L 6 AS 133/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 13 AS 689/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 133/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 29/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 23. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger auch seine notwendigen außergerichtlichen Kosten der Berufung zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides vom 25. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2012 mit dem für den Zeitraum 1. Juni 2012 bis 31. August 2012 ein vollständiger Wegfall des Arbeitslosengelds II festgestellt wurde.

Der 1977 geborene Kläger, unterzeichnete unter dem Datum vom 20. Februar 2012 die nachfolgend wiedergegebene Eingliederungsvereinbarung. Bereits zuvor stand er im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und hatte auch zuvor schon Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen.
"1. Ihr Träger für Grundsicherung Jobcenter Stadt Kassel unterstützt Sie mit folgenden Leistungen zur Eingliederung
Er unterbreitet Ihnen Vermittlungsvorschläge, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen. Er nimmt Ihr Bewerberprofil in www.arbeitsagentur.de auf.
Er bietet Ihnen folgende Leistung/en zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung an, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und zuvor eine gesonderte Antragstellung erfolgt: Mobilitätshilfen, weitere Leistungen, ESG.
Er fördert eine Arbeitsaufnahme durch die Gewährung eines Eingliederungszuschusses (§ 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §§ 217ff. SGB III; § 421 f, o, p SGB III) an den Arbeitgeber, bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen und vorheriger Antragstellung durch den Arbeitgeber.
Kommt der zuständige Träger seinen in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten nicht nach, ist ihm innerhalb einer Frist von 4 Wochen das Recht der Nacherfüllung einzuräumen. Ist eine Nachbesserung tatsächlich nicht möglich, muss er folgende Ersatzmaßnahme anbieten:
Einleitung bundesweiter Vermittlungsbemühungen
2. Bemühungen von Herrn A. zur Eingliederung in Arbeit Sie unternehmen von 20.02.12 bis 19.08.12 mindestens 10 Bewerbungsbemühungen pro Monat um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Die Eigenbemühungen bei der Arbeitsplatzsuche sind bis zum 19ten eines jeden Monats, durch Kopien der schriftlichen Bewerbungen und/oder durch Antwortschreiben der Arbeitgeber, unaufgefordert vorzulegen. Bei der Stellensuche sind auch befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen.
Sie bewerben sich zeitnah, d.h. spätestens am dritten Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die Sie von der Agentur für Arbeit erhalten haben."

Auf Seite 2 und 3 der Eingliederungsvereinbarungen finden sich Hinweise und Pflichten bei Ortsabwesenheit sowie eine ausführliche Rechtsfolgenbelehrung. Dort wurde u.a. unter konkreter Bezugnahme auf die vorherige Leistungsabsenkung darauf hingewiesen, dass ein weiterer wiederholter Pflichtenverstoß (Verstoß gegen die Eingliederungsvereinbarung) den vollständigen Wegfall der Leistungen nach dem SGB II zur Folge haben werde.
Hinsichtlich des übrigen Inhalts der Eingliederungsvereinbarung wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte (gelber Band xxx, vorgeheftetes Konvolut ohne Blattierung) Bezug genommen.

Bereits im Jahr 2011 kam es zwischen den Beteiligten zu Unstimmigkeiten über den Nachweis von Bewerbungsbemühungen. Auf eine Anhörung zur Leistungsabsenkung vom 20. Oktober 2011 antwortete der Kläger am 10. November 2011 (Schreibweise wie im Original): "Dadurch das ich selbst keinen Computer habe, mußte ich ins Internet-Cafe aber dazu brauche ich erstmal Geld für Fahrkarte und Internet. Dann liegt meine Mutter im Krankenhaus und muß mich sehr um ihre Angelegenheit (Pflege, Schuhe usw.) kümmern. Ihr wurde der rechte Vorderfuß amputiert ( ). Ich habe die 10 Bewerbungen, die ich schreiben mußte wollte ich abgeben und nicht angenommen wurden, weil ich zu spät war. ( )"

Vom 1. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 wurden die Leistungen des Klägers bereits vollständig abgesenkt; der Beklagte führte zur Begründung aus, dass der Kläger nicht genügend Eigenbemühungen habe nachweisen können. Diese Absenkung war Gegenstand des Verfahrens S 13 AS 133/12 bzw. L 6 AS 134/14. Hinsichtlich der Tatsachen, auf die der Beklagte die Absenkung stützt, wird auf die Feststellungen in den dortigen Entscheidungen verwiesen.

Mit Schreiben vom 23. April 2012 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigen Absenkung an. Die Höhe der Absenkung lässt sich aus der Anhörung nicht entnehmen. Eine Stellungnahme des Klägers erfolgte nicht.

Unter dem 23. Mai 2012 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag bei der Beklagten.

Mit Bescheid vom 24. Mai 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 1. Juni 2012 bis 31. August 2012 " 524 EUR abzüglich Sanktion – Gesamtanspruch 0,00 EUR", für den Zeitraum 1. September 2012 bis 30. November 2012 monatlich 524 EUR. Mit Bescheid vom 25. Mai 2012 senkte die Beklagte die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis 31. August 2012 vollständig ab. Auf die Gewährung von ergänzenden Sachleistungen in Form von Gutscheinen in Höhe von monatlich 172,00 Euro wurde hingewiesen.

Der Widerspruch des Klägers ging am 31. Mai 2012 bei dem Beklagten ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid sei aufzuheben, da der Kläger die geforderten Bewerbungen vorgelegt habe.
Unter dem 1. August 2012 legte die Bevollmächtigte des Klägers Bewerbungsnachweise für den Zeitraum 22. März bis 20. April 2012 vor. Davon entfielen sechs auf den Zeitraum 20. März bis 19. April 2012.
Mit Bescheid vom 2. August 2012 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen, weil der Kläger seiner Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung vom 20. Februar 2012 nicht nachgekommen sei. Der Kläger habe im Zeitraum vom 20. März 2012 bis 19. April 2012 nicht zehn Eigenbemühungen nachgewiesen. Der Kläger habe lediglich 6 Eigenbemühungen nachgewiesen.

Gegenwärtig steht der Kläger nicht mehr im Leistungsbezug.

Der Kläger hat am 3. September 2012 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben und vorgetragen, Bewerbungsunterlagen seien vorgelegt worden. Ihm seien mehr Bewerbungen nicht zumutbar gewesen, da die Beklagte bei ihm Vermittlungshemmnisse festgestellt habe und keine entsprechende Förderung zum Abbau der Vermittlungshemmnisse angeboten habe.
Der Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe keine ausreichende Anzahl an Bewerbungsbemühungen vorgelegt und eine individuelle Förderung sei erfolgt.

Das Sozialgericht Kassel hat mit Urteil vom 23. Januar 2014 den Bescheid vom 25. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2012 aufgehoben. Zu Unrecht habe der Beklagte den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II festgestellt.
Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II a.F. i.V.m. § 31
a SGB II lägen nicht vor. Es fehle bereits an einer Pflichtverletzung. Grundvoraussetzungen für eine Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II a.F. sei die Existenz einer wirksamen Eingliederungsvereinbarung. Eine Absenkung nach § 31a SGB II komme nur in Betracht, wenn eine wirksame und nicht nichtige Eingliederungsvereinbarung vorliege. Insoweit sei eine inzidente Prüfung der abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung vorzunehmen. Der Beklagte stütze den Bescheid auf die Eingliederungsvereinbarung. Nach der Auffassung der Kammer sei diese Eingliederungsvereinbarung jedenfalls im Hinblick auf den vereinbarten Nachweis von monatlich zehn Eigenbemühungen nichtig. Die Kammer erachte eine Vereinbarung über Eigenbemühungen als nichtig, wenn ein entsprechender Verwaltungsakt rechtswidrig wäre. Ein Verwaltungsakt erweise sich dann als rechtswidrig, wenn dem Leistungsempfänger Pflichten auferlegt würden, die ihm nicht zumutbar seien. Dies sei der Fall, wenn kostenträchtige Maßnahmen von dem Leistungsempfänger verlangt würden, ohne dass konkrete Regelungen zur Übernahme dieser Kosten durch den Träger getroffen würden.
Bei den Kosten für die Erstellung und den Versand von Bewerbungsunterlagen sowie den Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen folge aus der Möglichkeit der Kostenübernahme, dass ihre (vollständige) Bestreitung aus der Regelleistung regelmäßig unzumutbar sei. Dies gelte insbesondere für die Fälle, wie im vorliegenden Verfahren, in denen der Kläger in der Vergangenheit darauf hingewiesen habe, dass er nicht über genügend Mittel verfüge, um die geforderte Anzahl an Bewerbungen zu fertigen und es in der Vergangenheit bereits zu einem vollständigen Wegfall der Leistungen aufgrund fehlender Eigenbemühungen gekommen sei. Nach Ansicht der Kammer wäre der Beklagte spätestens nach der zweiten vollständigen Absenkung der Leistungen des Klägers wegen fehlenden Eigenbemühungen verpflichtet gewesen, die Eingliederungsvereinbarung bezüglich der Kostenübernahme zu ergänzen. Einer tatsächlichen Regelung der Übernahme der Kosten habe es auch deshalb bedurft, weil es sich um eine Ermessensleistung des Beklagten handele. Bei fehlenden Regelungen zur Übernahme könne dieser - freilich innerhalb des ihm zustehenden Ermessens - eine Kostenübernahme auch ablehnen. Aus den vorliegenden Verwaltungsakten ergebe sich auch nicht, dass der Kläger Kenntnis von der Übernahmefähigkeit dieser Kosten gehabt hätte. Es finde sich kein entsprechender Antrag in den Verwaltungsakten. In den vorliegenden Eingliederungsvereinbarungen finde sich letztmalig im Jahr 2007 ein Hinweis auf eine mögliche Übernahme von Kosten, allerdings nur unter der allgemeinen Beschreibung "Unterstützung von Bewerbungsbemühungen durch finanzielle Leistungen (UBV) nach Maßgabe des § 46 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III), nach vorherigem gesonderten Antrag". Ein solcher pauschaler Hinweis ohne konkrete Angabe zum Umfang der Unterstützung oder welche Bewerbungsbemühungen unterstützt würden, sei nicht geeignet, vier Jahre später den Beklagten von der Pflicht zur Regelung über die Kostenübernahme zu entbinden, zumal die gesetzlichen Regelungen des SGB III in der darauf folgenden Zeit eine Neuordnung erfahren hätten.

Das Urteil ist dem Beklagten am 12. Februar 2014 zugestellt worden.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist am 11. März 2014 bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangen.

Der Beklagte trägt vor, das Sozialgericht verkenne die Rechtsnatur und die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Eingliederungsvereinbarung, die ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) sei. Die Nichtigkeit bestimme sich allein nach § 58 SGB X. Gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 1 SGB X sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes richte sich wiederum nach § 40 SGB X. Für die fehlende Regelung einer Bewerbungskostenübernahme seien aber die Alternativen des § 40 SGB X nicht einschlägig. Nach § 58 Abs. 2 Nr. 2 SGB X sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ferner nichtig, wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt rechtswidrig wäre und dies den Vertragschließenden bekannt gewesen sei. Von einer Kenntnis der Rechtswidrigkeit auf Seiten der Beklagten könne keine Rede sein. Der Beklagte gehe vielmehr davon aus, dass es weder geboten noch erforderlich sei, eine Gesetzesbestimmung, die ohnehin zu beachten sei, zum Regelungsinhalt einer Eingliederungsvereinbarung zu machen.
Der Beklagte ist der Rechtsauffassung, die Bewerbungskostenübernahme sei unmittelbar im Gesetz nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 44 SGB III geregelt. Die Verpflichtung über die eigenen Bemühungen sei mit dem konkreten Inhalt für den Kläger verbindlich. Die Verständlichkeit und Bestimmtheit der Eingliederungsvereinbarung wäre beeinträchtigt, wenn die Eingliederungsvereinbarung mit der Wiedergabe allgemein gültiger Gesetzesregelungen überfrachtet werden würde. Auch eine weitere Konkretisierung der Bewerbungskostenübernahme in der jeweiligen Eingliederungsvereinbarung sei weder möglich noch zulässig. Eine Ermessensausübung, ob und in welcher Höhe Bewerbungskosten übernahmefähig seien, könne und dürfe nicht vorab in der Eingliederungsvereinbarung getroffen werden, denn damit würde eine pauschale Ermessensausübung erfolgen, bevor überhaupt ein Antrag auf Erstattung gestellt worden sei. Der Beklagte beruft sich insoweit auf den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 2013 – L 7 AS 40/13.
Das Sozialgericht Kassel sei ohne weitere Ermittlungen unzutreffend davon ausgegangen, dass 5 EUR pro Bewerbung und maximal 260 EUR erstattet würden. Dies treffe im Grundsatz zu, allerdings sähen die ermessenslenkenden Weisungen auch Ausnahmen und die Erstattung weiterer Kosten vor. Die Feststellungen zur fehlenden Auskömmlichkeit von 260 EUR seien unzutreffend, weil nicht jede Bewerbungsbemühung mit Kosten verbunden sei.
Die Sache sei von grundsätzlicher Bedeutung, da es noch keine Entscheidung des Bundessozialgerichts zu den aufgeworfenen Fragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Eingliederungsvereinbarung gebe.
Der Bevollmächtigte des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass bei dem Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen mit vorformulierten Mustern gearbeitet werde, die jedoch bei Abschluss dieser Vereinbarungen auf den Einzelfall angepasst werden sollen. Diese Muster berücksichtigten insbesondere auch die höchstrichterliche Rechtsprechung und die hieraus resultierenden Anforderungen an solche Vereinbarungen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle von Folgevereinbarungen auf die zuvor geschlossenen Vereinbarungen zurückgegriffen werde.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 23. Januar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, die Bewerbungssituation habe sich für ihn von Anfang an als äußerst schwierig dargestellt. Bereits in der Fallanalyse vom 2. Juni 2005 habe er um finanzielle Unterstützung bei seinen Bewerbungen gebeten. Auch im Oktober 2011 habe er gegenüber der Beklagten geäußert: "Dadurch, dass ich selbst keinen Computer habe, muss ich ins Internet-Café. Dafür braucht erstmal Geld für die Fahrkarte und Internet." Aus eigenen Mitteln sei es ihm nicht möglich gewesen, Bewerbungen zu erstellen. Selbst nach eigener Einschätzung des Beklagten vom 9. Juni 2005 habe eine Gefahr der Langzeitarbeitslosigkeit für den Kläger bestanden. Im Profiling vom 9. Juni 2005 habe es geheißen: "Benötigt umfangreiche Unterstützung ( ) im Bewerbungsverhalten". Trotz der von dem Beklagten selbst festgestellten Vermittlungsschwierigkeiten habe der Beklagte nicht die Qualifikation des Klägers gefördert, um die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vermittlung zu schaffen. Zudem sei es in den Bereich branchenüblich, dass die Vermittlung über Zeitarbeitsfirmen stattfinde. Dort habe sich der Kläger regelmäßig vorgestellt und seine Bewerbung erneuert.
Er ist der Rechtsauffassung, die Eingliederungsvereinbarung sei rechtswidrig, weil die Bewerbungskostenübernahme fehle. Sie stelle nicht zu leistende Anforderungen an ihn. Auch seien die Sanktionsbescheide nicht hinreichend bestimmt. Für den Kläger sei nicht erkennbar, welche angeblichen Pflichtverstöße ihm in welchem Zeitraum zum Vorwurf gemacht würden.

Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13. Mai 2015 Bezug genommen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (drei Bände) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid vom 25. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2012 aufgehoben.

Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage zulässig. Der Leistungsbescheid vom 24. Mai 2012 nimmt den Absenkungsbescheid nachrichtlich vorweg und regelt eine Bewilligung von 524 EUR abzüglich der Sanktion. Zwar ist umstritten, ob ein Verwaltungsakt über die Minderung des Alg II-Anspruchs nach der seit 1. April 2012 geltenden Rechtslage einerseits überhaupt notwendig, andererseits möglicherweise hinreichend ist und ob die Minderung der Umsetzung durch einen Verwaltungsakt auf der Grundlage von § 48 SGB X bedarf (vgl. zum Streitstand: Beschluss des Senats vom 8. September 2014 L 6 AS 74/14 B ER). In einer derart unklaren Rechtslage kann der Kläger jedoch nicht darauf verwiesen werden, dass nach einer vertretbaren Ansicht es möglicherweise ein effektiverer Rechtsschutz sein könne, eine Leistungsklage zu erheben, da der Beklagte es versäumt habe, eine Minderung auch in dem Leistungsbescheid vom 24. Mai 2015 verwaltungsaktförmig zu regeln. Ist der Beklagte ebenso vertretbar der Auffassung, dass nach § 31b Abs. 1 SGB II die Feststellung der Pflichtverletzung und des Eintritts der Minderung notwendige und hinreichende Bedingung der Absenkung ist, berühmt sich mithin die Behörde, alles Erforderliche für die Absenkung getan zu haben, so ist die isolierte Anfechtungsklage statthaft und dem Kläger steht auch ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite (vgl. auch BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R, zitiert nach Terminbericht des BSG Nr. 18/15).

Die Klage ist auch begründet; die angegriffenen Bescheide verletzen den Kläger in seinen Rechten, da die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB II für eine Leistungsabsenkung nach § 31a SGB II nicht vorlagen. Der Kläger hat nicht in vorwerfbarer Weise Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung verletzt.
Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in der hier anzuwendenden, ab 1. April 2011 geltenden Fassung verletzen erwerbsfähige Hilfebedürftige ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1 Satz 6 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II gilt dies nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.

Zwar ist das Sozialgericht von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab ausgegangen. Die Wirksamkeit der Eingliederungsvereinbarung ist ausschließlich nach §§ 53 ff. SGB X zu bestimmen. Insbesondere führt nicht jede rechtswidrige Regelung in einer Eingliederungsvereinbarung zur Unwirksamkeit. Am Maßstab von § 58 SGB X ist die vorliegende Eingliederungsvereinbarung nicht nichtig (dazu 1.). Eingliederungsvereinbarungen unterliegen jedoch nach § 61 Satz 2 SGB X i.V.m. § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Inhaltskontrolle (dazu 2.). Die Klauselgestaltung der Eingliederungsvereinbarung, wonach der Auferlegung von mindestens zehn Bewerbungen pro Monat keine Regelung einer Kostenerstattung für die Bewerbungskosten gegenübersteht, erweist sich an diesem Maßstab als unwirksam (dazu 3.). Unabhängig davon steht im Falle einer rechtswidrig festgelegten, gleichwohl wirksamen Pflicht dem Leistungsberechtigten ein wichtiger Grund für die Nichteinhaltung der Pflicht zur Seite (dazu 4.).

1. Zutreffend rügt der Beklagte mit seiner Berufung, dass das Sozialgericht zu Unrecht die Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung angenommen habe. Der Senat folgt der vorherrschenden Auffassung in Schrifttum und Instanzrechtsprechung, wonach die Eingliederungsvereinbarung ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in Gestalt des sog. hinkenden Austauschvertrages im Sinne der §§ 53 ff. SGB X ist (Hessisches LSG, Beschl. v. 17. Oktober 2008 – L 7 AS 251/08 B ER u.a. – juris; Münder/Berlit, LPK-SGB II, 5. Aufl. § 15, Rn. 8-10; Eicher/Kador, SGB II, 3. Aufl., § 15, Rn. 8, alle m.w.N.; a. A. Spellbrink, in: ders., Das SGB II in der Praxis der Sozialgerichte, 2010, S. 45, 49 f.; offenlassend, aber der hier vertreten Ansicht zuneigend: BSG, Urteil vom 2. April 2014 B 4 AS 26/13 R – juris, Rn. 35 ff.). Die Gegenauffassung verkennt den im Wortlaut und der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen, gerade vertragsförmig die Rechte und Pflichten zur Eingliederung in Arbeit zu konkretisieren (Rixen, Verw 42 (2009), 309, 325; vgl. auch BT-Drs. 15/1516, S. 54: Die Vereinbarung "konkretisiert das Sozialrechtsverhältnis" durch "verbindliche Aussagen"). Die beachtlichen Einwände, die insbesondere die Asymmetrie der Machtverhältnisse bei Vertragsschluss und die Gefahr verfassungsrechtlich bedenklicher Rechtsschutzdefizite bei der Sanktionierung betreffen, sprechen nicht gegen die Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages an sich, sondern können – wie noch auszuführen sein wird – über die Inhaltskontrolle nach § 61 Satz SGB X i.V.m. §§ 305 ff. BGB aufgelöst werden.

Gemessen an diesem Maßstab ist die Eingliederungsvereinbarung nicht nichtig. Sie ist nicht nichtig, weil ein entsprechender Verwaltungsakt nichtig wäre (§ 58 Abs. 2 Nr. 1 SGB X). Nichtigkeitsgründe nach § 40 SGB X sind nicht erkennbar. Von Übrigen speziellen Nichtigkeitstatbeständen des § 58 Abs. 2 SGB X kommt allein § 58 Abs. 2 Nr. 4 SGB X in Betracht. Hiernach ist ein Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 nichtig, wenn sich die Behörde eine nach § 55 unzulässige Gegenleistung versprechen lässt (sog. Koppelungsverbot).
Zwar handelt es sich bei der Eingliederungsvereinbarung um einen sog. hinkender Austauschvertrag (Hess. LSG a.a.O.; Berlit, SRa 2006, 41, 48), auf den § 55 SGB X nach ganz vorherrschender, zutreffender Ansicht direkt oder analog anzuwenden ist. Dabei stehen nicht nur Leistung und Gegenleistung nicht in einem Synallagma, vielmehr hat auch die Verletzung von Pflichten aus der Vereinbarung Einfluss auf Leistungspflichten der Gegenseite in einem Rechtskreis gänzlich außerhalb der Vereinbarung in Gestalt der Absenkung des Arbeitslosengeldes II (zur fehlenden Regelbarkeit der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes durch Austauschvertrag: BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 4 AS 26/13 R – juris).
Jedoch folgt der Senat nicht einer in der Literatur vertretenen Auffassung, das Koppelungsverbot bzw. das Merkmal der Unzulässigkeit der Gegenleistung weit auszulegen. Nach dieser Ansicht (Eicher/Kador, SGB II, 3. Aufl., § 15, Rn. 12; Berlit, SRa 2006, 41, 47 f.; Becker, in: Hauck/Noftz, § 58 SGB X, Rn. 106; ähnl. Münder/Berlit, SGB II, 5. Aufl., § 15, Rn. 33) soll bereits die Unangemessenheit von auferlegter Pflicht und (fehlender) Gegenleistung (hier: die fehlende Regelung der Bewerbungskostenübernahme) als Verstoß gegen § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X zur Nichtigkeit führen.
Eine derartige bereichsspezifische Deutung des Koppelungsverbotes ist bereits unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung zweifelhaft und überdehnt nach Ansicht des Senates Wortlaut und Zielrichtung des Koppelungsverbotes. Die Vorschrift soll nämlich einerseits einen Ausverkauf von Hoheitsbefugnissen verhüten und andererseits den Bürger vor nicht gerechtfertigten Bindungen schützen (BT-Drs. 7/910, S. 80 zur Parallelvorschrift der VwVfG). Die Gegenleistung muss nach einer Gesamtbetrachtung angemessen sein (Tapper, in: jurisPK-SGB X § 55 Rn. 10); dies nicht zuletzt deshalb, weil die Nichtigkeit eines Teils des Vertrages im Regelfall die Gesamtnichtigkeit zur Folge hat (§ 58 Abs. 3 SGB X). Hiernach führt allein die fehlende Bewerbungskostenregelung aufgrund einer Gesamtschau der Vereinbarung nicht bereits dazu, dass die auferlegten Pflichten zu Eingliederungsbemühungen insgesamt als "unzulässige Gegenleistung" angesehen werden müssten.
Auch eine Nichtigkeit aufgrund von Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches, die als ausdrückliche Rechtsfolge die Nichtigkeit des Vertrages vorsehen, ist nicht ersichtlich (§ 58 Abs. 1 SGB X).

2. Indes unterliegt die Klausel unter Ziffer 2 der Eingliederungsvereinbarung der Inhaltskontrolle am Maßstab von § 61 Satz 2 SGB X i.V.m. § 307 BGB.

§ 307 BGB ist anwendbar. Mit der Schuldrechtsreform ist zum 1. Januar 2002 das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das BGB überführt worden, mit der Folge, dass die §§ 305 ff. BGB vom Normanwendungsbefehl des § 61 Satz 2 SGB X erfasst werden (Hessisches LSG, Urteil vom 9. Juni 2011 – L 1 KR 313/09 – Rn. 28 f.; Becker, in: Hauck/Noftz, § 61 SGB X, Rn. 108 ff.; zur Parallelvorschrift des § 62 VwVfG ebenso VG Sigmaringen, Beschluss vom 26. Juli 2010 - 8 K 273/10 – juris; Geis, NVwZ 2002, 385, 386; Ruttloff, DVBl. 2013, 1415; Fehling, in: HkVerwR, 3. Aufl., § 62 VwVfG, Rn. 13 ff.; Mann, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 62, Rn. 64; alle m.w.N.; krit.: Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 61, Rn. 9b; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 62, Rn. 57 ff.; a. A.: Diering, in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Aufl., § 61, Rn. 12). Dies hat zur Folge, dass die Formularklauseln einer Eingliederungsvereinbarung grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegen. Die Gegenauffassung, wonach in Anbetracht von §§ 55, 58 Abs. 2 SGB X kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung bestehe, vermag nicht zu überzeugen, da die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle im Vergleich zu § 58 SGB X eher auf eine Feinsteuerung der Vertragsparität abzielt, die grundsätzlich nur zur Klauselnichtigkeit und nicht zur Gesamtnichtigkeit führt (§ 306 BGB). Dies ist ein wesentlicher Unterschied insbesondere zur oben dargestellten Funktion des Koppelungsverbots. Daher entspricht die Anwendung des AGB-Rechts auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag gerade dort den Wertungen des Sozialverwaltungsverfahrensrechts, wo die Verhandlungsmacht ungleich verteilt ist und §§ 55, 58 SGB X keinen hinreichenden Schutz davor bieten, dass die Verwaltung dem Bürger einen Formularvertrag vorgibt und individuelles Aushandeln weitgehend verweigert. Speziell die Eingliederungsvereinbarung mit der Möglichkeit der Ersetzung durch Verwaltungsakt ist hierfür ein Beispiel. Zudem kann ein behauptetes fehlendes rechtspolitisches "Bedürfnis" keinen klar formulierten Rechtsanwendungsbefehl aushebeln (Becker, in: Hauck/Noftz, § 61 SGB X, Rn. 108). Bei der entsprechenden Anwendung der jeweiligen Vorschrift kann den öffentlich-rechtlichen Besonderheiten im Detail hinreichend Rechnung getragen werden.

Bei Ziffer 2. der Eingliederungsvereinbarung handelt es sich auch um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Sie werden noch nicht dadurch zu Individualvereinbarungen, dass der Verwender die Klausel lediglich auf den Einzelfall anpasst, sie in ihrem Regelungsgehalt aber unverändert lässt (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1991 - VII ZR 289/90 - MDR 1992, 378). Bloße Auswahlmöglichkeiten aus mehreren vorformulierten Klauseln oder punktuelle Vervollständigungen in Lückentexten, das handschriftliche Eintragen einer von mehreren vorbestimmten Varianten o.ä. führen ohne eine tatsächliche Verhandlung, in der der Verwender die Klausel ernsthaft inhaltlich zur Disposition stellt, ebenfalls nicht zu einer Individualvereinbarung (Staudinger/Schlosser, BGB, Bearbeitung 2013, § 305, Rn. 36 m.w.N.).
Der Bevollmächtigte des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass bei dem Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen mit vorformulierten Mustern gearbeitet werde, die jedoch bei Abschluss dieser Vereinbarungen auf den Einzelfall angepasst werden sollten. Diese Muster berücksichtigten insbesondere auch die höchstrichterliche Rechtsprechung und die hieraus resultierenden Anforderungen an solche Vereinbarungen. Es könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle von Folgevereinbarungen auf die zuvor geschlossenen Vereinbarungen zurückgegriffen werde. Dies entspricht dem Kenntnisstand des Senats über die Verwaltungspraxis, wonach regelmäßig zwar der Sachbearbeiter aus mehreren vorformulierten Klauseln diejenigen auswählt, die den festgestellten Eingliederungszielen entsprechen. Auch diese Klauseln sind jedoch für eine Vielzahl von Eingliederungsvereinbarungen vorformuliert und werden regelmäßig vom Sachbearbeiter, nicht vom Leistungsberechtigten ausgewählt. Allein aus dem Umstand, dass nicht in allen vorherigen Eingliederungsvereinbarungen des Klägers zehn Bewerbungsbemühungen gefordert worden sind und die Nachweisfrist differiert, folgt nach dem obigen Maßstab noch keine Individualvereinbarung. Da die Klausel in den letzten vier Eingliederungsvereinbarungen des Klägers im Übrigen wortlautidentisch ist, dürfte es sich insbesondere bei der Anzahl der Bewerbungen eher um eine Auswahlentscheidung des Verwenders handeln. Jedenfalls deutet aus dem Vortrag der Beteiligten nichts darauf hin, dass die Klausel zu den Bewerbungsbemühungen in einem oder mehreren Punkten vom Beklagten ernsthaft zur Disposition gestellt wurde.

3. Die Regelung in Ziff. 2 der Eingliederungsvereinbarung ist am Maßstab von § 307 BGB analog unwirksam, da es dem gesetzlichen Leitbild des § 15 SGB II widerspricht, Pflichten des Leistungsberechtigten zur Eingliederung in Arbeit ohne gleichzeitig korrespondierende Unterstützungsleistungen des Jobcenters zu regeln.

Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Nach Absatz 2 Nr. 1 der Vorschrift ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Im Rahmen der entsprechenden Anwendung im Sozialverwaltungsverfahrensrecht geht der Senat davon aus, dass die letztgenannte Regelung nicht nur vor einem nachteiligen Abweichen von disponiblen Recht schützen soll, sondern auch vor zweckwidrigen Konkretisierungen von Ermessensnormen schützt, die mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist. Die Regelung zielt auf die Sicherung der Leitbildfunktion des Gesetzes (vgl. Staudinger/Coester, BGB, Bearbeitung 2013, § 307, Rn. 247 ff.). § 15 SGB II hat mit seinen Inhaltsvorgaben für die Eingliederungsvereinbarung eine deutliche Leitbildfunktion, die der Sicherung durch § 307 BGB zugänglich ist.

Zentrale Bestandteile einer Eingliederungsvereinbarung sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II Bestimmungen darüber, welche konkreten Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält und welche konkreten Bemühungen er in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind. Nach den seinerzeit geltenden Durchführungshinweisen der Bundesagentur für Arbeit (15.19 "Förderleistungen", Fassung vom 20. Mai 2011) hinsichtlich der vom Grundsicherungsträger übernommenen Pflichten "soll" die Kostenerstattung bei auferlegten Bewerbungsbemühungen geregelt werden. Im Übrigen sieht Nr. 15.19 der Durchführungshinweise vor, dass in der Eingliederungsvereinbarung genau bestimmt sein muss, welche Leistungen die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person zur Eingliederung in Arbeit erhält (§ 15 Abs. 1 Nr. 1). Sie sind "individuell und eindeutig" unter Benennung der für die Gewährung maßgeblichen Gründe festzulegen. Wird in der Eingliederungsvereinbarung die Pflicht zu Bewerbungsbemühungen individuell durch eine festgelegte Anzahl nachzuweisender Bewerbungen bestimmt, so muss die Eingliederungsvereinbarung auch eine entsprechende Konkretisierung zur Kostenerstattung enthalten (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. April 2012 – L 15 AS 77/12 B ER – juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - L 7 AS 2193/12 B ER, L 7 AS 2194/12 B – www.sozialgerichtsbarkeit.de; Beschluss vom 17. Januar 2013 – L 7 AS 2045/12 B – juris (zum Eingliederungsverwaltungsakt); Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 31, Rn. 84).

Demgegenüber erschöpfen sich die in Nr. 1 der Eingliederungsvereinbarung geregelten Pflichten der Beklagten entweder in bloßen Programmsätzen oder nur abstrakten Leistungsversprechen. Zwar gibt es einen allgemeinen Hinweis auf Förderleistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Neben Mobilitätshilfen und Einstiegsgeld sind dort aber nur unpräzise "weitere Leistungen" genannt, so dass der Betroffene völlig im Unklaren gelassen wird, ob er überhaupt die Erstattung von Bewerbungskosten verlangen kann.

Damit steht entgegen dem gesetzlichen Leitbild, wie es insbesondere auch durch die Verwaltungsvorschriften der BA gespiegelt wird, der konkretisierten Eigenbemühungspflicht in Nr. 2 kein entsprechender Kostenerstattungsanspruch im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II gegenüber. Nicht einmal wird eine Prüfung des zu stellenden Kostenerstattungsantrags anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen in Aussicht gestellt. Damit ist der Kläger nicht in die Lage versetzt worden, die Voraussetzungen und die Höhe des ihm zustehenden Anspruchs festzustellen. Denn § 45 SGB III spricht lediglich von der Erstattung angemessener Kosten, einer erforderlichen Entscheidung des Leistungsträgers über den Umfang der zu erbringenden Leistungen und die Möglichkeit der Festlegung von Pauschalen. Der Kläger ist durch die fragliche Regelung auch benachteiligt, da sie ihm – ohne klarstellenden Hinweis - die Obliegenheit zur vorherigen Beantragung der Kostenerstattung auferlegt und sie zudem in Verbindung mit den weiteren Regelungen dazu führt, dass der Kläger die erforderlichen Eigenbemühungen mit entsprechendem Kostenrisiko durchzuführen hat (so auch in anderem Kontext LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. April 2012 – L 15 AS 77/12 B ER – juris).
Die genannte Regelung ist nach Auffassung des Senats bereits unangemessen, weil sie dem gesetzlichen Leitbild korrespondierender Pflichten zur Eigenbemühungen und Ansprüchen auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit widerspricht, indem der Pflicht zur Abgabe von mindestens zehn Bewerbungen keine entsprechende Regelung bei der Leistungskonkretisierung der Beklagten gegenübersteht und weder eine Zusage noch Hinweise im Hinblick auf den gesetzlichen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Bewerbungskostenerstattungsantrag enthält. Darüber hinaus handelt es sich auch um eine unverhältnismäßige Risikoverlagerung (vgl. dazu Münder/Berlit, SGB II, 5. Aufl., § 15, Rn. 29; Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 15, Rn. 25), da nicht verlangt werden kann über einen längeren Zeitraum die Bewerbungskosten für zehn Bewerbungen im Monat vorzustrecken und sie aufgrund des nicht konkretisierten Anspruchs auf ermessensfreie Entscheidung über die Kostenerstattung gar nicht oder eventuell – entsprechend der vom Beklagten geschilderten Verwaltungspraxis – nur gedeckelt bzw. teilweise erstattet zu erhalten. Darüber hinaus ist dem Sozialgericht zuzustimmen, dass es jedenfalls dann evident unverhältnismäßig ist, dass der Leistungsberechtigte bei Bewerbungskosten in Vorlage treten muss, wenn er nur noch Sachleistungen erhält.
Unzutreffend wendet der Beklagte ein, dass eine Ermessensbindung vorab unzulässig wäre. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der von ihm zitierten Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, wonach die Klausel " die Kosten für schriftliche Bewerbungen nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §§ 45 ff SGB III übernommen werden" hinreichend sei und eine weitere Konkretisierung nicht verlangt werden könne, da die Übernahme der angemessenen Kosten bezogen auf den konkreten Einzelfall anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen sei und eine weitere Konkretisierung der Kostenübernahmeregelung ggf. das Recht des Betroffenen auf Würdigung der konkret geltend gemachten Kosten in unzulässiger Weise beeinträchtigen würde (LSG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2013 – L 7 AS 40/13 B). Erstens enthält die dortige Regelung eine Konkretisierung in Gestalt einer Zusicherung dem Grunde nach, die hier gerade fehlt, so dass es sich nicht um einen vergleichbaren Fall handelt. Zweitens ist eine Ermessensbindung offen formulierbar, ohne dass eine solche Konkretisierung die Würdigung der konkreten Kosten beeinträchtigen würde. Der erkennende Senat erwartet in Umsetzung der zutreffenden Durchführungshinweise der BA lediglich eine Konkretisierung im Sinne einer Ermessensbindung, etwa in Gestalt der Schaffung eines Rechtsanspruchs dem Grunde nach für durch Nr. 1 der Eingliederungsvereinbarung veranlasste Bewerbungsbemühungen sowie einer – nicht abschließenden – Leitlinie, welche der typischen Ausgaben bei Bewerbungsbemühungen (Fahrtkosten, Schreibwaren, Telefon, Fax, Internet-Cafe) in welchem Umfang erstattungsfähig sind.
Im Übrigen entspricht es dem Sinn der Eingliederungsvereinbarung, dass trotz der Erfordernisse der Massenverwaltung im Sinne des "4-Phasen-Modells der Integrationsarbeit" eine individuelle Handlungsstrategie in Konkretisierung der Rechte und Pflichten zu verwirklichen ist (vgl. BA Durchführungshinweise Nr. 15.19 am Ende). Dieser Zielsetzung genügen die Textbausteine in Nr. 1 ersichtlich nicht.

Rechtsfolge ist die Unwirksamkeit allein der Ziff. 2 der Eingliederungsvereinbarung vom 20. Februar 2012; der Bestand der Eingliederungsvereinbarung im Übrigen bleibt unberührt (§ 306 Abs. 1 BGB analog). Im Ergebnis ist damit eine dem gesetzlichen Leitbild des § 15 SGB II widersprechende Pflicht in einer Eingliederungsvereinbarung ebenso wenig sanktionierbar wie eine ermessensfehlerhaft gegen die Zielsetzungen des § 15 SGB II verstoßende Pflicht im Eingliederungsverwaltungsakt.

4. Unabhängig von § 61 Satz 2 SGB X i.V.m. § 307 BGB dürfte dem Kläger auch ein wichtiger Grund im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II bei der Nichtbefolgung der Ziffer 2 der Eingliederungsvereinbarung zur Seite gestanden haben. Nach einer verbreiteten Ansicht ist die Rechtswidrigkeit einer wirksam auferlegten Pflicht aus der Eingliederungsvereinbarung ein solcher wichtiger Grund (von Koppenfels-Spieß, NZS 2011, 1, 8; Spellbrink, in: ders., Das SGB II in der Praxis der Sozialgerichte, 2010, S. 45, 57; wohl auch Eicher/Knickrehm/Hahn, SGB II, 3. Aufl., § 31, Rn. 17).

Offen bleiben kann nach alledem, ob die Bedenken hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit des Sanktionensystems durchgreifen (dazu Beschluss des SG Gotha vom 26. Mai 2015 – S 15 AS 5157/14; vgl. auch Beschluss des Senats vom 8. September 2014 – L 6 AS 74/14 B ER).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da zum Prüfungsmaßstab und zur Prüftiefe der Sanktionierung der Verletzung einer durch eine Eingliederungsvereinbarung auferlegten Pflicht noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen ist.
Rechtskraft
Aus
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