Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 2243/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 369/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Klägerin ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 30 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in der Zeit vom 1.4.2012 bis 31.12.2013 zusteht.
Die Klägerin ist schwerbehindert. Ihr war ab 9.12.2010 ein GdB von 70 ohne Merkzeichen zuerkannt. Bei ihr bestehen hauptsächlich nervenärztliche Erkrankungen (schwere erbliche sensomotorische demyelisierende Polyneuropathie, subsyndromale posttraumatische Belastungsstörung; Bl. 249 ff VA). Sie bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines monatlichen Mehrbedarfs wegen Laktoseintoleranz i.H.v. 37,40 EUR. Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg dauerhafte volle Erwerbsminderung bei ihr festgestellt hatte (später bestätigt durch die Stellungnahme vom 5.12.2012 , Bl. 181 VA), der Klägerin aber wegen fehlender Vorversicherungszeit eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht zusteht, beantragte sie am 19.4.2012 beim Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Sie legte das ärztliche Attest der Dr. A.vom 24.5.2012 vor, wonach wegen einer Laktoseintoleranz eine besondere kostenaufwändige Ernährung erforderlich sei. Die Körpergröße wurde mit 1,58 m und das Gewicht mit 42 kg angegeben. Dr. S., Amtsärztlicher Dienst des Beklagten, vertrat in der Auskunft vom 19.6.2012 die Auffassung, dass laktosefreie Kost keineswegs kostenaufwändiger sei als laktosehaltige Nahrung.
Mit Bescheid vom 7.1.2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin rückwirkend ab dem 1.4.2012 bis 31.12.2013 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung i.H.v. 552,17 EUR bzw. 560,17 EUR (ab 1.1.2013). Unter Bezugnahme auf die Auskunft von Dr. S. wurde ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung abgelehnt. Wegen Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen erhöhten sich die Leistungen ab 1.1.2013 auf 712,44 EUR (Aufhebungs- und Neufestsetzungsbescheid vom 8.2.2013, Bl. 231 VA).
Am 13.2.2013 ließ die Klägerin gegen den Bescheid vom 7.1.2013 Widerspruch einlegen und begehrte die Leistungen zuzüglich des ernährungbedingten Mehrbedarfs. Die Klägerin benötige bei einem BMI von 17 und damit deutlichem Untergewicht eine erhöhte Nährstoffzufuhr. Normale Vollkost sei nicht ausreichend. Der Widerspruch wurde zunächst mit Widerspruchsbescheid vom 2.5.2013 wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen und nach dessen Rücknahme (mit Schreiben vom 17.6.2013 im Rahmen des dagegen anhängigen Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) - S 9 SO 1778/13) mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2013 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 547 VA). Nachdem Dr. S. unter Auswertung der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Unterlagen zu keiner abweichenden Beurteilung gelangt sei (Stellungnahme vom 7.6.2013; Bl. 497 VA), benötige die Klägerin keine Kostform, die einen kostenaufwändigen Mehrbedarf verursache.
Mit Teilaufhebungsbescheid vom 2.8.2013 reduzierte sich die Leistungshöhe in der Zeit vom 1.6.2013 bis 31.12.2013 auf monatlich 702,70 EUR (Anrechnung Nebenkostenrückzahlung; Bl. 621 VA).
Am 14.7.2013 hat die Klägerin wegen des Mehrbedarfs Klage zum SG erhoben, die damit begründet wurde, dass der zuvor in den Leistungen nach dem SGB II eingeschlossene Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung i.H.v. 37,40 EUR nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts weitergewährt werden müsse. Neben einer Laktoseintoleranz bestünden bei der Klägerin noch eine Vielzahl anderer Erkrankungen, die eine erhöhte Nahrungsaufnahme bzw. Kalorienzufuhr nötig machten. Gleichzeitig habe die Klägerin einen schlechten Stoffwechsel, weshalb sie sehr viel essen müsse um ihr Gewicht zu halten. Durch Gewichtsabnahme betrage ihr BMI 15,7 und habe pathologisches Untergewicht erreicht.
Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. A., Fachärztin für Allgemeinmedizin berichtete über die Behandlung von Mai 2012 bis September 2013 und nannte als Diagnosen neuropathische Marie-Charcot-Tooth-Polyneuropathie, Zwangshandlungen, Untergewicht und Laktoseintoleranz. Diese wirkten sich als Appetitlosigkeit mit daraus resultierendem Untergewicht aus. Die Klägerin benötige Zusatznahrung in Form von Trinknahrung, eine hochkalorische, laktosefreie Diät, ausgewogene kalorienreiche Ernährung. Bei einem BMI von aktuell 16,63 kg/m² bestehe bei weiterem Gewichtsverlust ein erhöhtes Risiko für das Auftreten weiterer schwerwiegender Erkrankungen. Das Untergewicht beruhe auf einer kombinierten Ursache aus psychiatrischen Störungen als auch wegen Laktoseintoleranz. Aus ärztlicher Sicht sollte die Klägerin beispielsweise solange "Fresubin Trinknahrung" (zweimal täglich) verwenden, bis ein BMI von etwa 18 bis 19 kg/m² erreicht sei. Hierfür fielen täglich Kosten von etwa 6 EUR bis 8 EUR an. (Schreiben vom 9.10.2013 und Ergänzung vom 4.11.2013).
Unter dem 3.12.2013 berichtete Dr. M., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie über die Behandlung der Klägerin seit dem Kalenderjahr 2012. Eine Essstörung bestehe nicht. Insgesamt sei die Klägerin sehr ängstlich und unsicher, in Konflikt- bzw. Belastungssituationen neige sie sicherlich auch zu Appetitlosigkeit. Das Untergewicht der Klägerin sei ihres Erachtens am ehesten Ausdruck der Laktoseintoleranz mit häufigen Durchfällen und Unpässlichkeiten.
Im ärztlichen Attest vom 7.11.2013 für den Folgezeitraum hält Dr. A.einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen einer kombinierten Ursache aus psychiatrischen Störungen für gerechtfertigt (Bl. 57 SG Akte).
Das SG hat das internistische Gutachten des Dr. S.mit dem ernährungswissenschaftlichen Zusatzgutachten der Dipl. oec. troph. Dr. Sch. eingeholt. In seinem Gutachten vom 15.5.2014 hat Dr. S.Laktoseintoleranz und Untergewichtigkeit (aktueller BMI: 16,8 kg/m², Körpergröße: 158 cm, Körpergewicht: 42 kg) bei der Klägerin diagnostiziert. Die Analyse der Laborwerte habe im wesentlichen Normalwerte ergeben. Insbesondere seien die Schilddrüsenwerte normal, so dass keine Überfunktion der Schilddrüse mit erhöhtem Kalorienbedarf feststellbar sei. Ebenso haben sich keine Hinweise auf Mangelerscheinungen bei normalen Elektrolyten, normalem Eisenspeicher sowie Normalwert für Magnesium gefunden. Die aktenkundig mehrfach beschriebene Untergewichtigkeit könne nicht durch die Laktoseintoleranz erklärt werden, denn die Klägerin habe auf gezielte Befragung ausdrücklich mitgeteilt, dass sie sich seit drei Jahren weitgehend milchzuckerfrei ernähre und diesbezüglich keine relevanten Verdauungsbeschwerden mehr habe. Weitere Ursachen für das Untergewicht (außerhalb des psychiatrischen Fachgebiets) könnten nicht objektiviert werden. Die Einhaltung einer speziellen Diät, für die Dr. Sch. monatliche Mehrkosten für eine laktosearme, eiweißreiche Kost mit 10,50 EUR (richtig 7,64 EUR) beziffert habe, sei erforderlich. Mit Dr. Sch. gehe er davon aus, dass sich die Klägerin aufgrund ihrer Untergewichtigkeit nicht nur laktosefrei, sondern auch höher kalorisch ernähren sollte.
In dem ernährungswissenschaftlichen Zusatzgutachten vom 30.4.2014, das sich die Gutachterin gegenüber der abweichenden undatierten Fassung zu eigen gemacht hat (vgl. Bl. 116 SG-Akte), errechnet Dr. Sch. bei Laktoseintoleranz und Sojaunverträglichkeit in Verbindung mit Mangelernährung bzw. Untergewichtigkeit für eine energiereiche Basiskost bis zu 2300 Kalorien mit laktosefreien Ersatzprodukten aus dem unteren PR.egment zusätzliche Kosten von 7,64 EUR pro Monat. Wahrscheinlich sei bei dem Ernährungszustand nicht nur ein kalorisches Defizit, sondern auch eine qualitativ unzureichende Kost mit einem Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Eiweiß und sekundären Pflanzenstoffen. Aus medizinischen Gründen sei eine hochkalorische, laktosefreie Kost zu befürworten, die eine Basiskost von mindestens 2000 - 2200 kcal pro Tag umfasse. Zusätzlich sollten mindestens 300 kcal pro Tag über Nahrungssupplemente zugeführt werden, die im allgemeinen nach ärztlicher Verordnung von der Krankenkasse erstattet würden. Unklar bleibe, welche Ursache der Mangelernährung zugrunde liege. Neben dem Verzicht auf laktosehaltige Produkte könnten auch seelische Gründe, Appetitlosigkeit Immobilität und Schwäche sowie eine fehlende Haushalts- und Ernährungskompetenz eine Bedeutung haben. Zusätzlich zur Basiskost benötige die Klägerin durch den hohen Kalorien- und Eiweißbedarf mindestens eine Milchportion bzw. Quark mehr. Die Substitution durch ein laktosefreies Pendant betrage bei der Verwendung von Quark, der ernährungsphysiologische Vorteile besitze, 7,64 EUR und bei der Verwendung von Milch und Joghurt ca. 3,60 EUR (richtig wohl 1,35 EUR) pro Monat. Ausgehend von der auf der Grundlage der EVS (Einkommens- und Verbrauchsstudie) von 2003 erhobenen Werte errechnete die Gutachterin den Mehrbedarf anhand der Fortschreibung von PR.teigerungen.
Auf Nachfrage stellten beide Gutachter klar, dass die Verwendung von Laktase-Tabletten nicht geeignet sei, die gebotene Diät zu ersetzen, und im Übrigen gegenüber der laktosefreien Diät Mehrkosten verursachten.
Die Beklagte hat die Stellungnahme der Dr. S. zum Gutachten vom 12.8.2014 vorgelegt, die darauf verwiesen hat, dass sich trotz des festgestellten Untergewichts aufgrund der laborchemischen Untersuchungen keine Hinweise auf eine Mangelernährung ergeben hätten. Da die Behandlung und die zu empfehlende Ernährung bei Untergewicht von der Ursache abhänge, sei bei ausstehender diagnostischer Abklärung des Untergewichts die Grundlage zur Beurteilung des Bedarfs an kostenaufwändige Ernährung nicht gegeben.
Mit Urteil vom 16.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. Für die Auslegung der Anspruchsgrundlage des § 30 Abs. 5 SGB XII würden im allgemeinen die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (Oktober 2008) herangezogen. Danach komme ein ernährungsbedingter Mehrbedarf in der Regel nur bei verzehrenden Erkrankungen, bei Erkrankungen mit einer gestörten Nährstoffaufnahme bzw. bei einer Beeinträchtigung der Nährstoffversorgung infrage. Ob auch das von der Klägerin ins Feld geführte Krankheitsbild der Laktoseintoleranz einen ernährungsbedingten Mehrbedarf rechtfertige, sei umstritten. Selbst wenn man dies annehme, sei vorliegend ein Mehrbedarf nicht begründet. Die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung belegten, dass das erhebliche Untergewicht schon seit mehr als 20 Jahren bestehe und gingen offenkundig auf die operative Entfernung der Gallenblase im Jahr 1991 zurück. Seither pendelte des Körpergewicht zwischen 38 kg 1991 bzw. max. 48 kg vor etwa 9 Jahren. Die aktenkundigen Befundunterlagen dokumentierten ein Körpergewicht von 42,5 kg, 39,2 kg, 41,5 kg und zuletzt von 42 kg. Diese Gewichtsverteilung dokumentiere eindeutig, dass die Klägerin zur Erhöhung bzw. zur Stabilisierung ihres Körpergewichts keine besondere Diät bzw. Ernährung wenigstens aber keine hierauf abzielenden Leistungen des Sozialhilfeträgers benötige. Denn auch in den Zeiten, in denen die Klägerin noch im Erwerbsleben stand bzw. vom Jobcenter den entsprechenden Mehrbedarf erhalten habe, habe ein erhebliches pathologisches Untergewicht vorgelegen, dass damit nicht Ausdruck unzureichender finanzieller Mittel sei. Die Klägerin selbst räume ein, dass laktosefreie Lebensmittel nicht wesentlich teurer seien. Außerdem führe Dr. Sch. in Ihrem Gutachten aus, dass eine hochkalorische laktosefreie Ernährung auch mit dem sozialhilferechtlichen Regelleistungsbetrag für Nahrungsmittel (etwa 138 EUR monatlich) möglich sei. Die Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs komme nur dann in Betracht wenn eine klare diagnostische Abklärung erfolgt sei. Daran fehle es vorliegend. Denn letztlich müsse offenbleiben, auf welcher Ursache das Untergewicht bzw. die Mangelernährung der Klägerin beruhe. Dr. S.habe das Untergewicht nicht als Folge der Laktoseintoleranz bezeichnet und auch Dr. Sch. sei von einer unklaren Ursache ausgegangen. Vieles spreche dafür, dass die Ressourcen der Klägerin ihren Alltag selbst zu organisieren, beschränkt seen. Vor diesem Hintergrund sah sich das SG davon überzeugt, dass sich die Gewichtssituation der Klägerin auch durch die Gewährung eines zusätzlichen Geldbetrages nicht nachhaltig verändern bzw. bessern werde. Unerheblich sei, dass die von Dr. A.und Dr. Sch. empfohlene Trinknahrung nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung rechne. Ausgehend von dem vom Jobcenter zugrunde gelegten Mehrbedarf i.H.v. 37,40 EUR ging das SG davon aus, dass die Berufungssumme nicht erreicht werde und fügte eine Rechtsmittelbelehrung mit dem Hinweis auf die Nichtzulassungsbeschwerde bei.
Die dagegen am 28.10.2014 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (L 7 SO 4492/14 NZB) hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 12.1.2015 als unzulässig verworfen. Bei der Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs für die Zeit vom 1.4.2012 bis zum 31.12.2013 handele es sich um laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Die Berufung sei daher gemäß § 144 Abs. 1 S. 2 SGG bereits kraft Gesetzes statthaft, die der Klägerin aufgrund der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung in einer Frist von einem Jahr seit Zustellung des Urteils offenstehe.
Am 29.1.2015 hat die Klägerin Berufung beim LSG Baden-Württemberg einlegen lassen und ihr Klageziel weiter verfolgt. Sie hat sich auf die eingeholten Gutachten und Auskünfte der behandelnden Ärzte gestützt. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin bereits eine erhebliche Menge an Nahrung zu sich nehmen müsse, nur um ihr ohnehin sehr geringes Körpergewicht zu halten, wodurch krankheitsbedingt höhere Kosten entstünden. Die behandelnden Ärzte hätten dargelegt, dass das Untergewicht eine Folge der Laktoseintoleranz sei. Von daher könne nicht nachvollzogen werden, dass es angeblich an der erforderlichen Kausalität fehlen solle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Oktober 2014 aufzuheben sowie die Bescheide vom 7. Januar 2013 und vom 8. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2013 und den Bescheid vom 2. August 2013 abzuändern und der Klägerin für die Zeit vom 1. April 2012 bis zum 31. Dezember 2013 einen ernährungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 37,40 EUR monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Klägerin hat das Protokoll über die Ernährungsberatung bei der AOK Baden-Württemberg bei Dipl. oec. troph. W. vom 18.5.2015 vorgelegt (Bl. 29 LSG Akte), die zum Ziel hat, Maßnahmen zur Erreichung eines Normalgewichts und einer guten Nährstoffversorgung zu etablieren bzw. eine Gewichtsabnahme zu vermeiden. Ebenso hat die Klägerin ihr Ernährungsprotokoll vom 18.5. bis 24.5.2015 vorgelegt. (Bl. 35 LSG Akte).
Der Senat hat Dipl. oec. troph. W. schriftlich als sachverständige Zeugin befragt. In ihrer Auskunft vom 25.6.2015 (Bl. 39 LSG Akte) teilt sie mit, dass die Auswertung des Ernährungsprotokolls der Klägerin eine qualitativ als auch quantitativ bedarfsgerechte Ernährung gezeigt habe. Weiter ergebe sich daraus eine ein relativ hoher Kalorienbedarf. Dieser könne Hinweis auf eine erhöhte Stoffwechselrate sein, die einen erhöhten Energiebedarf und damit einen Mehrbedarf an Nahrungsmitteln begründe. In welcher Höhe sich daraus Mehrkosten beziffern würden, vermöge sie nicht abzuschätzen. Eine dauerhafte Supplementierung mit hochkalorischer Trinknahrung sei weder notwendig noch sinnvoll, da die Klägerin im Alltag ihren Energiebedarf mit herkömmlichen Lebensmitteln decken solle. Sie komme nur im Notfall in Betracht.
Die Klägerin hat die Auswertung des Ernährungsprotokolls durch Dipl. oec. troph. W. vom 12.6.2015 vorgelegt. Danach habe die Auswertung des Ernährungsprotokolls eine durchschnittliche Energiezufuhr von ca. 2900 kcal ergeben. Dies sei um 1000 kcal höher als der durchschnittliche empfohlene Energiebedarf. Da das Untergewicht trotz einer überbedarfsdeckenden Energiezufuhr bestehe, könne von einem erhöhten Katabolismus möglicherweise bedingt durch die Grunderkrankung ausgegangen werden. Eine Energieanreicherung der Kost solle erfolgen. Diese kalorien - und nährstoffgerechte Versorgung bedeute aus ihrer Sicht einen finanziellen Mehraufwand.
Die Beklagte ist dem mit der Stellungnahme des amtsärztlichen Dienstes vom 10.8.2015, Dr. R. entgegengetreten. Die ihr vorliegenden Befunde - zuletzt aus dem Jahr 2014 - ergäben keine Hinweise für einen erhöhten Katabolismus aufgrund einer Erkrankung. Für die aus dem internistischen Fachgebiet bekannten Erkrankungen Laktoseintoleranz und Untergewichtigkeit sowie die aus dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet erwähnte posttraumatische Belastungsstörung und Zwangshandlungen sei ein Katabolismus nicht bekannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Band) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge und die beigezogene Akte des LSG Baden-Württemberg L 7 SO 4492/14 NZB Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Auch wahrt die am 29.1.2015 eingelegte Berufung die Frist, da sie binnen der hier auf Grund der im Urteil unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung geltenden Jahresfrist (§ 66 Abs. 2 S. 1 SGG) eingelegt worden ist.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin kann im streitigen Zeitraum vom 1.4.2012 bis 31.12.2013 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nicht für sich beanspruchen.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 7.1.2013 und der Bescheid vom 8.2.2013, der nach § 86 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2013. Weiter Streitgegenstand ist der Bescheid vom 2.8.2013, der nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Dagegen wehrt sich die Klägerin zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 SGG). Dabei wird vorliegend allein um einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung eines Mehrbedarfs gestritten. Nur darauf richtet sich ihr Begehren. Der Mehrbedarf kann im sozialgerichtlichen Verfahren als abtrennbarer Streitgegenstand gesondert geltend gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.2011 – B 8 SO 12/10 R – juris RdNr. 11 sowie Urteil vom 9.6.2011 – B 8 SO 1/10 R – juris RdNr. 11; anders für Leistungen nach dem SGB II: BSG, Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 138/10 R –, SozR 4-4200 § 21 Nr 14).
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 30 Abs. 5 SGB XII. Dieser sieht vor, dass für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt wird. Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt.
Der Senat nimmt zunächst Bezug auf das Urteil des SG. Das SG hat nach erschöpfender Ermittlung des Sachverhalts, unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen sowie unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung verbunden mit einer rechtsfehlerfreien und ausführlichen Würdigung des Beweisergebnisses zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung im Zeitraum vom 1.4.2012 bis 31.12.2013 hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt: Den geltend gemachten Mehrbedarf stützt die Klägerin auf zwei Faktoren, nämlich die Laktoseintoleranz und einen erhöhten Kalorienbedarf, um ihr geringes Gewicht zu halten.
Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (ständige Rspr. des BSG, vgl. bspw. Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - juris Rn. 12 und Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 65/12 R - juris Rn. 13 jeweils m.w.N.). Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder einer drohenden Erkrankung oder Behinderung und der Notwendigkeit einer besonderen Ernährung vorliegen und diese besondere "Krankenkost" muss gegenüber der in der Bevölkerung üblichen, im Regelfall zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger sein (BSG, Urteil vom 14.2.2013, a.a.O.). Der Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen soll helfen, im Hinblick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eine Ernährung zu finanzieren, mit der der Verlauf einer (bestehenden) gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Abmilderung von deren Folgen, Verhinderung oder Hinauszögern einer Verschlechterung oder deren (drohenden) Eintretens beeinflusst werden kann (BSG, Urteil vom 20.2.2014, a.a.O. Rn. 15). Dabei ist zu beachten, dass § 30 Abs. 5 SGB XII lediglich den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung erfasst. Der dagegen notwendige Bedarf für Ernährung wird als ein Teil der Regelleistung bzw. des Regelbedarfs typisierend zuerkannt, wobei von der Deckung der laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen ausgegangen wird (BSG, Urteil vom 20.2.2014, a.a.O., Rn. 13).
Hinsichtlich der Laktoseintoleranz handelt es sich um eine Krankheit, die bei der Klägerin unstreitig und nachgewiesener Maßen vorliegt, zuletzt im Gutachten des Dr. S.vom 15.5.2014 diagnostiziert. Diese Erkrankung hat mittlerweile Eingang gefunden in die 4. Neu- Auflage der "Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" vom 10.12.2014 (Ziff. 3.2.1., S. 9), die nach der Rechtsprechung des BSG als Orientierungshilfe dienen und insbesondere zu einem Abgleich mit den Ergebnissen der Amtsermittlung führen können (BSG, Urteil vom 22. 11.2011 - B 4 AS 138/10 R - juris Rn. 23). Danach wird die Laktoseintoleranz meist durch eine abnehmende Expression von Laktase im Darm mit zunehmendem Lebensalter verursacht. Therapeutisch gibt es bei Laktoseintoleranz keine spezielle Diät. Es wird eine Vollkost mit einer auf das Beschwerdebild angepassten Ernährung empfohlen. Die ernährungsmedizinische Behandlung besteht im Meiden von Nahrungsmitteln, die nicht vertragen werden (z.B. Kuhmilch). Die Deckung des Kalziumsbedarfs ist insbesondere durch den Verzehr von Milchprodukten möglich, die von Natur aus sehr geringe Mengen an Laktose enthalten (z.B. reifer Käse). Eine kostenaufwändigere Ernährung ist damit in der Regel nicht erforderlich. Ausnahmen gelten für Besonderheiten im Einzelfall, beispielsweise bei einem angeborenen Laktasemangel, der einer medizinischen Behandlung bedarf.
Hiermit im Einklang stehen auch die Ausführungen der Dipl. oec. troph. Dr. Sch. in ihrem Gutachten vom 30.4.2014, soweit es die Ernährungsempfehlungen zur Laktoseintoleranz betrifft. Auch hält sie die danach erforderliche normale Mischkost unter Meidung von laktasehaltigen Nahrungsmitteln von bis zu 2300 kcal auch mit Lebensmitteln im unteren PR.egment mit einem kleinen Budget für umsetzbar. Dies hat auch die Klägerin so eingeräumt. Dass die Gutachterin dennoch einen Mehrbedarf in Höhe von 7,64 EUR bei der Substitution mit Quark und von 3,60 EUR bzw. 1,35 EUR - der im Text angegebene Wert weicht von der in Tabelle 4a dargelegten Berechnung nicht nachvollziehbar ab und beruht offensichtlich auf einem Versehen - pro Monat errechnet, beruht auf einem anderen Umstand, nämlich der Mangelernährung, aus dem die Gutachterin einen erhöhten Kalorien- und Eiweißbedarf ableitet.
Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, kann das Untergewicht der Klägerin zur Beurteilung eines Mehrbedarfs vorliegend jedoch nicht herangezogen werden, da es nicht auf einer nachgewiesenen Erkrankung beruht und deshalb auch keine besondere "Krankenkost" erforderlich ist. Es ist nicht nachgewiesen, dass eine besondere Ernährung wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung erforderlich ist, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind. Wie sowohl Dr. Sch. als auch Dr. S.ausführen, ist die Ursache des Untergewichts der Klägerin nicht bekannt. Es beruht auch nicht auf der Laktoseintoleranz, nachdem die Klägerin bereits seit Jahren laktosehaltige Lebensmittel meidet und Verdauungsprobleme deshalb nicht mehr vorhanden sind, das Untergewicht jedoch erhalten geblieben ist. Von daher kann auch der dies den Mehrbedarf so begründenden Auskunft von der Dr. M. nicht gefolgt werden. Auch eine andere internistische Erklärung für das Untergewicht konnte Dr. S.nicht feststellen. Insbesondere hat er eine Schilddrüsenüberfunktion mit erhöhtem Stoffwechsel ausdrücklich ausgeschlossen. Der von Dipl. oec. troph. W. benannte Katabolismus ist jedenfalls nicht als Ausfluss einer Erkrankung bei der Klägerin belegt. Der Senat stützt sich hierzu auf die Auskunft der Dr. R., wonach ein Katabolismus bei den bei der Klägerin bekannten Erkrankungen Laktoseintoleranz und den Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet nicht bekannt ist. Soweit eine psychische Komponente zur Appetitlosigkeit führen sollte, wie von Dr. A.angenommen, von der Klägerin im Erörterungstermin jedoch bestritten, begründet dies jedenfalls keinen Mehrbedarf, sondern bedeutet nur, dass zunächst die normale Menge konsumiert werden muss.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Ursache für das Untergewicht der Klägerin trotz ausreichender Nahrungszufuhr, wie durch den Ernährungsplan belegt, nicht bekannt ist. Zu denken wäre auch an eine erblich bedingte Normvariante, nachdem sie angibt, dass ihre Brüder trotz vielen Essens ebenso dünn seien. Hervorzuheben ist auch, dass das Untergewicht der Klägerin offensichtlich nicht mit einem krankmachenden Mangel an Energie und Nährstoffen einhergeht, wie die im Wesentlichen im Normbereich liegenden Laborwerte für Eisen, Calcium etc. belegen. Hiervon geht Dr. Sch., die dies in ihrem Gutachten vorausgesetzt hat, daher unzutreffend aus. Ein medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis, das durch eine Erkrankung verursacht ist, konnte daher nicht festgestellt werden. Von daher handelt es sich bei der Klägerin nicht um einen krankheitsbedingten Mehrbedarf, sondern allenfalls um einen krankheitsunabhängigen Mehrbedarf an Nahrung gegenüber einer vergleichbaren Person, der nicht von § 30 Abs. 5 SGB XII erfasst ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Klägerin ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 30 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in der Zeit vom 1.4.2012 bis 31.12.2013 zusteht.
Die Klägerin ist schwerbehindert. Ihr war ab 9.12.2010 ein GdB von 70 ohne Merkzeichen zuerkannt. Bei ihr bestehen hauptsächlich nervenärztliche Erkrankungen (schwere erbliche sensomotorische demyelisierende Polyneuropathie, subsyndromale posttraumatische Belastungsstörung; Bl. 249 ff VA). Sie bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines monatlichen Mehrbedarfs wegen Laktoseintoleranz i.H.v. 37,40 EUR. Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg dauerhafte volle Erwerbsminderung bei ihr festgestellt hatte (später bestätigt durch die Stellungnahme vom 5.12.2012 , Bl. 181 VA), der Klägerin aber wegen fehlender Vorversicherungszeit eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht zusteht, beantragte sie am 19.4.2012 beim Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Sie legte das ärztliche Attest der Dr. A.vom 24.5.2012 vor, wonach wegen einer Laktoseintoleranz eine besondere kostenaufwändige Ernährung erforderlich sei. Die Körpergröße wurde mit 1,58 m und das Gewicht mit 42 kg angegeben. Dr. S., Amtsärztlicher Dienst des Beklagten, vertrat in der Auskunft vom 19.6.2012 die Auffassung, dass laktosefreie Kost keineswegs kostenaufwändiger sei als laktosehaltige Nahrung.
Mit Bescheid vom 7.1.2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin rückwirkend ab dem 1.4.2012 bis 31.12.2013 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung i.H.v. 552,17 EUR bzw. 560,17 EUR (ab 1.1.2013). Unter Bezugnahme auf die Auskunft von Dr. S. wurde ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung abgelehnt. Wegen Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen erhöhten sich die Leistungen ab 1.1.2013 auf 712,44 EUR (Aufhebungs- und Neufestsetzungsbescheid vom 8.2.2013, Bl. 231 VA).
Am 13.2.2013 ließ die Klägerin gegen den Bescheid vom 7.1.2013 Widerspruch einlegen und begehrte die Leistungen zuzüglich des ernährungbedingten Mehrbedarfs. Die Klägerin benötige bei einem BMI von 17 und damit deutlichem Untergewicht eine erhöhte Nährstoffzufuhr. Normale Vollkost sei nicht ausreichend. Der Widerspruch wurde zunächst mit Widerspruchsbescheid vom 2.5.2013 wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen und nach dessen Rücknahme (mit Schreiben vom 17.6.2013 im Rahmen des dagegen anhängigen Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Mannheim (SG) - S 9 SO 1778/13) mit Widerspruchsbescheid vom 17.6.2013 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 547 VA). Nachdem Dr. S. unter Auswertung der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Unterlagen zu keiner abweichenden Beurteilung gelangt sei (Stellungnahme vom 7.6.2013; Bl. 497 VA), benötige die Klägerin keine Kostform, die einen kostenaufwändigen Mehrbedarf verursache.
Mit Teilaufhebungsbescheid vom 2.8.2013 reduzierte sich die Leistungshöhe in der Zeit vom 1.6.2013 bis 31.12.2013 auf monatlich 702,70 EUR (Anrechnung Nebenkostenrückzahlung; Bl. 621 VA).
Am 14.7.2013 hat die Klägerin wegen des Mehrbedarfs Klage zum SG erhoben, die damit begründet wurde, dass der zuvor in den Leistungen nach dem SGB II eingeschlossene Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung i.H.v. 37,40 EUR nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts weitergewährt werden müsse. Neben einer Laktoseintoleranz bestünden bei der Klägerin noch eine Vielzahl anderer Erkrankungen, die eine erhöhte Nahrungsaufnahme bzw. Kalorienzufuhr nötig machten. Gleichzeitig habe die Klägerin einen schlechten Stoffwechsel, weshalb sie sehr viel essen müsse um ihr Gewicht zu halten. Durch Gewichtsabnahme betrage ihr BMI 15,7 und habe pathologisches Untergewicht erreicht.
Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. A., Fachärztin für Allgemeinmedizin berichtete über die Behandlung von Mai 2012 bis September 2013 und nannte als Diagnosen neuropathische Marie-Charcot-Tooth-Polyneuropathie, Zwangshandlungen, Untergewicht und Laktoseintoleranz. Diese wirkten sich als Appetitlosigkeit mit daraus resultierendem Untergewicht aus. Die Klägerin benötige Zusatznahrung in Form von Trinknahrung, eine hochkalorische, laktosefreie Diät, ausgewogene kalorienreiche Ernährung. Bei einem BMI von aktuell 16,63 kg/m² bestehe bei weiterem Gewichtsverlust ein erhöhtes Risiko für das Auftreten weiterer schwerwiegender Erkrankungen. Das Untergewicht beruhe auf einer kombinierten Ursache aus psychiatrischen Störungen als auch wegen Laktoseintoleranz. Aus ärztlicher Sicht sollte die Klägerin beispielsweise solange "Fresubin Trinknahrung" (zweimal täglich) verwenden, bis ein BMI von etwa 18 bis 19 kg/m² erreicht sei. Hierfür fielen täglich Kosten von etwa 6 EUR bis 8 EUR an. (Schreiben vom 9.10.2013 und Ergänzung vom 4.11.2013).
Unter dem 3.12.2013 berichtete Dr. M., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie über die Behandlung der Klägerin seit dem Kalenderjahr 2012. Eine Essstörung bestehe nicht. Insgesamt sei die Klägerin sehr ängstlich und unsicher, in Konflikt- bzw. Belastungssituationen neige sie sicherlich auch zu Appetitlosigkeit. Das Untergewicht der Klägerin sei ihres Erachtens am ehesten Ausdruck der Laktoseintoleranz mit häufigen Durchfällen und Unpässlichkeiten.
Im ärztlichen Attest vom 7.11.2013 für den Folgezeitraum hält Dr. A.einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen einer kombinierten Ursache aus psychiatrischen Störungen für gerechtfertigt (Bl. 57 SG Akte).
Das SG hat das internistische Gutachten des Dr. S.mit dem ernährungswissenschaftlichen Zusatzgutachten der Dipl. oec. troph. Dr. Sch. eingeholt. In seinem Gutachten vom 15.5.2014 hat Dr. S.Laktoseintoleranz und Untergewichtigkeit (aktueller BMI: 16,8 kg/m², Körpergröße: 158 cm, Körpergewicht: 42 kg) bei der Klägerin diagnostiziert. Die Analyse der Laborwerte habe im wesentlichen Normalwerte ergeben. Insbesondere seien die Schilddrüsenwerte normal, so dass keine Überfunktion der Schilddrüse mit erhöhtem Kalorienbedarf feststellbar sei. Ebenso haben sich keine Hinweise auf Mangelerscheinungen bei normalen Elektrolyten, normalem Eisenspeicher sowie Normalwert für Magnesium gefunden. Die aktenkundig mehrfach beschriebene Untergewichtigkeit könne nicht durch die Laktoseintoleranz erklärt werden, denn die Klägerin habe auf gezielte Befragung ausdrücklich mitgeteilt, dass sie sich seit drei Jahren weitgehend milchzuckerfrei ernähre und diesbezüglich keine relevanten Verdauungsbeschwerden mehr habe. Weitere Ursachen für das Untergewicht (außerhalb des psychiatrischen Fachgebiets) könnten nicht objektiviert werden. Die Einhaltung einer speziellen Diät, für die Dr. Sch. monatliche Mehrkosten für eine laktosearme, eiweißreiche Kost mit 10,50 EUR (richtig 7,64 EUR) beziffert habe, sei erforderlich. Mit Dr. Sch. gehe er davon aus, dass sich die Klägerin aufgrund ihrer Untergewichtigkeit nicht nur laktosefrei, sondern auch höher kalorisch ernähren sollte.
In dem ernährungswissenschaftlichen Zusatzgutachten vom 30.4.2014, das sich die Gutachterin gegenüber der abweichenden undatierten Fassung zu eigen gemacht hat (vgl. Bl. 116 SG-Akte), errechnet Dr. Sch. bei Laktoseintoleranz und Sojaunverträglichkeit in Verbindung mit Mangelernährung bzw. Untergewichtigkeit für eine energiereiche Basiskost bis zu 2300 Kalorien mit laktosefreien Ersatzprodukten aus dem unteren PR.egment zusätzliche Kosten von 7,64 EUR pro Monat. Wahrscheinlich sei bei dem Ernährungszustand nicht nur ein kalorisches Defizit, sondern auch eine qualitativ unzureichende Kost mit einem Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Eiweiß und sekundären Pflanzenstoffen. Aus medizinischen Gründen sei eine hochkalorische, laktosefreie Kost zu befürworten, die eine Basiskost von mindestens 2000 - 2200 kcal pro Tag umfasse. Zusätzlich sollten mindestens 300 kcal pro Tag über Nahrungssupplemente zugeführt werden, die im allgemeinen nach ärztlicher Verordnung von der Krankenkasse erstattet würden. Unklar bleibe, welche Ursache der Mangelernährung zugrunde liege. Neben dem Verzicht auf laktosehaltige Produkte könnten auch seelische Gründe, Appetitlosigkeit Immobilität und Schwäche sowie eine fehlende Haushalts- und Ernährungskompetenz eine Bedeutung haben. Zusätzlich zur Basiskost benötige die Klägerin durch den hohen Kalorien- und Eiweißbedarf mindestens eine Milchportion bzw. Quark mehr. Die Substitution durch ein laktosefreies Pendant betrage bei der Verwendung von Quark, der ernährungsphysiologische Vorteile besitze, 7,64 EUR und bei der Verwendung von Milch und Joghurt ca. 3,60 EUR (richtig wohl 1,35 EUR) pro Monat. Ausgehend von der auf der Grundlage der EVS (Einkommens- und Verbrauchsstudie) von 2003 erhobenen Werte errechnete die Gutachterin den Mehrbedarf anhand der Fortschreibung von PR.teigerungen.
Auf Nachfrage stellten beide Gutachter klar, dass die Verwendung von Laktase-Tabletten nicht geeignet sei, die gebotene Diät zu ersetzen, und im Übrigen gegenüber der laktosefreien Diät Mehrkosten verursachten.
Die Beklagte hat die Stellungnahme der Dr. S. zum Gutachten vom 12.8.2014 vorgelegt, die darauf verwiesen hat, dass sich trotz des festgestellten Untergewichts aufgrund der laborchemischen Untersuchungen keine Hinweise auf eine Mangelernährung ergeben hätten. Da die Behandlung und die zu empfehlende Ernährung bei Untergewicht von der Ursache abhänge, sei bei ausstehender diagnostischer Abklärung des Untergewichts die Grundlage zur Beurteilung des Bedarfs an kostenaufwändige Ernährung nicht gegeben.
Mit Urteil vom 16.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. Für die Auslegung der Anspruchsgrundlage des § 30 Abs. 5 SGB XII würden im allgemeinen die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (Oktober 2008) herangezogen. Danach komme ein ernährungsbedingter Mehrbedarf in der Regel nur bei verzehrenden Erkrankungen, bei Erkrankungen mit einer gestörten Nährstoffaufnahme bzw. bei einer Beeinträchtigung der Nährstoffversorgung infrage. Ob auch das von der Klägerin ins Feld geführte Krankheitsbild der Laktoseintoleranz einen ernährungsbedingten Mehrbedarf rechtfertige, sei umstritten. Selbst wenn man dies annehme, sei vorliegend ein Mehrbedarf nicht begründet. Die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung belegten, dass das erhebliche Untergewicht schon seit mehr als 20 Jahren bestehe und gingen offenkundig auf die operative Entfernung der Gallenblase im Jahr 1991 zurück. Seither pendelte des Körpergewicht zwischen 38 kg 1991 bzw. max. 48 kg vor etwa 9 Jahren. Die aktenkundigen Befundunterlagen dokumentierten ein Körpergewicht von 42,5 kg, 39,2 kg, 41,5 kg und zuletzt von 42 kg. Diese Gewichtsverteilung dokumentiere eindeutig, dass die Klägerin zur Erhöhung bzw. zur Stabilisierung ihres Körpergewichts keine besondere Diät bzw. Ernährung wenigstens aber keine hierauf abzielenden Leistungen des Sozialhilfeträgers benötige. Denn auch in den Zeiten, in denen die Klägerin noch im Erwerbsleben stand bzw. vom Jobcenter den entsprechenden Mehrbedarf erhalten habe, habe ein erhebliches pathologisches Untergewicht vorgelegen, dass damit nicht Ausdruck unzureichender finanzieller Mittel sei. Die Klägerin selbst räume ein, dass laktosefreie Lebensmittel nicht wesentlich teurer seien. Außerdem führe Dr. Sch. in Ihrem Gutachten aus, dass eine hochkalorische laktosefreie Ernährung auch mit dem sozialhilferechtlichen Regelleistungsbetrag für Nahrungsmittel (etwa 138 EUR monatlich) möglich sei. Die Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs komme nur dann in Betracht wenn eine klare diagnostische Abklärung erfolgt sei. Daran fehle es vorliegend. Denn letztlich müsse offenbleiben, auf welcher Ursache das Untergewicht bzw. die Mangelernährung der Klägerin beruhe. Dr. S.habe das Untergewicht nicht als Folge der Laktoseintoleranz bezeichnet und auch Dr. Sch. sei von einer unklaren Ursache ausgegangen. Vieles spreche dafür, dass die Ressourcen der Klägerin ihren Alltag selbst zu organisieren, beschränkt seen. Vor diesem Hintergrund sah sich das SG davon überzeugt, dass sich die Gewichtssituation der Klägerin auch durch die Gewährung eines zusätzlichen Geldbetrages nicht nachhaltig verändern bzw. bessern werde. Unerheblich sei, dass die von Dr. A.und Dr. Sch. empfohlene Trinknahrung nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung rechne. Ausgehend von dem vom Jobcenter zugrunde gelegten Mehrbedarf i.H.v. 37,40 EUR ging das SG davon aus, dass die Berufungssumme nicht erreicht werde und fügte eine Rechtsmittelbelehrung mit dem Hinweis auf die Nichtzulassungsbeschwerde bei.
Die dagegen am 28.10.2014 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (L 7 SO 4492/14 NZB) hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 12.1.2015 als unzulässig verworfen. Bei der Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs für die Zeit vom 1.4.2012 bis zum 31.12.2013 handele es sich um laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Die Berufung sei daher gemäß § 144 Abs. 1 S. 2 SGG bereits kraft Gesetzes statthaft, die der Klägerin aufgrund der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung in einer Frist von einem Jahr seit Zustellung des Urteils offenstehe.
Am 29.1.2015 hat die Klägerin Berufung beim LSG Baden-Württemberg einlegen lassen und ihr Klageziel weiter verfolgt. Sie hat sich auf die eingeholten Gutachten und Auskünfte der behandelnden Ärzte gestützt. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin bereits eine erhebliche Menge an Nahrung zu sich nehmen müsse, nur um ihr ohnehin sehr geringes Körpergewicht zu halten, wodurch krankheitsbedingt höhere Kosten entstünden. Die behandelnden Ärzte hätten dargelegt, dass das Untergewicht eine Folge der Laktoseintoleranz sei. Von daher könne nicht nachvollzogen werden, dass es angeblich an der erforderlichen Kausalität fehlen solle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Oktober 2014 aufzuheben sowie die Bescheide vom 7. Januar 2013 und vom 8. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2013 und den Bescheid vom 2. August 2013 abzuändern und der Klägerin für die Zeit vom 1. April 2012 bis zum 31. Dezember 2013 einen ernährungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von 37,40 EUR monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Klägerin hat das Protokoll über die Ernährungsberatung bei der AOK Baden-Württemberg bei Dipl. oec. troph. W. vom 18.5.2015 vorgelegt (Bl. 29 LSG Akte), die zum Ziel hat, Maßnahmen zur Erreichung eines Normalgewichts und einer guten Nährstoffversorgung zu etablieren bzw. eine Gewichtsabnahme zu vermeiden. Ebenso hat die Klägerin ihr Ernährungsprotokoll vom 18.5. bis 24.5.2015 vorgelegt. (Bl. 35 LSG Akte).
Der Senat hat Dipl. oec. troph. W. schriftlich als sachverständige Zeugin befragt. In ihrer Auskunft vom 25.6.2015 (Bl. 39 LSG Akte) teilt sie mit, dass die Auswertung des Ernährungsprotokolls der Klägerin eine qualitativ als auch quantitativ bedarfsgerechte Ernährung gezeigt habe. Weiter ergebe sich daraus eine ein relativ hoher Kalorienbedarf. Dieser könne Hinweis auf eine erhöhte Stoffwechselrate sein, die einen erhöhten Energiebedarf und damit einen Mehrbedarf an Nahrungsmitteln begründe. In welcher Höhe sich daraus Mehrkosten beziffern würden, vermöge sie nicht abzuschätzen. Eine dauerhafte Supplementierung mit hochkalorischer Trinknahrung sei weder notwendig noch sinnvoll, da die Klägerin im Alltag ihren Energiebedarf mit herkömmlichen Lebensmitteln decken solle. Sie komme nur im Notfall in Betracht.
Die Klägerin hat die Auswertung des Ernährungsprotokolls durch Dipl. oec. troph. W. vom 12.6.2015 vorgelegt. Danach habe die Auswertung des Ernährungsprotokolls eine durchschnittliche Energiezufuhr von ca. 2900 kcal ergeben. Dies sei um 1000 kcal höher als der durchschnittliche empfohlene Energiebedarf. Da das Untergewicht trotz einer überbedarfsdeckenden Energiezufuhr bestehe, könne von einem erhöhten Katabolismus möglicherweise bedingt durch die Grunderkrankung ausgegangen werden. Eine Energieanreicherung der Kost solle erfolgen. Diese kalorien - und nährstoffgerechte Versorgung bedeute aus ihrer Sicht einen finanziellen Mehraufwand.
Die Beklagte ist dem mit der Stellungnahme des amtsärztlichen Dienstes vom 10.8.2015, Dr. R. entgegengetreten. Die ihr vorliegenden Befunde - zuletzt aus dem Jahr 2014 - ergäben keine Hinweise für einen erhöhten Katabolismus aufgrund einer Erkrankung. Für die aus dem internistischen Fachgebiet bekannten Erkrankungen Laktoseintoleranz und Untergewichtigkeit sowie die aus dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet erwähnte posttraumatische Belastungsstörung und Zwangshandlungen sei ein Katabolismus nicht bekannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Band) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge und die beigezogene Akte des LSG Baden-Württemberg L 7 SO 4492/14 NZB Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Auch wahrt die am 29.1.2015 eingelegte Berufung die Frist, da sie binnen der hier auf Grund der im Urteil unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung geltenden Jahresfrist (§ 66 Abs. 2 S. 1 SGG) eingelegt worden ist.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin kann im streitigen Zeitraum vom 1.4.2012 bis 31.12.2013 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nicht für sich beanspruchen.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 7.1.2013 und der Bescheid vom 8.2.2013, der nach § 86 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2013. Weiter Streitgegenstand ist der Bescheid vom 2.8.2013, der nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Dagegen wehrt sich die Klägerin zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 SGG). Dabei wird vorliegend allein um einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung eines Mehrbedarfs gestritten. Nur darauf richtet sich ihr Begehren. Der Mehrbedarf kann im sozialgerichtlichen Verfahren als abtrennbarer Streitgegenstand gesondert geltend gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.2011 – B 8 SO 12/10 R – juris RdNr. 11 sowie Urteil vom 9.6.2011 – B 8 SO 1/10 R – juris RdNr. 11; anders für Leistungen nach dem SGB II: BSG, Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 138/10 R –, SozR 4-4200 § 21 Nr 14).
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 30 Abs. 5 SGB XII. Dieser sieht vor, dass für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt wird. Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt.
Der Senat nimmt zunächst Bezug auf das Urteil des SG. Das SG hat nach erschöpfender Ermittlung des Sachverhalts, unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen sowie unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung verbunden mit einer rechtsfehlerfreien und ausführlichen Würdigung des Beweisergebnisses zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung im Zeitraum vom 1.4.2012 bis 31.12.2013 hat. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt: Den geltend gemachten Mehrbedarf stützt die Klägerin auf zwei Faktoren, nämlich die Laktoseintoleranz und einen erhöhten Kalorienbedarf, um ihr geringes Gewicht zu halten.
Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (ständige Rspr. des BSG, vgl. bspw. Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - juris Rn. 12 und Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 65/12 R - juris Rn. 13 jeweils m.w.N.). Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder einer drohenden Erkrankung oder Behinderung und der Notwendigkeit einer besonderen Ernährung vorliegen und diese besondere "Krankenkost" muss gegenüber der in der Bevölkerung üblichen, im Regelfall zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger sein (BSG, Urteil vom 14.2.2013, a.a.O.). Der Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen soll helfen, im Hinblick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eine Ernährung zu finanzieren, mit der der Verlauf einer (bestehenden) gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Abmilderung von deren Folgen, Verhinderung oder Hinauszögern einer Verschlechterung oder deren (drohenden) Eintretens beeinflusst werden kann (BSG, Urteil vom 20.2.2014, a.a.O. Rn. 15). Dabei ist zu beachten, dass § 30 Abs. 5 SGB XII lediglich den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung erfasst. Der dagegen notwendige Bedarf für Ernährung wird als ein Teil der Regelleistung bzw. des Regelbedarfs typisierend zuerkannt, wobei von der Deckung der laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen ausgegangen wird (BSG, Urteil vom 20.2.2014, a.a.O., Rn. 13).
Hinsichtlich der Laktoseintoleranz handelt es sich um eine Krankheit, die bei der Klägerin unstreitig und nachgewiesener Maßen vorliegt, zuletzt im Gutachten des Dr. S.vom 15.5.2014 diagnostiziert. Diese Erkrankung hat mittlerweile Eingang gefunden in die 4. Neu- Auflage der "Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" vom 10.12.2014 (Ziff. 3.2.1., S. 9), die nach der Rechtsprechung des BSG als Orientierungshilfe dienen und insbesondere zu einem Abgleich mit den Ergebnissen der Amtsermittlung führen können (BSG, Urteil vom 22. 11.2011 - B 4 AS 138/10 R - juris Rn. 23). Danach wird die Laktoseintoleranz meist durch eine abnehmende Expression von Laktase im Darm mit zunehmendem Lebensalter verursacht. Therapeutisch gibt es bei Laktoseintoleranz keine spezielle Diät. Es wird eine Vollkost mit einer auf das Beschwerdebild angepassten Ernährung empfohlen. Die ernährungsmedizinische Behandlung besteht im Meiden von Nahrungsmitteln, die nicht vertragen werden (z.B. Kuhmilch). Die Deckung des Kalziumsbedarfs ist insbesondere durch den Verzehr von Milchprodukten möglich, die von Natur aus sehr geringe Mengen an Laktose enthalten (z.B. reifer Käse). Eine kostenaufwändigere Ernährung ist damit in der Regel nicht erforderlich. Ausnahmen gelten für Besonderheiten im Einzelfall, beispielsweise bei einem angeborenen Laktasemangel, der einer medizinischen Behandlung bedarf.
Hiermit im Einklang stehen auch die Ausführungen der Dipl. oec. troph. Dr. Sch. in ihrem Gutachten vom 30.4.2014, soweit es die Ernährungsempfehlungen zur Laktoseintoleranz betrifft. Auch hält sie die danach erforderliche normale Mischkost unter Meidung von laktasehaltigen Nahrungsmitteln von bis zu 2300 kcal auch mit Lebensmitteln im unteren PR.egment mit einem kleinen Budget für umsetzbar. Dies hat auch die Klägerin so eingeräumt. Dass die Gutachterin dennoch einen Mehrbedarf in Höhe von 7,64 EUR bei der Substitution mit Quark und von 3,60 EUR bzw. 1,35 EUR - der im Text angegebene Wert weicht von der in Tabelle 4a dargelegten Berechnung nicht nachvollziehbar ab und beruht offensichtlich auf einem Versehen - pro Monat errechnet, beruht auf einem anderen Umstand, nämlich der Mangelernährung, aus dem die Gutachterin einen erhöhten Kalorien- und Eiweißbedarf ableitet.
Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, kann das Untergewicht der Klägerin zur Beurteilung eines Mehrbedarfs vorliegend jedoch nicht herangezogen werden, da es nicht auf einer nachgewiesenen Erkrankung beruht und deshalb auch keine besondere "Krankenkost" erforderlich ist. Es ist nicht nachgewiesen, dass eine besondere Ernährung wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung erforderlich ist, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind. Wie sowohl Dr. Sch. als auch Dr. S.ausführen, ist die Ursache des Untergewichts der Klägerin nicht bekannt. Es beruht auch nicht auf der Laktoseintoleranz, nachdem die Klägerin bereits seit Jahren laktosehaltige Lebensmittel meidet und Verdauungsprobleme deshalb nicht mehr vorhanden sind, das Untergewicht jedoch erhalten geblieben ist. Von daher kann auch der dies den Mehrbedarf so begründenden Auskunft von der Dr. M. nicht gefolgt werden. Auch eine andere internistische Erklärung für das Untergewicht konnte Dr. S.nicht feststellen. Insbesondere hat er eine Schilddrüsenüberfunktion mit erhöhtem Stoffwechsel ausdrücklich ausgeschlossen. Der von Dipl. oec. troph. W. benannte Katabolismus ist jedenfalls nicht als Ausfluss einer Erkrankung bei der Klägerin belegt. Der Senat stützt sich hierzu auf die Auskunft der Dr. R., wonach ein Katabolismus bei den bei der Klägerin bekannten Erkrankungen Laktoseintoleranz und den Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet nicht bekannt ist. Soweit eine psychische Komponente zur Appetitlosigkeit führen sollte, wie von Dr. A.angenommen, von der Klägerin im Erörterungstermin jedoch bestritten, begründet dies jedenfalls keinen Mehrbedarf, sondern bedeutet nur, dass zunächst die normale Menge konsumiert werden muss.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Ursache für das Untergewicht der Klägerin trotz ausreichender Nahrungszufuhr, wie durch den Ernährungsplan belegt, nicht bekannt ist. Zu denken wäre auch an eine erblich bedingte Normvariante, nachdem sie angibt, dass ihre Brüder trotz vielen Essens ebenso dünn seien. Hervorzuheben ist auch, dass das Untergewicht der Klägerin offensichtlich nicht mit einem krankmachenden Mangel an Energie und Nährstoffen einhergeht, wie die im Wesentlichen im Normbereich liegenden Laborwerte für Eisen, Calcium etc. belegen. Hiervon geht Dr. Sch., die dies in ihrem Gutachten vorausgesetzt hat, daher unzutreffend aus. Ein medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis, das durch eine Erkrankung verursacht ist, konnte daher nicht festgestellt werden. Von daher handelt es sich bei der Klägerin nicht um einen krankheitsbedingten Mehrbedarf, sondern allenfalls um einen krankheitsunabhängigen Mehrbedarf an Nahrung gegenüber einer vergleichbaren Person, der nicht von § 30 Abs. 5 SGB XII erfasst ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved