L 2 SO 3755/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SO 313/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 3755/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M. vom 5. August 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewilligung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung von August bis Dezember 2012 sowie eine Erstausstattung mit Bekleidung nach erheblichem Gewichtsverlust, ferner die Anforderung von Kontoauszügen durch den Beklagten.

Der Kläger bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer von der DRV Bund, 2012 in Höhe von 165,35 EUR. Aufstockend bezog er seit 2007 bis zu seinem zum Jahreswechsel 2012/2013 erfolgten Umzug vom Rhein-Neckar-Kreis nach M. vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, zuletzt bewilligt mit Bescheid vom 1.12.2011 für die Zeit vom 1.1.2012 bis 31.12.2012 in Höhe von monatlich 511,73 EUR (Bl. 77 Behelfsakte Stadt M.). Seither steht er im Leistungsbezug der Stadt M ...

Seit Jahren führt der Kläger eine Vielzahl von Verfahren vor dem Sozialgericht M. und dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg.

Beim Kläger wurde am 23.4.2008 wegen einer Adipositas (BMI von 53,4) eine Sleeve-Gastrektomie (Schlauchmagenbildung) mit späteren Nachoperationen durchgeführt. Seither ist sein Gewicht von 205 kg bei einer Größe von 1,96 m erheblich gesunken.

Bereits mehrfach, zuletzt 2011 (Bescheid vom 27.6.2011, Widerspruchsbescheid vom 17.10.2011), hatte der Kläger die Bewilligung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung auch nach mehreren Gerichtsverfahren ohne Erfolg vom Beklagten begehrt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2013 (Bd. 6, 71 VA); Beschlüsse des Sozialgerichts M. (SG) vom 19.12.2011 - S 2 SO 4279/11 ER - und vom 16.1.2012 - S 2 SO 165/12 ER - mit nachfolgendem Beschwerdeverfahren beim LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.3.2012 - L 7 SO 5706/11 ER-B; Urteil des SG vom 14.2.2013 - S 2 SO 3736/11 -).

Mit Schreiben vom 30.7.2012 beantragte der Kläger beim Beklagten neben anderem erneut die Bewilligung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung, den er auf 20 % des Regelsatzes nach § 28 SGB XII veranschlagte, sowie eines einmaligen Bedarfs zur Anschaffung von Bekleidung in Höhe von 615 EUR. Er machte geltend, seine Gesundheit habe sich massiv verschlechtert. Erforderlich sei nunmehr eine gesunde Ernährung, die durch den Regelsatz nicht bestritten werden könne. Darüber hinaus habe er abermals extrem an Körpergewicht (entsprechend insgesamt sechs Kleidergrößen in 16 Monaten) verloren und wiege nunmehr rund 114 kg (Bl. 4/3 VA).

Der Beklagte holte das ärztliche Attest des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. W. vom 7.10.2012 ein, der aufgrund einer nicht näher bezeichneten konsumierenden Erkrankung eine besondere kostenaufwändige Ernährung mit dem Ziel der Erhaltung der normoglykämischen Stoffwechsellage sowie Gewichtserhaltung für erforderlich hielt. Dr. R. vom amtsärztlichen Dienst hielt einen Mehrbedarf hingegen nicht für gegeben. Anhand der vorliegenden Befunde bestehe ein Diabetes mellitus, bei dem eine ausgewogene Ernährung zur Erhaltung einer ausgeglichenen Stoffwechsellage und des Gewichtes angezeigt sei (Bl. 4/385 VA). Darauf gestützt lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 26.11.2012 ab. Der Widerspruch des Klägers, der bestritt nur unter einem Diabetes mellitus zu leiden, blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 31.1.2014 führte der Beklagte aus, nach dem aktuellen Stand der Ernährungsmedizin sei bei den vorliegenden Erkrankungen (Adipositas, Z. n. adipositaschirurgischen Eingriffen, Diabetes mellitus Typ II und Hyperlipidämie) eine ausgewogene gesunde und proteinreiche Nahrung unter ausreichender Zufuhr von Ballaststoffen und Eiweißen angezeigt. Eine besondere Krankenkost sei nicht erforderlich, was auch schon durch mehrere Gerichtsurteile rechtskräftig festgestellt worden sei. Vielmehr entspreche die für den Kläger empfohlene Ernährungsform einer kalorienreduzierten Kost, wofür der ernährungsbedingte Anteil im Regelsatz ausreichend sei.

Ein im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens gegen den Beklagten gestellter Eilantrag beim SG auf Gewährung des begehrten Mehrbedarfs wurde mit Beschluss vom 5.12.2012 - S 2 SO 3908/12 ER -, ein weiterer Eilantrag gegen die Stadt M. betreffend einen solchen Mehrbedarf für die Zeit nach dem Jahreswechsel 2012/2013 mit Beschluss vom 16.10.2013 - S 2 SO 2806/13 ER - abgelehnt (Zurückweisung der Beschwerde im Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 6.11.2013 - L 7 SO 4586/13 ER-B). Im letztgenannten Verfahren berief sich der Kläger auf ein Attest der Praxis für Allgemeinmedizin Dres. W. & Kollegen vom 31.1.2013 (insulinpflichtiger Diabetes mellitus, Adipositas und Pankreasinsuffizienz mit verschlechterter Fettverdauung; von normaler Ernährung abweichende Ernährung medizinisch erforderlich, andernfalls Auftreten von Durchfällen, übelriechenden Blähungen und schmerzhaften Krämpfen; Bl. 371 Behelfsakte M.) sowie eine Bescheinigung der Internistin Dr. R. vom 15.4.2013 (kein "rotes Fleisch" [Schwein, Rind, Kalb], sondern "weißes Fleisch" [Fisch, Meeresfrüchte, Geflügel]; entsprechende Empfehlung für Wurst; keine Weißmehlprodukte, sondern ballaststoffreiche Vollkornprodukte; frisches Obst und Gemüse [keine Konserven]; Kartoffeln, Reis, Nudeln, Brot, Mais, Möhren, Feigen, Datteln und Bananen nur in begrenzter Menge, stattdessen mit Gemüse und Milchprodukten sattessen; mit frischen Kräutern würzen; Haushaltszucker durch Fruchtzucker ersetzen; Bl. 4 in S 2 SO 2806/13 ER) und gab an, der gesamte Bereich von der unteren Speiseröhre bis zum Ende des Zwölffingerdarms sei bei ihm chronisch entzündet; die Stadt M. holte das nach Untersuchung des Antragstellers erstellte amtsärztliche Zeugnis des Arztes F. ihres Fachbereichs Gesundheit vom 19.9.2013 (kein Mehraufwand für die Ernährung unter Berücksichtigung der angeführten Empfehlungen des Deutschen Vereins) ein und lehnte die Gewährung eines Mehrbedarfs mit Bescheid vom 20.9.2013 ab (vgl. Bl 1113 f Behelfsakte M.).

Sein auf Gewährung von Leistungen für eine Erstausstattung für Bekleidung gerichtetes Begehren wiederholte der Kläger unter dem 13.9.2012. Mit Schreiben vom 30.11.2012 (Eingang am 5.12.2012; Bl. 4/503 VA) ergänzte der Kläger den Antrag und begehrte wegen des Diebstahls von Kleidung (18 Unterhosen und -hemden, 10 Paar Socken, 2 Hemden und 1 Hose) während seines Aufenthalts im Psychiatrischen Zentrum N. (vom 14.10. bis zum 15.11.2012) einen Zuschuss für Bekleidung im Gesamtwert von 678 EUR. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.12.2012 ab (Bl. 4/525 VA). Aus dem Attest des Dr. W. gehe nicht hervor, dass sich sein Gewicht in kurzer Zeit so massiv verringert habe (Widerspruch des Klägers vom 13.12.2012; Bl. 5/111 VA).

Das Psychiatrische Zentrum N. - Frau Egenlauf - teilte auf Nachfrage des Beklagten mit, nach Sichtung der Akte fänden sich keinerlei Hinweise auf einen Kleiderdiebstahl zu Lasten des Klägers (Schreiben vom 27.3.2013; Bl. 5/427 VA).

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.1.2014 zurück. Der Kläger habe von Februar bis April 2010 insgesamt eine Beihilfe zur Anschaffung einer Grundausstattung für Bekleidung i.H.v. EUR 800,00 erhalten. Bei Anschaffung der neuen Kleidungsstücke sei das Gewicht des Klägers von ursprünglich 205 Kilogramm bereits auf 137,9 Kilogramm reduziert gewesen. Aus den Akten ergebe sich, dass das Gewicht des Klägers im August 2011 bei 114,4 Kilogramm und im September 2012 bei 113,7 Kilogramm gelegen habe. Angesichts des Zeitraums von 2 ½ Jahren für den weiteren Gewichtsverlust von 24,2 kg sei es dem Kläger zuzumuten gewesen, die Kosten für die Ersatzbeschaffung der notwendigen Bekleidungsstücke aus dem Regelsatz anzusparen. Der von ihm angegebene Diebstahl der Bekleidung sei nicht nachgewiesen und vom Psychiatrischen Zentrum N. auch nicht bestätigt worden, so dass dies bei der Entscheidungsfindung keine Berücksichtigung habe finden können.

Einen im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens gegen die Stadt M. gestellten Eilantrag auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung von Bekleidung lehnte das SG mit Beschluss vom 13.5.2013 - S 2 SO 1536/13 ER - ab, die Beschwerde dagegen wurde vom erkennenden Senat als unzulässig verworfen (Beschluss vom 12.6.2013 - L 2 SO 2142/13 ER-B).

Nachdem der Kläger am 26.10.2012 die Weitergewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beantragt hatte (Bl. 4/310 VA), forderte ihn der Beklagte mit Schreiben vom 22.11.2012 zur Feststellung einer fortbestehenden Bedürftigkeit zur Vorlage verschiedener Unterlagen, u. a. von Kontoauszügen für die Zeit ab dem 1.10.2012 mit Fristsetzung auf. Zugleich wies der Beklagte den Kläger auf seine Mitwirkungspflicht sowie die Möglichkeit einer Versagung von Leistungen bei Verstoß dagegen hin (Bl. 4/427 VA). Am 30.11.2012 legte der Kläger gegen die Anforderung von Kontoauszügen Widerspruch ein (Bl. 4/495 VA), den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.1.2014 zurückwies. Der Widerspruch sei unzulässig, da es an einem nach § 84 SGG erforderlichen Verwaltungsakt fehle. Die Anforderung von Unterlagen sei keine anfechtbare Einzelfallregelung (Bl. 6/125 VA.

Dagegen hat der Kläger zum SG Klagen erhoben, am 3.2.2014 gegen die Ablehnung von Leistungen für eine Erstausstattung mit Bekleidung (S 2 SO 313/14) und gegen die Anforderung von Kontoauszügen (S 2 SO 314/14) sowie am 12.2.2014 gegen die Ablehnung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs (S 2 SO 400/14). Das SG hat die Verfahren mit Beschluss vom 8.4.2014 unter dem Aktenzeichen S 2 SO 313/14 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Der Kläger hat sein Vorbringen wiederholt und vertieft. Bei ihm bestehe ein Mehrbedarf für die Ernährung. Er leide nun an Diabetes mellitus Typ I (Insulin substitutiv erforderlich), einem Totalausfall der Pankreasfunktion, Pankreaskrebs (nach bisheriger Kenntnis ohne Metastasenbildung und überwiegender Heilungsprognose), chronischen Entzündungen der unteren Speiseröhre bis zum Ende des Zwölffingerdarms, einer Mangelverdauung (mit Problemen bei der Aufnahme verschiedener Vitamine und von Calcium, sowie mit Diarrhöen, Fettstühlen und geruchsbelästigenden Luftabgängen) und Nahrungsmittelallergien. Angesichts dessen genügten täglich EUR 4,00 für die Ernährung nicht. Ferner benötige er wegen einer extremen Gewichtsabnahme und erhöhtem Verschleiß bei vermehrten Durchfällen neue Kleidung. Bei der Aufforderung zur Vorlage von Kontoauszügen handle es sich um einen Verwaltungsakt.

Das SG hat die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 5.8.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich hinsichtlich der erstrebten Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung auf den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 5.3.2012 - L 7 SO 5706/11 ER-B (dort mit weiterem Verweis auf den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 9.12.2009 - L 7 SO 3341/09 ER-B und das Klageverfahren des SG - S 9 SO 2402/09) bezogen, wonach nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, die heranzuziehen seien, sowohl für Diabetes mellitus Typ 1 als auch für Typ 2 eine Vollkost angezeigt sei. Dies sei im Einklang mit den Empfehlungen der Deutschen-Diabetes-Gesellschaft auch von den behandelnden Ärzten Dr. R. und der Praxis W./R. nicht abweichend bestätigt worden. Auch die am 23.4.2008 durchgeführte Sleeve-Gastrektomie (Schlauchmagenbildung) mit einhergehender Malabsorption für Fette, Vitamine sowie Mineralstoffe führe nicht zu einer von der Vollkost abweichenden Kostform, wie Prof. Dr. We., Krankenhaus S., vom 22. Oktober 2009, der aus Sicht des Antragstellers die maßgebliche Auskunftsperson für die streitige Frage des ernährungsbedingten Mehraufwands war, bestätigt habe. Auch anlässlich der Umwandlung in einen Y-Roux-Magenbypass sei nicht zu einer speziellen Kostform geraten worden. Auch aus dem vorgelegten Attest der Praxis W./R. ergebe sich nichts anderes, dort sei nochmals bestätigt worden, dass keine Notwendigkeit einer bestimmten Kostform bestehe. Wegen der im Sommer 2011 aufgetretenen Stuhlunregelmäßigkeiten sei eine ausführliche Abklärung erfolgt, ohne dass sich richtungsweisende Befunde ergeben hätten. Es sei keine Notwendigkeit einer von der genannten Vollkost abweichenden speziellen Kostform zu erkennen, Vollkosternährung könne bei einer preisbewussten Einkaufsweise mit den im Regelbedarf für Ernährung vorgesehenen Anteilen eingehalten werden. Auch die nach dem hier maßgeblichen Zeitraum durchgeführten Ermittlungen stünden dem nicht entgegen. Hierzu hat sich das SG auf den Beschluss vom 16.10.2013 - S 2 SO 2806/13 ER - im Verfahren gegen die nach Umzug des Klägers für Grundsicherungsleistungen zuständige Stadt M. bezogen. Danach sei bei den vorhandenen Erkrankungen und der chronischen Entzündung von der unteren Speiseröhre bis zum Ende des Zwölffingerdarms glaubhaft gemacht, dass die Erkrankung des Antragstellers eine von "normaler Ernährung" abweichende Ernährung medizinisch erfordere, da nach dem Attest vom 31.01.2013 andernfalls Durchfälle, übelriechende Blähungen und schmerzhafte Krämpfe aufträten. Die von der Internistin Dr. R. in der Bescheinigung vom 15.04.2013 aufgeführten in Betracht kommenden Ernährungsprodukte (nur "weißes Fleisch"; entsprechende Empfehlung für Wurst; ballaststoffreiche Vollkornprodukte; frisches Obst und Gemüse; Kartoffeln, Reis, Nudeln, Brot, Mais, Möhren, Feigen, Datteln und Bananen nur in begrenzter Menge, stattdessen mit Gemüse und Milchprodukten sattessen; mit frischen Kräutern würzen; Fruchtzucker statt Haushaltszucker) begründeten keinen gesundheitsbedingten Mehrbedarf für die Ernährung, sondern entsprächen Vollkost. Dies sei nach Untersuchung des Klägers vom Arzt F. des Fachbereichs Gesundheit der Stadt M. in seinem amtsärztlichen Zeugnis vom 19.9.2013 bestätigt worden. Soweit schließlich Dr. R. in ihrer Bescheinigung vom 15.4.2013 einen monatlichen Mehrbedarf des Antragstellers in Höhe von EUR 146,05 errechnet habe, liege dem eine krankheitsunabhängige Berechnung des täglichen Kalorienbedarfs eines Mannes mit der Körpergröße des Klägers zu Grunde, die nach den oben gemachten Ausführungen - auch dann, wenn er vorliege - einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII nicht zu begründen vermöge. Das vom Kläger nunmehr geltend gemachte Pankreaskarzinom betreffe die Leistungspflicht des Beklagten für den hier streitigen Zeitraum bis Ende 2012 nicht. Hinsichtlich der erstrebten Leistungen für eine Erstausstattung für Bekleidung bestehe ein Anspruch auf die Erstausstattung nur dann, wenn ein solcher Bedarf aufgrund "außergewöhnlicher Umstände" entstanden sei. Dabei ergebe sich aus Sinn und Zweck dieser Bestimmung, dass hierzu kein länger zurückliegendes Ereignis herangezogen werden könne, sondern dass es sich um ein zeitnahes Ereignis handeln müsse. Bei länger zurückliegenden Ereignissen sei davon auszugehen, dass der Bekleidungsbedarf nach und nach aus den Regelsätzen befriedigt bzw. angespart werden konnte (mit Hinweis auf LSG NRW, Beschluss vom 20.03.2008 - L 20 B 16/08 SO ER - juris). Es fehle vorliegend an einem "außergewöhnlichen Umstand" i. S. des § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII, was insbesondere für den erheblichen Gewichtsverlust des Klägers gelte, der im Zeitpunkt der Antragstellung, am 2.8.2012 (Anm.: Eingangsdatum) bereits rund ein Jahr zurückgelegen habe. Das angegebene Gewicht von rund 114 kg sei schon im August 2011 zu verzeichnen gewesen. Ein ausreichender Ersatzbestand hätte sich mit den in den gewährten Regelleistungen für Bekleidung vorgesehenen Anteil von 30,40 EUR im Monat sicherstellen lassen. Sein nicht nachweisbares Vorbringen bezüglich des Kleiderdiebstahls habe der Kläger nicht wiederholt. Die vom Kläger gegen die Anforderung von Kontoauszügen erhobene Anfechtungsklage sei - unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid - unzulässig, da es an einem nach § 54 Abs. 1 SGG erforderlichen Verwaltungsakt fehle. Die vom Kläger nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erhobene Klage auf Feststellung, dass die Anforderung von Kontoauszügen durch den Beklagten rechtswidrig war, sei gleichfalls unzulässig. Denn die insoweit maßgebliche Frage, ob sich die im Rahmen der behördlichen Ermittlungen (zur Aufklärung der fortbestehenden Bedürftigkeit des Klägers) ergangene Aufforderung innerhalb der Grenzen der Mitwirkungsobliegenheit nach § 60 SGB I hielt, könne allenfalls im Rahmen einer Versagung des Leistungsanspruchs nach § 66 Abs. 1, Abs. 3 SGB I oder einer Ablehnung des Leistungsanspruchs wegen fehlender Bedürftigkeit i. S. des § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII Wirkung entfalten, die aber nicht vorliege.

Gegen das dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde am 9.8.2014 zugestellte Urteil hat er am 2.9.2014 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Richtig sei in Bezug auf die Bekleidungsbeihilfe, dass ausgehend von einem BMI von 53,4 auf heute noch 29,3 ein erheblicher Gewichtsverlust eingetreten sei. Der Regelsatz betreffe nur den Normalbedarf eines gesunden Menschen, nicht aber den Bedarf bei starker Gewichtsreduktion und sei deshalb durch einen Zuschuss auszugleichen. Hinsichtlich des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wies der Kläger darauf hin, dass sich die Beklagte zu Unrecht auf die alten Gutachten aus dem Jahre 2008 gestützt habe, sondern neue hätte einholen müssen. Derzeit lägen 23 im einzelnen genannte Behinderungen vor. Merkwürdig sei, dass die Beklagte alle Mehrbedarfe verweigerte, während die Stadt M. diese, wenn auch nicht in voller Höhe, gewähre. Die ihm empfohlene proteinreiche Nahrung und der Verzehr von frischem regionalen Gemüse, Salat und Obst verursache höhere Kosten. Mit dem im Regelsatz enthaltenen Anteil für Nahrung von 4,42 EUR täglich sei eine gesunde Vollkost nicht zu finanzieren. Hinsichtlich der Anforderung der Kontoauszüge stelle die Beklagte alle Leistungsberechtigten unter Generalverdacht Sozialbetrüger zu sein. Ohne Anhaltspunkte sei die Anforderung, die einen Verwaltungsakt darstelle, willkürlich.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M. vom 5. August 2014 sowie 1. den Bescheid des Beklagten vom 26. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger weitere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Form eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 64,32 EUR für die Zeit vom 1. August 2012 bis 31. Dezember 2012 nebst Verzugszinsen zu gewähren, 2. den Bescheid vom 10. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen für eine Erstausstattung für Bekleidung i. H. von 620 EUR nebst Verzugszinsen zu gewähren sowie 3. den Bescheid vom 22. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2014 aufzuheben und festzustellen, dass die Anforderung von Kontoauszügen durch den Beklagten rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat die Behelfsakte der Stadt M. das Jahr 2013 betreffend beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Akten des SG S 2 SO 1536/13 ER, S 2 SO 3908/12 ER, S 2 SO 2806/13 ER sowie die gleichfalls beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die Behelfsakte der Stadt M. verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2015 auch in Abwesenheit des Klägers über den Rechtsstreit entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde vom 30.9.2015 zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

Streitgegenstand sind der Bescheid vom 26.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2014, mit dem der Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändige Ernährung und der Bescheid vom 10.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.1.2014, mit dem der Beklagte die Gewährung von Leistungen für die Erstausstattung für Bekleidung abgelehnt hat. Dagegen geht der Kläger zulässig mit kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen vor. Weiter Streitgegenstand ist das Schreiben vom 22.11.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 23.1.2014 betreffend die Anforderung von Kontoauszügen des Klägers. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Feststellungsklage.

Der Mehrbedarf kann im sozialgerichtlichen Verfahren als abtrennbarer Streitgegenstand gesondert geltend gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.2011 – B 8 SO 12/10 R – juris RdNr. 11 sowie Urteil vom 09.06.2011 – B 8 SO 1/10 R – juris RdNr. 11; anders für Leistungen nach dem SGB II: BSG, Urteil vom 22. November 2011 – B 4 AS 138/10 R –, SozR 4-4200 § 21 Nr 14).

Anspruchsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten Bedarfe sind §§ 19 Abs. 2, 41 Abs. 1, 42 Nr. 2, 30 für den Mehrbedarf wegen kostenaufwändige Ernährung bzw. 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII wegen Erstausstattung mit Bekleidung.

Der Kläger ist dauerhaft voll erwerbsgemindert mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und hilfebedürftig. Er gehört damit grundsätzlich zum anspruchsberechtigten Personenkreis für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie der zusätzlichen Bedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB XII. Hiernach liegen die Voraussetzungen jedoch nicht vor.

Das SG hat unter Darlegung der zutreffenden Rechtsnormen sowie unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung teilweise unter Bezugnahme auf vorhergehende rechtskräftige gleichlautende Entscheidungen, die den gleichen Sachverhalt betrafen, zutreffend entschieden, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Zu Recht geht das SG davon aus, dass der Kläger bezogen auf die hier allein streitige Zeit von August bis Dezember 2012 keinen Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung hat, ihm auch kein Anspruch auf Leistungen für eine Erstausstattung für Bekleidung zusteht. Ebenso ist die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage betreffend die Anforderung von Kontoauszügen durch den Beklagten unzulässig. Der Senat sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren Folgendes auszuführen:

Der Kläger verfügt über Kleidung. Die Erstausstattung für Bekleidung kann aber auch durch einen neuen Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände begründet sein (Bundestagsdrucksache 15/1514, 60). Anerkannt ist sind etwa ein Totalverlust der vorhandenen Bekleidung oder eine unzureichende Bekleidungsausstattung nach einer Haft oder Wohnungslosigkeit. Hierzu kann auch zählen, dass die Bekleidung infolge einer erheblichen Gewichtszunahme oder Gewichtsabnahme größtenteils nicht mehr passt (von Boetticher/Münder in LPK- SGB XII, 10. Aufl. § 31 Rn. 9; kritisch Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII 19. Aufl. § 31 Rn. 8.1; bejahend für krankheitsbedingte große Gewichtsänderung Blüggel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 31 SGB XII, Rn. 35). Richtig ist zwar, dass der Kläger nach der Schlauchmagenbildung mittlerweile sein Gewicht von ursprünglich 205 kg auf ca. 114 kg stark reduziert und fast halbiert hat, was nachvollziehbar macht, dass die ursprünglich getragene Kleidung unabänderbar zu weit geworden ist. Diese Zahlen relativieren sich jedoch unter Berücksichtigung dessen, dass dem Kläger nach der Magenverkleinerung im Jahre 2008 bereits im Zeitraum vom 24.2.2010 bis 13.4.2010 vom Beklagten 800 EUR für die Neubeschaffung der Bekleidung gewährt wurden und der Kläger bereits zu dem Zeitpunkt erheblich auf 137,9 kg abgenommen hatte, sodass die nicht mehr passende Kleidung nach großem Gewichtsverlust bereits ausgetauscht war. In den restlichen zweieinhalb Jahren hat er bis zur Antragstellung im August 2012 dagegen vergleichsweise wenig, "lediglich" noch ca. 24 kg abgenommen. Inwiefern seine Angabe zutreffend ist, dass er im November 2011 nochmals 600 EUR für Bekleidung vom Beklagten gewährt bekommen hat, was aus den Akten nicht nachvollziehbar ist und wodurch der zu bewertende Gewichtsverlust nochmals reduziert würde, kann dahinstehen. Jedenfalls ist auch die nicht krankheitsbedingte Gewichtsabnahme von 24 kg über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren kein Umstand, der mit einem Totalverlust vergleichbar ist. Über diesen Zeitraum lassen sich zu groß werdende Kleidungsstücke zeitweise auch lässig tragen, wie z.B. Pullover und Hemden. Im Übrigen lassen sich Kleidungsstücke planbar unter Ausnutzung des Bekleidungsanteils im Regelsatz austauschen. Von daher handelt es sich vorliegend lediglich um eine nicht erstattungsfähige Ersatzbeschaffung und nicht um eine als Mehrbedarf erstattungsfähige Erstausstattung. Zudem kommt auch ein Verweis auf Möglichkeiten zur Beschaffung von gut erhaltener gebrauchter Kleidung grundsätzlich in Betracht, wenn dies in Anbetracht des örtlichen Angebots und der Konfektionsgröße des Leistungsberechtigten möglich ist (Falterbaum in: Hauck/Noftz, SGB, 11/12, § 31 SGB XII, Rn. 27), wovon hinsichtlich des Angebots im Rhein Neckarkreis auszugehen ist, und worauf ihn auch die Stadt M. im ablehnendem Bescheid vom 17.10.2013 verwiesen hat.

Soweit der Kläger bemängelt, der Beklagte habe keine neuen Gutachten eingeholt, ist dem entgegenzuhalten, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers bis Ende 2012, also bis zum Ende des zu beurteilenden Zeitraums, nachweislich nicht wesentlich verschlechtert hatte. Ausweislich des Attests von Dres. W. und Kollegen vom 30.1.2013 litt der Kläger unter einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, Adipositas und Pankreasinsuffizienz mit schlechter Fettverdauung. Dies sind Diagnosen, wie sie bereits seit langem bekannt waren und in den zahlreichen vom Kläger angestrengten Rechtsstreitigkeiten mehrfach rechtskräftig beurteilt worden sind. Von daher sind ältere Gutachten nicht von vorherein als überholt zu betrachten gewesen. Wie der Kläger im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 2 SO 2806/13 ER) im Schreiben vom 10.8.2013 selbst eingeräumt hat, war erst ab dann eine neue Gesundheitssituation eingetreten. Die von ihm nun benannten 22 Behinderungen (Erkrankungen) sind daher vorliegend nicht maßgeblich, weil sie auf einer Änderung außerhalb des streitigen Zeitraums beruhen. Auch hat die Stadt M. anschließend an den Leistungsbezug beim Beklagten den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung entgegen der Annahme des Klägers nicht gewährt. Mit Bescheid vom 20.9.2013 wurde vielmehr die Gewährung des Mehrbedarfs nach Vorliegen des amtsärztlichen Zeugnisses von Arzt F. abgelehnt. Die Stadt M. gewährt lediglich einen Zuschuss für die Nutzung der hauseigenen Waschmaschinen am Wohnort des Klägers in Höhe von monatlich 64,45 EUR, um sich an den aufgrund der Durchfallerkrankung zusätzlichen Kosten für die Reinigung der Wäsche zu beteiligen. Dass die dem Kläger im Jahr 2012 empfohlene Ernährung einer Vollkost entspricht und diese aus dem Regelsatz zu bestreiten ist, wurde bereits mehrfach in seinen zahlreichen diesbezüglich geführten Rechtsstreitigkeiten entschieden.

Zutreffend hat das SG entschieden, dass die Aufforderung zur Vorlage von Kontoauszügen keinen Verwaltungsakt darstellt. Nachdem der Beklagte über den dagegen vom Kläger eingelegten Widerspruch den Widerspruchsbescheid vom 23.1.2014 erlassen hat, ist die Klage dagegen grundsätzlich zulässig, hier aber unbegründet. Die Unzulässigkeit der Klage ergibt sich vorliegend dennoch. Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 1.12.2011 Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1.1.2012 bis 31.12.2012 bewilligt hatte, konnte die Vorlage von Kontoauszügen nur für den Folgezeitraum ab 1.1.2013 Bedeutung erlangen. Nachdem der örtlich zuständige Leistungsträger durch den Umzug des Klägers zum Jahreswechsel 2012/2013 jedoch gewechselt hatte, hatte sich die Aufforderung des Beklagten erledigt, da eine Entscheidung für das Jahr 2013 nicht mehr zu treffen war. Von daher bestand bei Klageerhebung am 3.2.2014 für die Klärung dieser Frage kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, weshalb die Klage unzulässig war.

Im Übrigen ist der Kläger darauf hinzuweisen, dass die Einforderung der Vorlage von Kontoauszügen nicht willkürlich ist. Sie gehört zu den nach §§ 60 bis 64 SGB I normierten Mitwirkungspflichten und darf vom Leistungsträger für den Nachweis der Hilfebedürftigkeit angefordert werden, wie bereits höchstrichterlich entschieden ist (für den Leistungsbereich des SGB II: BSG, Urteil vom 19.9.2008 – B 14 AS 45/07 R –, BSGE 101, 260-268, SozR 4-1200 § 60 Nr 2, SozR 4-1100 Art 2 Nr 12, SozR 4-4200 § 50 Nr 1, Rn. 14 ff).

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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