S 2 SO 208/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 208/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Grundsicherung im Zeitraum Oktober 2011 bis September 2012 unter dem Aspekt der Anrechnung von Schadensersatzleistungen aufgrund eines Verkehrsunfalls.

Die am 00.00.1934 geborene Klägerin war am 04.11.2004 als Fußgängerin abends an einem Verkehrsunfall mit einem PKW beim Überqueren einer Straße beteiligt. Sie ist schwerbehindert mit einem GdB von 80 und den Merkzeichen G und B. Im Wege der Widerklage hat ihr das Landgericht Bielefeld im Verfahren 6 O 390/06 ein Schmerzensgeld von 26.300 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.03.2007 sowie eine monatliche Rente in Höhe von 100 Euro ab dem 01.12.2004 zugesprochen. Ausweislich der Urteilsgründe handelt es sich um eine Geldrente nach § 843 BGB.

Ferner wurde die Widerbeklagtenseite verurteilt, sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 04.11.2004 zur Hälfte zu tragen.

Sowohl die Klägerin als auch ihr am 00.00.1937 geborener Ehemann haben den Sohn zum amtlich bestellten Betreuer.

Die Klägerin und ihr Ehemann beziehen laufende Grundsicherungsleistungen im Alter seit dem 01.05.2007.

Mit Bescheid vom 26.09.2011 setzte die Beklagte die Grundsicherungsleistungen für den kommenden Zeitraum Oktober 2011 bis September 2012 fest. Dabei kürzte sie die inzwischen von der damaligen Vermieterin erhöhte Miete um 29,30 Euro. Ferner rechnete sie erstmals die monatlich geleisteten 100 Euro an monatlicher Rente als Einkommen an. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 25.10.2011 setzte die Beklagte dann die Leistungen für das Zeitintervall Oktober 2011 bis September 2012 neu fest, nachdem die Eltern im gleichen Haus in die Eigentumswohnung des Sohns im ersten Obergeschoss umgezogen waren. Die vom Sohn verlangte Kaltmiete mit 354 Euro nebst 110 Euro Nebenkostenvorauszahlung wurde rechnerisch voll zugrunde gelegt und hieraus insgesamt ein Anteil von zwei Drittel für Klägerin und Ehemann als Kosten zugrunde gelegt, da auch der Sohn nun die Wohnung im Sinne einer Wohngemeinschaft mitbewohnte. Ferner wurden wieder 100 Euro monatliche Rente in Abzug gebracht. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 15.11.2011, zugegangen am 17.11.2011, erhob der Betreuer gegen die Bescheide vom 26.09.2011 und vom 25.10.2011 Widerspruch. Die Zahlung der 100 Euro sei keine Rente im Sinne einer monatlich wiederkehrenden Leistung in Geld oder Unterhaltsersatzfunktion und sichere nicht die Folgen bestimmter wirtschaftlicher Risiken, sondern es handle sich um ein zusätzliches Schmerzensgeld durch die Versicherung des Unfallverursachers. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt des Widerspruchsschreibens Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruch vom 17.11.2011 gegen den Bescheid vom 26.09.2011 sei bereits unzulässig, da verfristet erhoben. Hinsichtlich des Bescheids vom 25.10.2011 sei der Widerspruch vom 17.11.2011 zulässig, aber unbegründet. Bei der Geldrente aus § 843 BGB handle es sich um einen Schadensersatz und nicht um Schmerzensgeld. Deshalb falle es nicht unter die Ausnahme des § 82 Abs. 1 SGB XII und müsse daher als Einkommen angerechnet werden. Die Bestimmung des § 11 Abs. 3 SGB II über den Schutz zweckbestimmter Einnahmen komme im Rahmen des SGB XII nicht zur Anwendung. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids Bezug genommen.

Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter und wiederholt ihre Ausführungen, dass die Geldleistung von 100 Euro monatlich nicht anrechenbar sei.

Sie beantragt,

die Beklagte unter Abänderung ihrer beiden Bescheide vom 26.09.2011 und vom 25.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.06.2013 zu verurteilen, ihr ab Oktober 2011 monatliche Grundsicherung nach dem SGB XII ohne Anrechnung des monatlichen Geldbetrags von 100 Euro als Einkommen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt auch sie ihre Ausführungen.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte des Verwaltungsverfahrens.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Die Prozessvoraussetzungen der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sind erfüllt. Zwar sind vor Erhebung der Anfechtungsklage gemäß § 78 SGG Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn 1. ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder 2. der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder 3. ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will. Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 gemäß § 78 Abs. 3 SGG entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist. Hiervon ausgehend ist ein Vorverfahren auch bezüglich des Bescheids vom 26.09.2011 als solches als Prozessvoraussetzung durchgeführt worden.

Die Klage ist jedoch vollumfänglich unbegründet.

Hinsichtlich des Bescheids vom 26.09.2011 ist die Klage jedoch unbegründet, da der Be-scheid bereits bestandskräftig ist. Der Widerspruch ist gemäß § 84 SGG binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Der Bescheid ist bereits bestandskräftig, da mit dem Widerspruch vom 17.11.2011 nicht binnen eines Monats nach Zugang des Bescheids vom 26.09.2011 Widerspruch erhoben wurde.

Hinsichtlich des Bescheids vom 25.10.2011 ist die Klage ebenfalls unbegründet. Die Klägerin ist nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert. Der Bescheid vom 25.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.06.2013 ist rechtmäßig und die Klägerin durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat zu Recht das monatliche Einkommen von 100 Euro einkommensmindernd in Ansatz gebracht.

Älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach §§ 82 bis 84 und 90 bestreiten können, ist gemäß § 41 Abs. 1 SGB XII auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Nach § 42 Nr. 4 SGB XII umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des dritten Kapitels. Nach § 35 Abs. 1 SGB XII werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht.

Zum Einkommen gehören gemäß § 82 Abs. 1 SGB XII alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Einkünfte aus Rückerstattungen, die auf Vorauszahlungen beruhen, die Leistungsberechtigte aus dem Regelsatz erbracht haben, sind kein Einkommen. Bei Minderjährigen ist das Kindergeld dem jeweiligen Kind als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 34, benötigt wird.

Von dem Einkommen sind gemäß § 82 Abs. 2 SGB XII abzusetzen 1. auf das Einkommen entrichtete Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, 3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, 4. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, 5. das Arbeitsförderungsgeld und Erhöhungsbeträge des Arbeitsentgelts im Sinne von § 43 Satz 4 des Neunten Buches. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist gemäß § 82 Abs. 3 SGB XII ferner ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 50 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28. Abweichend von Satz 1 ist bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen von dem Entgelt ein Achtel der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 zuzüglich 25 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abzusetzen. Im Übrigen kann in begründeten Fällen ein anderer als in Satz 1 festgelegter Betrag vom Einkommen abgesetzt werden. Erhält eine leistungsberechtigte Person mindestens aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, ist abweichend von den Sätzen 1 und 2 ein Betrag von bis zu 200 Euro monatlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Eine Entschädigung, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches geleistet wird, ist gemäß § 83 Abs. 2 SGB XII nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Hiervon ausgehend sind die vom Landgericht Bielefeld aus § 843 BGB zugesprochenen Geldzahlungen von 100 Euro monatlich anrechnungspflichtiges Einkommen im Sinne des SGB XII. Da § 83 Abs. 1 SGB XII ausdrücklich nur zweckbestimmte Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften und § 83 Abs. 2 SGB XII nur den immateriellen Schadensersatz von der Anrechnungspflicht ausnimmt, sieht das Gericht hier keine Möglichkeit etwa eine Regelungslücke in § 83 Abs. 2 SGB XII anzunehmen, wonach pauschalierter Schadensersatz aus einem unfallbedingten, abstrahiert angenommenen Mehrbedarf anrechnungsfrei sein soll. Die Wertung des Gesetzgebers ist hier als gegeben zu respektieren.

Was einen Mehrbedarf aufgrund der Gehbehinderung betrifft, erhält die Klägerin bereits den sozialhilferechtlichen Mehrbedarf bei bewilligtem Merkzeichen G aus § 30 Abs. 1 SGB XII.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen. Für die Berechnung der Leistungshöhe wird auf die Berechnung im Bescheid vom 25.10.2011 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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