L 15 VG 2/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 25/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 2/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 1/14 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Gewährung der Versorgung ist das Land gemäß § 4 Abs. 1 des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) verpflichtet, in dem die Schädigung eingetreten ist. In den Fällen des § 3 Abs. 1 OEG sind die Kosten, die durch das Hinzutreten der weiteren Schädigung verursacht werden, von dem Leistungsträger zu übernehmen, der für die Versorgung wegen der weiteren Schädigung zuständig ist. Dies gilt auch in Fällen, in denen das eine Land Leistungen nur nach Maßgabe der Härteregelung von § 10 a OEG zu erbringen hat, das andere Land jedoch nach § 1 Abs. 1 OEG leistungspflichtig ist. Weiterhin gilt dies auch in Fällen, in denen die nämliche Gesundheitsstörung betroffen ist (hier: Langjährige sexuelle Traumatisierung in der Jugend in einem Bundesland sowie spätere sexuelle Re-Traumatisierung in einem anderen Bundesland).
I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. September 2005 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 10.Januar 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2002 verurteilt, die Gesundheitsstörungen "posttraumatische Belastungsstörung, ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung rezidivierende depressive Störung (schwergradig), intermittierend Suizidalität und Benzodiazepinabusus" als Schädigungsfolgen nach dem OEG im Sinn der Entstehung anzuerkennen und ab Oktober 2000 Versorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 80 zu gewähren.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten wegen einer Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Aus Vereinfachungsgründen wird im Folgenden, wenn das Maß der Versorgung thematisiert wird, nur vom Grad der Schädigungsfolgen (GdS) gesprochen, auch wenn es um Zeiten bzw. Feststellungen vor dem 21.12.2007 geht. Der bis einschließlich 20.12.2007 gesetzlich statuierte Maßstab der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) findet keine Erwähnung.

Die am 12.09.1956 geborene Klägerin lebt seit 1989 in der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen der "alten Bundesländer", vorher in der DDR. Sie wuchs mit drei Geschwistern in einem kleinen Ort in Brandenburg auf. Auffallend an ihrer Kindheit waren eine erheblich verzögerte Sprachentwicklung sowie häufige Krankheiten (zB Nierenbeckenentzündungen, Blasenbeschwerden). 1981 entfernte man der Klägerin die Gebärmutter wegen Krebsverdacht. Die Klägerin ist gelernte Textilfacharbeiterin, Floristin und Gärtnerin. Zuletzt arbeitete sie als Verkaufsfahrerin bei der Firma B.; dieses Arbeitsverhältnis endete zum 31.01.1994. Arbeitsunfähig war sie seit 19.11.1993 wegen rezidivierender synkopenartiger Zustände. Seit 01.02.1995 bezieht die Klägerin eine EU-Rente. Seit 1997 ist sie in dritter Ehe verheiratet.

Die genannten synkopenartigen Zustände führten 1993 und 1994 zu mehreren stationären Aufenthalten: Im Jahr 1993 befand sich die Klägerin zweimal zur stationären Behandlung im Krankenhaus B. und ebenfalls zweimal im Krankenhaus F ... Man fand für die Synkopen aber keine körperlichen Ursachen, so dass bereits 1993 von einem psychovegetativen Erschöpfungssyndrom die Rede war (Krankenhaus F.). In den letzten zwei Monaten vor der ersten Aufnahme in das Krankenhaus B. (18.07.1993) hatte die Klägerin ungewollt 18 kg abgenommen. Das Krankenhaus B. führte den massiven Gewichtsverlust auf eine psychische Belastung zurück; am Entlassungstag (30.07.1993) gab die Klägerin an, sie habe am 17.07. versehentlich Schlaftabletten genommen. Den Ärzten im Krankenhaus B. vertraute sie an, sie sei im 12. und wiederholt im 14. Lebensjahr von ihrem Vater missbraucht und vergewaltigt worden. Im Jahr 1994 durchlief die Klägerin zunächst eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der Klinik R., Bad K ... Diagnostiziert wurde unter anderem ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom. In der Folgezeit brachte man die Synkopen mit Hypoglykämien in Zusammenhang, weswegen die Klägerin im Uni-Klinikum D. eingehend untersucht wurde. Das Uni-Klinikum kam zum Ergebnis, die bei der Klägerin aufgetretenen anfallartigen Symptome hätten wohl nichts mit den Blutzuckerkonzentrationen zu tun und seien am ehesten als vagovasale Orthostasereaktionen zu erklären. Zu weiteren stationären Behandlungen - noch in der ersten Jahreshälfte 1994 - kam es wiederum im Krankenhaus B. und im Krankenhaus A ... Bezüglich der Hypoglykämien fand man - übrigens bis heute - keine körperliche Ursache. Zwischenzeitlich erstellte der Sozialmediziner Dr. S. vom MDK Bayern ein auf den 11.05.1994 datiertes Gutachten und diagnostizierte neben Hypoglykämien unklarer Genese einen Verdacht auf depressive Entwicklung (dabei hatte die Klägerin zu diesem Termin seelische Belastungen negiert). Zumindest eine teilweise Erklärung der Hypoglykämien lieferte der stationäre Aufenthalt vom 31.05. bis 15.06.1994 im Krankenhaus A-Stadt. Der Bericht des Krankenhauses weist aus, dass die Klägerin am Aufnahmetag im Krankenhaus einen generalisierten Krampfanfall erlitten hatte. Man fand heraus, dass sie sich selbst Insulin gespritzt hatte. Damit konfrontiert gab sie eine schon über einige Wochen praktizierte Insulinapplikation zu, die sie jedoch, so die Klägerin, nur zur Unterstreichung ihrer hypoglykämischen Zustände unternommen habe. Das Krankenhaus A-Stadt schrieb in seinem Bericht weiter, die Klägerin habe das komplexe Bild einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung mit autodestruktiven Handlungen geboten.

Von da an erfolgten die stationären Behandlungen der Klägerin ganz überwiegend in der Psychiatrie. Zunächst wurde die Klägerin stationär vom 15.06. bis 31.08.1994 im Krankenhaus A-Stadt behandelt. Dieses Krankenhaus (psychiatrische Abteilung) diagnostizierte "Z.n. selbstinduzierten hypoglykämischen Zuständen im Rahmen einer depressiven Entwicklung, V.a. Neigung zu reaktiven Hypoglykämien". Anamnestisch hatte die Klägerin vorgetragen, seit etwa einem Jahr vor der Aufnahme gehe es ihr gesundheitlich schlecht. Sie habe immer mehr abgenommen und Erschöpfungszustände und Ohnmachtsanfälle gehabt. Sie habe sich selbst Insulin gespritzt, um einen hypoglykämischen Zustand herbeizuführen. Später, so der Bericht des Krankenhauses A-Stadt, habe die Klägerin einge-räumt, dabei in suizidaler Absicht gehandelt zu haben. Zum Behandlungsverlauf schrieb die Klinik, es sei deutlich geworden, dass die Klägerin seit Beginn ihrer zweiten Ehe 1987 versucht habe, ihr früheres Leben mit unglücklicher erster Ehe (mehrfach schwerste Misshandlung durch ersten Ehemann) sowie Traumata in der Kindheit (einschließlich sexuellem Missbrauch) zu vergessen. Als dies aufgrund einschneidender Erlebnisse im letzten Jahr vor der stationären Behandlung nicht mehr gelungen sei, habe sie verschiedenste körperliche Symptome entwickelt und sei autodestruktiv geworden.

Am 03.10.1994 wurde die Klägerin in G. von einem Unbekannten vergewaltigt. Sie wurde dabei ohnmächtig. Als sie wieder zu sich kam, war ihr Unterkörper entblößt und sie hatte Schmerzen im Scheidenbereich. Die durchgeführten polizeilichen Ermittlungen führten nicht zur Ergreifung des Täters.

Vom 14.10.1994 bis 14.01.1995 befand sich die Klägerin erneut im Krankenhaus A-Stadt. Dessen Bericht weist die Diagnosen "Z.n. selbstinduzierten hypoglykämischen Zuständen bei V.a. Borderline-Syndrom, Suizidversuch am 13.01.1995 (Spritzen von Insulin)" aus. Die Indikation für die Behandlung ergab sich für das Krankenhaus aus den frühkindlichen Traumata der Klägerin.

Unter dem Datum 02.05.1995 erstellte der Dr. D. ein Gutachten für den Rentenversicherungsträger. Als Diagnose nannte Dr. D. "schwere reaktive Depression nach massiver familiärer Belastungssituation - Verdacht auf Borderline-Syndrom". Die Klägerin sei nach wie vor schwer depressiv verhaltensgestört, wobei eine primär neurotische Entwicklung sicherlich gegeben sei; durch reaktive Einflüsse sei die Depression verschlechtert worden. Auf jeden Fall handle es sich um eine depressive Verhaltensstörung schwerer Art. Insgesamt wirke die Klägerin hilflos, psychisch verstört, antriebsgemindert, voller Insuffizienzgedanken und Angstkomplexe.

Nach einem erneuten Selbstmordversuch am 06.05.1995 wurde die Klägerin vom 06. bis 09.05.1995 im Krankenhaus A. behandelt. Von dort entließ man sie nach Hause, was der Klägerin aber nicht gut tat. So schloss sich vom 11.05. bis 21.09.1995 eine stationäre Behandlung im Bezirkskrankenhaus G. an. In dessen Bericht vom 13.10.1995 wird mitgeteilt, den Suizidversuch habe die Klägerin mit einem Medikament unternommen. Wenige Wochen vorher habe sie erfahren, dass ihre damals 16 Jahre alte Tochter acht Jahre lang vom zweiten Mann der Klägerin (Stiefvater der Tochter) missbraucht worden sei. Ihr Sohn habe sich damals mit psychischer Dekompensation in stationärer Behandlung befunden. Weiter berichtete die Klägerin von akustischen Halluzinationen, von Panikattacken, Angstzuständen, Schlaflosigkeit und extremer Antriebsstörung, von Zwangshandlungen (Putzen, Duschen), von Somatisierungserscheinungen (Herzschmerzen, Atemnot) sowie von autoaggressiven Tendenzen (Zerkratzen der Arme). Von November 1995 bis Ende Januar 1996 wurde die Klägerin von kürzeren Unterbrechungen abgesehen nahezu durchgehend wiederum im Bezirkskrankenhaus G. stationär behandelt. Im Januar 1996 plädierten zwei Therapeuten (unter anderem Dr. M., der die Klägerin von 1994 bis 2001 behandelte) dafür, die Klägerin im betreuten Wohnen unterzubringen. Vom 13. bis 18.03.1996 fand erneut eine stationäre Krisenintervention im F. statt. Vom 16.08. bis 22.08.1996 ließ sich die Klägerin wiederum im F. stationär behandeln. Das Bezirkskrankenhaus stellte fest, die Klägerin leide an erheblichen Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen und füge sich immer wieder autoaggressiv Schnittverletzungen am Handgelenk zu.

Der Dr. H. erstellte ein weiteres Gutachten für den Rentenversicherungsträger. In dem Gutachten vom 21.10.1996 liest man in der Eigenanamnese, seit April 1996 lebe sie, die Klägerin, in einer therapeutischen Wohngemeinschaft. 1995 habe sie mehrere Suizidversuche unternommen; der letzte habe am 12.10.1996 stattgefunden. Sie kratze immer ihre Unterarme auf. Dr. H. diagnostizierte ein depressives Syndrom neurotischer Genese und eine Borderline-Störung. Die Klägerin nehme eine enorm hohe Dosis an Neuroleptika zu sich, wohl um die autoaggressiven Tendenzen zu unterbinden.

Auch das Jahr 1998 brachte einige stationäre Aufenthalte: Am 09.01. wurde die Klägerin notfallmäßig im Krankenhaus A-Stadt wegen einer Neuroleptikaintoxikation (Bewusstlosigkeit) aufgenommen. Dann wurde sie ins Krankenhaus A-Stadt verlegt (dort Aufenthalt am 11. und 12.01.1998). Damals wog sie wieder nur 50 kg (Ende 1996 noch 83 kg). Am 13.01. kam es zu einer erneuten Kurzaufnahme im Krankenhaus A-Stadt wegen Schwindel, sofort darauf aber wieder zur Entlassung. Am 14.01. schluckte die Klägerin eine Überdosis Tabletten, verneinte aber eine suizidale Absicht. Eine weitere Krisenintervention im F. fand vom 29.11. bis 02.12.1998 statt. Gegenüber den Klinikärzten gab die Klägerin an, am 16.11.1998 habe die Strafverhandlung gegen ihren zweiten Ehemann wegen Missbrauchs ihrer Tochter stattgefunden, seitdem seien alle Gefühle wieder in ihr hochgekommen. Ihre Stabilität sei zusammengebrochen, sie habe den Impuls, sich immer wieder selbst verletzen zu müssen, könne nicht mehr schlafen, sei depressiv.

Wiederum im Rentenverfahren erstellte Dr. R. ein auf den 03.09.1998 erstelltes neurologisch-psychiatrische Gutachten. Dr. R. diagnostizierte ein depressives Syndrom bei depressiver Persönlichkeit mit Suizidgefährdung. Die Klägerin gab ihm gegenüber an, sie sei überhaupt nicht belastbar, obwohl sie sich seit zwei Jahren in psychotherapeutischer Behandlung bei Dr. M. befinde (tatsächlich waren es damals schon fast vier Jahre). Die Klägerin erschien Dr. R. damals mager (48 kg).

Am 29.12.2000 beantragte die Klägerin beim Beigeladenen eine Versorgung nach dem OEG. Die Feststellung des Senats, die der Verkündung des Urteils am 18.02.2014 zugrunde gelegen hat, hat aber - fälschlicher Weise - eine Antragstellung am 29.10.2000 angenommen. Der Beigeladene leitete den Antrag auch dem Beklagten zu. Zur Begründung trug die Klägerin vor, zwischen 1960 und 1979 sei sie durch ihren Vater sexuell missbraucht worden. Die Taten hätten sich im damaligen Elternhaus in G. (Brandenburg) abgespielt. Zudem sei sie am 03.10.1994 durch einen unbekannten Täter in G. während eines Spaziergangs in einem Waldstück vergewaltigt worden.

Die Psychiaterin Dr. U. M. kam in einem versorgungsärztlichen Gutachten vom 18.07.2001 zum Ergebnis, bei der Klägerin bestehe eine massive Vorschädigung aufgrund des jahrelangen sexuellen Missbrauchs durch den Vater. Kurz nach der Vergewaltigung im Oktober 1994 sei der Klägerin der durch den Vater erlittene Missbrauch plötzlich bewusst geworden, es sei zu einer Retraumatisierung und zu einer Verschlimmerung der bereits bestandenen psychischen Gesundheitsstörungen gekommen sei. Das habe in der Folgezeit zu gravierenden und komplexen psychischen Störungen geführt. Im vorliegenden Fall sei eine Trennung der Symptome, die nach der Vergewaltigung im Oktober 1994 und dem jahrelangen sexuellen Missbrauch durch den Vater aufgetreten seien, nicht möglich. Nach der erlittenen Vergewaltigung im Oktober 1994 seien auch verschiedene exogene Belastungsfaktoren aufgetreten, die weitere psychische Destabilisierungen zur Folge gehabt hätten. Für die am 02.10.1994 erlittene Vergewaltigung sei ein GdS von 30 anzusetzen (Verschlimmerungsanteil). Die psychischen Gesundheitsstörungen in der Gesamtheit seien als posttraumatische Belastungsstörung und als seelische Störung mit 50 einzustufen. Dr. M. hatte keinen Zweifel, dass der sexuelle Missbrauch durch den Vater tatsächlich stattgefunden hatte.

Der Vater der Klägerin schrieb unter dem Datum 04.11.2001 an den Beklagten, er habe seine Tochter nie sexuell belästigt.

Das Versorgungsamt München II erkannte auf den Versorgungsantrag mit Vorbehaltsbescheid vom 09.01.2002 eine Versorgung zu wie von Dr. U. M. befürwortet (GdS 30). Als Schädigungsfolge stellte es ab 01.12.2000 "Posttraumatische Belastungsstörung, seelische Störung" fest.

Das Versorgungsamt Cottbus lehnte dagegen mit Bescheid vom 10.01.2002 den Versorgungsantrag ab. Zur Begründung führte es aus, das OEG sei im Beitrittsgebiet erst mit dem 03.10.1990 in Kraft getreten. Die Schädigung der Klägerin im Beitrittsgebiet sei aber davor eingetreten. § 10a OEG könne im Fall der Klägerin nicht zur Anwendung kommen. Zwar sei glaubhaft, dass die Klägerin zwischen 1960 und 1979 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe geworden sei. Daraus sei aber keine Gesundheitsstörung entstanden, die mit einem GdS von wenigstens 50 zu bewerten sei.

Gegen den Bescheid aus Cottbus legte die Klägerin unter dem Datum 24.01.2002 Widerspruch ein. Das Landesamt für Soziales und Versorgung Brandenburg wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2002 als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 02.10.2002 Klage beim Sozialgericht München erhoben.

Nach Einholung von Befundberichten der Neurologischen Klinik und Poliklinik der TU A-Stadt sowie von Dr. M. hat das Sozialgericht ein Gutachten nach persönlicher Untersuchung bei der Diplom-Psychologin C. in Auftrag gegeben. Frau C. ist in ihrem Gutachten vom 12.12.2003 zum Ergebnis gekommen, der GdS betrage von 1990 bis Ende 1993 25, von 1994 bis 1998 50, ab Januar 1999 30. Zur Anamnese hat die Sachverständige Folgendes festgehalten: Der Missbrauch durch ihren Vater habe angefangen, als die Klägerin vier Jahre alt gewesen sei, und habe bis 1979 gedauert, als sie von zu Hause weggezogen sei. 1990 habe ihr ihre Tochter eröffnet, dass sie vom zweiten Mann der Klägerin missbraucht werde. Zwar habe die Tochter das dann widerrufen. 1995 habe es sich aber als wahr herausgestellt (Auffinden eindeutiger Fotos). Seit dem Outing der Tochter 1990 habe sie, die Klägerin, immer wieder Träume gehabt, in denen ihr Vater vorgekommen sei. Nach der Vergewaltigung im Oktober 1994 seien schlagartig die Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch durch den Vater aufgetaucht. Es habe sie "wie eine Dampfwalze" überrollt. In dieser Zeit hätten auch die Selbstverletzungen begonnen. Die erste Einweisung in eine psychiatrische Klinik sei mit 15 Jahren erfolgt; damals habe sie den Missbrauch der Großmutter geoffenbart - man habe ihr aber nicht geglaubt. Im Frühjahr 1993, als sie Ware für die Fa. B. ausgefahren habe, habe sie immer wieder den Gedanken gehabt, mit dem Lkw "wogegen zu fahren" oder dem Vorfahrer "drauf zu fahren". Sie habe sich aber davon wieder distanzieren können und sich im Nachhinein selbst nicht mehr verstanden. Im November 1993 sei sie zusammengebrochen und wegen hypoglykämischer Zustände ins Krankenhaus eingeliefert worden. Ihre psychische Situation habe sich zunehmend verschlechtert. Von 1994 bis 1998 habe sie unter Zuständen gelitten, in denen sie sich nicht mehr unter Kontrolle gehabt, Suizidversuche unternommen und sich selbst verletzt habe. Weitere Beschwerden seien gewesen: Appetitlosigkeit, Einschlafstörungen, Angstzustände, Ängsten vor vielen Menschen und der Dunkelheit, Atembeschwerden, Beklemmungsgefühle, ausgeprägte Depressionen mit Grübeln und Selbstmordgedanken. Außerdem habe sie extreme Gewichtsschwankungen. Seit ca. 1999 gehe es ihr etwas besser. Sie könne jetzt den Haushalt führen und den Alltag einigermaßen bewältigen. Außer den Selbstmordgedanken und den Selbstverletzungen seien noch alle Symptome vorhanden, aber weniger ausgeprägt wie früher. Derzeit habe sie Angst, aus dem Haus zu gehen, sie habe das Gefühl, als ob ihr jemand die Luft wegnehme und das Herz zusammendrücke. Seit einigen Monaten leide sie wieder unter extremer Appetitlosigkeit, sie habe 10 Kilo abgenommen. Sie würde gern wieder arbeiten, fühle sich dazu aber nicht in der Lage. Sie sei mit der normalen Alltagsbewältigung ausgelastet. In ihrem Haushalt müsse alles perfekt, sauber und an seinem Platz sein. Unordnung könne sie nicht aushalten. Im psychischen Befund hat Frau C. eine ausgeprägte Affektisolierung festgestellt. Die Angaben hätten glaubhaft gewirkt, auch wenn der Klägerin die zeitliche Zuordnung manchmal schwer gefallen sei. Insgesamt habe die Klägerin schwer traumatisiert gewirkt mit den typischen Symptomen wie emotionale Stumpfheit, Schlafstörungen, Angst und Depression, sozialer Rückzug, latente Suizidalität, Alpträume. Sie zeige zwanghafte Verhaltensweisen, früher ausgeprägt in Form von extremer Reinlichkeit und häufigem Duschen, jetzt in Form einer perfekten Haushaltsführung und Ordnung. Mit der Vergewaltigung im Oktober 1994 sei es, so Frau C. im Rahmen der Beurteilung, zu einer Bewusstwerdung des sexuellen Missbrauchs durch den Vater gekommen. Eine Heilung sei aufgrund der Schwere der Erkrankung nicht möglich. An der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin bestünden keine Zweifel. Die Symptomatik sei typisch für die Folgen eines lang dauernden sexuellen Missbrauchs: Bereits als Kind habe die Klägerin massive Symptome gezeigt, sie habe bis zu ihrem fünften Lebensjahr nicht gesprochen, habe bereits im Kindes- und Jugendalter Selbstmordgedanken gehabt. Sie sei häufig krank gewesen, da ihr Vater sie dann nicht missbraucht habe. Die beschriebenen Gefühle des "Abschaltens" während des Missbrauchs seien typisch und dienten im Sinn eines Abwehrverhaltens dem Schutz vor unerträglichen Gefühlen. Auch die Amnesie habe dem Schutz vor psychischer Dekompensation gedient. Frau C. ist zu der Einschätzung gelangt, es sei zu mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit erheblicher Einschränkung der Lebensqualität gekommen. Es sei davon auszugehen, dass die Vergewaltigung ohne die bestehende Vorschädigung durch den massiven sexuellen Missbrauch durch den Vater, der bereits zu einer ausgeformten psychischen Störung geführt habe, keine so gravierenden Schäden hinterlassen hätte. Die Vergewaltigung sei vielmehr als Auslöser für die Bewusstwerdungsprozess zu sehen, der die massive Symptomatik habe ausbrechen lassen. Der sexuelle Missbrauch durch den Vater und die Vergewaltigung stünden eindeutig in ursächlichem Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung der Klägerin.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11.04.2004 hat Frau C. klar gestellt, die Vergewaltigung 1994 sei als Verschlimmerungsfaktor zu sehen und mit einem GdS von 30 anzusetzen. Sie hat ihre Einschätzung wiederholt, ab 1994 bis Ende 1998 habe die Klägerin unter schweren Gesundheitsstörungen mit mittelgradigen Anpassungsschwierigkeiten gelitten verbunden mit häufigen stationären Aufenthalten. Die Einschätzung auf einen GdS von 30 ab Januar 1999 sei deswegen gerechtfertigt, weil die Klägerin selbst angegeben habe, dass es ihr seither besser gehe, sie zwar noch unter Symptomen leide, ihren Alltag aber meistern könne. Wie von Dr. U. M. ausgeführt, sei eine Trennung der Symptomatik durch den sexuellen Missbrauch durch den Vater und der Vergewaltigung tatsächlich nicht möglich. Der Krankheitsverlauf sei bei der Klägerin schleichend gewesen, beginnend mit Erinnerungsspuren, ich-dystonen plötzlichen Impulsen, mit dem Auto wogegen zu fahren. Bis Ende 1993 habe sie ihre Arbeit bewältigen können. Ab Ende 1993 sei es dann zu einer massiven Verschlimmerung der Gesundheitsstörung gekommen, die einen GdS von 50 rechtfertige. Die Tatsachen, dass die Klägerin vom sexuellen Missbrauch der Tochter erfahren habe und selbst vergewaltigt worden sei, seien als Auslöser der Gesundheitsstörung zu sehen; diese habe ihre eigentliche Ursache aber in den Geschehnissen zwischen 1960 und 1979. Die Gebärmutterentfernung wegen Krebsverdacht im Jahr 1981 könne nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht auf den Missbrauch zurückgeführt werden; ein solcher Zusammenhang sei zwar möglich, nicht aber nach der herrschenden Meinung belegt.

Dr. M. hat ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstellt (Gutachten vom 24.03.2005). Darin hat er darauf hingewiesen, der durchgängige und anhaltende Missbrauch durch den Vater habe bereits sehr früh zu Entwicklungsverzögerung, Schulversagen, Selbstverletzung und Selbstmordimpulsen geführt. Auf die Frage nach der aktuellen Lebenssituation habe die Klägerin ihm, Dr. M., geantwortet, sie habe manchmal das Gefühl, sich eine Phantasiewelt geschaffen zu haben, in der sie ihr Leben bewältigen könne. Oft gebe es Tage, an denen das nicht gelinge, weil sie sich mittags wegen Erschöpfung hinlegen müsse. Besonders bedrohlich empfinde sie es, wenn eine strikte Ordnung im Haushalt und im Alltagsablauf aus irgendwelchen Gründen gestört werde; unter anderem dann bekomme sie Angst bis hin zur Panik. Dr. M. hat mitgeteilt, bis 1998 sei es durch die selbstschädigenden Tendenzen und raptusartige Suizidtendenz immer wieder zu äußerst kritischen Situationen gekommen. In der Folge sei eine gewisse Stabilisierung eingetreten. Aus der Traumaforschung sei bekannt, dass schwerste Traumata, wie bei der Klägerin, zu bleibenden Schäden führten, insbesondere was Angst, Depressivität, Genussfähigkeit sowie Konzentrationsfähigkeit und psychische Ausdauer betreffe. Diese bedeute, dass bei solchen Patienten mit einer bleibenden Behinderung zu rechnen sei. Dies sei bei der Klägerin der Fall, was u.a. durch die Persistenz mittelgradiger sozialer Anpassungsstörungen illustriert werde. Auch Dr. M. hat die Ansicht vertreten, eine klare Trennung der Gesundheitsschäden vor der Vergewaltigung 1994 und danach sei nicht möglich. Die Grundstörung der Klägerin sei konstant gewesen, was auch durch die regelmäßigen gesundheitlichen Einbrüche vor 1994 untermauert werde. Die Klägerin habe sich vor 1994 nicht auch nur ansatzweise von den schweren psychischen Störungen infolge des Missbrauchs befreien können, da es hierzu einer massiven psychotherapeutischen Unterstützung bedurft hätte. Daher sei es falsch, wenn Frau C. für die Zeit zwischen 1990 und 1993 zu einem GdS von 30 komme. Zwar habe Frau C. damit recht, dass eine Bewusstwerdung der erlebten Traumata zu dieser Zeit nicht bestanden habe. Die fehlende Reaktion der Klägerin in Bezug auf den Missbrauch ihrer Tochter, ihre ständigen Somatisierungen sowie die malignen hysterischen Symptome von Dämmerattacken bis hin zu selbstschädigenden Handlungen zu dieser Zeit würden jedoch belegen, dass die Gesundheitsschäden schon damals erheblich gewesen seien. Sie seien mit einem GdS zwischen 50 und 70 zu bewerten. Bei genauerer Betrachtung zeige sich, dass bereits nach dem Zuzug der Klägerin aus der ehemaligen DDR der psychosomatische Zerfall der Klägerin bestanden habe und sich lediglich in der sichtbaren Ausprägung bis 1993 immer wieder zugespitzt habe, so dass ein "Verstecken" dieser Störungen schließlich nicht mehr möglich gewesen sei. Die Vergewaltigung im Oktober 1994 stelle eine schwere Retraumatisierung für die Klägerin dar. Jedoch sei eine psychische Dekompensation bereits vorher eingetreten gewesen. Die Vergewaltigung habe nämlich nach einer ersten stationär-psychotherapeutischen Behandlung infolge eines Suizidversuchs stattgefunden. Auch er, Dr. M., sei der Meinung, dass der Verschlimmerungsanteil aufgrund der Vergewaltigung 1994 30 betrage. Logische Folge sei, dass der GdS danach zwischen 70 und 100 taxiert werden müsse. Der schwerstkranke Zustand der Klägerin habe damals eine Psychotherapie von bis zu fünf Stunden pro Woche notwendig gemacht. Eine deutliche Besserung sei erst 1998 eingetreten, weshalb man ab diesem Zeitpunkt von einer stufenweisen Senkung des GdS auf schließlich 50 ausgehen könne. Die bis heute bestehenden erheblichen Störungen der Klägerin ließen eine Bewertung des GdS von unter 50 bis heute nicht zu. Die psychotherapeutische Bearbeitung des Traumas (Vergewaltigung) von 1994 habe diese Verschlimmerung im Lauf der Jahre bis 1998 vollständig kompensieren können. Folglich sei der im Jahr 2001 festgestellte GdS von 50 vollständig auf die in der Kindheit erlittene Vorschädigung zurückzuführen. Das werde durch die Erfahrung bestätigt, dass die Psychotherapierbarkeit psychischer Traumata grundsätzlich für frische Traumata erheblich günstiger einzuschätzen sei als für frühe (also in der Kindheit liegende) Störungen. In Beantwortung der Beweisfragen hat Dr. M. den GdS wie folgt taxiert: Zwischen 1990 und Mitte 1993 60, Mitte 1993 bis Mitte 1994 70, nach der Vergewaltigung im Oktober 1994 100, ab 1998 70 (vollständige Kompensation der Verschlimmerung durch Therapie), ab Anfang 2000 bis heute 50 (weiterer Therapieerfolg).

In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme (vom 27.07.2005) hat Frau C. an ihrer Ansicht festgehalten, seit der erstmaligen Erinnerung an die Traumata in Folge des Outings ihrer Tochter 1990 habe sich die Symptomatik allmählich verschlechtert. Dieser Schadenszustand könne mit 25 eingestuft werden. Im Herbst 1993 sei dann eine signifikante Verschlimmerung eingetreten. Seit 1994 sei der GdS mit 50 anzusetzen, da es von da an zu schweren Störungen gekommen sei. Die Psychotherapien hätten zu einer Stabilisierung ab 1999 geführt, so dass hierfür ein GdS von 30 anzusetzen sei. Der ausgeprägte psychische Zusammenbruch sei nach der Vergewaltigung im Herbst 1994 erfolgt, was einen Verschlimmerungsanteil von 30 bedinge. Die GdS-Einschätzung von Dr. M. erscheine nicht angemessen.

Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 27.09.2005 abgewiesen. In der Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, angesichts eines Grads der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht von nur 60 könne nicht von einem GdS von mindestens 50 ausgegangen werden könne. Dem Gutachten des Dr. M. sei nicht zu folgen, weil dieser das "MdE-Schema großzügig hinaufgesetzt" habe. GdS-Werte zwischen 50 und 100 müssten solchen Leidenszuständen vorbehalten bleiben, in denen Partnerschaften unmöglich und andere soziale Kontakte äußerst erschwert seien und in denen von der Bewältigung des Haushalts über die Meisterung finanzieller Belange bis zur Benutzung von Verkehrsmitteln nahezu jede Lebenskompetenz radikal eingeschränkt sei. Zudem sei zu bedenken, dass seelische Störungen auch schwerster Art nicht vollständig auf erlittene Traumata zurückgeführt werden könnten; so könnten bei der Klägerin auch genetische oder sonst schicksalhafte Faktoren eine Rolle spielen.

Am 30.12.2005 hat die Klägerin Berufung eingelegt (Aktenzeichen L 15 VG 27/05).

Die Psychotherapeutin der Klägerin, Dipl.-Psych. G. B., hat unter dem 13.07.2006 von schweren depressiven Zuständen mit immer wiederkehrenden Panikattacken berichtet, zudem von Gefühlen der Leere, der Wertlosigkeit, von Selbstvorwürfen, Konzentrationsstörungen, Antriebslosigkeit, völliger Erschöpfung, innerer Unruhe mit Gereiztheit, von autoaggressiven Tendenzen sowie von der Tendenz zur Selbstverletzung.

Der Dr. Dr. W. hat unter dem Datum 25.10.2006 ein Gutachten nach persönlicher Untersuchung erstellt. Die Klägerin hat vor Dr. Dr. W. angegeben, sie leide unter "Angst bis Panik". In der Frühe sei ihr schon schlecht, sie traue sich nicht aus dem Haus, schon vor der Tür werde ihr schwindelig, sie bekomme Angst vor jedem, fühle sich unwohl und benommen. Sie leide unter einer Antriebsstörung. Es falle ihr "furchtbar schwer", sich aufzuraffen, oftmals schwer, sich anzuziehen oder die Sachen rauszulegen. Sie stehe aber morgens um 8 Uhr auf und wickle ihren Tagesablauf regelrecht ab, soweit es ihr möglich sei. Die Einkäufe erledige nach Möglichkeit ihr Mann, sie bleibe am liebsten zu Hause. Die üblichen Hausarbeiten (Bettenmachen, Staubsaugen, Küche besorgen, Kochen) verrichte sie in aller Regel. Sie kenne allerdings Tage, wo sie sich immer wieder hinlege. Bisweilen habe sie tagelange Ausfälle erschöpfungshalber. Nachmittags schlafe sie. Lesen sei für sie zu anstrengend geworden; bisweilen schaue sie - jedoch eher teilnahmslos - in den Fernseher. Sie müsse grübeln über alles Mögliche, dann komme das Alte wieder hoch, auch die Wut, dass sie nicht arbeiten könne. Ungefähr in diesem Frühjahr sei ihr das Ganze mit den Vergewaltigungen wieder präsenter geworden. Zu Hause in Brandenburg habe sie einen Mechanismus entwickelt, um sich auszuklinken. Beispielsweise habe sie sich während des Missbrauchs oben auf dem Schrank nochmals gesehen. Im Einzelnen hat die Klägerin dies dergestalt geschildert, sie habe oben auf dem Schrank eine zweite sitzen sehen, die das ganze Geschehen im Bett beobachtet habe. Dazu die Klägerin wörtlich: "Dieser ging es gar nicht gut, die hat sich geekelt, das Einzige war, dass ich es nicht spüren musste". Als sie 1995 den Beweis erhalten habe für den Missbrauch der eigenen Tochter durch den zweiten Ehemann, sei für sie alles zusammengebrochen. Sie habe versucht, sich mit dem Küchenmesser in den Bauch zu stechen, die Tochter habe es verhindert. Sie habe angefangen, sich selbst zu verletzen. Derzeit befinde sie sich in ambulanter Behandlung (Termine alle zwei bis drei Wochen) beim Psychiater Dr. K. (medikamentöse Einstellung) und bei Dipl.-Psych. B. zur Verhaltenstherapie (einmal pro Woche). Im psychischen Befund hat Dr. Dr. W. vermerkt, die Klägerin habe sich im Kontakt reserviert, zurückgenommen, in der Psychomotorik wenig spontan, wenig raumfüllend gezeigt. Vom Eindruck her habe sie vergrämt, vorgealtert, enttäuscht, verzweifelt gewirkt. In der Gegenübertragung habe sich bei ihm, W, ein gewisses Lähmungsgefühl eingestellt. Die Klägerin habe langsam, leise, nach Gestik und Prosodie wenig expressiv gesprochen. Formal sei die Klägerin vollkommen geordnet gewesen. Die Vorgeschichte sei klar, kohärent, folgerichtig und in sich stimmig wiedergegeben worden. Der Bericht über die Vergewaltigungen, insbesondere auch über den Vorfall 1994, habe authentisch, detailreich und detailkonstant gewirkt. Züge wie Freude, Optimismus, Zuversicht seien nicht abrufbar, die Resonanzfähigkeit sei vermindert gewesen. Die emotionale Ausdrucksfülle sei stark verkürzt, die affektive Beweglichkeit minimal gewesen. Antrieb und Intentionalität hätten zurückgenommen gewirkt. Bestanden hätten Lustlosigkeit, Insuffizienzgefühle, Lebensüberdruss, zumindest latent suizidale Gedanken. Dr. Dr. W. hat unter der Überschrift "Beschwerden und Befunde" mitgeteilt, ab 1986 - nach der Trennung vom ersten Ehemann - habe die Klägerin besondere Reinlichkeit, ein häufiges und übertriebenes Waschbedürfnis entwickelt und sich selbst als beschmutzt wahrgenommen. Der stationäre Aufenthalt von Juni bis August 1994 - also noch vor der Vergewaltigung in Bayern - sei notwendig geworden wegen selbst induzierter Hypoglykämien. Im Oktober 1995 habe die Klägerin erfahren, dass der zweite Ehemann die Tochter vergewaltigt habe. Psychosozial, so Dr. Dr. D. habe die Klägerin bis 1993 keine Auffälligkeiten an den Tag gelegt. In der Folge der Traumata von 1960 bis 1979 habe sie psychosozial durchaus "funktioniert". Bis 1994 sei psychiatrischer oder psychologischer Behandlungsbedarf nicht angemeldet worden. Erst seit 1993 seien psychopathologische Auffälligkeiten bekannt (organisch ungeklärte Kollapszustände, selbstinduzierte Hypoglykämien, zumindest latente Selbstvernichtungsideen). Seither sei ein Absinken auch des psychosozialen Funktionsniveaus gegeben (mit Berentungsbedürfnis, anhaltenden Krankschreibungen von 1993 bis 1995). Seit Ende 1994 sei die Klägerin psychisch dekompensiert und habe anders als zuvor einer umfänglichen Behandlung bedurft. Sie habe sich regressiv zurückgezogen. Zumindest seit Ende 1994 bestehe ein fixiertes psychiatrisches Krankheitsbild mit weiterer Verschlechterungstendenz. Seither hätten die Behandlungsoptionen eher stützenden als kurativen Wert und seien im zeitlichen Umfang unabsehbar. Im Rahmen der Beantwortung der Beweisfragen hat Dr. Dr. W. auf die Störungen hingewiesen, die sich bereits in der Kindheit und Jugend gezeigt hätten: verzögertes Sprechenlernen, frühe Selbstmordgedanken, zahlreiche Nierenerkrankungen, dissoziative Zustände. Ebenso wie alle Vorgutachter hat auch Dr. Dr. W. die Einlassungen der Klägerin für authentisch und zutreffend gehalten; diese seien detailgenau und detailkonstant wiedergegeben worden. Der Leidensdruck der Klägerin sei echt. Hinsichtlich der Gebärmutterentfernung hat sich Dr. Dr. W. der Ansicht von Frau C. angeschlossen. Seit 1993, besonders aber nach den Ereignissen 1994, seien zur bisherigen depressiven Diathese hinzugetreten: rezidivierende depressive Störung schwer, Anpassungsstörung (Angst und Depression gemischt) mit gravierender Beeinträchtigung der alltagsrelevanten Verrichtungen, weiter mit gravierender Beeinträchtigung im Sozialkontakt und im Partnerschaftsverhalten. Nach wie vor müssten die Beeinträchtigungen für die alltagsrelevanten Verrichtungen als "schwer" ausgeprägt eingestuft werden. Dr. Dr. W. hat insoweit auch maßgeblich auf die Angaben der Frau B. abgestellt. Seit der Begutachtung durch Dr. U. M. habe sich eine Verschlechterung ergeben. Hinzugekommen seien geringe Expressivität und Expansivität im Kontaktverhalten, eine anhaltend schwer depressive Stimmungslage, ein Leeregefühl ("Ich-Störungen"), die authentische Angabe von Angst und Panikattacken, ein reduzierter Antrieb. Auch in Bezug auf die alltagsrelevanten Verrichtungen sei eine Verschlechterung eingetreten. Dr. Dr. W. hat für folgenden GdS plädiert: * 20 bis Ende 1994 (nur 20, weil zwar emotional instabile Persönlichkeit, aber klinisch noch ohne gravierende Symptombildung, vor allem ohne etablierten psychiatrischen Behandlungsbedarf) * 80 seit Oktober 1994 (zusammengesetzt aus einem Teil-GdS von 70 für die Basis-Traumatisierung [der Entstehung nach] in der DDR und 30 für die Retraumatisierung [der Verschlimmerung nach]) * 90 seit Oktober 2004 (weil weitere Verschlechterung gegenüber den von Dr. U. M. erhobenen Befunden).

Der Beklagte hat sich entschieden gegen die im Gutachten vorgeschlagene Höhe des GdS gewandt. Er hat moniert, Dr. Dr. W. habe den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) verwandten Begriff der "sozialen Anpassungsschwierigkeiten" verkannt.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 18.03.2007 hat Dr. Dr. W. auf die Abgrenzungskriterien verwiesen, die der ärztliche Sachverständigenbeirat beim BMA am Beispiel des "schizophrenen Residualzustandes" entwickelt hatte (vgl. Beschlüsse des ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 18./19. 3. 1998 und vom 8./9. 11. 2000, zitiert bei Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsrecht, 7. Auflage, Band 3, Abschnitt "Rechtsverordnungen des Sozialen Entschädigungsrechts", Teil B: GdS-Tabelle, S. 17/18 (Stand: Juli 2013)). Weiter hat Dr. Dr. W. darauf aufmerksam gemacht, die Klägerin habe mindestens vier Suizidversuche mit Insulin hinter sich. Die gewählte Selbstmordform sei selten, weil sie eine sehr intensive und planende Beschäftigung mit dem Thema und der Todesart zur Voraussetzung habe und schon deshalb für ein besonderes Maß an Verzweiflung spreche. Der letzte psychiatrische Befund belege eine hochgradige Psychopathologie insbesondere für Emotionalität und Antriebslage. Die Klägerin sei jedenfalls zum Untersuchungszeitpunkt zur Aufrechterhaltung einer regelmäßigen Tagesstruktur unfähig gewesen. Seit 1993 bis heute sei eine regelmäßige Gewinn bringende Tätigkeit aus psychischen Gründen nicht mehr möglich gewesen. Ein Abgleich der Befunde mit den Obersätzen zu "sozialen Anpassungsschwierigkeiten" zeige, dass bei der Klägerin schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten vorlägen. Diese hätten zweifelsfrei vor dem 29.12.2000 (Antragstellung) bestanden, nämlich spätestens seit Ende 1994. Zusammenfassend hat sich Dr. Dr. W. für das Vorliegen eines GdS von 80 "seit 1990" ausgesprochen.

In der Folgezeit hat der Senat weitere Befundberichte eingeholt. Am 26.02.2008 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Der damalige Berichterstatter hat dabei signalisiert, er sehe nach gegenwärtigem Stand einen GdS von 70 (einschließlich einer besonderen beruflichen Betroffenheit) als gegeben. Gleichwohl ist zum ersten Mal das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden (im Hinblick auf die angeblich fehlende Bedürftigkeit), wobei jedoch der Beigeladene nur knapp zwei Monate später die Wiederaufnahme beantragt hat. Am 10.06.2008 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in deren Rahmen das Verfahren erneut zum Ruhen gebracht worden ist. Auf Antrag des Beklagten ist das Verfahren Anfang Januar 2009 wieder aufgenommen worden und hat das Aktenzeichen L 15 VG 2/09 erhalten. Eine weitere mündliche Verhandlung hat am 17.03.2009 stattgefunden. Der Beklagte hat darin beantragt, er möge aus dem Rechtsstreit entlassen werden. Der Beigeladene hatte sich in der Sitzung bereit erklärt, die Frage der Bedürftigkeit zu prüfen. Der Rechtsstreit ist erneut vertagt worden.

Mit Beschluss vom 31.03.2009 hat es der Senat abgelehnt, das Land Brandenburg aus dem Rechtsstreit zu entlassen. In der Begründung hat er die Ansicht vertrete, aus einer Zusammenschau von §§ 3 und 4 OEG ergebe sich die Zuständigkeit des Landes Brandenburg.

Unter dem Datum 25.05.2009 hat der Beigeladene mitgeteilt, bis dato sei nicht ermittelt, welche Einkommensquellen die Klägerin habe. Jedenfalls seien die Voraussetzungen von § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OEG erfüllt, wenn ausschließlich Einkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorhanden sei.

Der Senat hat weitere Befundberichte eingeholt, um den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit zu geben, die Fortentwicklung des GdS bis in die Gegenwart zu beurteilen.

In der mündlichen Verhandlung am 18.02.2014 hat der Senat Dr. Dr. W. und - auf Wunsch des Beklagten - Frau C. als Sachverständige gehört. Mit Zustimmung aller Beteiligten und der beiden Sachverständigen hat der Senat beide Sachverständige gemeinsam vernommen. Wegen des Inhalts der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Des Weiteren hat der Vertreter des Beklagten zusammenfassend die Standpunkte des Landes Brandenburg - weniger in rechtlicher als vielmehr in tatsächlicher Hinsicht - vorgetragen. Diese sind vollständig in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden, weswegen darauf verwiesen wird.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.09.2005 und den Bescheid des Beklagten vom 10.01.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz ab Antragsstellung zu erbringen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Beziehung der Unterlagen zum Entzug des Sorgerechts der Kinder der Klägerin beim Jugendamt sowie der gerichtlichen Unterlagen zur Verurteilung des zweiten Ehemanns der Klägerin wegen sexuellen Missbrauchs der Tochter, weiterhin die Aufklärung des Wahrheitsgehalts der Aussage der Klägerin, dass diese ein Findelkind sei, durch Beiziehung der Unterlagen des zuständigen Standesamts sowie durch Befragung der Eltern der Klägerin, weiterhin die Erstellung eines weiteren Sachverständigengutachtens.

Der Beigeladene sieht von einer Antragstellung ab.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere wegen des Inhalts medizinischer Berichte, Gutachten und Unterlagen, wird auf die Akten des Beklagten, des Beigeladenen, des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese haben allesamt vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in vollem Umfang begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht einen Versorgungsanspruch verneint.

A. Streitgegenstand, Beteiligte, Zulässigkeit der Berufung

Der Streitgegenstand des Berufungsverfahrens umfasst das Begehren der Klägerin, einen Versorgungsanspruch gegen das beklagte Land Brandenburg ab Antragstellung zuerkannt zu erhalten. Ansprüche gegen den beigeladenen Freistaat Bayern sind nicht anhängig geworden. Das Land Brandenburg hat von Anfang bis zum Ende des Verfahrens die Beklagteneigenschaft innegehabt. Ein Beklagtenwechsel im Weg der Klageänderung nach § 99 SGG hat nicht stattgefunden. Denn für eine gewillkürte Klageänderung bedürfte es einer entsprechenden Prozesserklärung der Klägerin. Auch im sozialgerichtlichen Berufungsverfahren wird der Streitgegenstand einschließlich der Bestimmung des Beklagten vom Kläger bestimmt. Einen entsprechenden prozessualen Antrag, den Beklagten auszuwechseln, hat die Klägerin aber nicht gestellt. Im Gegenteil hat sie gerade die Verurteilung des Landes Brandenburg angestrebt. Der immer wieder geäußerte Wunsch des Landes Brandenburg, aus dem Verfahrens entlassen zu werden, ist dagegen nicht geeignet, einen gewillkürten Beklagtenwechsel zu bewirken. Dafür fehlt dem Land Brandenburg als Beklagten die Dispositionsbefugnis. Wenn die Klage unberechtigt gewesen wäre, insbesondere der Freistaat Bayern richtiger Leistungsträger gewesen wäre, hätte das Land Brandenburg bestenfalls eine Klageabweisung und eine Zurückweisung der Berufung erreicht. Das Land kann sich aber nicht der Sachentscheidung durch das Gericht entziehen, indem es die Parteieigenschaft ablehnt. Auch kraft Gesetzes hat kein Beklagtenwechsel stattgefunden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen einen solchen Beklagtenwechsel kraft Gesetzes angenommen (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2009 - B 9 SB 4/08 R, Rn. 13; BSGE 99, 9, Rn. 11, 13). Der entscheidende Beweggrund für diese Rechtsprechung war der Umstand, dass nach den Zuständigkeitsregelungen des Fachrechts nur der neue Träger überhaupt in der Lage gewesen ist, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen. So kann ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes stattfinden, wenn eine bestimmte schwerbehindertenrechtliche Feststellung begehrt wird, der Kläger aber während des Gerichtsverfahrens von einem Land in ein anderes umgezogen ist. Indes ist es im vorliegenden Fall nicht so, dass von vornherein nur das aktuelle Wohnsitzland Bayern die gewünschte Leistung gewähren könnte. Denn die Entschädigung nach dem OEG knüpft nicht nur wie das Schwerbehindertenrecht an einen aktuell bestehenden Zustand an, sondern vor allem an einen in der Vergangenheit liegenden, die Entschädigung auslösenden Vorgang. Es existiert keine höhere Logik, dass insoweit allein das aktuelle Wohnsitzland in Aktion treten könnte. Der Umstand, dass das BSG auch in einem opferentschädigungsrechtlichen Urteil einen Beklagtenwechsel kraft Gesetzes zugelassen hat (Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - Rn. 23), weckt nicht wirklich Zweifel. Denn dieses Urteil besagt gerade nicht, dass auch in OEG-Verfahren immer nur das aktuelle Wohnsitzland Beklagter sein könnte; die Entscheidung hat sich vielmehr nur mit dem Beklagtenwechsel kraft Gesetzes befasst, wenn (bei gleich bleibendem Wohnsitz) die Aufgaben innerhalb eines Landes zwischenzeitlich von einem Rechtsträger auf einen anderen übertragen worden sind. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall kein nachträglicher Wohnortswechsel eingetreten ist. Schließlich wird hier gerade auch um die Zuständigkeit des Leistungsträgers gestritten. Wenn aber die Frage der Verbandskompetenz streitig ist, dürfen nicht en passant vollendete Tatsachen dadurch geschaffen werden, dass man den Beklagten vorher austauscht und die Frage so mehr oder weniger der Entscheidung entzieht.

Sämtliche Sachentscheidungsvoraussetzungen sind unproblematisch erfüllt.

B. Begründetheit der Berufung

1. Passivlegitimation

Das Land Brandenburg ist richtiger Beklagter im Sinn der Passivlegitimation. Eine ausdrückliche Vorschrift zur Passivlegitimation enthält das SGG nicht. Jedoch zieht der Senat § 78 Abs. 1 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend heran. Danach ist die Klage gegen die Körperschaft zu richten, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Der Kommentierung von Leitherer (in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 10. Auflage 2012, § 69 Rn. 4) vermag sich der Senat nicht zur Gänze anzuschließen; danach soll die Passivlegitimation offenbar allein eine Frage des materiellen Rechts sein. Der Senat hält es bei der hier vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage vielmehr für entscheidend, von wem ein Kläger etwas gewollt, aber nicht erhalten hat. Wenn ein beklagter Leistungsträger (hier das Land Brandenburg) meint, er sei nicht leistungspflichtig, weil es einen anderen Leistungsträger (hier den Freistaat Bayern) treffe, dann bleibt der erste Leistungsträger gleichwohl passivlegitimiert - und zwar deswegen, weil er den ablehnenden Bescheid erlassen hat. An dieser Stelle ist nicht von Belang, ob nach dem Fachrecht der Anspruch gegen den ersten oder den zweiten Leistungsträger besteht.

2. Überprüfung in der Sache

In der Sache steht der Klägerin ein Versorgungsanspruch gegen das beklagte Land Brandenburg zu. Das Land war zu verurteilen, erstens die entsprechenden Schädigungsfolgen anzuerkennen und zweitens Versorgung entsprechend dem "brandenburgischen Anteil" am Gesamtschadensbild zu gewähren.

Ausgangspunkt der Prüfung ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Nach dieser grundlegenden Anspruchsnorm erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.

Diese Bestimmung kann auf die Tat in Brandenburg nicht ohne Einschränkung angewandt werden. Seit jeher bringt § 10 OEG, der mit "Übergangsvorschriften" betitelt ist, zum Ausdruck, dass vom Grundsatz her nur für solche Taten eine Entschädigung gewährt werden kann, die im räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich des OEG stattgefunden haben. Gleichzeitig lässt die Norm aber zu, dass ausnahmsweise, nämlich unter den Voraussetzungen des § 10a OEG, eine Entschädigung auch dann gewährt werden kann, wenn es zu der Schädigung vor dem Inkrafttreten des OEG im jeweiligen Gebiet gekommen war. Das OEG ist in den neuen Bundesländern erst mit deren Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland zum 03.10.1990 in Kraft getreten; eine Rückwirkung hat es nicht gegeben. Der sexuelle Missbrauch, den die Klägerin in Brandenburg erleiden musste, wird somit nicht unmittelbar vom OEG erfasst. Jedoch hat das Übergangsrecht des Einigungsvertrags das Reglement der §§ 10, 10a OEG auch für Taten in den neuen Bundesländern vor deren Beitritt aktiviert. Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt III Nr. 18 lit. c, d hatte folgenden Wortlaut:

Bundesrecht tritt in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet mit folgenden Maßgaben in Kraft: 18. Opferentschädigungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Januar 1985 (BGBl. I S. 1), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 (BGBl. I S. 1211), mit folgenden Maßgaben: ... c) § 10 gilt für Ansprüche aus Taten, die in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet nach dem 2. Oktober 1990 begangen worden sind. Darüber hinaus gelten die §§ 1 bis 7 für Ansprüche aus Taten, die in dem in Satz 1 genannten Gebiet in der Zeit vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 begangen worden sind, nach Maßgabe des § 10a. d) § 10a gilt für Personen, die in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zur Zeit der Schädigung hatten, wenn die Schädigung in der Zeit vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 in dem vorgenannten Gebiet eingetreten ist.

Der für anwendbar erklärte § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG macht für die Personen, die in seinen persönlichen Anwendungsbereich fallen, seit jeher den Entschädigungsanspruch von folgenden weiteren Voraussetzungen abhängig: Der Betroffene muss allein infolge der Schädigung, die (noch) nicht vom Geltungsbereich des OEG erfasst worden ist, schwerbeschädigt sein. Weiter muss der Betroffene bedürftig sein und im Geltungsbereich des OEG seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Das bedeutet für die Klägerin, dass sie einerseits die Voraussetzungen der §§ 1, 2 OEG, andererseits aber auch die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllen muss. Kein Problem stellt für sie aber dar, dass der Großteil des sexuellen Missbrauchs in der DDR - vor allem der im Kindesalter (bis zu 14 Jahren) - vor dem Inkrafttreten des OEG in der Bundesrepublik Deutschland (16.05.1976) stattgefunden hat. Denn sowohl über den Einigungsvertrag als auch den jetzigen § 10 Satz 4 OEG sind Taten in der DDR nicht nur zurückgehend bis zum 16.05.1976, sondern bis zum 07.10.1949 erfasst.

Seit 01.07.2011 ist die Übergangsregelung des Einigungsvertrags in § 10 OEG als dessen Satz 4 integriert. Eine sachliche Änderung ist im Zuge dessen insoweit erfolgt, als anders als die Regelung des Einigungsvertrags der jetzige § 10 Satz 4 OEG die §§ 1 bis 7 OEG nicht nur nach Maßgabe des § 10a, sondern auch des § 10c OEG gelten lassen will. Das hat aber für den vorliegenden Fall keine Auswirkungen. § 10c OEG lautet: Neue Ansprüche, die sich auf Grund einer Änderung dieses Gesetzes ergeben, werden nur auf Antrag festgestellt. Wird der Antrag binnen eines Jahres nach Verkündung des Änderungsgesetzes gestellt, so beginnt die Zahlung mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens, frühestens jedoch mit dem Monat, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind.

Was § 10c OEG im Hinblick auf die in der DDR verübten Taten regeln soll, ist nicht leicht zu ergründen. Der Senat kann sich den Rekurs auf § 10c OEG nur so erklären, dass das Inkrafttreten des OEG zum 03.10.1990 eine "Gesetzesänderung" im Sinn von § 10c OEG sein soll. Die Rechtsfolge wäre, dass nach dem Beitritt erstens Ansprüche aus "alten" DDR-Taten einerseits nur auf Antrag zuerkannt werden, andererseits eine Rückwirkung bis zum Beitritt greifen kann, wenn die Anträge binnen eines Jahres nach dem Beitritt gestellt werden. Eine derart zeitnahe Antragstellung liegt bei der Klägerin nicht vor. Jedoch darf der Einbeziehung von § 10c OEG nicht die Wertung entnommen werden kann, dass Ansprüche aus "alten" DDR-Taten nur dann entschädigt werden können, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach dem Beitritt gestellt worden ist. Die Einbeziehung von § 10c OEG soll keine Ausschlusswirkung haben. Vielmehr können auch später Anträge gestellt und positiv verbeschieden werden, wobei § 60 Abs. 1 BVG gilt.

a) Die Voraussetzungen der §§ 1, 2 OEG

Die Klägerin ist Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG geworden. Ein Ausschlussgrund nach § 2 OEG ist nicht erkennbar.

Dass der sexuelle Missbrauch durch den Vater - unterstellt, er hätte wirklich stattgefunden - einen tätlichen Angriff im Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG verkörpern würde, begegnet keinen Zweifeln. An dieser Stelle bedarf es keiner Ausbreitung der Dogmatik zum tätlichen Angriff. Insoweit kann auf das aktuelle Urteil des BSG vom 17.04.2013 - B 9 V 1/12 R (Vernachlässigung von Kindern), vor allem aber auf das Urteil vom 07.04.2011 - B 9 VG 2/10 R (Stalking) verwiesen werden. Gerade Letzteres gibt einen nahezu umfassenden Abriss zur BSG-Rechtsprechung zum tätlichen Angriff. Der sexuelle Missbrauch von Kindern erfährt in Anlehnung an die BSG-Urteile vom vom 18.10.1995 - 9 RVg 4/93 (BSGE 77, 7) und 9 RVg 7/93 (BSGE 77, 11) eine Sonderbehandlung insoweit, als es für die Erfüllung des Gesinnungsmerkmals ausreicht, dass eine Rechtsfeindlichkeit besteht. Diese ist bereits dann zu bejahen, wenn zB der Tatbestand des § 176 des Strafgesetzbuchs (StGB) erfüllt ist. Die Erfüllung des Straftatbestands begründet quasi eine unwiderlegliche Vermutung für einen tätlichen Angriff. In Abweichung von der allgemeinen Dogmatik ist es beim sexuellen Missbrauch von Kindern nicht erforderlich, dass gerade eine feindliche Willensrichtung gegen das Opfer festzustellen ist. Der unwiderlegliche Schluss von der strafrechtlichen Tatbestandserfüllung auf das Vorliegen eines tätlichen Angriffs scheitert nicht daran, dass das StGB zur Zeit der Begehung der Tat nicht in Brandenburg galt. Notwendig ist lediglich, dass die Art und Weise der Begehung § 176 StGB (oder auch § 179 StGB) erfüllt hätte, wäre diese Strafvorschrift anwendbar gewesen (vgl. im Übrigen § 148 DDR-StGB).

Kein Anspruchshindernis ist weiter, dass im vorliegenden Fall die einzelnen Missbrauchshandlungen nicht zeitlich - und wohl auch nicht der Art nach - genau fixierbar sind. Denn damit der tätliche Angriff bejaht werden kann, braucht seine konkrete Ausgestaltung nicht festzustehen. Es genügt an dieser Stelle, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass ein tätlicher Angriff stattgefunden hat. Versorgungsrechtlich anerkannt wird nicht die Tat, sondern der Gesundheitsschaden.

In tatsächlicher Hinsicht ist der Senat mit dem Beweismaß des Vollbeweises davon überzeugt, dass im Elternhaus der Klägerin tatsächlich langjähriger sexueller Missbrauch stattgefunden hat, der die Tatbestandsvoraussetzungen des tätlichen Angriffs erfüllt. Das BSG hat wiederholt - zuletzt im Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 3/12 R, Rn. 34 - darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an den Vollbeweis nicht überzogen werden dürfen. Zwar muss sich das Gericht die volle Überzeugung verschaffen. Gewisse Restzweifel sind indes unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten. Erforderlich ist nicht eine absolute Gewissheit, sondern eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Gemessen daran ist der Vollbeweis eines tätlichen Angriffs erbracht. Diese Überzeugung hat sich der Senat verschaffen können, weil vier gutachterlich und klinisch sehr erfahrene Sachverständige keinerlei Zweifel am Wahrheitsgehalt der Schilderungen der Klägerin hegen. Der Senat macht sich diese überzeugenden und völlig übereinstimmenden Einschätzungen zu Eigen und sieht den tätlichen Angriff als erwiesen an. Auch das beklagte Land Brandenburg hatte bis zur mündlichen Verhandlung keinerlei Zweifel geäußert - immerhin während eines Zeitraums von 13 Jahren. Im Gegenteil: Im Ablehnungsbescheid vom 10.01.2002 hatte das Land mitgeteilt, es sei glaubhaft, dass die Klägerin zwischen 1960 und 1979 Opfer vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriffe geworden sei. Das hat den Sitzungsvertreter des Landes Brandenburg in der mündlichen Verhandlung nicht mehr interessiert. Dieser hat in akribischer Vorbereitung auf den Termin nach Widersprüchen im Vortrag der Klägerin gesucht und - naturgemäß - auch gefunden.

Richtig ist, dass die sich über Jahrzehnte erstreckenden Schilderungen der Klägerin immer wieder Ungereimtheiten aufgewiesen haben. So mutet auch dem Senat die Version der Klägerin, sie sei ein Findelkind gewesen, unwirklich an. Das Land Brandenburg hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, es sei anhand einer standesamtlichen Auskunft erwiesen, dass die Klägerin kein Findelkind sei. Damit mag das Land durchaus Recht haben. Definitiv falsch war auch die Angabe der Klägerin vor Dr. R. im Jahr 1998, sie sei verwitwet. Gegenüber Dr. D. (Rentengutachten) hatte sie im Mai 1995 angegeben, sie lebe seit Januar - also Januar 1995 - von ihrem zweiten Mann getrennt, nachdem sich dieser an ihren Kindern sexuell vergangen habe. Vor Dr. Dr. W. hat die Klägerin dagegen geäußert, sie habe im Oktober 1995 von dem sexuellen Missbrauch der Tochter durch den zweiten Ehemann erfahren. Seltsam mutet auch an, dass die Klägerin im August 1993 im Krankenhaus B. angegeben hatte, ihr Sohn sei im Alter von acht Jahren von einem jungen Mann missbraucht worden (wobei nicht von sexuellem Missbrauch die Rede ist).

Die Widersprüchlichkeiten haben den Vertreter des Landes Brandenburg allem Anschein nach dazu ermutigt, in der mündlichen Verhandlung zur Überraschung aller Beteiligten zu behaupten, der sexuelle Missbrauch in Brandenburg habe nicht stattgefunden, und anzudeuten, die Klägerin habe die Missbrauchserfahrungen inszeniert. Der Senat erspart sich zu prüfen, ob dieser gänzlich überraschende und denkbar späte Vortrag prozessual präkludiert sein könnte. Er sieht an dieser Stelle - weil rechtlich unerheblich - auch davon ab zu bewerten, ob diese "Taktik" Brandenburgs für einen staatlichen Leistungsträger, der der Objektivität und der Konstruktivität und nicht weniger als das Gericht zur Findung des richtigen - und nicht nur eines opportunen - Ergebnisses verpflichtet ist, angemessen ist. Jedenfalls hat das prozessuale Auftreten des Landes insgesamt den Eindruck hinterlassen, dass die Qualität seiner Argumentation hinter dem Eifer, mit dem das gewünschte Ergebnis verfolgt wird, zurückbleibt. Sowohl Dr. Dr. W. als auch Frau C. haben das Ansinnen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung entschieden und ohne zu zögern zurückgewiesen und sind bei ihrer Einschätzung geblieben, der sexuelle Missbrauch habe zweifellos stattgefunden; sie haben überzeugend dargelegt, dass solche Widersprüche in der Tat nicht geeignet sind, die Faktizität des sexuellen Missbrauchs in Brandenburg in Frage zu stellen. Und das, obwohl der Beklagtenvertreter sämtliche echten oder vermeintlichen Widersprüche, die er im Rahmen der Sitzungsvorbereitung gefunden hatte, den Sachverständigen vorgehalten hat. Während Frau C. ohne weitere Begründung bei ihrer Meinung geblieben ist, hat Dr. Dr. W. sein Festhalten in der mündlichen Verhandlung spontan mit zahlreichen Argumenten unterfüttert. Er hat klar zum Ausdruck gebracht, nur wegen der Widersprüche könne man nicht den Schluss ziehen, den sexuellen Missbrauch habe es nicht gegeben. Er hat auf die Detailgenauigkeit und die Detailkonstanz der Schilderungen der Klägerin hingewiesen. Für ihn sei unvorstellbar, dass die Klägerin ihre ganze Leidensbiografie mit sehr vielen Klinikaufenthalten und Behandlungen vorgespielt habe. Weiter hat Dr. Dr. W. auf die überaus große Erfahrung der Dr. U. M. verwiesen; wenn diese keine Zweifel habe, so Dr. Dr. W. sinngemäß, dann sei das ein starkes Argument dafür, dass der sexuelle Missbrauch tatsächlich stattgefunden habe. Die auch vom Senat festgestellten Widersprüche und Auffälligkeiten in der Darstellung der Klägerin liefern kein Anlass, Zweifel dahingehend zu hegen, der sexuelle Missbrauch in Brandenburg könnte vielleicht gar nicht stattgefunden haben. Dr. Dr. W. hat betont, dass gerade die Dissoziationen, deren sich die Klägerin (unbewusst) als Schutzmechanismus vor der unerträglichen Realität bedient hat, zu skurril anmutenden Schilderungen führen können. Gerade die Findelkind-Version und die Falschangabe, sie sei verwitwet, passen vor diesem Hintergrund in das komplexe Beschwerdebild. Daraus, wie anscheinend das Land Brandenburg, aber abzuleiten, der Klägerin dürfe grundsätzlich nicht geglaubt werden, geht zu weit. Den vier Sachverständigen sind auch die Mechanismen der Auto- und Fremdsuggestion geläufig. Angesichts der übereinstimmenden und ohne Relativierungen geäußerten Einschätzungen der Sachverständigen ist der Senat davon überzeugt, dass solche Einflüsse nicht vorhanden gewesen sind. Bezeichnender Weise hat auch der Vertreter des Beklagten keine suggestiven Momente behauptet, sondern nur undifferenziert vorgetragen und zu Protokoll gegeben, er habe "starke Zweifel", ob die Klägerin in Brandenburg überhaupt sexuellen Missbrauch erlitten habe. Die für ihn maßgebenden Voten der vier Sachverständigen vermag der Senat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nachzuvollziehen und zu verifizieren. So hat Dr. Dr. W. in der mündlichen Verhandlung unterstrichen, dass bei der Klägerin das für sexuellen Missbrauch typische Beschwerdebild nicht erst im Erwachsenenalter aufgetreten ist, sondern schon im frühen Kindesalter begonnen hat (zB verzögerte Sprachentwicklung). In gleicher Weise haben sich Frau C. in ihrem Gutachten vom 12.12.2003 (typische Symptomatik bereits ab Kindheit) und Dr. M. in seinem Gutachten vom 24.03.2005 geäußert. Der Senat vermag sich schlicht nicht vorzustellen, dass ein vier oder fünf Jahre altes Kind aufgrund suggestiver Einflüsse die Sprachentwicklung verspätet aufnimmt; dafür gibt es im vorliegenden Fall auch nicht die geringsten Hinweise. Überhaupt spricht nach Meinung von Dr. Dr. W. das konsistente Beschwerdebild der Klägerin über die Jahrzehnte hinweg klar dafür (vor allem die Dissoziationen, zB die zweite auf dem Schrank während der Vergewaltigung), dass wirklich sexueller Missbrauch stattgefunden hat. Wie Dr. Dr. W. in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, liefert auch der Verlauf der Vergewaltigung 1994 in Bayern einen deutlichen Hinweis, dass die Klägerin vorher schon sexuellen Missbrauch erlebt und auf diesen mit Dissoziationen reagiert hatte: Die Klägerin wurde nämlich schnell ohnmächtig. Für Dr. Dr. W. ist klar, dass die Klägerin dabei einen erlernten Schutzmechanismus unbewusst einsetzte, was wiederum klar für tatsächliches Erlebthaben eines älteren Missbrauchs spricht. Für Fremdsuggestion gibt es schon bei einem bloßen Blick auf die Leidens- und Behandlungschronologie keinerlei Hinweise. Denn die Bewusstwerdung ist zuerst eingetreten, und erst dann hat die Klägerin Behandlungen aufgenommen. Für das nicht seltene Phänomen, dass eine Psychotherapie Erinnerungen an einen tatsächlich nie stattgefundene sexuellen Missbrauch "weckt", existieren hier nicht die geringsten Anhaltspunkte.

Für die vom Land Brandenburg in der mündlichen Verhandlung beantragten Ermittlungen besteht keine Veranlassung.

Da der tätliche Angriff bzw. die tätlichen Angriffe in Brandenburg mit dem Maßstab des Vollbeweises erwiesen sind, bedarf es keiner Erörterung, ob die Voraussetzungen von § 6 Abs. 3 OEG in Verbindung mit § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (Herabsetzung des Beweismaßes auf Glaubhaftmachung) vorliegen.

Daran, dass die tätlichen Angriffe vorsätzlich und rechtswidrig waren, bestehen keine Zweifel. Nicht einmal das Land Brandenburg hat solche geäußert. Des Weiteren liegt kein Ausschlussgrund nach § 2 OEG vor.

Ebenso kann nicht in Frage gestellt werden, dass der sexuelle Missbrauch in Brandenburg wesentliche Bedingung für die psychischen Beschwerden ist, deren Anerkennung die Klägerin begehrt. In § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist ein Kausalitätserfordernis angelegt, das aber im vorliegenden Fall durch die besondere Kausalitätsvoraussetzung des § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG in den Hintergrund gedrängt wird; die eigentlichen Probleme des Falls bestehen dort. Dass der in § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG vorausgesetzte kausale Zusammenhang - hier kommt es nur auf die Eigenschaft als wesentliche Bedingung, nicht aber auf die alleinige Verursachung an - vorliegt, haben Dr. Dr. D. Frau C. und Dr. M. überzeugend bestätigt. Der Senat folgt dieser Einschätzung. Zu beachten ist, dass die einzelnen Ereignisse im Leben der Klägerin, die den Bewusstwerdungsprozess vorangetrieben haben, in keiner Weise im Stande sind, dem sexuellen Missbrauch in Brandenburg die Funktion der wesentlichen Bedingung zu nehmen. Diese Funktion hat der sexuelle Missbrauch in Brandenburg auch noch ab Dezember 2000 gehabt und hat sie nach wie vor.

b) Die Voraussetzungen des § 10a OEG

Die in § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG normierten Voraussetzungen liegen allesamt vor. Obwohl § 10a OEG mit "Härteregelung" betitelt ist und damit eine Ausnahmebestimmung verkörpert, sieht der Senat keine Veranlassung, im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen (vor allem beim Tatbestandsmerkmal "allein" in Nummer 1), ausnahmslos und automatisch die für den Betroffenen restriktivste zu wählen. Ein derartiger Auslegungsgrundsatz ist § 10a OEG trotz seines Ausnahmecharakters nicht inhärent. Dass die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, bedarf für § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OEG (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich des OEG) keiner weiteren Erläuterung. Jedoch liegen auch die Voraussetzungen von § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OEG vor, wie im Folgenden gezeigt wird.

aa) § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG

Die Voraussetzung des § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG ist erfüllt. Von Dezember 2000 bis heute ist die Klägerin allein wegen der in Brandenburg erfolgten Schädigung schwerbeschädigt; insoweit kommt es hier auf das Vorliegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinn von § 30 Abs. 2 BVG nicht an.

Gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG besteht ein Versorgungsanspruch nur, solange der Anspruchsteller allein infolge der außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des OEG stattgefundenen Schädigung schwerbeschädigt ist. Schwerbeschädigung liegt nach § 31 Abs. 2 BVG vor, wenn der GdS mindestens 50 beträgt. Die Kernfrage besteht darin, ob festgestellt werden kann, dass ab Dezember 2000 bis heute ein GdS von mindestens 50 allein wegen der Schädigung in Brandenburg vorliegt. Dabei genügt es, wenn der GdS von 50 erst unter Zuhilfenahme von § 30 Abs. 2 BVG (Erhöhung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit) erreicht wird (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2002 - B 9 VG 5/01 R, Rn. 13). Das beklagte Land Brandenburg hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es insoweit nicht auf die Verhältnisse in den 1990er Jahren, sondern auf die im streitgegenständlichen Zeitraum, also ab Dezember 2000, ankommt. In der Tat ist § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG nicht so zu lesen, dass dann, wenn die Schwerbeschädigung (wenn auch nur kurz) erreicht wird, die Versorgungsfähigkeit der betreffenden Schädigung für die Zukunft zementiert wäre. Ein Versorgungsanspruch besteht vielmehr nur, solange die Schwerbeschädigung allein durch die Tat in der ehemaligen DDR verursacht ist. Das rechtliche Erfordernis, dass allein durch die Vorkommnisse in Brandenburg ein GdS von 50 erreicht sein muss, gilt also nicht nur für einen bestimmten Stichtag, sondern während des gesamten Versorgungsbezugs (Dauervoraussetzung). Der Anspruch kann demzufolge bestehen, dann wegfallen und dann - zumindest theoretisch - aber auch wieder aufleben. Des Weiteren ist es nicht versorgungsschädlich, wenn sich ein Gesundheitsschaden nachträglich noch verschlechtert und erst mit dieser Verschlechterung die vorher nicht gegebene Schwerbeschädigung - immer aber allein wegen der vom Gesetz grundsätzlich nicht erfassten Tat - erreicht wird. Das ganze Ausmaß des Schadens muss nicht schon von Anfang an vorliegen, damit die Voraussetzung nach § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG erfüllt werden kann. Auf der anderen Seite ist es aber versorgungsschädlich, wenn die Grenze zur Schwerbeschädigung erst dadurch überschritten wird, dass eine weitere, von der ersten Schädigung unabhängige Schädigung eintritt. Das ist im vorliegenden Fall höchst bedeutsam, weil im Oktober 1994 gerade eine solche Zweitschädigung eingetreten ist.

Die Ergebnisfindung hängt entscheidend davon ab, wie das Tatbestandsmerkmal "allein" auszulegen ist. Die Literatur zeigt sich nicht wirklich ergiebig: Sailer äußert sich dazu in seiner Kommentierung zu § 10a OEG nicht. Im Werk Rohr/Strässer/Dahm ist das OEG nicht kommentiert. Gelhausen schreibt in Kunz/Zellner/ders./Weiner, OEG, 5. Auflage 2010, § 10a Rn. 3, es reiche nicht aus, wenn der Beschädigte nur unter Berücksichtigung eines Anspruchs nach dem BVG oder den Anhanggesetzen Schwerbeschädigter würde. Das hilft nicht weiter; denn Gelhausen hatte offenbar den Fall, dass zwei Schädigungen nach dem OEG in unterschiedlichen Ländern zusammentreffen, gerade nicht vor Augen. Bei Rademacker in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Auflage 2012, § 10a OEG Rn. 5, liest man Folgendes: "Eine Schwerbeschädigung, der andere Ursachen als eine Gewalttat iSd § 1 OEG zugrunde liegen, erfüllt nicht die Voraussetzungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. Die Vorschrift sieht nach ihrem Wortlaut ("dieser Schädigung") auch keine Zusammenrechnung der Schädigungen aus mehreren Gewalttaten vor. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Regelung über die Festsetzung einer einheitlichen Rente nach § 3 Abs. 1, weil danach das Bestehen von Ansprüchen nach dem OEG vorausgesetzt wird und keine Ansprüche durch Zusammenrechnung begründet werden."

Dem Senat erscheinen sechs Auslegungsmöglichkeiten theoretisch denkbar (wobei die folgenden Optionen so "sortiert" sind, dass mit der aus Sicht des Anspruchstellers strengsten Auslegung begonnen wird und dann die Strenge der Auslegung stetig abnimmt): Alternative 1 (strengste Auslegung): Die Betonung bei dieser Lesart läge auf "allein". Gemeint könnte sein, dass die Schädigung unbedingt Alleinursache sein muss. Jegliche Art von kumulativer Ursache könnte den Entschädigungsanspruch ausschließen - auch bloße Anlagen oder Schadensgeneigtheiten. Diese Auslegung trifft nicht zu. Wäre dem so, käme bei sehr vielen Fällen eine Versorgung von vornherein nicht in Betracht. Gerade psychische Traumatisierungen wären wohl gänzlich ausgenommen, weil posttraumatische Belastungsstörungen immer eine gewisse Anfälligkeit voraussetzen. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass der Gesetzgeber den Anspruch so radikal einschränken wollte. Die Effektivität der Anspruchsnorm wäre bei dieser Auslegung gefährdet. Eine mitgebrachte Anfälligkeit, egal ob sie angeboren oder nachträglich erworben ist, schließt somit die "alleinige" Verursachung nicht aus. Alternative 2: Auch hier läge die Betonung auf "allein". Gemeint könnte sein, dass die Schädigung zwar nicht unbedingt Alleinursache sein muss. Die Mitursachen dürfen aber keine von außen kommenden Umstände sein. Diese Auslegung ist zu verwerfen, weil es für die ihr zugrunde liegende Differenzierung - endogene Faktoren sind unschädlich, exogene sind schädlich - im Gesetz keinerlei Anhaltspunkt gibt. Alternative 3: Dabei wird § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG so gelesen, dass die Betonung auf "dieser" liegt. Gemeint könnte sein, dass die Schädigung zwar nicht unbedingt Alleinursache sein muss; die Mitursachen dürfen auch von außen kommende Umstände sein. Allerdings darf keine weitere Schädigung im versorgungsrechtlichen Sinn mitwirken. Diese Auslegung erscheint vorzugswürdig. Der Senat macht sie sich daher zu Eigen. Alternative 4: Wie Alternative 3. Nur wären auch solche Schäden nach der weiteren Schädigung entschädigungsfähig, für die auch die erste Schädigung wesentliche Bedingung war (das würde im vorliegenden Fall vermutlich für die im Oktober 1994 eingetretene Verschlechterung zutreffen). Diese Version ist abzulehnen, weil das Gesetz dafür keinen Anhaltspunkt liefert. Das Tatbestandsmerkmal "alleinige Verursachung" würde in einer Weise ausgelegt, die der Wortsinn nicht mehr zulässt. Alternative 5: Ausgangspunkt der Betrachtung ist das letztendliche Gesamtausmaß der gesundheitlichen Störung. Dieses Gesamtausmaß versteht man quasi als Gesamt-GdS und bildet - entgegen der üblichen Prüfungsfolge, aus feststehenden Einzel-GdS den Gesamt-GdS zu ermitteln - unter Gewichtung der Schädigungsbeiträge entsprechende "Einzel-GdS". Es reicht danach aus, wenn der Beitrag, den das DDR-Ereignis bei dieser Gesamtbetrachtung geleistet hat, 50 erreicht. Diese Betrachtung, der sich Dr. Dr. W. in seinen schriftlichen Äußerungen bedient hat, ist zweifellos falsch. Die Beiträge aus Brandenburg und aus Bayern dürfen nicht so behandelt werden, als sei aus verschiedenen Gesundheitsstörungen (mit den entsprechenden Einzel-GdS) ein Gesamt-GdS zu bilden. Allgemein mindert das aber Dr. Dr. W. Überzeugungskraft nicht, weil es sich dabei nicht um eine medizinische, sondern um eine juristische Frage handelt. Und Dr. Dr. W. hatte mit dem Gutachtensauftrag keine rechtliche Belehrung zur zutreffenden Auslegung und Bewertungstechnik erhalten. Alternative 6 (großzügigste Auslegung): Nach dieser Interpretation wäre eine Versorgung nur dann ausgeschlossen, wenn neben der Gesundheitsstörung, die von der alten DDR-Schädigung herrührt, eine andere versorgungsrechtlich relevante Gesundheitsstörung besteht, die zusammen mit der alten einen Gesamt-GdS von 50 oder mehr ergeben (Fall der verschiedenen Einzel-GdS aufgrund verschiedener Gesundheitsstörungen). Diese Auslegung ist klar abzulehnen. Sie würde diametral dem Gesetz zuwiderlaufen, wonach die Schwerbeschädigung allein aus einer einzigen Schädigung resultieren muss; darauf, ob ein einziger Schaden besteht, darf nicht rekurriert werden.

Der Senat interpretiert "allein", wie unter Alternative 3 dargestellt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Tatbestandsmerkmal "allein" nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Zweitschädigung auch wesentliche Bedingung ist. Neben der Tat bestehende Gelegenheitsursachen wirken sich dagegen nicht versorgungsschädlich aus.

Nach diesem Maßstab ist die Vergewaltigung in Bayern im Jahr 1984 als Zweitschädigung von der Art ihres Kausalbeitrags her grundsätzlich geeignet, im Hinblick auf durch sie wesentlich (mit)verursachte Gesundheitsstörungen die alleinige Verursachung durch den Missbrauch in Brandenburg auszuschließen.

Allein mit dem Hinzutreten der in Bayern erfolgten Schädigung darf aber nicht die alleinige Verursachung eines GdS von mindestens 50 durch die Tat in Brandenburg automatisch verneint werden. Nicht jede Verschlechterung des Gesamtschadensbildes, die wesentlich auf eine Zweitschädigung zurückzuführen ist, schließt die "alleinige Verursachung" durch das Erstereignis aus. Eine zwangsläufige Vermischung der Ursachen gibt es nicht. Ob und inwieweit eine schädliche Vermischung stattgefunden hat, hängt vom Einzelfall ab. Das festzustellen, erfordert eine spezifische Vorgehensweise bei der Ermittlung der Verursachungsbeiträge:

Für die Klärung, ob und inwieweit im vorliegenden Fall bei der Klägerin ein Leidensgrundstock vorliegt, der "allein" (im Sinn von § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG) auf den sexuellen Missbrauch in Brandenburg zurückzuführen ist, darf nicht eine zeitpunktbezogene (Querschnitts-)Betrachtung - also zu einem bestimmten Zeitpunkt nach der Vergewaltigung in Bayern - (im Folgenden: vertikale Betrachtung) angelegt werden, sondern die gesamte Leidensentwicklung muss in ihrer Chronologie entfaltet und bewertet werden (im Folgenden: horizontale Betrachtung). Dieser Ansicht hat sich inzwischen auch das Land Brandenburg angeschlossen. Noch Anfang 2013 hatte das Land Brandenburg seine ablehnende Haltung sinngemäß damit begründet, mit der Vergewaltigung in Bayern hätten sich die Krankheitszeichen und Leidensausprägungen in einer Weise vermischt, dass spätestens ab diesem Zeitpunkt kein Anteil mehr allein im rechtlichen Sinn dem Land Brandenburg zugeordnet werden könne. Dieser Zustand habe sich bis zur Antragstellung im Jahr 2000, dem maßgebenden Zeitpunkt für den Versorgungsbeginn, fortgesetzt und bestehe bis heute noch immer. Damit hat das Land Brandenburg eine vertikale Betrachtung angelegt. Der Senat konzediert, dass die Symptomatik, die mit der Vergewaltigung im Oktober 1994 bei der Klägerin hinzugetreten ist, sich qualitativ nicht von den vorher schon vorhandenen Symptomen unterscheidet. Das haben alle beteiligten Sachverständigen bekräftigt. In einem "Querschnitt" wäre es also nicht möglich, die einzelnen Leidenselemente entweder dem einen oder dem anderen Ereignis zuzuordnen. Durch die Vergewaltigung in Bayern haben sich an sich wesensgleiche Symptome nur verstärkt oder sind gehäuft aufgetreten. Um gleichwohl eine authentische, also eine die wahren Verhältnisse abbildende, nicht gekünstelte - Zurechnung vornehmen zu können, bedarf es der horizontalen Betrachtungsweise. In der mündlichen Verhandlung hat das Land Brandenburg nun bekundet, dass es nunmehr ebenfalls die horizontale Betrachtung für richtig halte. Diese hat der Senat schon einige Zeit vor der mündlichen Verhandlung in mehreren Schriftsätzen "proklamiert" und mit den Beteiligten, vor allem mit dem Land Brandenburg, diskutiert. Diese horizontale Betrachtung orientiert sich an der gängigen Technik, wie Kausalitäten in der Chronologie, die sich durch diverse gesundheitliche Veränderungen - insbesondere durch nachträgliche Leidensverschlechterungen - auszeichnet, zu bewerten sind. Dabei sind zunächst die einzelnen Schritte in der chronologischen gesundheitlichen Entwicklung herauszuarbeiten, wobei insbesondere die verschiedenen biografischen Stufen der gesundheitlichen Abwärtsentwicklung, also die stufenweisen Verschlechterungen, gefunden und zeitlich fixiert werden müssen. Gibt es in der Realität keine wahrnehmbaren "gesundheitlichen Sprünge", sondern eine kontinuierliche und stetige Abwärtsentwicklung, sind die "gesundheitlichen Sprünge" zu den Zeitpunkten zu fingieren, wenn sich der GdS wieder um 10 erhöht hat. Wird nach der wesentlichen Verursachung gefragt, muss jeder konkrete Schritt, jede "Etappe" in der gesundheitlichen Abwärtsentwicklung, gesondert der Prüfung im Hinblick auf die wesentliche Verursachung unterzogen werden (vgl. Teil C Nr. 7 lit. b, wonach die "Leidenszunahme" Gegenstand der Kausalitätsprüfung ist; vgl. auch Wallerath, Zurechnung und Kausalität im Versorgungsrecht, VSSR 1973, S. 233 (246)). Es darf nicht auf den neuen, verschlechterten Gesamtleidenszustand abgestellt werden. Ein Rekurs auf den aktuellen, verschlechterten Gesamtleidenszustand würde rechtliche Kontinuität verhindern und wäre unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes bedenklich. Nicht bei jeder neuen Leidensveränderung dürfen "die Karten der Kausalität neu gemischt" werden. Aus der Sicht des Senats ist von besonderer Bedeutung, dass dieser - wenn man so will - "Bestandsschutz" der schon vor der aktuellen Verschlechterung eingetretenen Kausalitätsverhältnisse nicht von § 48 SGB X geschaffen oder auch nur gestaltet wird. Er ist vielmehr allein im materiellen Versorgungsrecht angelegt. Das bedeutet konkret, dass das bis zum Eintritt der gesundheitlichen Verschlechterung festzustellende Verursachungsgefüge auch dann von einer weiteren Verschlechterung unberührt bleibt, wenn es, wie im vorliegenden Fall, noch nicht durch Verwaltungsakt festgestellt ist. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Unterstellt man, bei einem beliebigen Antragsteller habe der GdS ab der Schädigung 30, nach weiteren drei Jahren 40 und nach zwei weiteren Jahren 50 betragen, so wäre zunächst zu untersuchen, ob die erste "Etappe" von 0 auf 30 wesentlich durch schädigende Ereignis bzw. die Schädigung verursacht ist. Die Veränderung von 30 auf 40 darf nicht zu einer Überprüfung führen, ob der nunmehrige GdS von 40 insgesamt wesentlich auf dem schädigenden Ereignis bzw. der Schädigung beruht; vielmehr ist diese Frage nur hinsichtlich der Verschlechterung von 30 auf 40 als solche zu stellen und zu beantworten. Der schon vor der Verschlechterung vorhandene Leidensbestand von 30 bleibt von einer neuen Prüfung der wesentlichen Verursachung ausgespart. Analoges gilt für die nächste Verschlechterung von 40 auf 50; hier bleibt der bisherige Leidensgrundstock von 40 unangetastet, während nur die Verschlechterung von 40 auf 50 in den Fokus zu nehmen ist. Diese stufenweise Vorgehensweise ist unabhängig davon anzuwenden, ob vor der ersten Verschlechterung bereits eine Anerkennung des Leidensgrundstocks von 30 oder vor der zweiten Verschlechterung bereits eine Anerkennung des Leidensgrundstocks von 40 vorgelegen hat; denn es handelt sich dabei um ein materiell-versorgungsrechtliches Prinzip.

Dieses allgemeine Prinzip der Kausalitätsbeurteilung ist für den vorliegenden Fall von größter Bedeutung. Dabei verkennt der Senat nicht die Unterschiede zwischen der gängigen Kausalitätsbeurteilung und der weitaus schwierigeren Problemstellung im vorliegenden Fall. Während es in der großen Mehrzahl der Fälle um die noch vergleichsweise einfach zu handhabende Frage der "bloßen" wesentlichen Verursachung geht, steht hier eine qualifizierte Kausalität inmitten. Denn ein GdS von 50 müsste allein durch die Schädigung in Brandenburg verursacht sein. Trotz aller Schwierigkeiten ist es im vorliegenden Fall rechtlich geboten und sowohl rechtlich als auch medizinisch möglich, das Gesamtschadensbild quasi aufzuspalten und einen Anteil am Schadensbild allein der Tat in Brandenburg zuzuordnen. Mit der oben dargestellten Herangehensweise lässt sich auch hier eine eindeutige und angemessene Zurechnung der Leidensanteile zu den Versorgungsträgern erreichen. Entscheidend ist, dass unmittelbar vor der Vergewaltigung in Bayern bereits ein GdS von 70 erreicht war; dieser Leidenszustand war ohne Zweifel im Sinn von § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG allein durch den sexuellen Missbrauch in Brandenburg verursacht. Der Senat folgt dabei den überzeugenden Ausführungen des Dr. Dr. W. und macht sich dessen diesbezügliche Feststellungen zu Eigen. Dr. Dr. W. hat sowohl in seinen schriftlichen Äußerungen als auch insbesondere in der mündlichen Verhandlung einen fachlich hervorragenden Eindruck hinterlassen. Der Senat hatte zu jeder Zeit das Gefühl, dass Dr. Dr. W. den komplizierten Sachverhalt perfekt überblickt, die relevanten Sachverhaltselemente schnell und präzise erkennt, logisch und auf der Grundlage großer Erfahrung kombiniert und die richtigen medizinischen Schlüsse zieht. Er hat nichts lediglich behauptet, sondern alle Feststellungen mit tragfähigen, plausiblen und umfangreichen Begründungen versehen. Stets hatte man den Eindruck, dass Dr. Dr. W. weiß, wovon er spricht. Auch einzelne Ungereimtheiten, die nach seinen schriftlichen Äußerungen offen geblieben waren, hat Dr. Dr. W. restlos überzeugend erläutert bzw. korrigiert. Der Senat betont nochmals, dass die Ungereimtheiten zumeist das Ergebnis unzureichender Aufklärung über die rechtlichen Rahmenbedingungen sind, keinesfalls aber Ausdruck unzureichender fachlicher Kompetenz des Sachverständigen. Den Senat hat vor allem beeindruckt, wie offen, uneitel und ohne Beharrungstendenzen Dr. Dr. W. manche Ungereimtheiten zugegeben und korrigiert hat. Man hat nie das Gefühl gehabt, ihm gehe es darum, das Gesicht zu wahren. Es ist ihm vielmehr offenkundig um die Sache gegangen. Bereits ab Mitte 1994 hat Dr. Dr. W. einen GdS von 70 gesehen. Das überzeugt den Senat. Es gelingt bestens, das Ergebnis des Dr. W. zu verifizieren. Denn bereits Mitte 1994 war die Klägerin eine "Anstaltspatientin" mit mindestens einem Selbstmordversuch. Ihre Arbeitsfähigkeit war seit Ende 1993 aufgehoben. Der Einwand des Landes Brandenburg, Dr. Dr. W. habe bezüglich des GdS einseitig auf die beruflichen Auswirkungen abgestellt, geht an der Realität vorbei. Vielmehr hat Dr. Dr. W. in seinem Gutachten vom 25.10.2006 evident sämtliche relevanten Faktoren berücksichtigt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.03.2007 hat er dann sogar ausdrücklich die auch vom BSG akzeptierten (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2009 - B 9 VG 1/08 R, Rn. 43) Abgrenzungskriterien des ärztlichen Sachverständigenbeirats zu Anpassungsschwierigkeiten wiedergegeben und sich in seiner Prüfung darauf bezogen. Diese Abgrenzungskriterien stellen aber keineswegs nur auf die beruflichen Kompetenzen ab. Der Beklagte stört sich offenbar an der Formulierung des Dr. Dr. D. Analogien zwischen dem Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht (GdB) und der MdE seien nicht unproblematisch, weil es für die MdE lediglich auf die Auswirkungen im Bereich der Erwerbsfähigkeit ankomme. Das ist aber unberechtigt; denn Dr. Dr. W. hat in seinem Gutachten bei der GdS-Bemessung sogar vorwiegend auf Aspekte außerhalb der Erwerbsfähigkeit abgestellt. Seine Einschätzung deckt sich übrigens in etwa mit der des Dr. M ... Auch dessen Gutachten vom 24.03.2005 macht einen sehr guten, weil sehr objektiven Eindruck. Dr. M. hat definitiv kein Gefälligkeitsgutachten erstellt, sondern seine differenzierten Einschätzungen fundiert und bestechend begründet. Es mag generell von Nachteil sein, wenn der eigene Behandler als Gutachter nach § 109 SGG gewählt wird. Im hier vorliegenden Fall ist das Gegenteil der Fall. Denn Dr. M. hat seine intensive siebenjährige therapeutische Erfahrung mit der Klägerin einfließen lassen können. Er weiß wie kein Zweiter, wie und wodurch die Klägerin wirklich gesundheitlich beeinträchtigt war. Dagegen schließt sich der Senat nicht der Ansicht von Frau C. an, vor der zweiten Vergewaltigung habe der GdS nur 30 betragen. Die gutachtlichen Äußerungen der Frau C. erreichen eine beachtliche Qualität, soweit es um die Identifizierung und Entwicklung des Leidensbilds der Klägerin sowie um mögliche kausale Zusammenhänge geht. Insoweit hat Frau C. mit großer (therapeutischer) Erfahrung und großem Einfühlungsvermögen operiert. Nicht zu überzeugen vermögen dagegen ihre Ausführungen zum GdS. Frau C. hat in der mündlichen Verhandlung zwar einen gravierenden Widerspruch ihrer bisherigen schriftlichen Stellungnahmen auszuräumen versucht: Sie hatte nämlich die Einschätzung geäußert, der GdS betrage "ab 1994" 50. Das war bei objektiver Betrachtungsweise so zu verstehen, dass damit ab Anfang des Jahres 1994 gemeint ist, zumal auch schon zu diesem Zeitpunkt eine massive Abwärtsentwicklung im gesundheitlichen Befinden der Klägerin vorgelegen hatte. Aus Sicht des Senats bestand ein gravierender Mangel der schriftlichen Äußerungen der Frau C. darin, dass diese zwar mit der Vergewaltigung im Oktober 1994 eine gravierende Befundverschlechterung angenommen, jedoch nicht für eine weitere Erhöhung des GdS plädiert hatte. Diesen Widerspruch hat Frau C. in der mündlichen Verhandlung nun aufzulösen versucht, indem sie korrigiert hat, die Zeitangabe "ab 1994" sei ab der Vergewaltigung im Oktober 1994 zu verstehen. Gleichwohl bleibt das gutachterliche Gesamtgefüge in sich unstimmig. Denn im Gutachten vom 12.12.2003 hat die Sachverständige den GdS "bis Ende 1993" mit 25 beziffert von "1994 bis 1998" mit 50. Orientiert man sich an der Erläuterung in der mündlichen Verhandlung, so tut sich nun eine Beurteilungslücke vom 01.01. bis 02.10.1994 auf. Alles spricht somit dafür, dass Frau C. sehr wohl bereits ab 01.01.1994 einen GdS von 50 zum Ausdruck bringen wollte. Damit passt zusammen, dass sie mehr als deutlich und mehr als einmal festgestellt hat, bereits Ende 1993 habe sich eine massive Verschlechterung eingestellt. Der Senat fragt sich nach wie vor, warum sich das nicht im GdS niederschlagen soll. Die Befunderhebung der Frau C. harmoniert also nicht mit ihrer GdS-Bezifferung. Ein GdS von 30 bis unmittelbar vor der Vergewaltigung im Oktober 1994 erscheint aber auch angesichts der überaus gravierenden Befunde gerade aus der Zeit Mitte 1994 viel zu niedrig. Auch für den Senat als ein mit medizinischen Laien besetztes Gremium ist leicht zu verifizieren, dass die Einschätzungen von Dr. Dr. W. und Dr. M. den Realitäten entsprechen, nicht aber die der Frau C ... Spätestens 1994 war klar, dass die Klägerin selbstschädigende Handlungen vornahm. Diese standen eindeutig im Zusammenhang mit einem Bewusstwerdungsprozess, der bereits 1990 oder 1991 - auch nach Meinung von Frau C. - anfing. Bereits Mitte 1993 hatte die Klägerin im Krankenhaus B. im Rahmen des Entlassungsgesprächs geäußert, sie habe als Kind sexuellen Missbrauch erlebt. Im Mai 1994 war die Klägerin nachhaltig arbeitsunfähig und es hatte sich schon damals ein Krankenhausaufenthalt an den nächsten gereiht. Nicht nur Dr. Dr. W. hat zutreffend zum Ausdruck gebracht, dass bereits diese frühe Leidensgeschichte eindeutig mit den Erlebnissen in der Kindheit zusammenhing. In der mündlichen Verhandlung hat Frau C. zwar an ihrer Einschätzung festgehalten, dies aber - nach Eindruck des Senats fast entschuldigend und sichtlich verunsichert - damit gerechtfertigt, die Klägerin habe vor ihr berichtet, nach den Ereignissen im Oktober 1994 sei sie wie von einer Dampfwalze überrollt worden. Daraus hat Frau C. offenbar geschlossen, vorher sei der Leidensdruck der Klägerin vergleichsweise gering gewesen. Die beiden anderen Sachverständigen haben indes sehr überzeugend dargelegt, dass das nicht stimmt. Ein weiteres von zahlreichen Argumenten gegen die Quantifizierung durch Frau C. besteht darin, dass die Klägerin nach Eindruck des Senats eher zur Dissimulation als zur betonten Darstellung oder Übertreibung neigt. Diesen Eindruck hat der Senat sowohl aus den umfangreichen Akten als auch insbesondere aus der mehr als dreistündigen mündlichen Verhandlung gewonnen, in der die Klägerin nicht einmal auch nur ansatzweise den Versuch gemacht hat, ihre Beschwerden "ins rechte Licht zu rücken". Auch die Gegenargumente des Beklagten, die dieser sich zur mündlichen Verhandlung neu ausgedacht hatte ("die Klägerin ist in Brandenburg gar nicht sexuell missbraucht worden") und die sich in der Nähe der persönlichen Verunglimpfung bewegt haben ("die Klägerin hat ihre Fürsorgepflicht gegenüber ihrer Tochter verletzt und hat mit dieser Schuld nicht leben können"), hat sie zur Gänze teilnahmslos zur Kenntnis genommen und nicht dagegen aufbegehrt.

Die Einschätzung des Sozialgerichts zur Höhe des GdS trifft nicht zu. Erstaunlicher Weise hat sich das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen nicht auf das Gutachten der Frau C. berufen. Vielmehr ist es von einem kontemporären GdB von 60 als Anker auch für die versorgungsrechtliche Beurteilung ausgegangen und hat dann dargelegt, warum dieser GdB von 60 nicht eins zu eins als GdS übernommen werden könne. In diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht von dem Leidensausmaß 60 Abzüge vorgenommen, die das Ergebnis unter 50 haben fallen lassen. Der GdB kann natürlich auch für das versorgungsrechtliche Verfahren wichtiges Indiz sein; er hat aber keinerlei Präjudizwirkung. So gesehen hätte das Sozialgericht den GdB nicht unhinterfragt als absoluten Orientierungspunkt heranziehen dürfen. Ein zweiter Fehler besteht darin, dass das Sozialgericht einen Abzug quasi für einen Veranlagungsanteil gemacht hat, obwohl es offenkundig die Ereignisse in Brandenburg als wesentliche Ursache für die psychischen Beschwerden der Klägerin gewertet hat. Wird festgestellt, dass die Entstehung oder die Verschlimmerung eines Leidens wesentlich durch ein schädigendes Ereignis verursacht ist, dürfen mögliche kumulative, schädigungsunabhängige Ursachen nicht bei der GdS-Bemessung quasi herausgerechnet werden. Dieses so genannte Alles-oder-Nichts-Prinzip ist im Unfallversicherungsrecht fest etabliert (vgl. nur LSG Bayern, Urteil vom 17.02.2004 - L 3 U 417/02; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2008 - L 1 U 3732/07, Rn. 47; vor allem LSG Sachsen, Urteil vom 28.06.2007 - L 2 U 35/04, Rn. 55; Schwerdtfeger in: Lauterbach, SGB VII, § 8 Rn. 37b (Stand: August 2009); Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 30 und 33), aber auch im sozialen Entschädigungsrecht anerkannt (vgl. BSGE 41, 70 (74), wonach kein Raum für eine teilbare Kausalität besteht; nur die volle Entschädigung kommt in Betracht). Hätte das Sozialgericht den Abzug für eine Veranlagung gerade aufgrund des Tatbestandsmerkmals "allein" vorgenommen - wofür die Urteilsbegründung keine Hinweise liefert - , hätte es das Tatbestandsmerkmal "allein" entsprechend der oben dargestellten Alternative 1 interpretiert; das aber erachtet der Senat als falsch. Die Leiden der Klägerin, die schon vor Oktober 1994 einen GdS von 70 bewirkt haben, sind nach den Ausführungen aller Sachverständiger "allein" - in der Auslegung nach der oben genannten Alternative 3 - auf den Kindesmissbrauch in Brandenburg zurückzuführen. Konkurrierende Ursachen für den massiven gesundheitlichen Einbruch ab Mitte 1993 sind nicht erkennbar. Die Gegenargumente des Landes Brandenburg sind nicht zielführend: Sollte das erste Outing seitens der Tochter der Klägerin zum sexuellen Missbrauch durch den zweiten Ehemann (1990 oder 1991) tatsächlich ein Schock für die Klägerin gewesen sein - was angesichts dessen, dass die Tochter den Vorwurf gegen den Stiefvater wieder zurückgenommen hatte, keineswegs feststeht -, dann wäre es laut Dr. Dr. W. in keiner Weise nachvollziehbar, dass der gesundheitliche Einbruch erst Mitte 1993 erfolgte. Die These des Landes Brandenburg, der Schockzustand sei dadurch perpetuiert und bis ins Jahr 1993 transportiert worden, dass die Klägerin nicht mit der Schuld habe leben können, die Fürsorgepflicht gegenüber ihrer Tochter verletzt zu haben, findet in der Realität keinerlei Anhaltspunkte und ist reine Spekulation. Die Replik des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung auf das vom Gericht demonstrierte Unverständnis, dies (also sein Vortrag) seien Fakten, entbehrt jeglicher Logik: Denn das maßgebliche Faktum, das es zu ermitteln gegolten hat, ist die Kausalität, nicht aber die Tatsache, dass die Tochter sich geoutet hat.

Mit der Vergewaltigung im Oktober 1994 ist nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. Dr. W. in der mündlichen Verhandlung eine Verschlechterung um 10 eingetreten, so dass der GdS nun 80 betrug (was bis heute der Fall ist). Der vorherige Leidensbestand von 70 bleibt von der Verschlechterung von 70 auf 80 unberührt. Nur dieser Verschlechterungsanteil als solcher ist am Maßstab von § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG zu prüfen. Bezüglich dieses Verschlechterungsanteils kommt man zum eindeutigen Ergebnis, dass dieser nicht allein durch die Brandenburger Ereignisse verursacht worden ist. Daher kann die Verschlechterung gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG gerade nicht dem Land Brandenburg zugerechnet werden - der vorherige, unberührt gebliebene Leidensbestand von 70 aber nach wie vor. Und dabei spielt - wie oben ausgeführt - keine Rolle, dass dieser Leidensbestand von 70 nicht schon vor Oktober 1994 versorgungsrechtlich anerkannt war. Die Ereignisse 1995 (Entzug des Sorgerechts, endgültige Kenntniserlangung vom sexuellen Missbrauch der Tochter) haben nach den überzeugenden und vom Senat übernommenen Feststellungen des Dr. Dr. W. weder zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden - der GdS beträgt seit Ende 1994 durchgehend 80 - noch zu einer Verschiebung der Wesensgrundlage hinsichtlich des bereits vor Oktober 1994 vorhandenen Leidensbestands geführt.

An dieser Stelle ist von Bedeutung, dass der Anspruch nach § 10a Abs. 1 OEG rein materiell nicht schon dann wegfällt, wenn wie hier auf die schon bestehende Schwerbeschädigung nach einer Zweitschädigung sich der GdS erhöht (und die Zweitschädigung wesentliche Bedingung für die Erhöhung ist). Denn auch dann ist das Tatbestandsmerkmal "allein" noch erfüllt. Dass nun zugegebenermaßen der Gesamtleidenszustand nicht mehr "allein" durch die Erstschädigung verursacht ist, ist für sich gesehen unschädlich, solange immer noch davon auszugehen ist, dass ein Leidensbestand von mindestens 50 allein durch die Tat außerhalb des Geltungsbereichs des OEG verursacht ist. § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG ordnet in diesem Fall also keine "Vermischung".

Eine Neubewertung des vor Oktober 1994 vorhandenen Leidensbestands erfolgt nur dann dann, wenn eine so genannte Verschiebung der Wesensgrundlage eingetreten ist. Unter Verschiebung der Wesensgrundlage wird grundsätzlich der nachträgliche Wechsel der Ursache bei unverändert gebliebenem Krankheitsbild verstanden (vgl. BSGE 13, 89 (91); BSG, Urteil vom 23.05.1969 - 10 RV 273/66, Rn. 21). In den (Normal-)Fällen, bei denen es hinsichtlich der Kausalität nur auf die wesentliche Verursachung ankommt, liegt eine Verschiebung der Wesensgrundlage vor, wenn die vorher wesentlich ursächliche Schädigung aufgrund nachträglicher Änderung so in den Hintergrund rückt, dass sie ihre Eigenschaft als wesentliche Ursache verliert. Hier aber, wo es um die "alleinige" Verursachung durch die Erstschädigung geht, muss die Verschiebung der Wesensgrundlage anders definiert werden: Die Schädigung 1994 in Bayern müsste nämlich nachträglich auch für den vorher festzustellenden Leidensbestand wesentliche Bedingung geworden sein (unabhängig davon, ob die Erstschädigung in Brandenburg ihre Eigenschaft als wesentliche Ursache behält). Dann nämlich wäre die Tat bzw. die Schädigung in Brandenburg nicht mehr alleinige Ursache im Sinn von § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG. Eine Verschiebung der Wesensgrundlage darf nur dann bejaht werden, wenn im gesundheitlichen Sachverhalt tatsächliche Änderungen - wenn auch "unsichtbare" - eingetreten und eindeutig festgestellt sind. Dabei hat das BSG eine Art tatsächliche Vermutung formuliert (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.1969 - 10 RV 273/66, Rn. 19): Würden, so das BSG, die gleichen Erscheinungen und Beschwerden, also die gleichen Zustände einer Normabweichung festgestellt, dann spreche die Gleichheit der Zustände dafür, dass sich auch an der Ursache dieser Krankheitserscheinungen nichts geändert habe. Der Ursachenwechsel muss im Einzelfall erwiesen sein (mit Vollbeweis). Die objektive Beweislast liegt insoweit beim Leistungsträger, der sich auf eine Verschiebung der Wesensgrundlage beruft. Diese strengen Grundsätze gelten nicht nur, wenn bereits eine Anerkennung als Schädigungsfolge vorliegt, sondern auch im hier vorliegenden Fall, in dem eine Anerkennung der vor Oktober 1994 vorhandenen Gesundheitsstörungen zwar fehlt, diese aber - was hier der Fall ist - materiell-rechtlich anerkennungsfähig gewesen wären.

Nach entsprechender Belehrung zu den rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Verschiebung der Wesensgrundlage sind beide Sachverständige in der mündlichen Verhandlung zum eindeutigen und überzeugenden Schluss gekommen, dass eine solche Verschiebung nicht stattgefunden hat. Dem schließt sich der Senat voll an (mit dem Überzeugungsmaß des Vollbeweises). Der schon vor Oktober 1994 vorhandene Leidensbestand hat im Hinblick auf seine (ihn aufrecht erhaltende) Verursachung keine Änderung dahin erfahren, dass die Ereignisse in Brandenburg an Bedeutung verloren und dafür die Ereignisse in Bayern eine wesentlich verursachende Rolle übernommen hätten.

Die aufgrund der vom Senat präferierten rechtlichen Vorgehensweise erzielten Ergebnisse besitzen auch medizinische Authentizität und bewegen sich keineswegs im virtuellen Bereich. Die praktizierte Aufspaltung der Leidensanteile lässt sich medizinisch feststellen und verifizieren. Aus dem gleichen Grund hat der Senat den in der mündlichen Verhandlung gehörten Sachverständigen nichts Unmögliches abverlangt, wenn er sie einerseits zu einer quantitativen Zuordnung der Leidensanteile zum Land Brandenburg und andererseits zu einer möglichen Verschiebung der Wesensgrundlage befragt hat. Das hat zwar eines erheblichen Erklärungsaufwands seitens des Vorsitzenden bedurft. Denn nur wenn die Sachverständigen die (sehr komplizierten) rechtlichen Rahmenbedingungen kennen, wissen sie, worauf es dem Gericht ankommt, und sind in der Lage, die Fragen suffizient zu beantworten. Es ist schade, dass das Land Brandenburg dies nicht verstanden, sondern die Erläuterungen des Vorsitzenden als unzulässige Einflussnahme auf die Sachverständigen zu Gunsten der Klägerin ausgelegt hat. Jedenfalls ist es zweifellos gelungen, den Sachverständigen die rechtlichen Motive und Vorgaben für sämtliche Fragen des Gerichts plausibel zu machen und so für präzise und vollständige Antworten zu sorgen. Dass der Senat nun gerade nicht auf virtuelle, außerhalb der medizinischen Feststellbarkeit liegende Tatsachen abgestellt hat, hat Dr. Dr. W. sowohl in seinen schriftlichen Äußerungen als auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Auch Frau C. hat sich übrigens ohne weiteres zumindest in der Lage gesehen, eine Verschiebung der Wesensgrundlage spontan und überzeugt zu verneinen.

Auch bezüglich der Weiterentwicklung des GdS bis zum Tag der mündlichen Verhandlung schließt sich der Senat Dr. Dr. W. an. Das bedeutet, dass bei einem GdS von 80 nach wie vor ein Leidensanteil von 70 dem Land Brandenburg zuzurechnen ist. Der Senat hat zahlreiche aktuelle Befundberichte eingeholt, die die beiden Sachverständigen in die Lage versetzt haben, den GdS auch ab 1999 zu bewerten. Dr. Dr. W. hat trotz kritischen Vorhalts seitens des Gerichts in der mündlichen Verhandlung an seiner Einschätzung festgehalten, der GdS sei 1999 nicht gesunken. Dies hat er damit begründet, die angegebene Besserung 1999 habe in den alltagsrelevanten Verrichtungen lediglich eine Funktionsstabilisierung auf niedrigstem Niveau erreicht; dies sei durch die Ehe mit einem seinerseits psychisch Schwerkranken unter maximalen Schonungsbedingungen erreicht worden. Die Situation der Klägerin sei der eines betreuten Wohnens vergleichbar gewesen. Eine "Besserung" habe sich lediglich in einer Reduktion des stationären-psychiatrischen Behandlungsbedarfs gezeigt, nicht aber in einer grundsätzlichen psychiatrischen Besserung von zeitlichem Überdauerungswert niedergeschlagen. Für eine Reduzierung des GdS ab 1999 sehe er, Dr. Dr. W. keinen Anlass. Der Senat schließt sich dem an. Auch er vertritt die Ansicht, dass sich die Situation der Klägerin als "Dauerpatientin" an sich nicht geändert hat. Das Funktionsniveau der Klägerin hat sich nicht wirklich verbessert. Das zeigen auch die nachfolgenden gesundheitlichen Einbrüche. Übrigens wäre ab 2004 der Beklagte auch nach der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Einschätzung der Frau C. leistungspflichtig. Denn Frau C. hat ab 2004 den GdS auf 50 taxiert, ohne dabei (wie schon Dr. M. in seinem Gutachten vom 24.03.2005) noch irgendeinen Einfluss der Vergewaltigung in Bayern anzunehmen. Also: Ab 2004 wäre der in Brandenburg erfolgte Missbrauch auch nach Meinung der Frau C. alleinige Ursache einer Schwerbeschädigung der Klägerin.

Hinsichtlich der sich im Rahmen von § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG stellenden tatsächlichen Fragen besteht trotz der Anträge des Beklagten in der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen.

bb) § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OEG

§ 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OEG verlangt, dass der Anspruchssteller bedürftig ist. Das ist nach § 10a Abs. 2 OEG der Fall, wenn sein Einkommen im Sinn des § 33 BVG den Betrag, von dem an die nach der Anrechnungsverordnung zu berechnenden Leistungen nicht mehr zustehen - zuzüglich des Betrags der jeweiligen Grundrente, der Schwerstbeschädigtenzulage sowie der Pflegezulage -, nicht übersteigt. Damit ist ein Vergleich zwischen dem relevanten Einkommen - nicht relevant ist das Vermögen - und einem bestimmten Bedarfssatz vorzunehmen. Die Einkommensabhängigkeit nach § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OEG gilt auch für die nach dem BVG an sich einkommensunabhängigen Leistungen wie Grundrente, Schwerstbeschädigtenzulage und Pflegezulage. Zunächst muss festgestellt werden, welcher in der Anrechnungsverordnung festgelegte Einkommensbetrag die nach der Anrechnungsverordnung zu berechnenden Leistungen ausschließt; der Senat stellt bezüglich der "nach der Anrechnungsverordnung zu berechnenden Leistungen" auf die Ausgleichsrente für die Beschädigten mit einem GdS von 80 ab (80 wegen der besonderen beruflichen Betroffenheit der Klägerin). In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob das tatsächliche Einkommen des Anspruchstellers diesen rechtssatzmäßig fixierten Grenzbetrag noch einhält. Der letztere Wert ist der Tabelle, die die Anlage zur Anrechnungsverordnung bildet, zu entnehmen. Bei einem GdS von 80, wie er hier vorliegt, ist die Tabellenzeile mit der Stufenzahl 149 maßgeblich. In dieser Zeile wird die Ausgleichsrente erstmals mit "0" beziffert, während sie in der Zeile mit der Stufenzahl 148 noch auf "2" festgesetzt wird. In der aktuellen, ab 01.07.2013 geltenden Ausgleichsverordnung (Fünfundvierzigste Anrechnungsverordnung vom 7. Oktober 2013, BGBl. I S. 3762) sind der Stufenzahl 149 ein Einkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit von 1.909 EUR und übrige Einkünfte von 1.127 EUR zugeordnet. Wie sich aus § 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 der Ausgleichsrentenverordnung ergibt, zählt die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu den übrigen Einkünften. Der im vorliegenden Fall relevante Grenzbetrag liegt aktuell also bei 1.127 EUR. Seit Dezember 2000 hat sich der in der Anrechnungsverordnung festgelegte Grenzbetrag mit der durchgängig maßgebenden Stufenzahl 149 wie folgt entwickelt: * bis Juni 2001: 1.861 DM * Juli 2001 bis Juni 2002: 1.887 DM * Juli 2002 bis Juni 2003: 983 EUR * Juli 2003 bis Juni 2005: 999 EUR * Juli 2005 bis Juni 2007: 1.001 EUR * Juli 2007 bis Juni 2008: 1.010 EUR * Juli 2008 bis Juni 2009: 1.025 EUR * Juli 2009 bis Juni 2011: 1.046 EUR * Juli 2011 bis Juni 2012: 1.079 EUR * Juli 2012 bis Juni 2013: 1.110 EUR. Vor der im Jahr 2011 erlassenen Anrechnungsverordnung gab es zwei verschiedene Anrechnungsverordnungen, und zwar eine mit höheren Sätzen für die alten und eine mit niedrigeren Sätzen für die neuen Bundesländer. Da es an dieser Stelle um die Frage der Bedürftigkeit geht, mithin um die Festlegung eines Schonbetrags, der für die Bestreitung des Lebensunterhalts anzusetzen ist, muss an den Wohnort der Klägerin angeknüpft werden. Dieser hat seit 2000 in den - hinsichtlich der allgemeinen Lebenshaltungen teureren - alten Bundesländern gelegen, weswegen auch jeweils die Anrechnungsverordnungen für die alten Bundesländer zur Anwendung kommen müssen. Keine Rolle spielt insoweit, dass der Ort der Schädigung in den neuen Bundesländern liegt. Weiter ist nicht von Belang, dass es sich bei dem Anspruchsgegner um einen Leistungsträger aus den neuen Bundesländern handelt. Zu keiner Zeit seit der Antragstellung haben die relevanten Einkünfte der Klägerin den jeweils maßgeblichen Grenzbetrag erreicht. Zur Einkommensberechnung ist anzumerken, dass es stets auf das Bruttoeinkommen ankommt. Eine Einkommensbereinigung wird grundsätzlich nicht vorgenommen (Ausnahme: § 6 der Ausgleichsrentenverordnung). Deshalb spielt es entgegen der Meinung der Klägerin keine Rolle, wie hoch der auf die Rentenleistung zu entrichtende Krankenversicherungsbeitrag ist. Ein ausdifferenziertes Einkommensbereinigungssystem wie etwa im Einkommensteuerrecht gibt es im Rahmen der Einkommensberechnung nach § 33 BVG nicht. Daher ist es aus heutiger Perspektive für den Senat unverständlich, dass noch vor Jahren die Aufwendungen der Klägerin für ihre Mietwohnung thematisiert worden sind. Die Aufwendungen für den notwendigen Lebensbedarf dürfen gerade nicht individuell abgesetzt werden; sie sind vielmehr pauschal in die Beträge, die sich in der Anrechnungsverordnung finden, eingearbeitet. Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu ihren Einkommensverhältnissen befragt. Die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die Klägerin haben zu keiner Zeit seit Dezember 2000 diese Grenzbeträge erreicht. Deren Bruttorenteneinkünfte haben sich vielmehr in einer Spannbreite von 1.537,08 DM zum Zeitpunkt 01.07.2001 über 805,07 EUR zum Zeitpunkt 01.07.2008 zu aktuell (ab 01.07.2013) 852,97 EUR bewegt; der Betrag von 852,97 EUR ist der höchste während des ganzen fraglichen Zeitraums. Die Zuschüsse zur Krankenversicherung, die die Klägerin zusätzlich vom Rentenversicherungsträger erhalten hat bzw. erhält, dürfen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 15 der Ausgleichsrentenverordnung nicht als Einkünfte berücksichtigt werden. Neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat die Klägerin keine anzurechnenden Einkünfte. Die Leistungen nach dem OEG sind aus zweierlei Gründen irrelevant, zum einen wegen § 2 Abs. 1 Nr. 10 der Ausgleichsrentenverordnung, zum anderen auch wegen § 10a Abs. 2 OEG, wo die Schwelle zur Bedürftigkeit um die Grundrente, die Schwerstbeschädigtenzulage sowie die Pflegezulage angehoben wird. Die Einkünfte des Ehemanns der Klägerin zählen als solche nicht zum anzurechnenden Einkommen; es gibt keine "Bedarfsgemeinschaften" mit einem gegenseitigen Einkommenseinsatz wie im Grundsicherungsrecht. Allerdings sind Unterhaltsansprüche der Klägerin gegen den Ehemann grundsätzlich als übrige Einkünfte anrechnungsfähig. Das bestimmt § 4 Abs. 1 Satz 1 der Ausgleichsrentenverordnung explizit. § 4 Abs. 1 Satz 2 der Ausgleichsrentenverordnung legt eine besondere Handhabung für den Fall fest, dass der Unterhalt nicht gerichtlich festgesetzt ist: Dann soll dem unterhaltspflichtigen Ehegatten der Betrag des Bruttoeinkommens bleiben, der dem der Stufenzahl 170 zugeordneten Betrag für die übrigen Einkünfte entspricht, gegenwärtig (nach dem Stand der Fünfundvierzigste Anrechnungsverordnung) also 1.260 EUR. Der in der Anrechnungsverordnung festgelegte Grenzbetrag mit der Stufenzahl 170 hat sich seit Dezember 2000 wie folgt entwickelt: * bis Juni 2001: 2.079 DM * Juli 2001 bis Juni 2002: 2.108 DM * Juli 2002 bis Juni 2003: 1.099 EUR * Juli 2003 bis Juni 2005: 1.117 EUR * Juli 2005 bis Juni 2007: 1.119 EUR * Juli 2007 bis Juni 2008: 1.029 EUR * Juli 2008 bis Juni 2009: 1.145 EUR * Juli 2009 bis Juni 2011: 1.169 EUR * Juli 2011 bis Juni 2012: 1.206 EUR * Juli 2012 bis Juni 2013: 1.240 EUR. Diese aktuell 1.260 EUR verkörpern einen Schonbetrag (vgl. Förster in: Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Auflage 1992, § 33 BVG Rn. 20) für den zu berücksichtigenden Ehegattenunterhalt. Der Senat lässt es dahinstehen, ob der Unterhaltsanspruch nach § 1360 BGB (Familienunterhalt) angesichts seiner diversen unterhaltsrechtlichen Besonderheiten gegenüber dem Trennungsunterhalt und dem Nachehelichenunterhalt überhaupt von § 4 Abs. 1 der Ausgleichsverordnung erfasst wird. Dafür spricht, dass, wie § 4 Abs. 2 der Ausgleichsrentenverordnung zeigt, der Verordnungsgeber sehr wohl die verschiedenen Unterhaltsarten gesehen und danach differenziert, gleichwohl aber den Ehegattenunterhalt nach § 1360 BGB nicht von der Anrechnung ausgenommen hat. Jedenfalls hat das Einkommen des Ehemanns die genannten Grenzen seit Dezember 2000 zu keiner Zeit auch nur annähernd erreicht. Neben den Rentenbezügen hatte der Ehemann keine weiteren relevanten Einkünfte. Die Rentenbezüge belaufen sich aktuell (seit 01.07.2013) auf 768,43 EUR; alle anderen Rentenbezugsbeträge liegen entsprechend der Entwicklung der Rentenhöhen darunter. Die oben aufgeführten Grenzwerte mit der Stufenzahl 170 werden somit in allen Jahren sehr deutlich unterschritten.

c) Anerkennung im Sinn der Entstehung oder der Verschlimmerung

Die im Tenor genannten - und in der mündlichen Verhandlung von Dr. Dr. W. und Frau C. nochmals erarbeiteten und benannten - Gesundheitsstörungen sind im Sinn der Entstehung anzuerkennen. Für die Unterscheidung nach den Kategorien Entstehung oder Verschlimmerung ist maßgebend, ob zur Zeit des schädigenden Ereignisses bereits Leidenszeichen vorhanden waren oder nicht (vgl. Teil C Nr. 7 lit. a Satz 1 VG; vgl. auch Fehl in: Wilke, aaO, § 1 BVG Rn. 71, mit Hinweisen zur BSG-Rechtsprechung). Zur Zeit des Beginns der Schädigung, die sich von 1960 bis 1979 erstreckt hat, waren noch keine Leidenszeichen vorhanden. Die Sachverständigen Dr. Dr. W. und Frau C. haben dies in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt.

d) Höhe der Versorgung

Zur Höhe des GdS im Sinn von § 30 Abs. 1 BVG ist im Rahmen der Ausführungen zu § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG alles gesagt worden. Im vorliegenden Fall erhöht sich der maßgebende GdS gemäß § 30 Abs. 2 BVG um 10 auf 80. § 30 Abs. 2 BVG lautet wie folgt: Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders be- troffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wur- de oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn 1. auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, be- gonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, 2. zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestreb- te Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbs- gemindert sind, oder 3. die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

Dr. Dr. W. hat nach entsprechender rechtlicher Belehrung in der mündlichen Verhandlung festgestellt, bei der Klägerin liege eine besondere berufliche Betroffenheit in diesem Sinn vor. Der Senat ist davon überzeugt, dass dem wirklich so ist und macht sich die Einschätzung des Sachverständigen zu Eigen. Denn die Klägerin ist seit 1993 zu keiner Berufstätigkeit mehr in der Lage. Sie hat aus dem Erwerbsleben vollständig ausscheiden müssen, was sie augenscheinlich bedauert (vgl. die Einlassungen der Klägerin vor Dr. Dr. W.). § 29 BVG steht der Erhöhung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nicht entgegen. Denn Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben versprechen keinen Erfolg. Das entnimmt der Senat im Wesentlichen dem Umstand, dass die Klägerin ab 1995 engmaschig von wechselnden Ärzten im Hinblick auf die rentenversicherungsrechtliche Erwerbsfähigkeit untersucht wurde und jeder dieser Ärzte bei der Klägerin ein schweres Krankheitsbild feststellte, das eine Berufstätigkeit unmöglich machte. Auf den Gedanken, nach dem Prinzip "Reha vor Rente" zunächst Maßnahmen der Rehabilitation zu versuchen, sind weder die Untersucher noch der Rentenversicherungsträger selbst gekommen. Im Gegenteil bezieht die Klägerin ununterbrochen seit 1995 eine EU-Rente. Bestätigung findet die Einschätzung des Senats auch durch die gerichtlichen Sachverständigen. Frau C. hat im Gutachten vom 12.12.2003 geschrieben, eine Heilung sei aufgrund der Schwere der Erkrankung nicht möglich. Dr. Dr. W. hat hervorgehoben, seit 1994 hätten die Behandlungen eher stützenden als kurativen Wert; er sieht also keine Besserungsmöglichkeit. Nicht zuletzt hat Dr. M. in seinem Gutachten vom 24.03.2005 angegeben, die dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit in Form eines persistierenden Residualzustands könne aufgrund der Schwere der traumatischen Schädigung nicht beseitigt werden. Letztlich bestätigt der konstant maligne Verlauf der Krankheit - obwohl die Klägerin sich im Lauf der Jahrzehnte vielfältigen und zahlreichen Behandlungen unterzogen hat - die Besserungsresistenz; Dr. Dr. W. hat in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats festgestellt, nicht einmal der Zeitraum von 1999 bis 2004 habe eine wirkliche und nachhaltige Besserung gebracht. Hinsichtlich des Ausmaßes der Erhöhung nach § 30 Abs. 2 BVG berücksichtigt der Senat Dr. Dr. W. Einschätzung in der mündlichen Verhandlung, die bei der Klägerin vorliegenden Umstände würden über einen normalen "Erwerbsunfähigkeitsfall" hinausgehen. Gleichwohl sieht der Senat keine Veranlassung, den GdS auf der Grundlage von § 30 Abs. 2 BVG um mehr als 10 zu erhöhen. Denn eine Erhöhung des GdS um mehr als 10 kann nur gerechtfertigt sein, wenn die berufliche Schädigung außergewöhnlich groß ist. In der Regel kann eine besondere berufliche Beeinträchtigung dagegen nur zu einer Erhöhung um 10 führen. Es darf nicht übersehen werden, dass schon eine Erhöhung um 10 voraussetzt, dass der Betroffene eine besondere berufliche Beeinträchtigung hinnehmen muss. Eine Erhöhung um 20 würde eine qualitativ noch deutlich darüber liegende negative Betroffenheit erfordern. Davon kann sich der Senat aber nicht überzeugen. Zwar hat die Klägerin die Fähigkeit zu jeglicher Berufstätigkeit eingebüßt. Gleichwohl vermag der Senat nicht zu bejahen, dass ihr dadurch erlebter sozialer, persönlicher oder finanzieller Absturz über das normale Maß des Besonderen noch hinausgeht. Denn es gibt keinerlei Anzeichen, dass die Klägerin ohne den sexuellen Missbrauch einen besonders exponierten Beruf ergriffen und ausgeübt hätte, der sie sozial aus der Gesellschaft hätte herausragen lassen.

Die Höhe der Versorgung hat der Senat aus Vereinfachungsgründen nur mit dem Maß "GdS" bezeichnet. Das ist deswegen gerechtfertigt, weil der jetzt maßgebende GdS gegenüber der früher relevanten MdE keinerlei inhaltliche Abweichungen aufweist und zu gleichen Versorgungsleistungen führt wie eine in entsprechender Höhe taxierte MdE. Nach den Grundsätzen zur temporären Geltung des Rechts wäre die bis einschließlich 20.12.2007 - ab 21.12.2007 ist die MdE durch den GdS abgelöst worden - zustehende Versorgung zwar nach der MdE zu quantifizieren. Gleichwohl bringt die vom Senat gewählte Tenorierung, die sich auf eine Quantifizierung mittels des GdS beschränkt, auch für die Zeit vor 21.12.2007 angesichts der Identität der Begriffe "MdE" und "GdS" unzweideutig zum Ausdruck, in welchem Umfang der Klägerin in der Zeit von Dezember 2000 bis 20.12.2007 Versorgungsleistungen zustehen. Der GdS - und auch die MdE vorher - bringt einen reinen Quantifizierungsfaktor zum Ausdruck, nicht aber eine eigene Leistungskategorie, die es erst ab 21.12.2007 gegeben hätte. Der Beklagte könnte sich daher nicht darauf berufen, dieses Urteil sei für die Zeit vor 21.12.2007 mangels Bestimmtheit nicht ausführbar.

e) Verbandszuständigkeit

Das beklagte Land Brandenburg ist (neben dem Freistaat Bayern) auch Schuldner des Versorgungsanspruchs. Es hat den Großteil der Versorgungslasten zu tragen. Bei ihm liegt die Entscheidungs- und Leistungskompetenz im Außenverhältnis, also der Klägerin gegenüber. Dies ergibt sich aus § 4 OEG. Auch § 3 Abs. 1 OEG ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Er lautet: Treffen Ansprüche aus diesem Gesetz mit Ansprüchen aus § 1 des Bundesversorgungsgesetzes oder aus anderen Gesetzen zusammen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, ist unter Berücksichtigung des durch die gesamten Schädigungsfolgen bedingten Grades der Schädigungsfolgen eine einheitliche Rente festzusetzen.

Aus § 3 Abs. 1 OEG lässt sich ableiten, dass in Fällen wie dem vorliegenden nur ein einziger GdS festgelegt werden darf, der sämtliche wesentlich durch die Schädigung verursachten Gesundheitsstörungen umfassen muss (anders als die Praxis im Unfallversicherungsrecht). Die Bestimmung gilt zwar nicht unmittelbar für die Konstellation, dass zwei Schädigungen nach dem OEG auftreten. Sie muss aber im Erst-Recht-Schluss analog angewandt werden. § 3 Abs. 1 OEG ist aber keine Kompetenzzuweisungsnorm und beantwortet nicht die Frage, welcher der involvierten Leistungsträger für die Entscheidung und Leistungsgewährung außenzuständig ist. Der Norm kann trotz des Ein-Renten-Prinzips nicht die Wertung entnommen werden, nur ein einziger Leistungsträger dürfe aktiv werden (auch wenn dies sicherlich bürgerfreundlich wäre).

Vielmehr weist § 4 Abs. 1 OEG in eine andere Richtung: Zur Gewährung der Versorgung ist das Land verpflichtet, in dem die Schädigung eingetreten ist. Sind hierüber Feststellungen nicht möglich, so ist das Land Kostenträger, in dem der Geschädigte zur Tatzeit seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

§ 4 Abs. 1 Satz 1 OEG hat nicht nur im Innenverhältnis der beteiligten Länder Bedeutung (als bloße Regelung zur Aufteilung der finanziellen Lasten). Mit der Kostentragungspflicht geht vielmehr auch eine Verbandskompetenz für die Entscheidung über die Versorgung einher, die im Außenverhältnis maßgebend ist. Auch das BSG betrachtet § 4 OEG augenscheinlich als Regelung der Außenzuständigkeit. So hat es im Urteil vom 12.02.2003 - B 9 VG 2/02 R im Rahmen der Prüfung der Außenzuständigkeit geschrieben (Rn. 15): "Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 OEG ist zur Gewährung der Versorgung das Land verpflichtet, in dem die Schädigung eingetreten ist. Dieses Land soll den Anspruch dem Grunde wie der Höhe nach verwaltungsmäßig feststellen und den Berechtigten in den Genuss der festgestellten Leistungen bringen, und zwar zu eigenen Lasten (Schoreit/D., OEG, 1977, § 4 RdNr. 6)."

Aus § 4 Abs. 1 Satz 1 OEG geht hervor, dass jedes Land für die in seinem Gebiet stattgefundenen Schädigungen leistungspflichtig (und auch entscheidungspflichtig) ist. Der möglich Einwand, es könne nicht sein, dass trotz des in § 3 Abs. 1 OEG zum Ausdruck kommenden Ein-Renten-Prinzips verschiedene Leistungsträger zuständig sein sollen, wird durch § 4 Abs. 4 OEG entkräftet. Dieser lautet: In den Fällen des § 3 Abs. 1 sind die Kosten, die durch das Hinzutreten der weiteren Schädigung verursacht werden, von dem Leistungsträger zu übernehmen, der für die Versorgung wegen der weiteren Schädigung zuständig ist.

§ 4 Abs. 4 OEG macht deutlich, dass es bei mehreren Schädigungen durchaus zu einem Auseinanderfallen der Länderzuständigkeiten kommen kann. Dieser Grundsatz, der unmittelbar nur für die Fälle des § 3 Abs. 1 OEG gilt (also Zusammentreffen mit Schädigungen nach anderen sozialen Entschädigungsgesetzen), muss entsprechend für die Fälle angewandt werden, in denen mehrere Schädigungen nach dem OEG in unterschiedlichen Ländern stattfinden. Wenn sich wie hier die Symptome nicht mehr klar der einen oder anderen Schädigung zuordnen lassen, bietet dies keinen Grund, eine einheitliche Zuständigkeit nur eines der beteiligten Länder zu fordern. Denn die richtigen Ergebnisse bringt wiederum die Betrachtung in der Zeitschiene (genau so Gelhausen, aaO, § 4 Rn. 9, und Rademacker, aaO, § 4 OEG Rn. 13), wobei wiederum die einzelnen "Etappen" in der gesundheitlichen Abwärtsentwicklung herauszuarbeiten und gesondert im Hinblick auf die Zuständigkeit zu beurteilen sind: Zunächst muss das Land entscheiden, das für die Folgen der ersten Schädigung zuständig ist. Das für die Folgeschädigung zuständige Land muss - da es ja über eine Verschlechterung zu entscheiden und diese zu quantifizieren hat - diesen Erstbescheid zunächst abwarten. Eine entsprechende verbindliche Entscheidungsreihenfolge mit Bindungswirkungen für den nachentscheidenden Leistungsträger verkörpert im sozialen Entschädigungsrecht kein Novum; die gegenwärtige Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern im Soldatenversorgungsrecht (vgl. § 88 des Soldatenversorgungsgesetzes) folgt genau diesem Modell.

Zusammenfassend liegt die Entscheidungs- und Leistungskompetenz gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 beim beklagten Land Brandenburg. Es versteht sich von selbst, dass der Senat in keiner Weise an das gegenteilige Ergebnis im Rahmen der Länderreferentenbesprechung vom 05./06.07.2011 (Rundschreiben des BMAS vom 28.09.2011 - Vb2-54030) gebunden ist. Das Land Brandenburg hat die im Sinn von § 10a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OEG "allein" entstandenen Schädigungsfolgen anzuerkennen und entsprechend Versorgung zu gewähren. Erst danach tritt der Freistaat Bayern in Aktion, indem er über die nach der Vergewaltigung 1994 eingetretenen Verschlechterungen zu entscheiden, dabei aber zu beachten hat, dass er eine Gesamtversorgung festsetzen muss (aA Sailer in: Wilke, aaO, § 4 OEG Rn. 3). Somit ist es richtig, dass im vorliegenden Fall der Freistaat Bayern seinen Bescheid unter Vorbehalt erteilt hat.

e) Versorgungsbeginn

Der Senat hat im verkündeten Urteil Versorgung ab Oktober 2000 zugesprochen. Diese Regelung ist falsch. Sie beruht darauf, dass im verwendeten Aktenauszug versehentlich das Antragsdatum 29.10.2000 statt des zutreffenden 29.12.2000 genannt worden ist. Der Senat hat damit für die Urteilsfällung den falschen Antragszeitpunkt festgestellt. Bei der Abfassung des Urteils ist der Irrtum bemerkt worden. Der Beklagte muss nach § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I den Antragseingang beim Beigeladenen am 29.12.2000 gegen sich gelten lassen. Bei einem Antragszeitpunkt 29.12.2000 steht der Klägerin die Versorgung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 BVG erst ab Dezember 2000 zu. Da die Versorgung von vornherein nur ab Antragstellung beantragt war, braucht sich der Senat nicht mit der Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 3 BVG zu befassen. Der Fehler des Senats, die Versorgung nicht erst ab Dezember 2000 zugesprochen zu haben, lässt sich nicht über § 138 SGG korrigieren. Denn es handelt sich weder um einen Schreib- oder Rechenfehler noch um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit. Vielmehr hat der Senat bewusst die Versorgung schon ab Oktober 2000 zuerkannt. Der Klägerin ist dringend zu raten, gegenüber dem Beklagten einen Verzicht auf Versorgung für die Monate Oktober und November 2000 zu erklären. Nur so kann - außerhalb einer Kassation durch das BSG - die materiell zutreffende Rechtslage realisiert werden.

C. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin voll obsiegt hat. Für eine Beteiligung des Freistaats Bayern an diesen Kosten besteht kein Anlass.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Streitsache eine Vielzahl von schwierigen und höchstrichterlich nicht geklärten Problemen aufwirft.
Rechtskraft
Aus
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