L 5 R 5090/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3731/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5090/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.10.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.01.2011.

Der 1960 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.1980 bis 31.08.1983 eine Ausbildung zum Gärtner und war anschließend bis 21.03.1986 als Gärtner und nach Zeiten der Arbeitslosigkeit sowie Krankheit vom 16.06.1995 bis 10.01.1996 als Verkäufer in einem Baumarkt versicherungspflichtig beschäftigt. Am 11.01.1996 erlitt er einen Wegeunfall, bei dem er sich das linke Sprunggelenk verletzte. Seit Beendigung der Lohnfortzahlung ist er arbeitsunfähig oder arbeitslos.

Der Kläger beantragte am 24.01.2011 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Orthopäde Dr. K. diagnostizierte in seinem auf Veranlassung der Beklagten erstatteten Gutachten vom 01.03.2011 eine Arthrodese des linken unteren Sprunggelenkes, eine Arthrosis deformans des linken oberen Sprunggelenkes und ein Thoracalsyndrom und vertrat die Auffassung, dass aufgrund der Gesundheitsstörungen Arbeiten unter Einfluss von Kälte, Nässe und Zugluft und Arbeiten, welche auf Leitern und Gerüsten durchgeführt würden, nicht mehr leidensgerecht seien. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen einschließlich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit des Fachverkäufers in einem Gartenbetrieb seien dem Kläger noch über sechs Stunden täglich zumutbar. Mit Bescheid vom 11.04.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den er mit Folgeschäden seiner Sprunggelenksverletzung, chronischen Schmerzen, Schlafstörungen, häufigem Harndrang, hohem Cholesterinspiegel und mittlerweile auch einer psychischen Erkrankung begründete. Er fügte ärztliche Unterlagen insbesondere über die Beschwerden von Seiten des linken Sprunggelenkes (u. a. 1996 Teilversteifung im unteren Sprunggelenk links, 2005 Re-Arthrodese linkes unteres Sprunggelenk, 2009 Korrekturosteotomie) bei. Die Beklagte zog hierauf Befundberichte des Sch.-B.-Klinikums V.-Sch., Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, vom 08.09.2011 (Diagnosen: mäßige obere Sprunggelenkarthrose, obere Sprunggelenk- und Fußwurzelarthrose mit nachfolgender Arthrodese im oberen Sprunggelenk und talonavikular) und des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. N. vom 05.09.2011 (Diagnosen: Fußwurzelarthrosen nach multiplen Operationen links, Arthrose linkes oberes Sprunggelenk, Chondropathia patellae rechts) bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts und in seinem bisherigen Beruf als Fachverkäufer/Gärtner mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) VI und Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 Abs. 2 SGB VI liege nicht vor.

Der Kläger erhob am 28.12.2011 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Er trug vor, sein Restleistungsvermögen sei wegen der außerordentlichen Schmerzhaftigkeit des von der Beklagten nicht ausreichend bewerteten orthopädischen Befundes, der mittlerweile auch zu einer Depression geführt habe, auf deutlich unter sechs Stunden täglich herabgesetzt.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG hörte die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. führte unter dem 20.03.2012 aus, dass er den Kläger einmalig am 12.03.2012 nervenärztlich untersucht habe. In diagnostischer Hinsicht habe er eine Alkohol- und eine Nikotinabhängigkeit, eine anhaltend ängstliche Depression und eine Persönlichkeitsstörung festgestellt und die Aufnahme einer suchtspezifischen Therapie empfohlen. Auf Wunsch des Klägers sei auch eine Anmeldung zur stationären Psychotherapie im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) vorgenommen worden. Die Frage der Erwerbsfähigkeit sollte erst nach erfolgter suchtspezifischer teilstationärer Behandlung in der Suchttagesklinik K. und evtl. sich anschließender stationärer psychotherapeutischer Behandlung auf einer Spezialstation erfolgen. Dr. N. gab unter Beifügung von Arztbriefen unter dem 23.04.2012 an, er habe beim Kläger ein chronisches Schmerzsyndrom, eine Fußwurzelarthrose links nach multiplen Operationen, eine Arthrose im oberen Sprunggelenk links und eine Chondropathia patellae rechts diagnostiziert. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Im Anschluss daran zog das SG den Entlassbericht der Tagesklinik S., ZfP, bei. In der gekürzten Kopie vom 16.11.2012 über den tagesklinischen teilstationären Aufenthalt des Klägers vom 15.10. bis zur vorzeitigen Beendigung wegen Überforderung des Klägers am 08.11.2012 sind als Diagnosen eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom und eine mittelgradige depressive Episode genannt. Weiter heißt es, die körperlichen Beschwerden schienen deutlich psychisch überlagert im Sinne einer Schmerzstörung. Zudem hätten sich Hinweise für eine Persönlichkeitsakzentuierung mit histrionischen und abhängigen Anteilen ergeben. Aufgrund der deutlichen sozialen Unsicherheit und des gestörten Interaktionsverhaltens mit erhöhter Kränkbarkeit erscheine der Kläger auch aus psychiatrischer Sicht nicht erwerbsfähig. Im weiteren Verlauf reichte der Kläger den ausführlichen Bericht der Tagesklinik S., der ergänzend Ausführungen zu Therapie und Verlauf enthält, nach.

Das SG beauftragte den Facharzt für Neurologie, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens. In seinem neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten vom 06.05.2013 nach einer Untersuchung des Klägers am 23.04.2013 diagnostizierte Dr. W., dessen Gutachten eigene Angaben des Klägers, einen körperlich-neurologischen Untersuchungsbefund sowie einen psychischen Befund enthält und ausweislich dessen auch technische Zusatzuntersuchungen und eine Testpsychologie durchgeführt wurden, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Alkoholabhängigkeit, Dysthymie und den Verdacht auf Störung der Sexualpräferenz. Dr. W. kam zu dem Ergebnis, dem Kläger, der weder psychiatrisch-psychotherapeutisch behandelt werde noch eine schmerzmodulierende Therapie durchführe, seien Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandarbeiten, Tätigkeiten in Wechsel- und Nachtschicht und Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung oder mit hohem Anspruch an Aufmerksamkeit und Konzentration und vermehrten Publikumsverkehr sowie Tätigkeiten die überwiegend im Gehen und Stehen sowie auf Treppen, Leitern, Gerüsten verrichtet würden, nicht mehr möglich. Unter Berücksichtigung dieser Leistungseinschränkungen könne er Tätigkeiten noch sechs Stunden und mehr werktäglich verrichten.

Bereits vor Eingang des Gutachtens übermittelte der Kläger ohne Einschaltung seines Bevollmächtigten am 07.05.2013 an das SG ein Protokoll über den Gutachtentermin und äußerte Zweifel an der Objektivität des Gutachtens. Er führte aus, er sei während der normalen Praxiszeit zwischen 08:30 Uhr und 10:45 Uhr begutachtet worden. Er habe das Gefühl gehabt, dass Dr. W. ihm gegenüber voreingenommen gewesen sei und seine Probleme nicht ernst genommen habe. Dr. W. habe sein Schema abgearbeitet und durchgezogen und ihn ohne das nötige Einfühlungsvermögen begutachtet. Aufgrund der kurzen Behandlungszeit von effektiv ca. 40 Minuten habe er kein Vertrauen zu Dr. W. aufbauen können. Differenzen hätte es wegen der Fahrtkosten und der aus seiner Sicht notwendigen Begleitperson gegeben. Die von ihm auszufüllenden Fragebögen hätten zum Teil aus Suggestivfragen bestanden und außerdem habe es sich um Fragen gehandelt, die eigentlich auf psychisch Kranke ausgerichtet seien. Darüber hinaus seien sie zum Teil sehr intim gewesen und hätten im Wartesaal in Anwesenheit anderer ausgefüllt werden müssen. Wegen evtl. Befangenheit seitens Dr. W. müsse das Gutachten ggf. angefochten werden. Das SG bat hierauf den Bevollmächtigten des Klägers abzuklären, ob es sich um einen Befangenheitsantrag handele. Eine Antwort ging hierauf nicht ein. Mit Gerichtsbescheid vom 22.10.2013 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, es sei nach Einholung des neurologisch-psychiatrischen Fachgutachtens sowie auf Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert sei und bei seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zumindest leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich ausführen könne. Dr. W. sei dem SG als erfahren bekannt. Er habe die Befunde umfassend geschildert, sei den Beschwerden nachgegangen und habe den Kläger untersucht und ausführlich befragt. Seine Ausführungen seien schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Anlass an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln, bestehe nicht. Auch unter Berücksichtigung der durch die behandelnden Ärzte benannten Befunde und Diagnosen sowie des Entlassungsberichts der Tagesklinik S. komme es zu keiner abweichenden Leistungsbeurteilung. Dr. V. habe den Kläger nur einmal behandelt und keine Leistungsbeurteilung abgegeben. Dr. N. habe aus orthopädischer Sicht mitgeteilt, dass noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden könnten. Dies decke sich auch mit der Einschätzung und Beurteilung der Leistungsfähigkeit durch Dr. K ... Soweit im Entlassbericht der Tagesklinik S. von einer Erwerbsunfähigkeit des Klägers ausgegangen werde, gehe es, das SG, davon aus, dass zum einen die Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten noch nicht annähernd ausgeschöpft seien und zum anderen aufgrund der Ausführungen des Dr. W. auch insbesondere wohl eher von einer Dysthymie als von einer mittelgradig depressiven Episode auszugehen sei. Erstere begründe keine Erwerbsminderung. Zudem komme der Beurteilung durch einen Gutachter grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu, denn er sei nicht berufsunfähig. In seinem erlernten Beruf als Landschaftsgärtner könne er zwar gegebenenfalls nur noch unter sechs Stunden täglich arbeiten. Dies begründe jedoch keine Berufsunfähigkeit, da der Kläger zuletzt als Mitarbeiter eines Baumarktes versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und die Tätigkeit als Landschaftsgärtner nicht aufgrund gesundheitlicher Probleme aufgenommen (gemeint wohl aufgegeben) worden sei. Die Tätigkeit als Mitarbeiter eines Baumarkts sei bestenfalls den angelernten Tätigkeiten zuzuordnen, so dass der Kläger auf alle an- und ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden könne.

Gegen den am 25.10.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.11.2013 Berufung eingelegt. Bezugnehmend auf sein bereits vorgelegtes Protokoll hat er ausgeführt, das vom SG völlig kritiklos übernommene Gutachten leide bereits daran, dass es während des laufenden Praxisbetriebs mehr oder weniger nebenbei erstellt worden sei. Sein eigentlicher Kontakt mit Dr. W. habe lediglich etwa 20 Minuten betragen. Jedenfalls vermöge das Gutachten aber nicht den Widerspruch zwischen den Feststellungen des Dr. W. bezüglich seines Verhaltens - dysphorisch, verärgert und verbietet (gemeint wohl verbittert), latent aggressiv und reizbar, in der affektiven Schwingungsfähigkeit eingeschränkt - einschließlich der im Minimalstumfang durchgeführten Testpsychologie einerseits und seinem letztendlichen Ergebnis aufzulösen. Die wohl als Begründung angeführte Verdeutlichungstendenz sei nicht sonderlich überzeugend. Dies treffe umso mehr zu, als Dr. V. sowohl eine weiterbestehende Alkoholabhängigkeit als auch eine ängstliche Depression nebst Persönlichkeitsstörung genannt und seine psychischen Beeinträchtigungen gleich wie die Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet gewichtet habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.10.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 11.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.01.2011 Rente wegen voller, hilfsweise, wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise, wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das durch Dr. W. erstellte Gutachten erfülle insbesondere auch vor dem Hintergrund der ausführlichen Anamnese- und Befunderhebung mit schlüssig daraus abgeleiteter Leistungsbeurteilung die Anforderungen an eine sach- und fachgerechte Sachaufklärung. Auf orthopädischem Fachgebiet habe auch der behandelnde Dr. N. ein mindestens sechsstündiges bis vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht.

Auf den Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Prof. Dr. B. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nachdem der Kläger zwei Untersuchungstermine absagte, hat Prof. Dr. B. die Akte zurückgereicht. Der Senat hat hierauf beim Kläger nachgefragt, ob es bei dem Gutachtensauftrag bleiben soll, worauf der Bevollmächtigte des Klägers mitgeteilt hat, dass die Beschwerden des Klägers leider keine längere Fahrt zuließen, es würden die den Kläger behandelnden Ärzte benannt. Erst nach Erhalt aktueller Arztbefunde könne entschieden werden, ob die Einholung eines Gutachtens erforderlich sei bzw. der Kläger überhaupt in der Lage sei, einer Einbestellung zur Begutachtung Folge zu leisten.

Nach Benennung der Ärzte hat der Senat diese als sachverständige Zeugen gehört. Radiologe Dr. Z. hat unter dem 11.12.2014 angegeben, dass im September und Oktober 2014 weitere Kernspin- und Computertomografien des Fußes des Klägers angefertigt worden seien. Nach den vorliegenden MRT- und CT-Bildern hätten sich die Verschleißerscheinungen zwischen Februar 2011 und September 2014 verschlechtert. Anhand der Bildbefunde könne aber nicht auf die wirkliche Beeinträchtigung des Klägers rückgeschlossen werden. Allgemeinmedizinerin B. hat unter dem 23.12.2014 über eine erste Vorstellung bei ihr am 11.09.2014 und eine zweite und letzte Vorstellung am 08.10.2014 berichtet. Beim Kläger bestünden als Diagnosen eine posttraumatische Sprunggelenksarthrose links, ein Zustandsbefund nach fünfmaliger Operation des linken Sprunggelenkes seit 1996, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine somatisierte Depression, eine rheumatoide Polyarthritis, ein Zustand nach schädlichem Gebrauch von Alkohol und ein Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativer Veränderung. Da sie den Kläger kaum kenne, könne sie nur eine geringe Auskunft bezüglich seiner Belastbarkeit geben. Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. hat unter dem 05.01.2015 bekundet, dass sich der Kläger einmalig am 30.09.2014 bei ihm vorgestellt habe. Eine leichte körperliche Tätigkeit über sechs Stunden täglich wäre in Form einer sitzenden Tätigkeit vorstellbar. Die Gehstrecke könne er nicht beurteilen. Dr. Th., Direktor des Sch.-B.-Klinikums, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, hat unter dem 05.03.2015 ausgeführt, dass sich der Kläger nach dem 31.08.2011 am 11.11.2014 erneut ambulant vorgestellt habe. Es liege eine mäßig ausgeprägte obere Sprunggelenksarthrose links nach multiplen Voroperationen bei posttraumatischer unterer Sprunggelenksarthrose mit Arthrodese und Re-Arthrodese sowie Korrektur-Arthrodese bei Anschlussarthrosen des Os naviculare, Os cuneiforme mediale sowie talonavicular vor. Von Seiten der Arthrodesen seien Besserungen eingetreten. Unverändert schmerzhaft zeigten sich Schmerzen im Bereich des oberen Sprunggelenkes bei ausgeprägter Psychopathologie. Leichte körperliche Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen sollte der Kläger über mindestens sechs Stunden täglich verrichten können. Ebenso sollte er eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von 20 Minuten bewältigen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen können.

Der Senat hat sodann mit Verfügung vom 15.04.2015 beim Bevollmächtigten des Klägers angefragt, ob es bei der Begutachtung des Klägers gem. § 109 SGG verbleiben solle. An die Beantwortung der Anfrage wurde zweimal erinnert, worauf der Senat, nachdem die Anfrage weiterhin nicht beantwortet worden ist, dem Kläger mitgeteilt hat, dass davon ausgegangen werde, dass der Antrag auf Begutachtung gem. § 109 SGG nicht weiter verfolgt werden solle.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündlichen Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung. Denn der Kläger begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat ab 01.01.2011 keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Das SG hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist anzumerken:

Wie das SG ist der Senat der Auffassung, dass die Ausführungen des Dr. W. schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar sind. Dr. W. hat im Gutachten vom 06.05.2013 die Vorgeschichte nach Aktenlage dargestellt und hierbei die vorgelegten orthopädischen, chirurgischen, schmerztherapeutischen und auch nervenärztlichen Befundberichte berücksichtigt. Er hat sodann die eigenen Angaben des Klägers zur - auch sozialen - Anamnese, kardiovaskulären Risikofaktoren, Alkoholkonsum, Allergien, aktueller Medikation und auch den jetzigen Beschwerden ausführlich dargestellt und den Kläger auch nach seinem Tagesablauf befragt und diesen im Gutachten wiedergegeben. Darüber hinaus hat er den Kläger körperlich-neurologisch untersucht und den psychischen Befund erhoben. Des Weiteren wurden technische Zusatzuntersuchungen und auch eine Testpsychologie durchgeführt, wobei die Testpsychologie aus der Zung-Depressions-Skala, dem DEM-TECT sowie aus dem strukturierten Fragebogen simulierter Symptome bestand. Auf Grund dieser Untersuchungen hat er die Diagnosen in Form einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Alkoholabhängigkeit, Dysthymie und Verdacht auf Störung der Sexualpräferenz gestellt, in über acht Seiten seine Untersuchung zusammengefasst und die an ihn gestellten Beweisfragen beantwortet. Das Gutachten entspricht damit den Kriterien, die an ein ordnungsgemäßes Gutachten zu stellen sind. In seinem Protokoll hat der Kläger den Gutachter auch nicht abgelehnt, er hat nur ausgeführt, "wegen evtl. Befangenheit seitens Dr. W. müsse das Gutachten ggf. angefochten werden". Auf Nachfrage folgte - auch im Berufungsverfahren - kein Befangenheitsantrag. Im Übrigen sind die vom Kläger im Protokoll erhobenen Einwendungen gegen die Art und Weise der Begutachtung durch Dr. W. nicht dazu geeignet, die Überzeugungskraft des Gutachtens in Zweifel zu ziehen. Die Einbestellung zur Begutachtung während des normalen Praxisbetriebs ist nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist, dass der Gutachter eine Untersuchung durchgeführt hat, ob er die Untersuchung während des Praxisbetriebs oder bei geschlossener Praxis durchführt, ist nicht qualitätsentscheidend. Auch dass der eigentliche Kontakt mit Dr. W. sich nach der Schilderung des Klägers auf lediglich 20 Minuten belaufen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn ausweislich des schriftlich vorliegenden Gutachtens hat Dr. W. die maßgeblichen Punkte erfragt und den Kläger ausführlich und eingehend untersucht. Dr. W. hat im Gutachten auch die vom Kläger in seinem Protokoll angesprochene Problematik (Tagesablauf, Schmerzen, Anlaufzeit drei Stunden nach dem Aufstehen) unter dem Punkt "befragt nach dem Tagesablauf" dargestellt. Die durchgeführten technischen Zusatzuntersuchungen sind Bestandteil eines neurologisch-psychiatrischem Fachgutachtens. Die Zung-Depressions-Skala, der DEM-TECT und der strukturierte Fragebogen simulierter Symptome ist im Rahmen eines psychiatrischen Gutachtens ebenfalls nicht zu beanstanden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht wegen eines - nach Angaben des Klägers - fehlenden Einfühlungsvermögens des Dr. W ... Ein Gutachten soll objektiv den zum Untersuchungszeitpunkt bestehenden Zustand des Klägers darstellen und der Gutachter soll diesen Zustand beurteilen. Auf Einfühlungsvermögen kommt es hierbei nicht an. Insbesondere ein Zuviel an Einfühlungsvermögen könnte im Gegensatz sogar Zweifel an der Objektivität des Gutachters hervorrufen. Die Differenzen bezüglich der Notwendigkeit einer Begleitperson sind für das geforderte und erstellte neurologisch-psychiatrische Fachgutachten selbst ohne Bedeutung. Insgesamt ergeben sich aus dem Gutachten des Dr. W. keinerlei Anhaltspunkte dafür, an einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Begutachtung durch den erfahrenen und vielfach in Rentenverfahren beauftragten Gutachter auch nur im Ansatz zu zweifeln und seine Leistungseinschätzung in Frage zu stellen.

Im Übrigen steht der von Dr. W. erhobene Befund auch nicht im Widerspruch zu seiner Leistungseinschätzung. Soweit er bezüglich des Verhaltens des Klägers angab, dass dieser während der Erhebung dysphorisch, verärgert und verbittert, latent aggressiv und reizbar sowie in der affektiven Schwingungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei, verknüpft Dr. W. dies zu Recht mit dem während des Gesprächs unauffälligen Antrieb und der unauffälligen Psychomotorik. Auch kognitive Defizite waren nicht nachweisbar. Außerdem weist Dr. W. zu Recht darauf hin, dass aufgrund der Ergebnisse in der Zung-Depressions-Skala und anhand des strukturierten Fragebogens zumindest von einer Verdeutlichungstendenz ausgegangen werden muss, was das an den Tag gelegte Verhalten in Frage stellt. Von Belang ist insoweit auch, dass sich der Kläger nicht in psychiatrischer Behandlung befindet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Bericht des Zentrums für Psychiatrie S. einschließlich der Ausführungen zu Therapie und Verlauf. Zu Recht weist das SG insoweit darauf hin, dass die Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten noch nicht annähernd erschöpft waren. Gegen die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode spricht auch, dass Dr. J. von medikamentöser Seite keinen zwingenden Anlass für eine psychopharmakologische Einstellung sah.

Auf die vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte lässt sich eine rentenberechtigende (quantitative) Leistungsminderung ebenfalls nicht stützen. Der vom Kläger benannte Chirurg, Orthopäde und Unfallchirurg Dr. S., hat die Auffassung vertreten, dass dem Kläger eine leichte körperliche Tätigkeit über sechs Stunden täglich in Form einer sitzenden Tätigkeit möglich sei. Eine Bestätigung findet diese Leistungseinschätzung auf orthopädischem und chirurgischem Gebiet auch durch die Auskunft des den Kläger schon viele Jahre behandelnden Chirurgen Dr. Th., der ebenfalls die Auffassung vertrat, dass leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen über mindestens sechs Stunden täglich möglich sein sollten. Aufgrund seiner Angaben, dass zwar unverändert Schmerzen im Bereich des oberen Sprunggelenkes vorlägen, von Seiten der Arthrodesen jedoch Besserungen eingetreten seien, ergeben sich für den Senat auch keine Hinweise darauf, dass dies tatsächlich nicht möglich ist. Nachdem von Seiten der Arthrodesen Besserungen eingetreten sind und die Schmerzen "unverändert" vorliegen, vermag das im Verwaltungsverfahren erstattete orthopädische Gutachten des Dr. K. weiterhin Gültigkeit zu beanspruchen. Dr. K. vertrat in diesem Gutachten die Auffassung, dass dem Kläger leichte und sogar mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen über sechs Stunden täglich zumutbar seien. Dr. Z. und Ärztin B. haben sich zur Leistungsfähigkeit des Klägers nicht geäußert. Dr. Z. hat im Übrigen mit Blick auf die erhobenen Bildbefunde zu Recht darauf hingewiesen, dass anhand der Bildbefunde nicht auf die wirkliche Beeinträchtigung des Klägers rückgeschlossen werden könne.

Etwas anderes lässt sich auch nicht auf eine Alkoholabhängigkeit des Klägers stützen. Ärztin B. gab insoweit an, dass es sich um einen "Zustand nach" schädlichem Gebrauch von Alkohol handelt. Auch aus den weiteren eingeholten sachverständigen Zeugenauskünften ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine weiterbestehende Alkoholabhängigkeit des Klägers. Nicht außer Acht gelassen werden darf insoweit auch, dass die im Jahr 2012 abgebrochene Suchtbehandlung seither nicht wieder aufgenommen wurde. Die Notwendigkeit hierzu sah auch nicht Ärztin B ... Des Weiteren wird in keiner ärztlichen Stellungnahme über sich aus der Alkoholabhängigkeit ergebende Toleranzsteigerungen, Kontrollverluste oder Entzugssymptome berichtet.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte und im Berufungsverfahren eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf. Den Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG hat der Kläger nicht aufrechterhalten.

Auch die Wegefähigkeit des Klägers war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 m zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 -, in juris; Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R -, in juris, Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 79/11 R -, in juris). Der Kläger ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 m viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dies stützt der Senat auf die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Th., der angab, dass dem Kläger eine Wegstrecke von 500 m innerhalb von 20 Minuten zu Fuß möglich sein sollte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. S ... Dr. S. beschreibt, dass der Kläger anlässlich der am 30.09.2014 durchgeführten Untersuchung ein massivpathologisches Gangbild mit ausschließlicher Belastung der Ferse mit abgehobenem Vorfuß und hyperextendierten Zehen gezeigt habe. Wie weit der Kläger eine Gehstrecke in einem bestimmten Zeitraum zurück legen kann, vermag er aber nicht zu beurteilen. Abgesehen davon, steht der von ihm erhobene Befund von Seiten des Gangbildes nicht im Einklang mit den von ihm erhobenen Befunden im Bereich des Fußes, ausweislich dessen er reizlose Weichteilverhältnisse und Narben im Bereich des linken Sprunggelenks, eine mittelgradige Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk und eine aufgehobene Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk sowie einen Druckschmerz über der medialen Fußwurzel mit knöcherner Verdickung fand. Ärztin B. nennt bezüglich des Gehvermögens nur, dass der Kläger einen Vacopedstiefel trage. Diese Tatsache bedingt keine rentenrelevante Einschränkung des Gehvermögens.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Auch der Senat hat angesichts der vom Kläger im Jahr 1996 zuletzt verrichteten Tätigkeit als Verkäufer in einem Baumarkt keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine Tätigkeit mit Berufsschutz handelt. Dies trägt auch der Kläger nicht vor. Angesichts dessen kann der Kläger auf alle an- und ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, die ihm - wie ausgeführt - noch mindestens sechs Stunden täglich mit qualitativen Einschränkungen möglich sind.

Das SG hat die Klage damit zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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