L 11 AS 713/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 1681/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 713/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Erwerbsfähigkeit.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.08.2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 28.03.2011 hat.

Der Kläger bezog zunächst ab 01.01.2005 Alg II. Im Hinblick auf das Ergebnis einer ärztlichen Begutachtung (Gutachten des Dr. K. vom 18.07.2006), der Kläger sei erwerbsunfähig iSd § 8 SGB II, hob der Beklagte mit Bescheid vom 14.09.2006 den Bewilligungsbescheid vom 26.06.2006 (Bewilligungszeitraum vom 01.07.2006 bis 31.12.2006) für die Zeit ab dem 01.10.2006 auf. Nachdem der Kläger in seinem Widerspruch vorgetragen hatte, er sei erwerbsfähig, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 07.11.2006 idF des Bescheides vom 16.11.2006 erneut Alg II bis 31.12.2006. Mit Bescheid vom 28.12.2006 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.01.2008. Dagegen legte der Kläger - unter Hinweis auf seine Erwerbsfähigkeit - Widerspruch ein. Trotz des Streits um die Erwerbsfähigkeit des Klägers bewilligte der Beklagte dem Kläger schließlich auch für die Leistungszeiträume vom 01.01.2007 bis 30.09.2008 Alg II (zuletzt mit Bescheid vom 03.03.2008). Einen für die Zeit ab 01.10.2008 gestellten Weiterbewilligungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2009 unter Hinweis auf ein Gutachten des Dr. H. (Arzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie) vom 14.07.2008 - welches im Verfahren S 17 AS 20/07 vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) eingeholt worden war und wonach der Kläger wegen einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (differentialdiagnostisch wegen einer anhaltenden wahnhaften Störung bzw. einer schizotypen Störung) außerstande sei, irgendeine berufliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben - ab. Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben (S 13 AS 150/09). Nach einem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. O. (Öffentliches Gesundheitswesen) vom 23.06.2010 habe sich gegenüber den im Gutachten von Dr. H. getroffenen Feststellungen keine wesentliche Änderung der psychischen Störung ergeben, insbesondere nachdem der Kläger keine psychiatrische, nervenärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen habe. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.03.2011 abgewiesen und dabei auf das Gutachten von Dr. O. vom 23.09.2005 und das Gutachten von Dr. H. verwiesen, aus denen die Erwerbsminderung folge, die nach dem Gutachten des Dr. O. weiter fortbestehe. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 28.11.2012 zurückgewiesen (L 11 AS 315/11). Einem Anspruch auf Alg II stehe die Erwerbsminderung des Klägers im Hinblick auf dessen psychische Störung entgegen. Diese folge aus den Gutachten der Dr. O., des Dr. H. und des Dr. O. sowie dem persönlichen Eindruck, den sich der Senat in der mündlichen Verhandlung habe machen können. Ein Antrag auf Zulassung der Revision beim Bundessozialgericht (BSG) war ohne Erfolg (B 4 AS 86/13 B) geblieben.

Einen erneuten Antrag auf Alg II vom 28.03.2011 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011 wiederum mangels Vorliegens der Erwerbsfähigkeit ab. Über den Widerspruch gegen die Ablehnung eines weiteren Antrages auf Alg II vom 11.09.2014 (Bescheid vom 19.09.2014) ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden. Seit 01.10.2008 (Bescheid des Landratsamtes Nürnberger Land vom 11.11.2008) bezieht der Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Gegen die Ablehnung seines Antrages auf Alg II vom 28.03.2011 hat der Kläger Klage zum SG mit dem Antrag erhoben, Alg II ab 18.03.2011 (evtl Schreibfehler, richtig 28.03.2011) zu zahlen. Man müsse sich eingehender mit dem Sachverhalt befassen als in den bisherigen Verfahren. Die Gutachten, auf die sich die bisherigen Entscheidungen stützten, seien unwahr, manipuliert und bestünden aus Vermutungen. Es gebe Widersprüche dahingehend, dass einerseits davon ausgegangen werde, er könne auf dem ersten Arbeitsmarkt keinesfalls mehr eingesetzt werden, andererseits nur noch eine weniger als dreistündige Tätigkeit für zumutbar erachtet werde. Er leide an keiner paranoiden Persönlichkeitsstörung. Er sei noch nie auffällig in Erscheinung getreten und habe noch nie annähernd mit einer Einrichtung zu tun gehabt, in der solche Leiden behandelt würden. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27.08.2014 abgewiesen. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass sich der psychische Gesundheitszustand des Klägers seit der Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 28.11.2012 gebessert habe.

Dagegen hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt. Es gebe keine Anhaltspunkte, die die bisherigen Untersuchungsergebnisse nur annähernd stützen würden. Bei den Gutachten des Dr. H. und Dr. S. handele es sich um Gefälligkeitsgutachten. Es sei sinnlos, weitere Unterlagen zu den Akten zu reichen, wenn zuvor ihm günstige Unterlagen durch belastende ersetzt worden seien. Auf Seite 726 der Beklagtenakte sei ein Teil wegkopiert, der ihm zugutegekommen wäre. Der Fall einer Klägerin vor dem SG, auf den er verwiesen habe, sei nie erwähnt worden. Frühere Verhandlungen seien katastrophal geführt worden, ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung im Verfahren L 11 AS 450/08 sei bis heute nicht verbeschieden und in Folgeverfahren vor dem 20. Senat des LSG sei ohne eine Rechtsgrundlage entschieden worden. Eine Anfrage des Senats beim Kläger, ob nach dem 27.03.2011 eine ärztliche Behandlung stattgefunden habe und wo etwaige ärztliche Unterlagen zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ab diesem Zeitpunkt beigezogen werden könnten, hat der Kläger nicht beantwortet. Eine Entbindung der Ärzte von ihrer Schweigepflicht habe er bereits abgegeben. Eine entsprechend erneute Anfrage des Gerichts zeige, dass man sich nicht eingehend mit den Akten auseinander gesetzt habe. Ein Einverständnis im Hinblick auf die Beiziehung der Akte des Rentenverfahrens L 19 R 478/13 hat der Kläger ebenfalls nicht erklärt. Für eine Entscheidung hierüber benötige er rechtliche Beratung. Der 11. Senat sei schon früher abgelehnt worden, worüber aber noch nicht entschieden worden sei. Akten von noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren seien beigezogen worden. Seine Unwissenheit werde ausgenutzt. Man befasse sich nicht eingehend genug mit seiner Klage. Zuletzt eingeholte Gutachten lägen längere Zeit zurück und ein Gutachten im vorliegenden Verfahren sei weder vom SG noch im Berufungsverfahren eingeholt worden. Eine Einholung eines entsprechenden Gutachtens werde beantragt. Bisherige Richter seien mit dem Fall überfordert gewesen bzw. hätten das Verfahren zu seinem Nachteil beeinflusst. Der Gutachter R. sei damals treibende Kraft für die Entscheidung der Richterin am SG gewesen. Soweit Gutachter sich auf Formulierungen und Fehler in seinen Schreiben gestützt hätten, hätten diese ihre Ursache in der automatischen Korrektur im Schreibprogramm gehabt. So sei es zu Missverständnissen gekommen. Eine doppelte Leistungsgewährung durch die Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Rentenversicherung habe er nicht mitbekommen, da seine Konten jemand anderes führe. Über die doppelte Leistungszahlung sei die Richterin am SG so verärgert gewesen, dass sie sich seinerzeit nicht auf das Wesentliche habe konzentrieren können. Möglicherweise seien seine Ergebnisse der psychodiagnostischen Zusatzuntersuchung mit denen eines anderen Patienten verwechselt worden. Ein Verfahren, bei dem eine psychische Erkrankung in Streit stehe, dürfe nicht ohne Anwalt geführt werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.08.2014 und den Bescheid vom 10.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab 01.10.2008 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger sei weiterhin nicht erwerbsfähig. Der Erweiterung des Klageantrages dahingehend, den Beklagten zur Zahlung von Alg II bereits ab 01.10.2008 zu verurteilen, werde nicht zugestimmt.

Einen ebenfalls mit der Berufung geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch hat der Senat mit Beschluss vom 09.04.2015 abgetrennt ().

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz einschließlich der Akten der Verfahren S 17 AS 20/07, S 13 AS 150/09 und L 11 AS 315/11 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 10.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 10.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011, mit dem der Beklagte die Zahlung von Alg II in Bezug auf den Leistungsantrag des Klägers vom 28.03.2011 abgelehnt hat. Die Entscheidung des Beklagten bezog sich auf die Zeit vom 01.03.2011 bis 31.08.2014. Der am 28.03.2011 gestellte Antrag wirkt nach § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I 453) auf den Ersten des Monats zurück, mithin auf den 01.03.2011. Dies gilt vorliegend wegen des rückwirkenden Inkrafttretens des Änderungsgesetzes vom 24.03.2011 zum 01.01.2011, weil der Beklagte über den Antrag erst am 10.05.2011, mithin nach der Verkündung des Gesetzes am 29.03.2011 entschieden hat und keine Übergangsregel geschaffen worden ist (vgl dazu Link in Eicher, SGB III, 3. Auflage, § 37 Rn 45; Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 01/2012, § 37 Rn 93). Die Ablehnungsentscheidung reicht bis einschließlich 31.08.2014, da der Kläger am 11.09.2014 - wegen § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II mit Wirkung zum 01.09.2014 - erneut Alg II beim Beklagten beantragt hat und der Beklagte hierüber mit Bescheid vom 19.09.2014 entschieden hat (zur Begrenzung des streitgegenständlichen Zeitraums durch einen neuen Leistungsantrag: BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/06 R; Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R; Urteil vom 25.06.2008 - B 11b 45/06 R - alle zitiert nach juris).

Der Leistungszeitraum vom 01.10.2008 bis 27.03.2011 ist nicht streitgegenständlich, da der Senat hierüber bereits mit Urteil vom 28.11.2012 (L 11 AS 315/11) rechtskräftig entschieden hat, so dass eine (erneute) Klage auf Leistungen für diese Zeit unzulässig ist (vgl BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 22/10 R - juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 141 Rn 6a). Im Übrigen ist die vom Kläger im Rahmen des Berufungsverfahrens erklärte Klageänderung-/erweiterung bereits mangels Zustimmung des Beklagten - er hat einer solchen ausdrücklich widersprochen - bzw. wegen fehlender Sachdienlichkeit nicht zulässig (§ 99 SGG).

Der Kläger hat in der Zeit vom 28.03.2011 bis 31.08.2014 keinen Anspruch auf Alg II. Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit und Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs 1 SGB II).

Eine Erwerbsfähigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum ist zur Überzeugung des Senats nicht gegeben. So gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der - insbesondere psychische - Gesundheitszustand des Klägers seit der Entscheidung des Senates vom 28.11.2012 (L 11 AS 315/11) bis zum Ende des streitgegenständlichen Zeitraumes am 31.08.2014 gebessert haben könnte. In der genannten Entscheidung hat der Senat bereits folgendes ausgeführt:

"Auf Grundlage der vom Beklagten beigezogenen medizinischen Unterlagen, insbesondere dem Gutachten der Dr. O. vom 23.09.2005, sowie der vom SG eingeholten Gutachten in den Verfahren S 17 AS 20/07 (Dr. H.; Gutachten vom 14.07.2008) und S 13 AS 150/09 (Dr. O.; Gutachten vom 23.06.2010) steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Kläger diese Voraussetzung nicht erfüllt. Der Kläger leidet an einer psychischen Störung, nämlich einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (differentialdiagnostisch an einer anhaltenden wahnhaften Störung bzw. einer schizotypen Störung), die es ihm unmöglich macht, irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Nach den Feststellungen aller Gutachter ist der Kläger außerstande, die für eine in einer arbeitsteiligen Berufswelt notwendige Kooperationsfähigkeit zu zeigen, so dass es keine Möglichkeit gibt, den Kläger in einen regulären Arbeitsprozess einzugliedern. Insoweit gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das vom Kläger an den Tag gelegte Verhaltensmuster seiner Steuerungsfähigkeit unterliegt, denn aufgrund der diagnostizierten Störung, ist die psychische und geistige Flexibilität des Klägers praktisch aufgehoben. Dass der Kläger dies selbst nicht erkennt, ist Teil des Krankheitsbildes. Der Senat hat auch unabhängig vom persönlichen Eindruck, der aus der mündlichen Verhandlung im Verfahren L 11 AS 315/11 gewonnenen werden konnte, keine Zweifel daran, dass die beim Kläger diagnostizierte psychische Störung durchgehend seit September 2008 vorliegt, denn die in den Gutachten erhobenen Befunde stützen schlüssig das gefundene Ergebnis.

Ausgehend vom Gutachten der Dr. O. aus dem Jahr 2005 haben sich bereits zu dieser Zeit beim Kläger sichere Anhaltspunkte für paranoide Wahnvorstellungen gezeigt, als dieser im Rahmen der dortigen Krankheitsanamnese davon berichtet hat, er habe Bedenken, Opfer von heimlichen Medikamentenversuchen zu werden, die von der Regierung gesteuert würden. Darüber hinaus misstraue er allen Nahrungsmitteln, deren Auswahl er nicht selbst kontrollieren könne. Auch Ärzten begegne er mit Misstrauen, denn die meisten Untersuchungsmethoden seien nicht unschädlich. Zudem meide er elektrische Geräte, wie Computer oder Fernseher, wegen des schädlichen Elektrosmogs. Dr. O. konnte in diesem Zusammenhang bereits feststellen, dass der Kläger zwar vordergründig konzentriert wirkte, im Laufe der Untersuchung aber immer wieder auf seine paranoiden Gedankeninhalte zu sprechen kam. Auch wenn er diese Aussagen als Ausdruck einer Dissimulationstendenz regelmäßig relativierte, war der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, seine einem Wahnsystem gleichenden Vorstellungen auszublenden. Demgegenüber hat auch die Begutachtung durch Dr. H. im Jahr 2008 keine wesentliche Besserung der Symptomatik belegen können. Im Vordergrund standen dort erneut die Feststellungen, dass der Kläger in pathologischer Weise in seiner (teils) wahnhaften Gedankenwelt gefangen sei, ohne sich aus dieser befreien zu können. Es handele sich hierbei um unkorrigierbare Vorstellungen und Denkinhalte, die auch paranoide Züge aufweisen, wie z.B. dass Patienten ohne ihr Wissen Medikamentenversuchen ausgesetzt würden, Menschen geistig beeinflusst werden könnten und die Behörden gegen ihn intrigieren würden. Die Überzeugungen und Vorstellungen seien so weit verfestigt, dass der Kläger außerstande sei, in Konfliktsituationen flexibel und adäquat zu reagieren. Er sei nicht in der Lage, eine Strategie zu entwickeln, die es ihm ermögliche, in kritischen Situationen einen Konflikt zwischen seinen Vorstellungen und davon abweichenden Erwartungen seiner Umwelt aufzulösen, indem er versucht mit seinem Gegenüber einen gemeinsamen Handlungs- und Lösungsweg zu finden. Derartige Konfliktsituationen könne der Kläger nur dadurch lösen, dass er nachhaltig versucht, seine Vorstellungen durchzusetzen oder sich alternativ zurückzuziehen. Die Auffassungen und Vorstellungen des Klägers seien hierbei in einer für ihn nicht mehr steuerbaren Weise unflexibel und fest eingefahren, so dass eine Kooperation und Zusammenarbeit mit seiner Umwelt in kritischen Punkten nicht möglich sei. Diese Befunde belegen zweifelsfrei, dass der Kläger nicht in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt quantitativ in irgendeinem Umfang tätig zu sein. Unabhängig davon, dass dem Kläger auf der Grundlage der testpsychologische Untersuchung (Dr. S.) vom Juni 2008 ein mindestens durchschnittliches Intelligenzniveau zu bescheinigen ist, das ihn befähigen würde, einer vollschichtigen Berufstätigkeit nachzugehen, ist der Einsatz des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt deshalb ausgeschlossen, weil die problematischen und Konflikt auslösenden Denkinhalte, denen sich der Kläger auch nicht entziehen kann, in unvorhersehbarer Weise zu Tage treten, und sowohl durch Alltagssituationen als auch durch Situationen an einem Arbeitsplatz oder die dortige Umgebung hervorgerufen werden können. Zuletzt hat auch das Gutachten des Dr. O. keine neuen Erkenntnisse erbracht, die den Schluss auf eine Besserung der psychischen Symptomatik zuließen, auch wenn der psychische Befund des Klägers, der während der dortigen Untersuchung erhoben wurde, weitgehend unauffällig und der Kläger zur Affekt- und Impulskontrolle in der Lage war; dass der Kläger noch immer in seiner Gedankenwelt verhaftet ist, ohne sich von dieser lösen zu können, schließt Dr. O. im Wesentlichen aus dem eigenhändig verfassten Schriftverkehr des Klägers, der dessen Vorstellungen widerspiegele, und der auch dem Senat vorliegt. Hieraus ist zu ersehen, dass die Gedankengänge des Klägers nach wie vor paranoide Züge aufweisen, wenn er die Auffassung äußert, an ihm seien vor 25 Jahren ohne sein Wissen, Medikamentenversuche durchgeführt worden deren Ergebnisse heute nachkontrolliert werden sollen. Deshalb wehre er sich gegen medizinische Untersuchungen. Darüber hinaus ist das gesamte gerichtliche Verfahren gekennzeichnet von Behauptungen des Klägers, Behörden, Gerichte und Rechtsanwälte würden ausschließlich zu seinem Nachteil zusammenarbeiten, so dass auch für einen medizinischen Laien eine wahnhafte Verfolgungssymptomatik offenkundig erscheint. Anlass, weitergehende Sachaufklärung von Amts wegen zu betreiben, hatte der Senat nicht, insbesondere war es nicht geboten, ein weiteres Gutachten zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers einzuholen. Unabhängig davon, dass im Verfahren vor dem Sozialgericht eine Einverständniserklärung zur Einholung medizinischer Unterlagen und von Befundberichten vorgelegen hat, sah sich der Senat gehindert, andere als die durch den Beklagten vorgelegten Unterlagen und durch das SG erhobenen Beweismittel, insbesondere die Gutachten der Dres. O., H. und O. zu verwerten. Sowohl das Verhalten als auch das Vorbringen des Klägers während des Berufungsverfahrens war allein dahingehend zu verstehen, er sei mit einer Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes durch den erkennenden Senat nicht einverstanden, so dass hierin auch ein Widerruf der erstinstanzlich erteilten Einverständniserklärung zu sehen ist. Unabhängig davon sind zudem keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Besserung der psychischen Störung des Klägers zu erkennen, die eine erneute Begutachtung erforderlich erscheinen ließen, denn es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass sich der Kläger zwischenzeitlich in nervenärztliche Behandlung gegeben hätte, in deren Folge eine Besserung der psychischen Störung zu erwarten gewesen wäre."

An dieser Einschätzung hält der Senat nach erneuter Prüfung und aufgrund des erneuten persönlichen Eindrucks, den er sich vom Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung machen konnte, auch für die Zeit ab 28.03.2011 fest. (Positive) Veränderungen bezüglich des Gesundheitszustandes des Klägers sind weder erkennbar noch vorgetragen. Der Kläger ist nach wie vor im Hinblick auf seine psychische Erkrankung uneinsichtig und bestreitet weiterhin das Vorliegen einer psychisch bedingten Erwerbsminderung. Soweit er angegeben hat, er habe noch nie annähernd mit einer Einrichtung zu tun gehabt, in der psychische Leiden behandelt werden, kann davon ausgegangen werden, dass eine Behandlung des Klägers in einer Klinik bislang nicht stattgefunden hat. Anfragen des Gerichts, ob und wo er in ärztlicher Behandlung ist, blieben vom Kläger unbeantwortet und einer Beiziehung von Akten eines Rentenverfahrens, bei dem gegebenenfalls die Erwerbsfähigkeit des Klägers Streitgegenstand sein könnte, hat er nicht zugestimmt. Eine Schweigepflichtentbindungserklärung hat der Kläger im Berufungserfahren nicht vorgelegt. Im Hinblick auf das Verhalten des Klägers und seinen Vortrag, für etwaige diesbezügliche Entscheidungen benötige er zunächst die Unterstützung eines Rechtsanwaltes, konnte der Senat nicht davon ausgehen, etwaige frühere Entbindungserklärungen in anderen Verfahren würden im Berufungsverfahren weitergelten. Im Übrigen ginge eine Schweigepflichtentbindungserklärung mangels der Benennung von behandelnden Ärzten ins Leere. Auch ohne Hilfe durch einen Rechtsanwalt musste dem Kläger klar sein, dass eine weitere Ermittlung die Beiziehung von weiteren Unterlagen notwendig machen könnte. So folgt eine ärztliche Behandlung der in den oben genannten Gutachten festgestellten psychischen Erkrankung weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus anderen, dem Senat zugänglichen Erkenntnisquellen. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers hinsichtlich seiner psychischen Erkrankung ist zur Überzeugung des Senats aber ohne eine ärztliche Behandlung ausgeschlossen. Insofern folgt der Senat der Einschätzung des Gutachtens von Dr. O. vom 23.06.2010. Mangels Anhaltspunkten für eine Besserung des Gesundheitszustandes besteht kein Anlass, weitere Ermittlungen in Form eines weiteren medizinischen Fachgutachtens "ins Blaue hinein" einzuholen. Für die Erkenntnis, dass es für eine etwaige Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers einer vorhergehenden ärztlichen Behandlung bedarf, wie es aus dem genannten Gutachten folgt, ist es unerheblich, dass es längere Zeit zurück liegt.

Ebenso gibt es keine Hinweise, dass die Akten - wie vom Kläger behauptet - manipuliert wurden. Bei Seite 726 der Beklagtenakte handelt es sich um einen Schriftsatz, den der Kläger an das BSG gefaxt hatte und der von dort dem Beklagten zur Kenntnis geschickt wurde. Offenbar ist dieses Schriftstück so wie es vom BSG verschickt worden ist zur Akte genommen worden. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwieweit sich aus einem etwaigen fehlenden Inhalt eine andere Entscheidung ergeben sollte. Gleiches gilt für die Bezugnahme des Klägers auf den Fall einer anderen Klägerin beim SG. Ein Verweis hierauf kann an der Einschätzung der fehlenden Erwerbsfähigkeit beim Kläger nichts ändern. Sowohl der vom Kläger bezeichnete Antrag auf Tatbestandsberichtigung im Verfahren L 11 AS 450/08 als auch Entscheidungen in den "Folgeverfahren" vor dem 20. Senat des LSG haben ersichtlich keine Auswirkungen auf das vorliegende Verfahren. Schließlich gibt es für den Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass Richter in vorhergehenden Verfahren überfordert gewesen sein könnten oder Gutachter falsche Gutachten erstattet oder Ergebnisse verwechselt hätten. Über die vom Kläger gegen die Richter des 11. Senats gestellten Ablehnungsanträge wurde jeweils vorab bereits durch Beschluss entschieden. Soweit der Kläger bereits in seiner Berufungsschrift die Zuordnung der Berufung an einen Senat, der bislang noch nicht ablehnend über einen von ihm geltend gemachten Anspruch auf Alg II entschieden hat, beantragt hat, kann darin kein Befangenheitsantrag gesehen werden, da es insofern lediglich um die Zuteilung der Berufung als solcher ging. Selbst wenn darin aber ein Ablehnungsantrag gegen die Mitglieder des 11. Senats gesehen werden sollte, so wäre dieser rechtsmissbräuchlich, da damit die Gesamtheit der Richter des Senats abgelehnt werden, ohne dass ein konkreter Befangenheitsgrund konkret in Bezug auf die jeweilige Person genannt wird, sondern nur pauschal eine Unvoreingenommenheit aufgrund früherer Entscheidungen behauptet wird.

Die Berufung des Klägers war damit mangels Anspruchs auf Alg II zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved