Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 73 Kr 1075/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 KR 6/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. April 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, die Kosten für eine privatärztlich durchgeführte Extrakorporale Stoßwellen (ESW)-therapie an der linken Schulter des Klägers in Höhe von 1.275,00 DM zu erstatten.
Der 1950 geborene Kläger ist freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten. Er leidet an einer Verkalkung der rechten und linken Schulter (Tendinosis calcarea).
Die Beklagte gewährte dem Kläger im März 1998 einen Kostenzuschuss in Höhe von 1.275,00 DM für eine an der rechten Schulter durchgeführte ESW-Therapie. Der Kläger beantragte im Juli 1998 auch eine Kostenbeteiligung der Beklagten in Höhe von 1.275,00 DM für die Behandlung der linken Schulter und legte hierzu eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Orthopädie H. M.vom 16. Juli 1998 vor. Hiernach sei es bereits nach dreimaliger ESW-Therapie bei der rechten Schulter zu einer radiologisch deutlichen Rückbildung der Verkalkung gekommen und der Erfolg dokumentiert. Bei gleichem Leiden an der linken Schulter sei ebenfalls eine ESW-Therapie mit guten Erfolgsaussichten indiziert.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24. Juli 1998 die Gewährung eines Zuschusses für die ESW-Behandlung ab und führte zur Begründung aus, dass die ESW-Therapie nicht mehr zu den vertragsärztlichen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gehöre. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung habe keine Möglichkeit der Befürwortung mehr gesehen.
Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. September 1998).
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, dass die bisherigen anderen Behandlungen keine Linderung der Beschwerden gebracht hätten. Die ESW-Therapie stelle die geringste Beeinträchtigung und Belastung, insbesondere gegenüber der Operation dar. Nach der Behandlung der rechten Schulter sei er schmerzfrei und auch die nunmehr durchgeführte Behandlung der linken Schulter (Behandlungstage am 29. Juli, 2. und 30. September 1998 und 13. Januar 1999; Rechnungen Bl. 44 - 47 Gerichtsakte) habe zur Schmerzfreiheit geführt. Entgegen der Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen handele es sich bei der ESW-Therapie um eine wissenschaftlich anerkannte Maßnahme.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. April 1999 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine Kostenübernahme für die ESW-Therapie sei bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen nicht möglich. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe diese Methode in die Anlage „B“ seiner Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen gemäß § 135 Abs. 1 i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) aufgenommen. In dieser Anlage seien diejenigen Methoden aufgeführt, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Eine derartige Entscheidung sei von der Verwaltung und den Gerichten zu beachten.
Gegen den ihm am 31. Mai 1999 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 24. Juni 1999 und verfolgt sein Begehren auf Kostenerstattung fort. Er meint, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe die ESW-Therapie zu Unrecht in die Anlage „B“ aufgenommen, da er seine Entscheidung ohne Berücksichtigung des aktuellen Standes des Wissens im medizinisch-wissenschaftlichen Bereich getroffen habe. Für ihn habe keine Alternative zur durchgeführten Behandlung bestanden, insbesondere sei eine Operation mit den unabwägbaren Risiken abzulehnen gewesen. Im Übrigen sei die Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 24. April 1998, die erst im Bundesanzeiger am 25. Juli 1998 veröffentlicht worden sei, und erst einen Tag später Gültigkeit erlangt habe, für seinen Fall nicht einschlägig. Die Beklagte habe ihren ablehnenden Bescheid bereits zuvor am 24. Juli 1998 erlassen und sich damit zu Unrecht auf die zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getretene Regelung berufen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. April 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 1.275,00 DM für die an der linken Schulter durchgeführte ESW-Therapie zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen - Arbeitsausschuss „Ärztliche Behandlung“ - vom 16. März 2000 eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die an der linken Schulter durchgeführte ESW-Therapie.
Als Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch kommt allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Der Kostenerstattungsanspruch tritt an die Stelle eines an sich gegebenen Leistungsanspruchs, den die Kasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfüllt hat. Er kann deshalb nur bestehen, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Dies ist hier nicht der Fall, so dass offen bleiben kann, nach welcher der beiden Alternativen des § 13 Abs. 3 SGB V der Anspruch gegebenenfalls zu beurteilen wäre und ob deren weitere Voraussetzungen erfüllt sind.
Es handelt sich bei der Behandlung der Schulter des Klägers mittels ESW-Therapie um eine Therapiemaßnahme, die nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Leistung erbracht werden darf bzw. erbracht werden durfte (so auch: LSG-Berlin, 9. Senat, Urteil vom 3. November 1999 - L 9 KR 85/98 -).
Nach § 135 Abs. 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur dann erbracht werden, wenn die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der Methode abgegeben haben (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 135 Nrn. 4 und 5). § 135 Abs. 1 SGB V bezweckt die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung; es soll gewährleistet werden, dass neue medizinische Verfahren nicht ohne Prüfung ihres diagnostischen bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden. Die Regelung ist deshalb in der Art eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt gefasst. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind so lange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkasse ausgeschlossen, bis der Bundesausschuss sie als zweckmäßig anerkannt hat (BSG SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4, S. 14).
Eine solche positive Feststellung liegt bislang für die ESW-Therapie bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen nicht vor. Vielmehr ist die ESW-Therapie bei diesen Indikationen durch Beschluss des Bundesausschusses vom 24. April 1998 zu den Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen in die Anlage B („nicht anerkannt“) Nr. 2 als Methode aufgenommen worden, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf (BAnz 1998, S. 10507). Durch Beschluss des Bundesausschusses vom 10. Dezember 1999 - veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 56 vom 21. März 2000 - sind die geltenden Beschlüsse in die Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V und ihren Anlagen A („anerkannt“) und B („nicht anerkannt“) übergeleitet worden und die streitbefangene ESW-Therapie nunmehr in der Anlage B Nr. 23 aufgeführt.
Insofern bestand weder im Zeitpunkt der Antragsstellung im Juli 1998 noch im Zeitpunkt der erfolgten Therapiesitzungen am 29. Juli, 2. und 30. September 1998 und 13. Januar 1999 ein Anspruch auf Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung für die ESW-Therapie. Mithin geht auch der vom Kläger wiederholt vorgetragene Hinweis auf die erst im Bundesanzeiger am 25. Juli 1998 veröffentlichte negative Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen fehl. Denn eine Leistungspflicht der Krankenkassen bestand auch vor diesem Zeitpunkt nicht. Damit entsprach die von der Beklagten übernommene Kostenbeteiligung als sogenannte Einzelfallentscheidung auch nicht der geltenden Rechtslage.
Da es sich bei den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen um untergesetzliche Rechtsnormen handelt, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, kann der Kläger nicht einwenden, die nicht anerkannte Methode sei gleichwohl zumindest in seinem konkreten Einzelfall zweckmäßig und wirksam (BSG SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4, S. 20). Mithin war dem sinngemäß gestellten Beweisantrag des Klägers nach Einholung eines Gutachtens zur Klärung der Frage, dass die ESW-Behandlung für ihn die einzige medizinisch sinnvolle und erfolgversprechende Behandlungsmethode gewesen sei (Schriftsatz vom 26. Mai 2000), nicht von Seiten des Senats nachzukommen.
Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss dem Zweck der Ermächtigung oder rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprochen haben könnte (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 17, S. 81). Der Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ist zu entnehmen, dass der Arbeitsausschuss „Ärztliche Behandlung“, nach dem mit Datum vom 28. Oktober 1997 die Beratung durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung beantragt worden war, seine Entscheidung nach Eingang der eingeholten Stellungnahmen, sowie Recherche und Aufarbeitung der wissenschaftlichen Literatur getroffen hat. Der Vorsitzende des Arbeitsausschusses „Ärztliche Behandlung“ führt in der Auskunft vom 16. März 2000 u. a. aus, dass die aktuelle Analyse und Bewertung aller Stellungnahmen, der wissenschaftlichen Literatur und sonstigen Fundstellen keinen hinreichenden Beleg für die Wirksamkeit und medizinische Notwendigkeit bei den verschiedenen Indikationen belegen konnte. Untersuchungen zu Langzeitnebenwirkungen der ESW-Therapie hätten nicht vorgelegen, obwohl die Methode bereits seit Jahren an Patienten erprobt werde. Insgesamt seien alle Artikel und Berichte, die die Methode befürworteten, hinsichtlich ihrer Evidenz allenfalls auf Stufe II c der Beurteilungsrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen einzuordnen gewesen. Auf Grund des fehlenden Wirksamkeitsnachweises und des Fehlens von Studien mit einer ausreichenden Nachbeobachtungszeit, die die behauptete Sicherheit des Verfahrens belegen könnten, habe der Arbeitsausschuss keine Möglichkeit gesehen, die ESW-Therapie für die vertragsärztliche Versorgung anzuerkennen. Auch nach der Beschlussfassung im Jahr 1998 hätten wissenschaftliche Arbeiten keine weiterführenden Informationen zum Nutzen, zur Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit erbracht, oder sie bestätigten die Schlussfolgerungen des Bundesausschusses.
Im Hinblick darauf sah sich der Senat, trotz der vom Kläger im Schriftsatz vom 26. Mai 2000 geforderten weiteren Sachverhaltsaufklärung und für notwendig erachteten Beweiserhebung, nicht veranlasst, weitere Ermittlungen anzustellen. Soweit der Kläger darauf abstellt, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe seiner Entscheidungsfindung nicht aktuell vorliegendes wissenschaftliches Material, sondern hauptsächlich ein Gutachten aus dem Jahr 1996 zu Grunde gelegt, entspricht dies nicht den Tatsachen. In der eingeholten Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen - Arbeitsausschuss „Ärztliche Behandlung“ - wird ausgeführt, der Ausschuss habe alle aktuellen Stellungnahmen, die maßgebliche wissenschaftliche Literatur sowie ein umfassendes HTA-Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von 1996 in die Abwägung einbezogen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem in der Auskunft benannten Abschlussbericht des Arbeitsausschusses „Ärztliche Behandlung“, dass der Arbeitsausschuss ebenso die Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Extrakorporale Stoßwellentherapie (DGST) bzw. der IGESTO, dort eingegangen am 3. März 1998, und die in dieser Stellungnahme aufgeführte wissenschaftliche Literatur analysiert, bewertet und abwägend in seine Entscheidung einbezogen hat (3.7. = S. 4 des Abschlussberichts). Ferner zeigt sich aus dem Literaturverzeichnis die Berücksichtigung wissenschaftlicher Literatur bis zum Jahr 1998 (10 = S. 36 bis 38 des Abschlussberichts). Insbesondere wurde zu dem Gutachten des MDK aus dem Jahr 1996 eine aktuelle schriftliche Stellungnahme des Projektleiters vom 28. Januar 1998 eingeholt (7.2 = S. 22 des Abschlussberichtes) und des Weiteren wurden die in der Stellungnahme der DGST/IGESTO benannten Bücher (J.-D. Rompe: Extrakorporale Stoßwellentherapie; Grundlagen, Indikationen, Anwendungen, Chapman & Hall Verlag 1997; M. Loew, J.-D. Rompe: Stoßwellenbehandlung bei orthopädischen Erkrankungen, Bücherei des Orthopäden, Band 71. Enke-Verlag 1998; C. Chaussey, F. Eisenberger, D. Jocham, D. Wilbert: High Energy Shockwaves in Medicine, Thieme Verlag 1997; W. Siebert, M. Buch: Extracorporeal Shockwaves in Orthopaedics, Springer Verlag 1997) diskutiert und bewertet (7.3 = S. 23; 7.4.4. = S. 33 des Abschlussberichtes).
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, die Kosten für eine privatärztlich durchgeführte Extrakorporale Stoßwellen (ESW)-therapie an der linken Schulter des Klägers in Höhe von 1.275,00 DM zu erstatten.
Der 1950 geborene Kläger ist freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten. Er leidet an einer Verkalkung der rechten und linken Schulter (Tendinosis calcarea).
Die Beklagte gewährte dem Kläger im März 1998 einen Kostenzuschuss in Höhe von 1.275,00 DM für eine an der rechten Schulter durchgeführte ESW-Therapie. Der Kläger beantragte im Juli 1998 auch eine Kostenbeteiligung der Beklagten in Höhe von 1.275,00 DM für die Behandlung der linken Schulter und legte hierzu eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Orthopädie H. M.vom 16. Juli 1998 vor. Hiernach sei es bereits nach dreimaliger ESW-Therapie bei der rechten Schulter zu einer radiologisch deutlichen Rückbildung der Verkalkung gekommen und der Erfolg dokumentiert. Bei gleichem Leiden an der linken Schulter sei ebenfalls eine ESW-Therapie mit guten Erfolgsaussichten indiziert.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24. Juli 1998 die Gewährung eines Zuschusses für die ESW-Behandlung ab und führte zur Begründung aus, dass die ESW-Therapie nicht mehr zu den vertragsärztlichen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen gehöre. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung habe keine Möglichkeit der Befürwortung mehr gesehen.
Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. September 1998).
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, dass die bisherigen anderen Behandlungen keine Linderung der Beschwerden gebracht hätten. Die ESW-Therapie stelle die geringste Beeinträchtigung und Belastung, insbesondere gegenüber der Operation dar. Nach der Behandlung der rechten Schulter sei er schmerzfrei und auch die nunmehr durchgeführte Behandlung der linken Schulter (Behandlungstage am 29. Juli, 2. und 30. September 1998 und 13. Januar 1999; Rechnungen Bl. 44 - 47 Gerichtsakte) habe zur Schmerzfreiheit geführt. Entgegen der Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen handele es sich bei der ESW-Therapie um eine wissenschaftlich anerkannte Maßnahme.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. April 1999 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine Kostenübernahme für die ESW-Therapie sei bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen nicht möglich. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe diese Methode in die Anlage „B“ seiner Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen gemäß § 135 Abs. 1 i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) aufgenommen. In dieser Anlage seien diejenigen Methoden aufgeführt, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Eine derartige Entscheidung sei von der Verwaltung und den Gerichten zu beachten.
Gegen den ihm am 31. Mai 1999 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 24. Juni 1999 und verfolgt sein Begehren auf Kostenerstattung fort. Er meint, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe die ESW-Therapie zu Unrecht in die Anlage „B“ aufgenommen, da er seine Entscheidung ohne Berücksichtigung des aktuellen Standes des Wissens im medizinisch-wissenschaftlichen Bereich getroffen habe. Für ihn habe keine Alternative zur durchgeführten Behandlung bestanden, insbesondere sei eine Operation mit den unabwägbaren Risiken abzulehnen gewesen. Im Übrigen sei die Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 24. April 1998, die erst im Bundesanzeiger am 25. Juli 1998 veröffentlicht worden sei, und erst einen Tag später Gültigkeit erlangt habe, für seinen Fall nicht einschlägig. Die Beklagte habe ihren ablehnenden Bescheid bereits zuvor am 24. Juli 1998 erlassen und sich damit zu Unrecht auf die zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getretene Regelung berufen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. April 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 1.275,00 DM für die an der linken Schulter durchgeführte ESW-Therapie zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen - Arbeitsausschuss „Ärztliche Behandlung“ - vom 16. März 2000 eingeholt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die an der linken Schulter durchgeführte ESW-Therapie.
Als Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch kommt allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Der Kostenerstattungsanspruch tritt an die Stelle eines an sich gegebenen Leistungsanspruchs, den die Kasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfüllt hat. Er kann deshalb nur bestehen, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Dies ist hier nicht der Fall, so dass offen bleiben kann, nach welcher der beiden Alternativen des § 13 Abs. 3 SGB V der Anspruch gegebenenfalls zu beurteilen wäre und ob deren weitere Voraussetzungen erfüllt sind.
Es handelt sich bei der Behandlung der Schulter des Klägers mittels ESW-Therapie um eine Therapiemaßnahme, die nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Leistung erbracht werden darf bzw. erbracht werden durfte (so auch: LSG-Berlin, 9. Senat, Urteil vom 3. November 1999 - L 9 KR 85/98 -).
Nach § 135 Abs. 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur dann erbracht werden, wenn die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u. a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der Methode abgegeben haben (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 135 Nrn. 4 und 5). § 135 Abs. 1 SGB V bezweckt die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung in der gesetzlichen Krankenversicherung; es soll gewährleistet werden, dass neue medizinische Verfahren nicht ohne Prüfung ihres diagnostischen bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztlichen Versorgung angewandt werden. Die Regelung ist deshalb in der Art eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt gefasst. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind so lange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkasse ausgeschlossen, bis der Bundesausschuss sie als zweckmäßig anerkannt hat (BSG SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4, S. 14).
Eine solche positive Feststellung liegt bislang für die ESW-Therapie bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen nicht vor. Vielmehr ist die ESW-Therapie bei diesen Indikationen durch Beschluss des Bundesausschusses vom 24. April 1998 zu den Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen in die Anlage B („nicht anerkannt“) Nr. 2 als Methode aufgenommen worden, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf (BAnz 1998, S. 10507). Durch Beschluss des Bundesausschusses vom 10. Dezember 1999 - veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 56 vom 21. März 2000 - sind die geltenden Beschlüsse in die Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V und ihren Anlagen A („anerkannt“) und B („nicht anerkannt“) übergeleitet worden und die streitbefangene ESW-Therapie nunmehr in der Anlage B Nr. 23 aufgeführt.
Insofern bestand weder im Zeitpunkt der Antragsstellung im Juli 1998 noch im Zeitpunkt der erfolgten Therapiesitzungen am 29. Juli, 2. und 30. September 1998 und 13. Januar 1999 ein Anspruch auf Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung für die ESW-Therapie. Mithin geht auch der vom Kläger wiederholt vorgetragene Hinweis auf die erst im Bundesanzeiger am 25. Juli 1998 veröffentlichte negative Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen fehl. Denn eine Leistungspflicht der Krankenkassen bestand auch vor diesem Zeitpunkt nicht. Damit entsprach die von der Beklagten übernommene Kostenbeteiligung als sogenannte Einzelfallentscheidung auch nicht der geltenden Rechtslage.
Da es sich bei den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen um untergesetzliche Rechtsnormen handelt, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, kann der Kläger nicht einwenden, die nicht anerkannte Methode sei gleichwohl zumindest in seinem konkreten Einzelfall zweckmäßig und wirksam (BSG SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4, S. 20). Mithin war dem sinngemäß gestellten Beweisantrag des Klägers nach Einholung eines Gutachtens zur Klärung der Frage, dass die ESW-Behandlung für ihn die einzige medizinisch sinnvolle und erfolgversprechende Behandlungsmethode gewesen sei (Schriftsatz vom 26. Mai 2000), nicht von Seiten des Senats nachzukommen.
Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss dem Zweck der Ermächtigung oder rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprochen haben könnte (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 17, S. 81). Der Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ist zu entnehmen, dass der Arbeitsausschuss „Ärztliche Behandlung“, nach dem mit Datum vom 28. Oktober 1997 die Beratung durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung beantragt worden war, seine Entscheidung nach Eingang der eingeholten Stellungnahmen, sowie Recherche und Aufarbeitung der wissenschaftlichen Literatur getroffen hat. Der Vorsitzende des Arbeitsausschusses „Ärztliche Behandlung“ führt in der Auskunft vom 16. März 2000 u. a. aus, dass die aktuelle Analyse und Bewertung aller Stellungnahmen, der wissenschaftlichen Literatur und sonstigen Fundstellen keinen hinreichenden Beleg für die Wirksamkeit und medizinische Notwendigkeit bei den verschiedenen Indikationen belegen konnte. Untersuchungen zu Langzeitnebenwirkungen der ESW-Therapie hätten nicht vorgelegen, obwohl die Methode bereits seit Jahren an Patienten erprobt werde. Insgesamt seien alle Artikel und Berichte, die die Methode befürworteten, hinsichtlich ihrer Evidenz allenfalls auf Stufe II c der Beurteilungsrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen einzuordnen gewesen. Auf Grund des fehlenden Wirksamkeitsnachweises und des Fehlens von Studien mit einer ausreichenden Nachbeobachtungszeit, die die behauptete Sicherheit des Verfahrens belegen könnten, habe der Arbeitsausschuss keine Möglichkeit gesehen, die ESW-Therapie für die vertragsärztliche Versorgung anzuerkennen. Auch nach der Beschlussfassung im Jahr 1998 hätten wissenschaftliche Arbeiten keine weiterführenden Informationen zum Nutzen, zur Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit erbracht, oder sie bestätigten die Schlussfolgerungen des Bundesausschusses.
Im Hinblick darauf sah sich der Senat, trotz der vom Kläger im Schriftsatz vom 26. Mai 2000 geforderten weiteren Sachverhaltsaufklärung und für notwendig erachteten Beweiserhebung, nicht veranlasst, weitere Ermittlungen anzustellen. Soweit der Kläger darauf abstellt, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe seiner Entscheidungsfindung nicht aktuell vorliegendes wissenschaftliches Material, sondern hauptsächlich ein Gutachten aus dem Jahr 1996 zu Grunde gelegt, entspricht dies nicht den Tatsachen. In der eingeholten Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen - Arbeitsausschuss „Ärztliche Behandlung“ - wird ausgeführt, der Ausschuss habe alle aktuellen Stellungnahmen, die maßgebliche wissenschaftliche Literatur sowie ein umfassendes HTA-Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von 1996 in die Abwägung einbezogen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem in der Auskunft benannten Abschlussbericht des Arbeitsausschusses „Ärztliche Behandlung“, dass der Arbeitsausschuss ebenso die Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Extrakorporale Stoßwellentherapie (DGST) bzw. der IGESTO, dort eingegangen am 3. März 1998, und die in dieser Stellungnahme aufgeführte wissenschaftliche Literatur analysiert, bewertet und abwägend in seine Entscheidung einbezogen hat (3.7. = S. 4 des Abschlussberichts). Ferner zeigt sich aus dem Literaturverzeichnis die Berücksichtigung wissenschaftlicher Literatur bis zum Jahr 1998 (10 = S. 36 bis 38 des Abschlussberichts). Insbesondere wurde zu dem Gutachten des MDK aus dem Jahr 1996 eine aktuelle schriftliche Stellungnahme des Projektleiters vom 28. Januar 1998 eingeholt (7.2 = S. 22 des Abschlussberichtes) und des Weiteren wurden die in der Stellungnahme der DGST/IGESTO benannten Bücher (J.-D. Rompe: Extrakorporale Stoßwellentherapie; Grundlagen, Indikationen, Anwendungen, Chapman & Hall Verlag 1997; M. Loew, J.-D. Rompe: Stoßwellenbehandlung bei orthopädischen Erkrankungen, Bücherei des Orthopäden, Band 71. Enke-Verlag 1998; C. Chaussey, F. Eisenberger, D. Jocham, D. Wilbert: High Energy Shockwaves in Medicine, Thieme Verlag 1997; W. Siebert, M. Buch: Extracorporeal Shockwaves in Orthopaedics, Springer Verlag 1997) diskutiert und bewertet (7.3 = S. 23; 7.4.4. = S. 33 des Abschlussberichtes).
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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