat der BFH, der über einen Sachverhalt ab dem Jahr 2005 zu urteilen hatte, eine Steuerfreiheit dem Grunde nach angenommen und keine zeitliche Begrenzung der einkommenssteuerrechtlichen Regelungen aufgeführt. Ferner ist die Entscheidung des BFH ausweislich der Schreiben des BMF vom 28.07.2011 und 25.11.2012 auch auf zurückliegende Sachverhalte anzuwenden, so dass vorliegend Steuerfreiheit der Zuwendung auch für die streitigen Zeiträume von 2007 bis 2010 materiell-rechtlich bestanden hat.

Aufgrund der Steuerfreiheit ist der Finanzierungsanteil der Kläger zu 2 bis 4 am Gesamtversicherungsbeitrag auch bei der Beitragsberechnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 SvEV nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Die in § 1 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SvEV in der für die Jahre 2007 bis 2010 maßgeblichen Fassung enthaltenen Einschränkungen betreffen nicht den hier zu beurteilenden Fall einer steuerfreien Zuwendung an eine Pensionskasse iS von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 SvEV iVm § 3 Nr. 63 EStG, sondern andere Konstellationen, und sind deswegen hier nicht einschlägig. Für die Entscheidung des Gerichts unerheblich war die durch Art. 13 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (5. SGB IV-ÄndG) vom 15.04.2015 (BGBl I 583, 1008) geänderte Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 SvEV. Danach sind u.a. die in Satz 1 Nummer 9 genannten Einnahmen, Zuwendungen und Leistungen nur dann nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit diese vom Arbeitgeber oder von einem Dritten mit der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Abrechnungszeitraum steuerfrei belassen oder pauschal besteuert werden. Die Neuregelung ist aufgrund der Veröffentlichung im BGBl vom 21.04.2015 erst ab 22.04.2015 gültig und somit auf den in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt nicht (rückwirkend) anzuwenden.

Da der Finanzierungsanteil beitragsfrei war, sind die darauf gezahlten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile am Sozialversicherungsbeitrag in den Jahren 2007 bis 2010 zu Unrecht entrichtet worden.

Die von der Beklagten dagegen vorgetragenen Einwendungen greifen nicht durch.

Ein wie vom BMSA und dem GKV-Spitzenverband angenommener "Grundsatz, Einnahmen, Zuwendungen etc. seien nach der SvEV nur dann nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zu zählen, wenn diese im Rahmen der Entgeltabrechnung vom Arbeitgeber tatsächlich und rechtlich zulässig steuerfrei behandelt würden bzw. worden seien", ist in der für den streitigen Zeitraum 2007 bis 2010 geltenden SvEV nicht enthalten. § 1 Abs. 1 Satz 2 SvEV in der Fassung des 5. SGB IV-ÄndG, wonach dem Arbeitsentgelt u.a. die in Satz 1 Nr. 9 genannten Einnahmen, Zuwendungen und Leistungen nur dann nicht zuzurechnen sind, soweit diese vom Arbeitgeber oder von einem Dritten mit der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Abrechnungszeitraum steuerfrei belassen oder pauschal besteuert werden, gilt erst ab 22.04.2015 und ist zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts nicht entscheidungserheblich.

Ein solcher "Grundsatz der Beitragsfreiheit nur bei steuerfreier Behandlung durch den Arbeitgeber" war der SvEV im streitigen Zeitraum auch nicht immanent. Es ergibt sich aus der SvEV selbst kein Hinweis auf einen solchen "Grundsatz". Bei der vergleichbaren Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV in der bis 22.04.2015 geltenden Fassung, wonach steuerfreie Aufwandsentschädigungen und gewisse steuerfreie Einnahmen nicht als Arbeitsentgelt gelten, wurde stets auf die unmittelbare Geltung der Steuergesetze (so auch Werner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 14 SGB IV, RdNr. 10, 269 ff) und damit auf die materiell-rechtliche Steuerfreiheit abgestellt. Auch in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung finden sich keine Anhaltspunkte für die Annahme eines solchen "Grundsatzes". Vielmehr gilt ein eigenständiger, sozialversicherungsspezifischer Begriff des Arbeitsentgelts, unabhängig vom Steuerrecht (BSG SozR 2200 § 180 Nr.16, SozR 3-2400 § 14 Nr.15; Bayerisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 24. Mai 2005 – L 5 KR 129/04 – juris, RdNr. 22; Sozialgericht (SG) Reutlingen, Urteil vom 24. April 2007 – S 2 R 3233/06 – juris RdNr. 33; Knospe in: Hauck/Noftz, SGB IV Kommentar § 14 RdNr. / mwN). Aus Gründen der Praktikabilität und Harmonisierung soll über § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV iVm der SvEV nur eine weitest gehende Übereinstimmung mit dem Steuerrecht erzielt werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1987 - 12 RK 6/84 - SozR 2100 § 17 Nr. 5). Entscheidungen der Steuerverwaltung sind für Sozialversicherungsträger jedoch nicht verbindlich (BSG, Urteil vom 23.03.1998 – B 12 KR 17/97 R = SozR 3-2400 § 14 Nr. 15); dies gilt auch für die Bestimmung des Arbeitsentgelts (BSG, SozR 2100 § 15 Nrn. 5, 8, 10). Jedoch entfalten sie eine gewisse Indizwirkung, so dass der Sozialversicherungsträger von einer eigenen Prüfung absehen kann; bei § 1 Abs. 1 SvEV ist von einer Drittbindungswirkung der Entscheidung des Finanzamtes auszugehen (vgl. zum Gemeinsamen Erlass: BSG, Urteil vom 22.08.1969 – 3 RK 85/66BSGE 30, 57, 60), wobei das Finanzamt auch nur das Vorliegen einer (materiell-rechtlichen) Steuerfreiheit prüft und feststellt.

Entgegen der Annahme der Beklagten reicht die Anknüpfung der SvEV an das Steuerrecht nicht so weit, dass eine Steuerfreiheit iS der SvEV nur dann anzunehmen ist, wenn darauf vom Arbeitgeber tatsächlich keine Lohnsteuer abgeführt worden ist. Dem steht zum einen der Wortlaut von § 1 Satz 1 Nr. 9 SvEV entgegen, der auf eine steuerfreie Zuwendung abstellt und nicht eine "steuerfrei behandelte" Zuwendung erfordert. Damit ist nach Auffassung der Kammer alleine an eine materiell-rechtliche Steuerfreiheit anzuknüpfen. Wenn der Verordnungsgeber eine Anknüpfung an eine durch den Arbeitgeber steuerfrei behandelte Zuwendung gewollt hätte, hätte er dies in die SvEV auch schon vor Neueinführung des § 1 Abs. 1 Satz 2 zum 22.04.2015 entsprechend aufnehmen müssen.

Das Gericht hat zudem erhebliche Bedenken, ob ein Erfordernis einer "Beitragsfreiheit nur bei steuerfreier Behandlung durch den Arbeitgeber" überhaupt rechtmäßig ist.

Die SvEV beruht auf § 17 Abs. 1 SGB IV, wonach das BMSA ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung u.a. zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung zu bestimmen, dass Beiträge an Direktversicherungen und Zuwendungen an Pensionskassen oder Pensionsfonds ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten (Nr. 2). Grundsätzlich müssen Verordnungsermächtigungen den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügen. Nach dieser Verfassungsnorm müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Das bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) jedoch nicht, dass die Ermächtigung in ihrem Wortlaut so genau wie nur irgend möglich formuliert und gefasst sein muss; sie hat von Verfassungs wegen nur "hinreichend" bestimmt zu sein. Dabei können zur Klärung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im einzelnen - wie auch sonst bei der Auslegung einer Vorschrift - der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Bestimmungen und das Ziel der gesetzlichen Regelung sowie auch ihre Entstehungsgeschichte herangezogen werden (BVerfGE 68, 319, 332/333). In diesem Zusammenhang hat das BVerfG ausgeführt, es sei von den Besonderheiten des jeweiligen Sachbereichs sowie von Gewicht und Wirkung der zu regelnden Maßnahmen abhängig, welche Bestimmtheitserfordernisse im einzelnen erfüllt sein müssten. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm müsse der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt werde. Greife die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, müssten höhere Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handele, der die Grundrechtsausübung weniger tangiere (BVerfGE 62, 203, 210). Geringere Anforderungen seien vor allem bei vielgestaltigen Sachverhalten zu stellen (BVerfGE 58, 257, 278). § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ermächtigt zu Bestimmungen über näher umschriebene Zusatzleistungen zu Löhnen und Gehältern. Betroffen sind also nur "Nebenleistungen", nicht die Löhne und Gehälter selbst. Entsprechend geringer sind die beitrags- und u.U. leistungsrechtlichen Auswirkungen für den einzelnen Arbeitnehmer, auch wenn sich die Beträge, über deren Arbeitsentgeltcharakter der Verordnungsgeber insgesamt entscheiden kann, auf eine erhebliche Summe belaufen und sich daraus die Verfügungsmöglichkeit über ein absolut gesehen hohes Beitragsvolumen ergibt. Die Ermächtigung geht weiter nur dahin, Zusatzleistungen vom Arbeitsentgelt auszunehmen; das schließt allerdings auch die Befugnis ein, eine in der Verordnung vorgesehene Ausnahme wieder einzuschränken, wie das z.B. in § 2 Abs. 1 Satz 2 ArEV geschehen war (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1987 – 12 RK 6/84BSGE 62, 54-64 = SozR 2100 § 17 Nr. 5 RdNr. 22).

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IV darf die Verordnung Regelungen enthalten, ob überhaupt ("dass") und in welchem Umfang ("ganz oder teilweise") gewisse Arbeitsentgeltbestandteile beitragsrechtlich nicht als Arbeitsentgelt gelten sollen. Die Regelung ermächtigt den Verordnungsgeber, sich zu entscheiden, ob gewisse Entgeltbestandteile grundsätzlich nicht als Arbeitsentgelt gelten und – wenn ja - in welcher Höhe sie nicht als Arbeitsentgelt gelten sollen. Dabei enthält – wie die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 SvEV in der ab 22.04.2015 geltenden Fassung verdeutlicht – ein von der Beklagten angenommener "Grundsatz einer Beitragsfreiheit nur bei zuvor steuerfreier Behandlung durch den Arbeitgeber" jedoch keine Einschränkung von der Ausnahme eines beitragsfreien Arbeitsentgelts. Vielmehr wird dadurch noch eine weitere, zusätzliche Voraussetzung an die ausnahmsweise Nichteinbeziehung als Arbeitsentgelt als solches geschaffen. Dies ist nach Auffassung der Kammer jedoch von der Ermächtigung in § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht mehr gedeckt. Dazu hätte es einer § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V vergleichbaren Verordnungsermächtigung bedurft. Nach § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, unter welchen Voraussetzungen darüber hinaus der Beitragsbemessung hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger niedrigere Einnahmen, mindestens jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße, zugrunde gelegt werden. Eine solche Ermächtigung zur Regelung weiterer Voraussetzungen für Nichteinbeziehung von Arbeitsentgelt enthält § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV jedoch nicht.

Das Erfordernis einer "Beitragsfreiheit nur bei steuerfreier Behandlung durch den Arbeitgeber" würde zudem dem Sinn und Zweck des Beitragserstattungsanspruchs nach § 26 Abs. 2 iVm § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV zuwiderlaufen, wonach der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind, verjährt. § 26 Abs. 2 SGB IV konkretisiert den allgemein anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch und hat als Ziel, rechtsgrundlos erhaltener Beiträge (rück)abzuwickeln, so dass eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage ausgeglichen wird; es soll ein rechtmäßiger (Vermögens)Zustand (wieder)hergestellt werden. Die Forderung nach einer "steuerfreien Behandlung der Zuwendung durch den Arbeitgeber" im Rahmen der Entgeltabrechnung würde jedoch zu einer Umgehung des gesetzlich verankerten Erstattungsanspruchs führen. Hat der Arbeitgeber fälschlicherweise Lohnsteuer auf Arbeitsentgelt (nicht) abgeführt, ist nach Ablauf des Kalenderjahres eine Änderung des Lohnsteuerabzugs durch den Arbeitgeber nur bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung, dem 28. Februar des Folgejahres (§ 41b Abs. 1 Satz 2 EStG), zulässig (§ 41c Abs. 3 Satz 1 EStG). Spätere Korrekturen seiner Angaben, auf die zudem der Arbeitnehmer keinen Einfluss hat, sind ausgeschlossen. Wenn – wie von der Beklagten angenommen – Beitragszahlungen ausschließlich an Lohnsteuerzahlungen anzuknüpfen sind, würde dies bei Beitragsüberzahlungen dazu führen, dass Erstattungsansprüche dann längstens nur noch für Zeiträume einer zulässigen Korrektur der Lohnsteuerentrichtung, d.h. für längstens 14 Monate (Januar des Kalenderjahres der Beitragsentrichtung bis Februar des Folgejahres), geltend gemacht werden könnten; für davor liegende Überzahlungsmonate wäre eine Erstattung ausgeschlossen. Damit würde eine solche Verordnungsregelung die aufgrund der Verjährungsvorschrift auf vier Jahre begrenzte Erstattungsverpflichtung aus § 26 Abs. 2 SGB IV noch weiter einengen und so (überwiegend) ins Leere gehen. Dies ist weder mit dem Vorbehalt des Gesetzes noch mit dem Zweck des § 26 Abs. 2 SGB IV, der Herstellung rechtmäßiger Zustände, vereinbar.

Der von der Beklagten angenommene "Grundsatz" führt zudem zu dem weiteren Wertungswiderspruch, dass der Arbeitnehmer berechtigt ist, die durch den Arbeitgeber einkommenssteuerrechtlich fehlerhaft abgeführte Lohnsteuer auch später noch im Rahmen einer noch nicht verbeschiedenen Einkommenssteuererklärung gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen, und sie bei Begründetheit erstattet erhält, während demgegenüber bei Geltung eines Grundsatzes einer Betragsfreiheit nur nach steuerfreier Behandlung durch den Arbeitgeber trotz durch vom Finanzamt festgestellter Steuerfreiheit der Arbeitnehmer gleichwohl entrichtete Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr erstattet erhält.

Dieses Ergebnis widerspricht zudem dem in § 17 Abs. 1 Satz 2 EGB IV enthaltenen Ziel der Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts und lässt sich auch nicht mit systemischen Abweichungen zwischen Steuer- und Beitragsrecht begründen. Ziel von § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist, im Interesse der Harmonisierung und Praktikabilität bei der Lohnabrechnung und dem Beitragseinzug durch die Einzugsstellen weitgehende Übereinstimmung mit dem Lohnsteuerrecht zu erzielen. Dabei ist der Verordnungsgeber nicht gehalten, jede lohnsteuerrechtliche Regelung vollumfänglich in das Beitragsrecht der Sozialversicherung zu übernehmen. Eine Übereinstimmung soll indes angestrebt werden. Dennoch sind systematische Abweichungen zulässig und auch in der Praxis anzutreffen, wenn man an das im Beitragsrecht geltende Entstehungsprinzip gegenüber dem lohnsteuerrechtlichen Zuflussprinzip denkt. Insoweit ist der Verordnungsgeber durch den programmatischen Ansatz in § 17 Abs. 1 Satz 2 lediglich gehalten, sozialpolitische und verwaltungspraktische Gesichtspunkte sorgfältig mit den Regelungen des Steuerrechts abzuwägen und den Leitauftrag zur weitgehenden Harmonisierung zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 24. Juni 1987 - 12 RK 6/84 - SozR 2100 § 17 Nr. 514). Abweichende und systematisch bedingte Unterschiede sind demzufolge unschädlich und hinzunehmen (Knospe in: Hauck/Noftz, SGB IV Kommentar, Stand 08/2012 § 17, RdNr. 29). Systemische Unterschiede wie Entstehungs- und Zuflussprinzip, die eine andere Betrachtung rechtfertigen, sind nicht zu erkennen. Zuwendungen des Arbeitgebers zur privaten Altersversorgung des Arbeitnehmers iS von § 3 Nr. 63 EStG – und damit auch Finanzierungsanteile des Arbeitnehmers an dem Gesamtversicherungsbeitrag des Arbeitgebers zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersvorsorge - dienen der privaten Altersabsicherung des Arbeitnehmers und sollen den Aufbau der Alterssicherung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge unterstützen. Dabei handelt es sich um Arbeitsentgelt, welches dem Arbeitnehmer unmittelbar bei Erarbeitung (vgl. BFH, Urteil vom 09.12.2010 – VI R 57/08 – a.a.O. RdNr. 17) und nicht erst bei Auszahlung der Versorgungsleistung zufließt; die späteren Leistungen eines Pensionsfonds sind dann nur mit dem Ertragsanteil steuerpflichtig (vgl. von Beckerath in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, Stand 14. Auflage 2015, § 3 Nr. 63 EStG, RdNr. 164). Beitragsansprüche für kraft Gesetzes versicherte Beschäftigte – wie den Klägern zu 2 bis 4 - entstehen mit Entstehung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt (§ 22 Abs. 1 SGB IV) und damit zeitlich fast deckungsgleich mit dem Zufluss des geschuldeten Arbeitsentgelts; systemische Unterschiede sind deswegen nicht erkennbar.

Ein von der Beklagten angenommener "Grundsatz der Beitragsfreiheit nur bei steuerfreier Behandlung durch den Arbeitgeber" steht schließlich auch in einem krassen Missverhältnis zu der Berechtigung zu Beitragsnacherhebungen im Rahmen von Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV. Nach § 28p Abs. 1 Sätze 1, 5 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung in Sonderzuständigkeit für die einzelnen Sozialversicherungsträger bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlung mindestens alle vier Jahre und erlassen dabei u.a. auch Verwaltungsakte zur Beitragshöhe zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dabei handelt es sich um ein Spiegelbild zu dem Erstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2 SGB IV für den Fall, dass Beiträge nicht abgeführt worden sind. Bezogen auf vorliegenden Sachverhalt würde es für den umgekehrten Fall, dass die Klägerin zu 1 irrtümlich Sozialversicherungsbeiträge trotz bestehender, jedoch erst nachträglich festgestellter Beitragspflicht nicht abgeführt hätte, bedeuten, dass der Rentenversicherungsträger nach § 28p SGB IV berechtigt wäre, diese Beiträge in der Regel für die letzten vier Jahre nachzufordern; er könnte nicht darauf verwiesen werden, dass eine Korrektur der Lohnsteuerbescheinigung nur noch für das letzte Kalenderjahr zulässig sei und deswegen Beiträge für Zeiten davor nicht nacherhoben werden dürften. Wenn der Versicherte jedoch mit diesem Einwand ausgeschlossen ist, so darf im umgekehrten Fall – wie dem vorliegenden Sachverhalt – die beklagte Krankenkasse mit dem Einwand ebenso wenig durchdringen.

Dem Ergebnis steht nicht der das Sozialversicherungsrecht prägende Grundsatz der Unveränderlichkeit eines sogenannten "abgewickelten" Versicherungsverhältnisses entgegen. Eine rückwirkende Veränderung der Beitragslast kommt nach der Rechtsprechung des BSG nur dann in Betracht, wenn damit einer von Anfang an bestehenden, aber erst nachträglich erkannten Beitragspflicht oder Beitragsfreiheit Geltung verschafft wird. Dies hat das BSG für die aus dem Verletztengeld gezahlten Beiträge in einem Fall angenommen, in dem kein Arbeitsunfall vorlag und deshalb von Anfang an hätte Krankengeld gewährt werden müssen (BSG, Urteil vom 12.12.1990 – 12 RK 35/89BSGE 68, 82-86BSGE 68, 82 = SozR 3-2200 § 381 Nr. 1); im umgekehrten Fall hat es angenommen, dass ein Unfallversicherungsträger aus dem Verletztengeld auch dann nachträglich Beiträge zur Krankenversicherung zu zahlen hat, wenn zunächst Krankengeld gewährt und der Anspruch auf Verletztengeld erst nachträglich anerkannt worden ist (BSG, Urteil vom 17.12.1996 – 12 RK 45/95BSGE 79, 302 = SozR 3-2500 § 251 Nr. 1 = SozR 3-2500 § 192 Nr. 5). Demgegenüber können Beitragserstattungen grundsätzlich nicht verlangt werden, wenn sie auf einer nachträglichen Änderung der Rechtslage - auch mit Rückwirkung - beruhen (BSG, Urteil vom 25.01.1995 – 12 RK 51/93BSGE 75, 298, 301 = SozR 3-2400 § 26 Nr. 6 = SozR 3-2600 § 3 Nr. 3 = SozR 3-2600 § 176 Nr. 1 = SozR 3-1300 § 107 Nr. 6 = SozR 3-2500 § 50 Nr. 2; BSG, Urteil vom 21.06.2001 - B 7 AL 66/00 R - BSGE 88, 187-193 = SozR 3-4100 § 186 Nr. 2 = SozR 3-4100 § 107 Nr. 12 = SozR 3-4300 § 28 Nr. 1; BSG, Urteil vom 11.10.2001 – B 12 KR 11/01 RSozR 3-2400 § 26 Nr. 13 = SozR 3-2200 § 562 Nr. 1). Dies kommt bereits in der Formulierung des § 26 Abs. 2 Halbsatz 1 SGB IV "zu Unrecht entrichtete Beiträge" zum Ausdruck, welche die Rechtswidrigkeit auf den Zeitpunkt der Beitragsentrichtung bezieht. Darüber hinaus ist die beitragsrechtliche Rückabwicklung für den Versicherten nur dann zumutbar, wenn dadurch sein Vertrauen in den mit der Beitragszahlung verbundenen Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt wird (BSG, Urteil vom 11.10.2001 – B 12 KR 11/01 RSozR 3-2400 § 26 Nr. 13 = SozR 3-2200 § 562 Nr. 1; BSG, Urteil vom 17.12.1996 – 12 RK 45/95 - BSGE 79, 302, 306 = SozR 3-2500 § 251 Nr. 1 S 4 f mwN).

Vorliegend hat für den streitigen Zeitraum von 2007 bis 2010 weder eine – auch nicht rückwirkende - Änderung der Rechtslage noch eine Änderung der Rechtsprechung des BFH stattgefunden. Der BFH hat erstmalig über die Steuerfreiheit von Finanzierungsanteilen des Arbeitnehmers am vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtversicherungsbeitrag zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung zu entscheiden gehabt, ohne dass eine originäre Beitragspflicht des Arbeitnehmers bestand (vgl. für diesen Fall: BFH, Urteil vom 09.12.2010 – VI R 23/09 – juris RdNr. 14), ohne dass die Versicherungsbeitragszahlungen im Umlageverfahren geleistet wurden (vgl. für diesen Fall: BFH: Urteil vom 15.09.2011 – VI R 36/09 – juris RdNr. 14; die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschluss vom 14.01.2015 - 2 BvR 568/12 - ) und ohne dass es sich um eine Umlagezahlung handelte (vgl. für diesen Fall: BFH, Urteil vom 07.05.2009 – VI R 8/07BFHE 225, 68 = BStBl II 2010, 194).

Auch handelt es sich hier nicht um eine nachträglich geänderte Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über die Höhe des Arbeitsentgelts, welche nach der Rechtsprechung des BSG ebenfalls nicht zu einer nachträglichen Verringerung der Beitragsschuld führt (vgl. BSG, Urteil vom 07.02.2002 – B 12 KR 13/01 RSozR 3-2400 § 14 Nr. 24 = juris RdNr. 23). Vorliegend handelt es sich vielmehr um eine irrtümlich unterbliebene Anwendung einer steuerrechtlichen Bestimmung, die zu einer fehlerhaften Berechnung des Arbeitsentgelts im Rahmen der Beitragsberechnung und –entrichtung führte (vgl. dazu auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.09.2012 – L 4 R 437/10 – juris RdNr. 29 - bestandskräftig, und vom 13.11.2013 – L 4 R 28/12 – juris, Revision anhängig unter B 12 R 1/14 R). Die Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen auf Finanzierungsanteile des Arbeitnehmers zu Versicherungsbeiträgen zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung beruhte bis zur Entscheidung des BFH vom 09.12.2010 (- VI R 57/08 – a.a.O.) allein auf der irrigen Annahme aller Beteiligter – auch des Finanzgerichts -, bei den Finanzierungsanteilen handele es sich nicht um steuerfreie Arbeitgeberzuwendungen iS von § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG. Eine Unstimmigkeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien über die Höhe des vertraglich geschuldeten Arbeitsentgelts bestand und besteht auch heute nicht, so dass die Erwägungen des BSG in seinem Urteil vom 07.02.2002 (– B 12 KR 13/01 R – a.a.O.) auf vorliegenden Fall nicht zu übertragen sind.

Schließlich ist eine beitragsrechtliche Rückabwicklung auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie für die versicherten Kläger zu 2 bis 4 unzumutbar wäre. Das BSG hat eine Beitragserstattung nur dann bejaht, wenn sie für den Versicherten zumutbar ist, wenn dadurch sein Vertrauen in den mit der Beitragszahlung verbundenen Versicherungsschutz nicht beeinträchtigt wird (BSG, Urteil vom 17.12.1996 – 12 RK 45/95 - BSGE 79, 302, 306 = SozR 3-2500 § 251 Nr. 1 S. 4 mwN). Eine solche Unzumutbarkeit wegen Vertrauensschutzes ist vorliegend nicht gegeben, nachdem die Kläger zu 2 bis 4 selber eine Erstattung beantragt und sich damit eines zu schützenden Vertrauens selbst entledigt haben.

Die Erstattung scheitert ferner nicht an den Verfallklauseln des § 26 Abs. 2 Satz 1 Halbs 2 SGB IV. Danach ist eine Erstattung ausgeschlossen, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge (1. Alt) oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind (2. Alt), Leistungen erbracht oder zu erbringen hat. Die 1. Verfallklausel greift beim Kläger zu 4 vorliegend nicht ein, weil er von der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist und somit an die Gesetzliche Rentenversicherung auch keine Beiträge abgeführt oder von ihr auch nicht aufgrund von Beiträgen Leistungen beanspruchen kann. Für die Klägerinnen zu 2 und 3 ist die 1. Verfallklausel ebenfalls nicht relevant, weil sie bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs im Juni 2011 nach eigenen unstrittigen Angaben keine einkommensabhängigen Leistungen in Anspruch genommen haben. Die 2. Verfallklausel greift bei Beiträgen, die – wie hier - nur der Höhe nach zu Unrecht entrichtet wurden, dann nicht ein, wenn zwischen der Leistungsseite und der Beitragsseite keinerlei Entsprechung besteht, wie dies insbesondere bei Sachleistungen der Fall. Deswegen verfällt der Anspruch eines Versicherten auf Erstattung zu viel entrichteter Beiträge nicht, wenn der Versicherungsträger nur Sachleistungen erbracht hat (BSG, Urteil vom 25.04.1991 - 12 RK 40/90 - SozR 3-2400 § 26 Nr. 3), weil der Zweck der Verfallklausel es gebietet, den Verfall des Erstattungsanspruches im Fall der Leistungserbringung nur in der Höhe anzunehmen, in der die Mitgliedschaft tatsächlich bestanden habe. Andere Leistungen als Sachleistungen haben die Kläger zu 2 bis 4 nach ihren unbestrittenen Aussagen im streitigen Zeitraum ab Januar 2007 bis zur Antragstellung im Juni 2011 jedoch nicht in Anspruch genommen.

Die Erstattungsansprüche sind ebenfalls nicht verjährt. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV verjährt der sich aus § 26 Abs. 2 SGB IV ergebende Anspruch auf Erstattung von zu Unrecht entrichteter Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Der Erstattungsanspruch der Kläger hinsichtlich der einschließlich noch im Jahr 2007 entrichteten Beiträge verjährte damit mit Ablauf des Jahres 2011 (vgl. zur Berechnung: BSG, Urteil vom 31.03.2015 – B 12 AL 4/13 R – juris RdNr. 14 ff). Die Verjährung wurde jedoch gehemmt durch den schriftlichen Erstattungsantrag der Klägerin zu 1 vom 03.08.2011 bzw. der Kläger zu 2 bis 4 vom 09.06.2011 (vgl. § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB IV) bzw. durch die Ende 2012 erfolgte Klageerhebung (vgl. § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB IV iVm § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Die Erstattungsansprüche sind auch in der Höhe begründet. Insoweit wird auf die Berechnungen der Kläger verwiesen, gegen die von der Beklagten ausdrücklich keine Einwendungen vorgebracht worden und die nach Überprüfung durch das Gericht auch nicht zu beanstanden sind. Geltend gemacht werden nur diejenigen (Teil)Beiträge auf die Finanzierungsanteile zu den einzelnen Sozialversicherungszweigen, die tatsächlich entrichtet worden sind und bei der Klägerin zu 3 nur für das Jahr 2010. Zu Recht sind die gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in voller Höhe angesetzt worden; eine Minderung nach § 351 Abs. 1 Satz 1 SGB III war nicht vorzunehmen, weil die Beiträge nicht in irrtümlicher Annahme der Versicherungspflicht, sondern in irrtümlicher Annahme der zutreffenden Beitragshöhe gezahlt worden sind. Bei der Berechnung der Erstattungssumme haben die Kläger zutreffend berücksichtigt, dass Erstattungsansprüche nach § 26 Abs. 2 Satz 2 SGB IV nur demjenigen in der Höhe zustehen, die von ihm selber getragen worden sind (vgl. § 249 Abs. 1 Satz 1 und § 250 Abs. 1 SGB V).

Damit schuldet die Beklagte als Krankenkasse die Erstattung der entrichteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Zugleich hat sie als Einzugsstelle aber auch Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu erstatten. Dies ergibt sich aus Ziffer 4.3.1. der Gemeinsamen Grundsätze der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie die Bundesagentur für Arbeit für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung aus einer Beschäftigung vom 21.11.2006. Zwar ist zuständiger Erstattungsschuldner grundsätzlich derjenige Versicherungsträger, der die Beiträge erhalten hat (BSG, Urteil vom 24. März 1983 – 8 RK 36/81 –, SozR 2200 § 381 Nr 49), nach § 351 Abs. 2 Nr. 1 SGB III die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk die Stelle, an welche die Arbeitslosenversicherungsbeiträge entrichtet worden sind, ihren Sitz hat. Jedoch haben die Rentenversicherungsträger und die Bundesagentur für Arbeit mit den Einzugsstellen nach § 211 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bzw. § 351 Abs. 2 Nr. 3 SGB III in den Gemeinsamen Grundsätzen vereinbart, dass die Einzugsstellen die Erstattung von Renten- bzw. Arbeitslosenversicherungsbeiträgen übernehmen, wenn sie darüber auch entschieden haben. Gründe für eine ausschließliche Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers nach Ziffer 4.3.2. bzw. der Agentur für Arbeit nach Ziffer 4.3.3. der Gemeinsamen Grundsätze liegen nicht vor.

Die Zinsansprüche ergeben sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 Halbs 1 SGB IV. Danach ist der Erstattungsanspruch nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen Erstattungsantrags bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. "Nach Ablauf eines Kalendermonats" bedeutet, dass die Verzinsungspflicht frühestens erst nach Ablauf des auf den Antrag oder die Bekanntgabe folgenden Kalendermonats beginnt (so auch Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV 2011, § 27 SGB IV RdNr.21 ff, Schwerdtfeger in: SGB-SozVers-GesKomm, SGB IV, § 27 Anm. 5; von Maydell in: GK-SGB IV, § 27 RdNr. 9; Figge in: Jahn, SGB IV, § 27 RdNr. 6; VerbKomm, SGB IV, § 27 RdNr. 8; Schulz, SVFAng Nr. 133, 51, 59; a.A. Udsching in: Hauck/Noftz, SGB IV, § 27 RdNr. 3; Felix in: Wannagat, SGB IV, § 27 RdNr. 13; Seewald in: KassKomm, SGB IV, § 27 RdNr. 3), somit hier bei der Klägerin zu 1 aufgrund ihres Antrags vom 04.08.2011 am 01.10.2011 bzw. bei den Kläger zu 2 bis 4 aufgrund ihrer jeweiligen Anträge vom 09.06.2011 am 01.08.2011. Da die Klägerin zu 1 Zinsen erst ab 01.01.2012 geltend macht, war auch erst ab diesem Zeitpunkt der Zinsanspruch zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 155 Abs. 1 VwGO und auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Kläger zu 2 bis 4 dem sozialgerichtlichen System für kostenprivilegierte Beteiligte (§ 183 Satz 1, §§ 184 bis 195 SGG) und die Klägerin zu 1 dem System für sonstige Beteiligte (§ 197a SGG) unterfällt. Da es sich nicht um einen einheitlichen Streitgegenstand, sondern um eine objektive Klagehäufung (§ 56 SGG) handelt, war bei der Kostenentscheidung zwischen den Streitgegenständen zu differenzieren (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Juli 2006 – B 3 KR 6/06 B –, SozR 4-1500 § 197a Nr. 4, SozR 4-1500 § 193 Nr. 4; BSG, Urteil vom 26.09.2006 – B 1 KR 1/06 R –, SozR 4-2500 § 31 Nr. 5, BSGE 97, 112-125, SozR 4-1200 § 56 Nr. 1, SozR 4-1500 § 197a Nr. 5). Die Quotelung ergibt sich aus dem teilweisen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.

Die Streitwertfestsetzung der Klage der Klägerin zu 1 gegen die Beklagte folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs. 3 GKG. Da das in der Feststellungsklage enthaltene Begehren in wirtschaftlicher Hinsicht dem der Anfechtungs- und Leistungsklage entspricht, ist der Feststellungsklage neben der Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den ablehnenden Erstattungsbescheid kein zusätzliches wirtschaftliches Interesse der Klägerin zu 1 beizumessen, sodass eine Streitwerterhöhung insoweit ausscheidet (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2015 – B 3 KS 7/13 R – in juris, RdNr. 37; BSG, Urteil vom 08.10.2014 – B 3 KS 1/13 R – SozR 4-5425 § 24 N. 13).

Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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