Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 121/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 239/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 307/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das A-Kriterium für eine posttraumatische Belastungsstörung ist nach dem seit 2015 in deutscher Sprache vorliegenden Diagnosesystem DSM 5 enger konzipiert als das A1-Kriterium in der Vorgängerversion DSM IV. Aus den Erläuterungen zu dem diagnostischen Merkmal "Konfrontation mit tatsächlichem Tod oder drohendem Tod oder ernsthafter Verletzung" ergibt sich, dass nur "schwere" Verkehrsunfälle umfasst sind. Eine rein subjektive Bedrohung genügt demnach nicht mehr.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 18. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Arbeitsunfallfolgen und einen Anspruch auf Rente.
Der 1959 in der Türkei geborene Kläger lebt seit 1979 in der Bundesrepublik Deutschland. Er arbeitete als Lehrer an mehreren Schulen und unterrichtete zuerst Deutsch für Ausländer und dann Türkisch. Am Morgen des 6. Mai 2004 befuhr er mit seinem Motorrad die L xx in Richtung D-Stadt. Eine Pkw-Fahrerin, die mit ihrem Pkw aus einer untergeordneten Straße nach links in die L xx abbiegen wollte, übersah das Motorrad des Klägers. Der Pkw touchierte das Motorrad des Klägers am Kofferaufsatz auf der rechten Seite, woraufhin der Kläger stürzte und, so die Aussage eines Zeugen, einige Meter auf dem Asphalt dahinrutschte. Im Polizeibericht wird hierzu mitgeteilt, der Kläger habe sich leicht verletzt, er habe Prellungen am Handgelenk erlitten. An beiden Fahrzeugen sei ein leichter Sachschaden entstanden. Der Kläger wurde in das Kreiskrankenhaus Gelnhausen gebracht. Dort wurde eine Bennett-Fraktur der rechten Hand festgestellt. Es erfolgte eine ambulante operative Versorgung. Über den übrigen Befund wurde mitgeteilt, der Kläger habe bei dem Unfall keine Bewusstlosigkeit und keine Amnesie erlitten. Er sei wach und orientiert. Es bestünden keine neurologischen Auffälligkeiten. Die Halswirbelsäule sei unauffällig. Über den Verlauf der weiteren ambulanten Behandlung teilte das Krankenhaus am 10. September 2004 mit, die postoperative Röntgenkontrolle habe eine optimale Stellung bei regelrechter Lage der implantierten Schrauben gezeigt. Der Kläger habe im Verlauf über eine Überempfindlichkeit bei gleichzeitigem Taubheitsgefühl dorso-radial am rechten Daumen im Sinne einer vermutlich inoperativ entstandenen Läsion des dorso-radialen sensiblen Astes des Nervus radialis geklagt. Im Verlauf der bisherigen Behandlung sei es zu einer leichten Besserung der lokalen Beschwerden am Daumen gekommen. Die Wundheilung sei ungestört verlaufen. Ab dem 14. Mai 2004 seien Krankengymnastik und Lymphdrainagen erfolgt. Trotz intensiver Physiotherapie habe während des gesamten Verlaufs eine ausgeprägte Schonhaltung der rechten Hand imponiert, für die sich objektiv keine Erklärung finden lasse. Radiologische Kontrollen der knöchernen Verletzung hätten unverändert eine optimale Frakturstellung gezeigt. Während der Behandlungszeit habe der Kläger massive Beschwerden initial als Kopfschmerzen sowie Schmerzen in der linken Schulter beklagt. Dann sei ein konstantes Brenngefühl dorsal über der linken Schulter aufgetreten. Die wechselnden, zeitweise aber erheblichen Beschwerden hätten zu einer Reihe weiterer Untersuchungen geführt. Eine CT-Untersuchung des Schädels am 14. Mai 2004 habe keinen pathologischen Befund ergeben. Eine neurologische Untersuchung habe keine objektivierbaren neurologischen Defizite im Bereich der Schultergürtel- und Armmuskulatur gezeigt. Es seien "sensible Reizerscheinungen im peripheren Versorgungsgebiet des Nervus radialis rechts" sowie eine "fragliche Schulterprellung rechts mit entsprechenden Missempfindungen" diagnostiziert worden. Eine MRT-Untersuchung der HWS vom 18. Juni 2004 habe außer geringen degenerativen Veränderungen der unteren HWS ohne Krankheitswert und einem kleinen Haemangiom des 5. HWK (unfallunabhängig) keinen pathologischen Befund ergeben. Auch am 2. Juli 2004 habe der Kläger unverändert brennende Schmerzen über der linken Schulter und dem linken Nacken angegeben. An der rechten Hand habe sich die bereits erwähnte Schonhaltung gezeigt, die Beweglichkeit des 1. Strahls sei noch immer erheblich eingeschränkt, ohne dass sich hierfür eine konkrete Ursache gefunden habe. Auch für einen Morbus Sudeck habe zu keinem Zeitpunkt ein Hinweis bestanden. Nach den Sommerferien nahm der Kläger am 27. August 2004 seine Arbeit als Lehrer wieder auf. Der Orthopäde Dr. F. empfahl am 13. Oktober 2004 wegen anhaltender Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule mit Zwangshaltung des Kopfes nach rechts und Schmerzen im Daumengrundgelenk eine Vorstellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik. Daraufhin erfolgte eine ambulante Untersuchung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main am 12. Oktober 2004. Die von dem Kläger mitgebrachten Röntgenaufnahmen der Brust- und Halswirbelsäule zeigten nach Aussage des Neurochirurgen Dr. H. keine posttraumatischen Veränderungen. Es wurden weitere radiologische Untersuchungen der Halswirbelsäule mit Röntgenfunktionsaufnahmen durchgeführt. Auch diese Untersuchungen ergaben keine posttraumatischen Veränderungen. Dr. H. äußerte die Auffassung, es könne im Rahmen des Unfallgeschehens eine leichte Halswirbelsäulen-Distorsion stattgefunden haben. Chirurgischerseits wurde ein Bewegungsdefizit des 1. Strahls der rechten Hand diagnostiziert. Ein stationärer Aufenthalt mit ganztägig kontrollierter Physio- und Ergotherapie wurde empfohlen. Während des stationären Aufenthaltes vom 13. Oktober bis 5. November 2004 wurde der Kläger am 25. Oktober 2004 neurologisch und neurometrisch-elektromyographisch von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. und am 29. Oktober sowie am 1. November 2004 von der Dipl.-Psychologin K. untersucht. Über die Angaben des Klägers teilte die Dipl.-Psychologin in ihrem Bericht vom 3. November 2004 mit, der Kläger sei seinen Angaben zufolge nach dem Unfall circa 20 bis 30 m durch die Luft geschleudert worden. Initial hätten viele Körperpartien gebrannt, wahrscheinlich sei er über den Boden geschleudert worden. An den Sturz könne er sich nicht erinnern. Nachdem Hilfe gekommen sei, sei er im Krankenwagen "kurz weg gewesen". Fünf Tage nach seinem Unfall sei ein Bekannter von ihm ebenfalls mit dem Motorrad tödlich verunglückt. Circa eine Woche nach dem Unfall habe er im Nacken- und Hinterkopfbereich brennende Schmerzen empfunden. Initial habe er Angst vor einem Herzinfarkt gehabt und habe Blutdruck gemessen. Auf Nachfrage habe der Kläger angegeben, dass er häufiger den Blutdruck messe, seit vor vielen Jahren seine Mutter, Vater und Oma erkrankt seien. Er habe das Blutdruckmessen auch den Kindern beigebracht. Bei Schmerzen steige der Blutdruck an, ein bereits erfolgtes EKG habe jedoch einen unauffälligen Befund ergeben. Seit circa Ende Mai habe er dann unregelmäßig auftretende Albträume bekommen, von denen er jedoch nicht genau wisse, was er träume. Er wache lediglich schweißgebadet auf und habe stärkste Atemnot, er reagiere so stark, dass er Angst habe zu sterben. Aktuell träume er fast jede Nacht, habe meist jedoch keine Erinnerung. Der Kläger wurde nach Aussagen der Dipl.-Psychologin gebeten, während des stationären Aufenthaltes nachts genau darauf zu achten, was er träumt. Der Kläger habe daraufhin jedoch lediglich berichtet, dass es etwas mit dem Unfall zu tun habe, was genau, wisse er nicht. Der Kläger berichte, dass er Angst verspüre, wenn er an der Unfallstelle vorbeifahre. Nach den Sommerferien habe er wieder mit dem Dienst angefangen und dabei jedoch starke Nervosität und Aggressivität verspürt, da ihm niemand helfen könne. Auch heute beziehe er noch immer alles auf sich und denke, dass ihn die anderen falsch verstehen. Auch früher seien seine Ideen ausgenutzt worden durch andere Menschen, heute behalte er die Ideen für sich. Auch in der Schule sei er immer wieder ausgenutzt worden, das wisse er zu 100 % und könne dies auch beweisen. Er werde schon seit circa 20 Jahren ausgenutzt. Des Weiteren gab der Kläger an, seit Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit leide er unter starken Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen. Er sei reizbarer, ungeduldiger sowie interesseloser. Es wurden mehrere neuropsychologische Testungen durchgeführt. Dabei zeigten die Aufmerksamkeits-, Merkfähigkeits- und Konzentrationsleistungen deutlich unterdurchschnittliche Ergebnisse. Die Dipl.-Psychologin führte hierzu aus, die erhobenen Testwerte ließen sich lediglich orientierend heranziehen, da zum einen deutliche Aggravationstendenzen sowie eine mangelnde Motivation vorgelegen hätten und der Kläger nicht willens gewesen sei, auch nach mehrfacher Aufforderung und Aufklärung über die Messung im ms-Bereich eine adäquate Körperhaltung einzunehmen. Ebenfalls habe er auch nach mehrfacher Aufforderung, dies zu unterlassen, noch unkontrolliert und deutlich zu stark die Bedientastatur der Computertestung betätigt, so dass dieser Untersuchungsgang deutlich verkürzt worden sei. Aufgrund der erfassten Daten sei möglicherweise von einer Ängstlichkeit, vielleicht im Rahmen einer Anpassungsstörung, auszugehen. Die Ursachenlage sowie die modulierenden Faktoren hätten im Rahmen des Anamnesegesprächs nicht klar exploriert werden können. Es sei hier erst nach erhöhter Compliance eine genauere Aussage möglich. Aufgrund der erfassten orientierenden Fragebogenuntersuchungen sowie des klinischen Eindrucks lasse sich tendenziell von misstrauischen, emotional instabilen, narzisstischen Zügen ausgehen. Es liege eine deutliche Angstsymptomatik vor, die im Anamnesegespräch in der Form nicht habe erfasst werden können. Aufgrund der Tatsache, dass circa fünf Tage nach dem Motorradunfall ein Bekannter des Klägers tödlich mit dem Motorrad verunglückt sei und eine Woche später nach dem Unfall eine Schmerzsymptomatik bei dem Kläger aufgetreten sei, bestehe ebenfalls der Verdacht auf eine konversionsneurotische Symptomatik. Dr. J. gelangt in ihrer Stellungnahme vom 20. November 2004 zu der Beurteilung, weder klinisch-neurologisch noch elektromyographisch-neurographisch ließen sich neurogene Ausfälle erkennen. In der Gesamtbewertung entstehe jedoch der Eindruck einer psychogenen Überlagerung. Der den Kläger behandelnde Orthopäde Dr. F. berichtete in Briefen vom 17. Januar 2005, 30. März 2005 und 9. März 2005 über weiterbestehende, sich eher verstärkende Beschwerden. Am 3. März 2005 forderte er die Beklagte auf, den Kläger dringend in eine Fachklinik für posttraumatische Psychosomatose zur weiteren Diagnostik bzw. Therapie zu leiten. Im Schreiben vom 9. März 2005 führte er aus, seines Erachtens bestünde der Verdacht auf posttraumatische kontusionelle Veränderungen. Es seien unbedingt noch einmal eine neurologische Untersuchung angezeigt und gegebenenfalls auch nochmalige MRT-Kontrolluntersuchungen des Schädels und der HWS. Alle Beschwerden auf die Psyche zurückzuführen halte er ärztlicherseits für sehr bedenklich. Am 30. März 2005 wurde der Kläger erneut in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main untersucht. Dabei gab der Kläger Beschwerden im Sinne eines Nacken-Schulter-Armsyndroms links, Geräusche im linken Ohr, ein Brennen vom Kopf bis zur linken Schulter ziehend, eine Unverträglichkeit von Wärme und eine hohe Vergesslichkeit an. Es erfolgte ein weiterer stationärer Aufenthalt vom 4. April 2005 bis 19. April 2005. Während dessen erfolgte eine weitere kernspintomographische Untersuchung des Gehirns, die einen unauffälligen intrakraniellen Befund ergab. Außerdem wurde der Kläger am 6. April 2005 nochmals von der Neurologin und Ärztin für Psychiatrie Dr. J. und am 4. April 2005 von dem HNO-Arzt Dr. L. untersucht. Dr. J. gelangte in ihrer Stellungnahme vom 11. April 2005 zusammenfassend zu der Beurteilung, auf neurologischem Gebiet seien keine Ausfälle erkennbar bzw. objektivierbar. Es bestehe auch kein Anhalt für eine cerebrale Schädigung. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege ebenfalls nicht vor. Es fänden sich weder intrusive Erinnerungsbilder noch eine eindeutige Auslösung von Angst- und Spannungszuständen bei Erinnerung an den Unfall, sehe man einmal von dem geschilderten Erinnern, verbunden mit unangenehmen Gefühlen, beim Passieren der Unfallstelle ab, das in dieser geschilderten Ausprägung jedoch nicht als eindeutiges Krankheitssymptom gewertet werden könne, zumal eine Tendenz zur Vermeidung nicht zu erkennen sei. Es bestehe insgesamt die Verdachtsdiagnose einer Anpassungsstörung mit Somatisierungsstörung, bei Verdacht auf eine Persönlichkeitsstruktur mit narzisstischen und auch hypochondrischen Zügen. Festzustellen sei jedoch eine deutliche Aggravationstendenz bzgl. der körperlichen Beschwerden. In der Gesamtschau müsse festgestellt werden, dass der Unfall nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als wesentliche Ursache für die jetzige Beschwerdesymptomatik auf psychiatrischem Gebiet angesehen werden könne. Es stünden eher Persönlichkeitsfaktoren im Vordergrund. Gegenüber Dr. L. gab der Kläger an, er habe nun in unregelmäßiger Abfolge seit Mitte 2004 ein Ohrgeräusch "wie das Klackern eines Metallstücks in einer leeren Coladose". Dieser Tinnitus trete auch beim Essen und Gehen gelegentlich auf. Einen Hörverlust verspüre er nicht. Dr. L. gelangte zu der Beurteilung, Unfallfolgen auf HNO-ärztlichem Fachgebiet seien nicht wahrscheinlich zu machen. Bei dem "Klackern" handele es sich am ehesten um wiederkehrende Tubenbelüftungsstörungen, möglicherweise auch um ein spontanes Zucken der Tubenmuskulatur. Die Tubenbelüftungsstörung sei als unfallunabhängig zu betrachten. Der Kläger teilte in einem Gespräch vom 6. Mai 2005 unter Bezugnahme auf den Bericht der Dr. J. mit, es sei nie ein Freund von ihm bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. In D-Stadt sei ein tödlicher Motorradunfall passiert, von dem er gehört habe. Es handele sich jedoch nicht um einen Bekannten oder einen Freund. Der Orthopäde Dr. F. äußerte am 6. Mai 2005 mit Bezugnahme auf die jüngsten unauffälligen Untersuchungsbefunde, es könne gesagt werden, dass die Beschwerden an der HWS eine Erkrankung eigener Art seien, wahrscheinlich im Sinne einer Psychosomatose. Dieses passe auch zum cerebralen Befund mit zunehmendem Gedächtnisverlust, insbesondere für Zahlen. Die seines Erachtens bestehende Psychosomatose müsse stationär behandelt werden.
Die Beklagte teilte dem Kläger durch Bescheid vom 24. Juni 2005 mit, die Gewährung von Leistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung über den 5. November 2004 hinaus werde abgelehnt. Die nach diesem Zeitpunkt aufgetretenen Beschwerden seien nicht auf den Unfall vom 6. Mai 2004 zurückzuführen. Der Unfall vom 6. Mai 2004 habe laut dem Beratungsarzt Dr. M. eine Bennett-Fraktur der rechten Hand sowie eine leichte Halswirbelsäulenzerrung verursacht. Die noch bestehenden Beschwerden der Halswirbelsäule seien auf die festgestellte Osteochondrose zurückzuführen. Außerdem sei von einer psychischen Überlagerung auszugehen. Seinen am 21. Juli 2005 eingelegten Widerspruch ließ der Kläger im März 2007 von seinen Bevollmächtigten begründen. Es wurde eine posttraumatische Belastungsstörung, ein nunmehr behandlungsbedürftiger Tinnitus sowie eine Herzerkrankung als Unfallfolgen geltend gemacht und mitgeteilt, der Zustand des Klägers habe sich insbesondere Ende Oktober/Anfang November 2006 massiv verschlechtert. Insofern wurde auf einen Bericht der HNO-Gemeinschaftspraxis am Klinikum Hanau vom 13. November 2006, einen Bericht der Dipl.-Psychologin N. vom 21. Januar 2007 sowie einen Bericht der Klinik für Psychiatrie des Klinikums der Stadt Hanau vom 22. Dezember 2006 verwiesen. Außerdem wurde auf einen Bescheid des Versorgungsamtes vom 3. März 2007 hingewiesen, der als Hauptbehinderungen eine Anpassungsstörung, Somatisierungsstörungen mit Wirbelsäulen- und Handbeschwerden sowie eine Schwerhörigkeit mit Gleichgewichtsstörungen und Ohrgeräuschen beidseits nennt und den Gesamt-GdB mit 60 v. H. bewertet. Im vorgelegten Entlassungsbericht der HNO-Gemeinschaftspraxis am Klinikum Hanau vom 13. November 2006 werden als Diagnosen ein Hörsturz links mit Tinnitus aurium und vestibulärer Komponente, ein HWS-Syndrom, ein Hypertonus, eine chronische Sinusitis maxillaris rechts, eine psychische Dekompensation, eine mikrozytäre hypochrome Anämie und diffuse laborchemisch nachweisbare Entzündungsreaktionen diagnostiziert. Über den stationären Aufenthalt vom 6. bis 10. November 2006 wird mitgeteilt, die stationäre Aufnahme sei notfallmäßig aufgrund eines ausgeprägten Hörsturzes links erfolgt. Unter der Frenzelbrille habe ein diskreter Ausfallnystagmus nach rechts imponiert. Als zusätzliches Signum sei das grauenhafte Ohrgeräusch links anzusehen. Dieses habe ein solches Ausmaß angenommen, dass der Kläger so nicht mehr weiterleben könne. Sein Lebensmut sei völlig "verschwunden" und das Schlafen sei so nicht mehr möglich. Im Bericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Hanau vom 20. März 2007 wird eine chronifizierte schwere gereizte Depression (ICD 10: F 33.2), eine Somatisierungsstörung und anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD 10: F 45.0/F 45.4), ein chronischer Tinnitus aurium und Zustand nach Hörsturz (ICD 10: H 93.1/H 91.2), eine hypertensive Herzkrankheit (ICD 10: I 11.90) und ein zervikaler Bandscheibenschaden (ICD 10: FM 50.9) diagnostiziert. Es wird mitgeteilt, der Kläger klage über einen ständigen, mittlerweile unerträglich lauten Pfeifton wie von Flugzeugturbinen, der sich in den letzten zwei Monaten nochmals verschlimmert habe. Über die Angaben des Klägers wird mitgeteilt: Die Ärzte hätten es zwei Jahre lang versäumt, seinen Tinnitus zu erkennen und zu behandeln. Der Tinnitus verursache schwere Ängste, Schlafstörungen und eine ungeheuere Unruhe. Sein Zustand sei nicht mehr auszuhalten, so dass vermehrt suizidale Gedanken auftauchten. Es komme zu erschreckenden Erfahrungen, dass er Dinge plötzlich vergesse, angefangene Sachen stehen und liegen lasse, Handlungen unvermittelt unterbreche, einfach weggehe oder nicht mehr weiter wisse. Er vergesse Namen, Gesichter und Identitäten. Es tue ihm weh, dass er sich so verändert habe. Immer sei er ein Mann gewesen, der helfen wollte und der geholfen habe, das könne er nicht mehr. Seitdem er 1979 nach Deutschland gekommen sei, habe er immer und ständig Probleme. Nie habe er nein gesagt, habe sich immer in Anspruch nehmen lassen und sei immer gerannt. Immer habe er perfekt sein wollen und alles richtig machen. Es sei für ihn nicht erträglich, einen Fehler zu begehen. Das alles gehe jetzt nicht mehr. Zudem werde er nicht ernst genommen. Niemand sei an seiner Tätigkeit interessiert. Türkischunterricht werde zunehmend abgeschafft. Aber immer wenn es Schwierigkeiten gebe, werde er gerufen. Seit 26 Jahren sei er als angestellter Lehrer tätig und werde wechselnd in allen Schulen im Kreisgebiet eingesetzt. In seinen Aufgaben habe er keine Vertreter. Er sei unersetzlich. Deshalb befürchte er, dass er in schwere Probleme gerate, wenn er länger arbeitsunfähig sein sollte. Auch der Umstand, in der Psychiatrie behandelt zu werden, könne ihm schaden. Zudem leide er unter ständigen schweren Schmerzen und Brennen im Hals und Schultergürtelbereich, oft mit Taubheit und Kraftverlust im rechten Arm. Im Mai 2004 habe er einen Motorradunfall erlitten mit Fraktur und osteosynthetischer Operation des rechten Daumens. Danach sei ein Bandscheibenvorfall im Halsbereich festgestellt worden; ob es sich um eine Unfallfolge handele, wisse er nicht. Als übrige Vorerkrankungen würden eine arterielle Hypertonie seit circa sechs Jahren und eine Nephrolithiasis links mehrere Jahre zurückliegend genannt. In einem Bericht der Dipl.-Psychologin N. vom 26. Januar 2007 wird aufgeführt, der Kläger sei nach seiner Entlassung aus der Psychiatrischen Klinik Hanau zu einem Erstgespräch in ihre Praxis gekommen. Aufgrund der bisherigen probatorischen Sitzungen habe eine schwere, bis heute nicht bewältigte Traumatisierung nach einem Motorradunfall vor zwei Jahren diagnostiziert werden können. Das unbewältigte Trauma finde heute noch seinen Ausdruck im Psychischen: In den Panikattacken aufgrund wiederkehrender Affekte; in schweren Schlafstörungen und Albträumen; in phobischen Reaktionen, die die Vitalität des Klägers beeinträchtigten und zu Rückzugstendenzen führten; in depressiven Reaktionen mit Verlust an Lebenssinn; in massiven Konzentrationsstörungen. Zu den Akten gelangten des Weiteren ein Kernspintomographiebefund vom 13. Mai 2005, ein Gutachten des Dr. O. vom 16. Dezember 2005 für den BB., ein orthopädisches Gutachten für die Gesetzliche Rentenversicherung des Dr. P. vom 19. September 2007 sowie ein Kurentlassungsbericht der Wicker Klinik in Bad Wildungen vom 27. Februar 2008. Kernspintomographisch wurde ein Diskusprolaps in C5/6 und C6/7 bei bilateral foraminaler Komponente neuroforaminaler Deformität in den Wurzelaustritten C6 und 7, wodurch bewegungsabhängig eine entsprechende neurologische Symptomatik zu erklären sei, diagnostiziert. Dr. O. stellte als Arbeitsunfallfolge eine in guter Stellung stabil durchbaute Fraktur des ersten Mittelhandknochens rechts mit reizlos einliegendem Metall fest, ferner eine deutliche Einschränkung der Beweglichkeit im Daumengrund- und Endgelenk und eine mäßige Einschränkung der Funktion im Daumensattelgelenk sowie eine Minderung der Handspanne rechts mit Minderung der groben Kraft rechts. Die unfallbedingte Dauergebrauchsbeeinträchtigung der rechten Hand schätzte er auf 1/11 des Handwertes. Gegenüber Dr. P. gab der Kläger an, im Vordergrund stünden Schmerzen und Bewegungseinschränkung der rechten Hand und im rechten Handgelenk verbunden mit Gefühlsstörungen. Handwerkliche Arbeiten und Schreibarbeiten seien nicht mehr möglich. Die rechte Hand sei kraftlos. Weiterhin wurden Nackenschmerzen linksseitig mit Brennen und ein Tinnitus im linken Ohr angegeben, deshalb seien auch Beruhigungstabletten notwendig. Bedingt durch die Schmerzen komme es zu Konzentrationsstörungen, die Lebenslust habe abgenommen, die Vergesslichkeit zugenommen und es bestehe eine ausgeprägte Schlaflosigkeit. Dr. P. diagnostizierte eine Bewegungseinschränkung im rechten Daumengrund- und -endgelenk sowie Daumensattelgelenk bei Zustand nach operativ versorgter Bennett-Fraktur rechts, einen fixierten Rundrücken bei verstärkter BWS-Kyphose und diskreter Osteochondrospondylose der Lendenwirbelsäule und äußerte den Verdacht auf cervicale Cephalgien bei Verdacht auf Zustand nach Kontusionstrauma der Halswirbelsäule und diskrete Ostechondrospondylose der unteren Halswirbelsäule. Im Entlassungsbericht der Wicker-Klinik werden eine posttraumatische Belastungsstörung, mittelgradige depressive Störung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, hypertensive Herzkrankheit und ein Tinnitus beidseits bei Zustand nach Hörsturz diagnostiziert. Unter "Eigenanamnese" wird mitgeteilt, der Kläger komme wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung mit stark depressiver Symptomatik in Folge eines Motorradunfalls am 6. Mai 2004 zur stationären Rehabilitation. Bei dem Unfall sei es zu einer Fraktur am rechten Daumen sowie einer Thoraxprellung gekommen, des Weiteren zu einem Schleudertrauma und es habe eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit bestanden. Zu den aktuellen Beschwerden wird ausgeführt: Bei dem Kläger bestünden typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, Intrusionen (Flashbacks bzgl. des Motorradunfalls, Auslöser: Unfallort, Motorräder etc., Albträume), dissoziative Zustände, Übererregung und Vermeidungsverhalten, sozialer Rückzug. Des Weiteren bestünden eine ausgeprägte depressive Symptomatik sowie eine Somatisierungsstörung und somatoforme Schmerzstörung. Autofahren könne er nur noch begrenzt, er werde dabei sehr müde, riskiere einzuschlafen. Er fahre fast täglich an der Unfallstelle vorbei, dies lasse sich nicht vermeiden, da es sehr nah seinem Zuhause sei und es keinen anderen Weg gebe. Möglich sei, dass diese häufige Konfrontation mit dem Unfallort zu einer Chronifizierung der posttraumatischen Symptomatik geführt habe. Der Kläger habe den Motorradunfall als lebensbedrohlich erlebt, nach seiner Aussage sei zur Unfallstelle erst der Leichenwagen, dann erst der Krankenwagen gekommen. Dies habe den Kläger offensichtlich in seinem Vertrauen in das Leben erheblich erschüttert. Zum Befund im Bereich der rechten Hand wird mitgeteilt, es finde sich eine gewisse Bewegungseinschränkung des Daumens, auch die Beweglichkeit des Handgelenkes sei eingeschränkt, woraus eine sekundäre Kraftminderung resultiere. Von der Taubheit des Daumens (Verletzung eines sensiblen Endastes des Nervus radialis rechts) abgesehen, finde sich neurologischerseits keine Auffälligkeit im Bereich der rechten Hand und des rechten Armes, insbesondere keine Muskelatrophie, kein peripheres Engpasssyndrom und auch keine cervicale Wurzelreizung. Die Nackenschmerzen links seien muskulär, Hinweise für eine Radikulopathie fänden sich ebenfalls nicht.
Die Beklagte wies durch Widerspruchsbescheid vom 21. November 2008 den Widerspruch des Klägers zurück. Eine Herzerkrankung liege nicht vor. Das Tinnitusleiden könne nicht auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden. Die psychischen Beschwerden des Klägers seien ebenfalls unfallunabhängig. Dies ergebe sich aus dem Bericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Hanau vom 20. März 2007. Der Bericht der Wicker-Klinik vom 27. Februar 2008 und die dort gestellte Diagnose überzeugten nicht. Der Bericht setze sich weder mit den Vorbefunden noch mit den konkurrierenden Faktoren auseinander. Die Kausalitätsdarstellung sei besonders unkritisch, da sie etwaige konkurrierende Faktoren völlig unberücksichtigt lasse. Bezüglich der geltend gemachten Beschwerden in der Halswirbelsäule komme der Orthopäde Dr. P. zu dem Ergebnis, dass sich diese Wirbelsäulenbeschwerden durch einen fixierten und verstärkten Rundrücken bei mäßig degenerativen Wirbelsäulenveränderungen erklären ließen.
Der Kläger hat am 18. Dezember 2008 beim Sozialgericht Fulda (Sozialgericht) Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Q. ein Gutachten vom 27. August 2009 eingeholt. Der Sachverständige hat mitgeteilt, das Unfallgeschehen als solches habe während der Untersuchung des Klägers kaum eine Rolle gespielt. Seine Klagen bezögen sich vielmehr auf die Ereignisse danach, insbesondere auf die Umstände, die er als Zeichen für seine Vernachlässigung und Misshandlung empfindet, da man sich in seinem Erleben ab dem Moment, in dem die Polizeibeamten an der Unfallstelle Witze über den statt des gerufenen Rettungswagens vorbeifahrenden Leichenwagen gemacht hätten und er nach der Operation mit Drainage ohne Taxifahrt nach Hause geschickt worden sei, nicht adäquat um ihn gekümmert habe. Der Kläger habe sich in der aktuellen Exploration sehr ausführlich und sehr aufgebracht über das aus seiner Sicht versagende bis skandalöse Versorgungssystem des Sozialstaates ausgelassen. Dagegen habe ihn das Unfallereignis selbst psychisch durchaus gering beeindruckt. Diese psychische Entwicklung des Klägers nach dem Unfall werde nur vor dem Hintergrund seiner Primärpersönlichkeit verständlich, welche von starkem Leistungsbewusstsein und psychischer Stabilisierung durch Altruismus und Perfektion geprägt sei. Dies sei durch die tatsächlich unfallbedingte, teils subjektiv gesteigert wahrgenommene Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Daumens in Gefahr geraten. Der Kläger habe durch die Beeinträchtigung seiner psychischen Integrität eine zusätzliche empfindliche Kränkung erlitten. Der Kläger leide an der psychiatrischen Störung einer Anpassungsstörung mit depressiven, anderen emotionalen und somatoformen Anteilen. Diese Gesundheitsstörung sei nach dem Unfallereignis aufgetreten und wäre ohne diesen bzw. ein ähnliches Ereignis nicht aufgetreten. Die psychische Fehlentwicklung sei nicht im Erleben des Unfallereignisses als solchem begründet, sondern als an die Primärpersönlichkeit gebundene Reaktion auf die Ereignisse danach, durch die sich der Kläger anhaltend benachteiligt, gekränkt und im Stich gelassen gefühlt habe. Insofern sei das Unfallereignis nicht als alleinige Ursache der Anpassungsstörung anzusehen. Im Zusammenwirken mit anderen Ursachen habe das Unfallereignis die Anpassungsstörung hervorgerufen, wobei dieses nur eine sehr untergeordnete Rolle spiele. Die Anpassungsstörung des Klägers sei insofern vollständig unfallunabhängiger Natur, als dass sich die Symptome auf das Unfallereignis bezögen. Das Krankheitsbild müsse vielmehr der Primärpersönlichkeit des Klägers zugerechnet werden.
Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ein weiteres Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater Prof. Dr. R. vom 24. März 2010 eingeholt. Prof. Dr. R. ist zu der Beurteilung gelangt, bei dem Kläger liege eine posttraumatische Belastungsstörung gemäß ICD-10 F 43.1 vor. Die wesentlichen Kriterien, überprüft nach DSM-IV seien erfüllt, eher abgeschwächt fänden sich szenische Intrusionen des Unfalls, auch in den Akten seien diese nicht aufgelistet. Möglich sei allerdings, dass eine kurzfristige Commotio vorgelegen habe mit einer retrograden Amnesie, so dass der Kläger sich an den unmittelbaren Aufprall szenisch nicht mehr erinnern könne. Nach den ICD-10-Kriterien seien Ereignisse notwendig, die eine außergewöhnliche Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß und bei jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würden. Es werde in der Rubrik F 43.1 auf prädisponierende Faktoren hingewiesen. Gemäß DSM-IV sei das Indexereignis weiter gefasst. Hier würden auch beobachtete Ereignisse miteinbezogen, jedoch insgesamt heiße es auch, das traumatische Ereignis beinhalte das direkte persönliche Erleben "einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat ". Entscheidend seien nach DSM-IV: Schwere, Dauer und Nähe der Person bei der Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis. Der Kläger sei mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 bis 70 km/Stunde von seinem Motorrad geschleudert worden, er sei etwa 20 bis 30 Meter über den Asphalt geschleudert, so dass seine Stiefel und auch seine Ledertasche durch die Reibungswärme Verbrennungsspuren aufgewiesen hätten (so die Angaben der Ehefrau). Dann sei er auf eine Wiese gelegt worden. Hier tauchten die Erinnerungen des Klägers wieder auf. Somit habe der Kläger unmittelbare sensorische Eindrücke an das Unfallerlebnis, das zweifelsohne eine Bedrohung seines Lebens dargestellt habe. Der Kläger habe einen Helm getragen, so dass möglicherweise hierdurch nicht lebensgefährliche Verletzungen aufgetreten seien. Doch sei jedem bekannt, dass ein Aufprall dieser Art ohne Weiteres zum Tode führen könne. Der Kläger habe auch wiederkehrende, eindringlich belastende Erinnerungen an das Ereignis, die Bilder, Gedanken oder Wahrnehmung umfassten. Der Kläger könne in allen Einzelheiten schildern, wie er hilflos auf der Wiese gelegen habe. Insofern sei auch die Begebenheit mit dem Leichenwagen von Bedeutung, der kurz darauf an der Unfallstelle vorbeigefahren sei. Belastende Träume von dem Ereignis würden nicht dezidiert berichtet, sondern nur allgemein Albträume und Angstträume. Flashback-Episoden seien von dem Kläger nicht berichtet worden. Bei der Anamnese der Wicker-Kliniken sei zwar berichtet, dass typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung vorlägen mit Flashbacks, jedoch sei hier nicht genau herausgearbeitet worden, ob wirklich Intrusionen im engeren Sinne vorlägen. Es liege auch eine intensive psychische Belastung bei Konfrontation auf das traumatische Ereignis vor. Auch körperliche Reaktionen seien gleichfalls bei der Untersuchung des Klägers beobachtet worden, der Kläger habe nach Luft gerungen. Auch das Vermeidensverhalten liege vor. Wenn der Kläger vom Unfall spreche, wolle er nicht daran erinnert werden. Affektive Störungen lägen vor, Gefühle einer eingeschränkten Zukunft. Ein erhöhtes Arousal liege vor, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Wutausbrüche und Konzentrationsstörungen. Die Symptome dauerten länger als einen Monat. Das Störungsbild verursache Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 20 v. H.
Das Sozialgericht hat hierzu Dr. Q. um eine ergänzende Stellungnahme gebeten. In dieser Stellungnahme vom 22. April 2010 hat Dr. Q. die Auffassung geäußert, dass die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht gestellt werden könne. Die hierfür maßgeblichen Kriterien seien, auch wenn man die Ausführungen des Gutachtens von Prof. Dr. R. zugrunde lege, nicht erfüllt. Prof. Dr. R. hat hierauf in einer ergänzenden Stellungnahme vom 27. Juli 2010 geantwortet und an seiner Beurteilung festgehalten.
Die Beklagte hat ausgeführt, Prof. Dr. R. gehe in seiner gutachterlichen Stellungnahme von einem falschen Unfallhergang aus.
Das Sozialgericht hat die Klage mit dem Begehren, eine posttraumatische Belastungsstörung, einen Tinnitus und Beschwerden an der Halswirbelsäule als Arbeitsunfallfolgen anzuerkennen und eine Unfallrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren, durch Urteil vom 18. Oktober 2010 abgewiesen.
Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 26. Oktober 2010 zugestellte Urteil am 22. November 2010 Berufung eingelegt und ein psychiatrisch-psychosomatisch-psychotherapeutisches Gutachten des Prof. Dr. S. vom 24. Juli 2013 vorgelegt, das Prof. Dr. S. im Auftrag des Landgerichts Hanau in dem Rechtsstreit des Klägers gegen die Unfallverursacherin erstattet hatte. Dem Gutachten des Prof. Dr. S. ist zu entnehmen, dass im Rahmen seiner Begutachtung eine testpsychologische Untersuchung durch die Dipl.-Psychologin T. stattfand. Als Fragestellung wurde formuliert, ob es testpsychologische Hinweise auf eine psychopathologische Symptomatik gibt oder begründete oder objektivierbare Hinweise auf eine Simulation oder Tendenzen zur Aggravation feststellbar sind. Die erste testpsychologische Untersuchung am 15. Mai 2013, am Tag der Untersuchung durch Prof. Dr. S., musste nach Aussage des Sachverständigen nach 60 Minuten abgebrochen werden, "da der Proband sich nicht mehr konzentrieren konnte und über heftige Kopfschmerzen klagte". Beim Versuch der Testauswertung zeigten sich Schwierigkeiten, da der Kläger teilweise doppelte oder dreifache Ankreuzungen vorgenommen hatte oder Antworten ganz fehlten. Auch die Art der Antwortmuster ließen an der Validität der Antworten Zweifel aufkommen, weil teils ganze Seiten mit der gleichen Antwortmöglichkeit angekreuzt waren. Weil die Ergebnisse der ersten Testauswertung weitgehend nicht auswertbar waren, wurde eine zweite Testung am 13. Juni 2013 in der Praxis der Dipl.-Psychologin vorgenommen. Es sollten im Wesentlichen kognitive Fähigkeiten getestet werden. Die Testdiagnostik stieß ebenfalls auf Schwierigkeiten. Unter "Fazit" wurde festgehalten: "Eine gezielte testpsychologische Untersuchung ist bei Herrn G. derzeit nicht möglich. Die in der Selbstbeurteilung ausgefüllten Fragebögen dürften keinerlei verwertbare Informationen über die Exploration und Verhaltensbeobachtung hinaus erbringen. Die Daten wurden unter subjektivem Zwang erhoben und spiegeln vermutlich in keiner Weise die wirkliche Meinung und das Befinden des Probanden wider. Daher wurde auf eine weitere Auswertung verzichtet." In seiner "Beurteilung" hat Prof. Dr. S. ausgeführt: "Bei der multidimensionalen Untersuchung fanden sich keine Anhaltspunkte für eine Aggravation oder Simulation des Probanden. Es fanden sich keine Widersprüche zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Untersuchungsergebnisse, die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Probanden gerechtfertigt hätten. Durch zwei voneinander unabhängige Untersuchungssituationen kam der Proband glaubhaft an die Grenzen seiner psychophysischen Belastbarkeit. Die Angaben waren in sich stimmig und in der beobachtenden Weise glaubhaft, allerdings nicht stimmig mit der prämoriden Persönlichkeit, so wie sie von dem Probanden und seiner Ehefrau geschildert wurde. Nach der Untersuchung und der testpsychologischen Testung liegt folgende Diagnose auf psychiatrischen-psychosomatischen- und psychotherapeutischen Fachgebiet vor: Posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10: F 43.1), mittelgrade depressive Episode mit somatischem Syndrom (ICD 10: F 32.11), Verdacht auf anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD 10: F 45.40). Zu der Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung passen die Vorbefunde (z. B. das psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. R.), die Anamnese und die bei der Begutachtung erhobenen subjektiven und objektiven Befunde." Im Folgenden wurde ausgeführt, auf der Symptomebene ergäben sich bei dem Kläger folgende Symptome, die die posttraumatische Belastungsstörung nachweisen: "Der Proband war einer traumatischen Situation ausgesetzt, in der er Todesangst hatte und reagierte mit intensiver Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen. Es bestehen wiederkehrende und sich aufdrängende Erinnerungen an das Ereignis. Handeln oder Fühlen, dass das traumatische Ereignis wiederkehren könnte (z. B. nachts). Intensives psychisches Leiden bei Konfrontation mit internen oder externen Reizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder ihm ähnlich sind (objektiv bei der Exploration). Körperliche Reaktion bei Konfrontation mit internen oder externen Reizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder ihm ähnlich sind (objektiv bei der Exploration). Anhaltende Vermeidung von Reizen, die in Verbindung mit dem Trauma stehen, so die Vermeidung von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die eine Erinnerung an das Trauma wachrufen könnten. Unfähigkeit, wichtige Aspekte des Traumas wiederzugeben. Deutlich vermindertes Interesse und Teilnahme an wichtigen Aktivitäten. Eingeschränkter Affekt (z. B. Unfähigkeit, affektiv bedeutsame Freundschaften zu pflegen). Seit dem Ereignis bestehen Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, übersteigerte Vigilanz und Reizbarkeit." Die festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen seien Unfallfolge. Unfallunabhängiger Art seien die Schuldzuweisungen an Dritte bezüglich mangelnder Behandlung.
Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, Prof. Dr. S. habe die getroffene Diagnose eines "posttraumatischen Belastungssyndroms" nicht schlüssig herausgearbeitet. Dem Gutachten könnten kaum Ausführungen zur Erfüllung der Diagnosekriterien nach dem ICD 10 entnommen werden. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. U. führte als Beratungsarzt der Beklagten in einer Stellungnahme vom 22. April 2014 aus: Die Feststellungen des Prof. Dr. S., es ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Aggravation oder Simulation und keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Probanden, weil keine Widersprüche zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Untersuchungsergebnisse vorlägen, überzeugten wegen des Widerspruchs zu den Ergebnissen der selbstveranlassten testpsychologischen Diagnostik nicht. Es dränge sich der Verdacht auf, dass Prof. Dr. S. den Aussagen des Klägers zu unkritisch begegnet sei. Zumindest dürfe in Anbetracht der früheren Aggravationsvermutungen um die Ergebnisse der eigenen testpsychologischen Untersuchungen allein die Meinung des Klägers nicht als Beleg für den Zusammenhang herangezogen werden. Prof. Dr. S. diagnostiziere eine posttraumatische Belastungsstörung, es erfolge jedoch kein tatsächlicher Abgleich mit den Kriterien der ICD-10 und dem vorliegenden Fall. Prof. Dr. S. sei der Argumentationsaustausch zwischen Dr. Q. und Prof. Dr. R. offensichtlich nicht bekannt gewesen. Prof. Dr. R. und auch das Sozialgericht seien mit Dr. Q. einer Meinung, dass ohne Anerkennung des Eingangskriteriums einer posttraumatischen Belastungsstörung diese auf keinen Fall diagnostiziert und damit auch kein Unfallzusammenhang mehr hergeleitet werden könne. Es sei deshalb nochmals auf die Kriterien der ICD-10 und der neu herausgegebenen DSM-5 für den amerikanischen Sprachraum verwiesen. Für die ICD-10 gelte, dass ein Trauma, das zu einer PTBS führen könne, bei nahezu jedem eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde und eine außerordentliche Bedrohung von katastrophenartigem Ausmaß darstellen müsse. Nach DSM-5 werde ein Trauma mit tatsächlicher oder angedrohter Todesgefahr gefordert, schwerwiegende Verletzung oder sexuelle Gewalt. Nach beiden Diagnosesystemen genüge eine subjektive Bedrohung nicht. Damit werde verhindert, dass sich der Traumabegriff im Falle einer erhöhten Vulnerabilität dehnen lasse. Die individuelle Vulnerabilität könne die mangelnde Schwere eines Traumas zur Diagnosestellung einer PTBS nicht ausgleichen. Zu der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Störung gebe Prof. Dr. S. keine Erläuterung, weshalb er diese als Folge des Unfalls ansehe. Nach der geltenden psychiatrischen Lehre folge die depressive Episode oder die rezidivierende depressive Störung vor allem genetischen - und Persönlichkeitsfaktoren. Ebenso knapp und nicht überzeugend sei die Diskussion der somatoformen Schmerzstörung. Nach der ICD-10 seien entscheidende Ursache für die somatoforme Schmerzstörung emotionale Konflikte oder psychosoziale Belastungen. Solche habe es bei dem Kläger sicherlich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall gegeben. Das subjektive Kränkungserleben, der Verlust der sozialen Rolle, Schuldzuweisung an Dritte, bezüglich mangelnder Behandlung und eingeschränkter Adaptionsleistung könnten zur Entwicklung einer somatoformen Schmerzstörung beigetragen haben, seien auch sicherlich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu sehen, zählten aber nicht zu den versicherungsrechtlichen mittelbaren oder unmittelbaren Unfallfolgen. Es handele sich hierbei um Anlagebedingungen, die durch den Unfall im Sinne einer Gelegenheitsursache angestoßen worden seien, wofür der Unfall ein austauschbares Ereignis darstelle. Ein konkurrierender Kausalzusammenhang sei von Prof. Dr. S. nicht erwogen und demgemäß auch nicht argumentativ entkräftet worden.
Der Kläger hat einen Bericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Hanau vom 17. Juli 2014 vorgelegt. Darin teilen der Oberarzt Dr. V. und die Ambulanzärztin Dr. C. mit, der Kläger befinde sich aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung seit 2007 dort in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung. Diagnostiziert wurde eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F 33.1, G). Über den Befund wird mitgeteilt, der Kläger sei wach und zu allen Qualitäten orientiert. Im Kontakt geordnet. Im Affekt depressiv, die Schwingungsfähigkeit sei erhalten. Im Antrieb sei er adäquat bei bestehender innerlicher Unruhe. Es zeigten sich keine kognitiven Defizite, keine Halluzinationen oder psychotisches Erleben. Eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung liege nicht vor. Es bestehe aber ein Gefühl, nicht unterstützt zu werden mit Entwertung. Nach Aufforderung des Senats wurde ein weiterer Befundbericht vom 13. Oktober 2014 übersandt. Der Hausarzt des Klägers Dr. E. hat die ihm vorliegenden ärztlichen Unterlagen übersandt.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2015 in Änderung des angefochtenen Bescheides vom 24. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2008 als Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. Mai 2004 einen Zustand nach mittels Schraubenosteosynthese operativ versorgter, in guter Stellung stabil durchbauter Fraktur des 1. Mittelhandknochens rechts mit noch einliegendem Metall und verbliebener Einschränkung der Beweglichkeit im Daumengrund- und endgelenk sowie Funktion im Daumensattelgelenk anerkannt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 18. Oktober 2010 aufzuheben, und bei ihm als Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. Mai 2004 eine posttraumatische Belastungsstörung, einen Tinnitus und Beschwerden an der Halswirbelsäule festzustellen und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2008 und des Anerkenntnisses im Termin vom 25. August 2015 zu verurteilen, ihm Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. nach Ende des Verletztengeldanspruchs zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten und das Urteil des Sozialgerichts Kassel sind zu Recht ergangen. Der Kläger hat nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGV VII) keinen Anspruch auf Rente, da bei ihm auf Grund des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 6. Mai 2004 keine länger anhaltenden Unfallfolgen festzustellen sind, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zumindest 20 v. H. rechtfertigen.
Gesundheitsstörungen müssen im Vollbeweis nachgewiesen werden, d. h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (§ 128 Abs. 1 SGG), um als Unfallfolgen anerkannt zu werden, und zudem durch einen Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall bzw. dem Gesundheitserstschaden verbunden sein. Für diese Kausalitätsfeststellung zwischen dem Arbeitsunfall und den als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) gilt dabei wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - juris).
Soweit der Kläger ein Tinnitusleiden und HWS-Beschwerden als weitere Arbeitsunfallfolgen geltend macht, kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass diese Gesundheitsstörungen Folgen des Arbeitsunfalls sind.
Gegenüber Dr. L. gab der Kläger im April 2005 an, dass er in unregelmäßiger Abfolge ein "Klackern" im Ohr verspüre, das auch beim Essen und Gehen gelegentlich auftrete. Aufgrund der von dem Kläger geschilderten Symptome diagnostizierte Dr. L. eine wiederkehrende Tubenbelüftungsstörung, die unfallunabhängiger Natur sei. Im November 2006 und in der Zeit danach berichtete der Kläger über einen lauten Pfeifton im linken Ohr, der ständig vorhanden ist. Nach Berichten der HNO-Gemeinschaftspraxis am Klinikum Hanau vom 5. Juni 2007 und 18. Juli 2007 ist der Tinnitus im Zusammenhang mit einem Hörsturz links entstanden. Hierbei handelt es sich nach Auffassung der den Kläger behandelnden Ärzte primär um ein idiopathisches Geschehen, wobei das bestehende HWS-Syndrom, der Hypertonus sowie die psychische Dekompensation als auch die diffusen laborchemisch nachweisbaren Entzündungsreaktionen als "Trigger" mitgewirkt haben könnten. Die Ärzte fanden keine Hinweise auf eine unfallbedingte Genese. Auch die von dem Kläger anhaltend geklagten HWS-Beschwerden können nicht auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden. Die am Unfalltag erfolgte durchgangsärztliche klinische Untersuchung zeigte bezüglich der HWS unauffällige Verhältnisse. Auch die in der Folgezeit mehrfach durchgeführten klinisch-neurologischen, neurometrisch-elektromyographischen Untersuchungen zeigten ebenso wenig wie die röntgenologischen und kernspintomographischen Untersuchungen der HWS Hinweise auf unfallbedingte Gesundheitsstörungen im Bereich der Halswirbelsäule. Bei den bildgebenden Untersuchungen fanden sich im Bereich der Halswirbelsäule des Klägers lediglich degenerative Veränderungen. Der Kernspintomographiebefund vom 13. Mai 2005 zeigte Bandscheibenschäden in C5/6 und C6/7 bei bilateral foraminaler Komponente und neuroforaminaler Deformität an den Wurzelaustritten C6 und C7. Durch diesen Befund lässt sich nach Meinung des Radiologen Dr. W. eine bewegungsabhängige neurologische Symptomatik erklären. Eine bei dem Unfall evtl. erlittene leichte Halswirbelsäulen-Distorsion mit weichgewebiger Zerrung führt nicht zu anhaltenden Beschwerden im Bereich der HWS.
Die von dem Kläger geltend gemachte posttraumatische Belastungsstörung liegt als Gesundheitsstörung schon im Vollbeweis nicht vor.
Zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesystemen (z. B. ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information - DIMDI - ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt; DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahr 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Auflage 2001) erforderlich unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in juris).
Die Diagnosekriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung nach den Diagnosesystemen ICD-10 und DSM-IV sind unterschiedlich konzipiert, und zwar insbesondere hinsichtlich des Traumakriteriums, des sog. A-Kriteriums. Das Konzept nach DSM-IV stellt bei diesem Kriterium auf das individuelle subjektive Erleben des Betroffenen ab und formuliert es wie folgt:
1. Die Person erlebte, beobachtete oder war mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert, die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzungen oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhaltete (A1-Kriterium) und
2. die Reaktion der Person umfasste intensive Furcht, Hilflosigkeit und Entsetzen (A2-Kriterium).
Nach ICD-10 ist hingegen ein objektiv schweres Ereignis Voraussetzung für die Annahme des A-Kriteriums. Nach ICD-10 wird gefordert: Verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die fast bei jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.
Bei dem Kläger liegen die Kriterien nach diesen beiden Diagnosesystemen nicht vor. Für die Feststellung stützt sich der Senat insbesondere auf die Ausführungen des Dr. U. in dessen Stellungnahme vom 22. April 2014 sowie des Sachverständigen Dr. Q. in dessen Gutachten vom 27. August 2009 und in dessen Stellungnahme vom 22. April 2010. Zu Recht hat Dr. U. festgestellt, dass eine Situation "mit außergewöhnlicher Bedrohung und katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde", wie sie nach ICD-10 Voraussetzung der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ist, von dem Kläger am 6. Mai 2004 nicht erlebt wurde. Der nicht an dem Verkehrsunfall beteiligte Zeuge X., der sich mit seinem Fahrzeug hinter dem Fahrzeug der den Unfall verursachenden Fahrerin befand, führte in dem polizeilichen Zeugen-Fragebogen am 8. Mai 2004 aus: Das unfallverursachende Fahrzeug habe sich auf der Linksabbiegerspur befunden. Als die Fahrerin dieses Fahrzeugs losgefahren sei, habe sie den von links kommenden Motorradfahrer übersehen, das Fahrzeug habe das Motorrad auf der rechten Seite touchiert, worauf der Fahrer gestürzt und einige Meter auf dem Asphalt dahingerutscht sei. Er sei nur leicht verletzt worden. Auffälligkeiten bei den beiden Betroffenen habe er nicht feststellen können. Dass der Kläger, wie von ihm mehrfach behauptet, durch die Kollision der Fahrzeuge 20 bis 30 Meter durch die Luft geschleudert worden ist, wird durch diese Aussage nicht belegt. Die schriftlichen Aussagen des Zeugen X., der polizeiliche Bericht und der durchgangsärztliche Aufnahmebefund können auch nicht belegen, dass bei dem Kläger eine kurze Bewusstlosigkeit oder eine Amnesie vorgelegen hat. Im Polizeibericht wird von einer leichten Verletzung gesprochen, auch der Zeuge X. berichtet, dass der Kläger nur leicht verletzt worden sei. Auch der Kläger, der als Unfallbeteiligter während der polizeilichen Ermittlungen befragt wurde, gab zu den Unfallfolgen und der Art der Verletzungen im polizeilichen Fragebogen an, die Hand rechts sei gebrochen. Weitere Verletzungen nannte er nicht. Dieses Unfallereignis, das laut polizeilichem Protokoll an beiden Fahrzeugen nur zu einem leichten Sachschaden geführt hat und bei dem Kläger keine schwereren Verletzungen verursacht hat, ist bei der nach ICD-10 gebotenen objektiven Betrachtung (vgl. Urteil des Senats vom 25. März 2014 - L 3 U 207/11) kein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß und ist auch keineswegs in der Lage, bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorzurufen. Das A Kriterium nach ICD-10 ist deshalb hier zweifellos nicht erfüllt.
Aber auch wenn man der Beurteilung das Konzept nach DSM-IV zugrunde legt, ist bereits das A-Kriterium, auch wenn hier eine subjektive Komponente berücksichtigt wird, nicht erfüllt, wie Dr. Q. in seiner Stellungnahme vom 22. April 2010 zutreffend ausgeführt hat. Dies begründet der Sachverständige insbesondere damit, dass für die subjektive Bedrohung im Sinne von DSM-IV erforderlich ist, dass der akute Schock im Sinne von Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen mit entsprechenden Symptomen als Reaktion unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unfallereignis gesichert sein muss. Dies steht im Einklang mit dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Danach ist bei einem katastrophalen Ereignis entsprechend ICD-10 eine Latenz (von bis zu 6 Monaten) zwischen Unfall und Manifestation der psychischen Symptomatik zu beachten. Bei einem minderschweren Ereignis ist indes nach der Pathophysiologie traumatischer Erlebnisse eine zeitnahe psychische Reaktion als seelischer Gesundheitserstschaden zu erwarten, und zwar von der Qualität, wie es das A2-Kriterium nach DSM-IV voraussetzt (vgl. die Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften - AWMF - Registernr. 051/09 - Stand: 31. März 2012, gültig bis 31. März 2017 - Teil II Seiten 103, 106, 117 - www.uni-duesseldorf.de/awmf; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seiten 148, 150; vgl. auch HLSG, Urteil vom 25. März 2014 - L 3 U 207/11 - juris). Das A2-Kriterium muss dabei als seelischer Gesundheitserstschaden im Vollbeweis dokumentiert und gesichert sein (Sk2-Leitlinie a. a. O., Seite 115).
Eine Belastungsreaktion des Klägers nach dem Unfallereignis ist jedoch nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Weder aus den polizeilichen Ermittlungen noch den ärztlichen Befundberichten zeitnah nach dem Unfall lassen sich Hinweise entnehmen, dass der Kläger eine Belastungsreaktion in der oben genannten Art gezeigt hat. Angaben über Reaktionen im Sinne des A2-Kriteriums hat der Kläger auch nicht gegenüber der Dipl.-Psychologin K. am 1. November 2004 oder gegenüber Dr. J. am 29. Oktober 2004 bzw. 6. April 2005 gemacht. Im Bericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Hanau vom 20. März 2007 wird ausführlich über die Angaben und Beschwerden des Klägers während des stationären Aufenthaltes vom 13. November 2006 bis 22. Dezember 2006 berichtet. Zum Arbeits- bzw. Motorradunfall finden sich keine Angaben, die auf damit im Zusammenhang stehende psychische Reaktionen des Klägers hindeuten. Es finden sich vielmehr deutliche Hinweise auf unfallunabhängige den Kläger psychisch belastende Umstände. Im Anschluss an diesen stationären Aufenthalt wurde der Kläger von der Dipl.-Psychologin N. therapeutisch betreut. Die Dipl.-Psychologin diagnostizierte bei dem Kläger zwar eine nicht bewältigte Traumatisierung nach einem Motorradunfall. Ihre Berichte lassen jedoch nicht erkennen, auf welche konkreten Erlebnisse und Gefühle des Klägers diese Diagnose gestützt wird. Im Entlassungsbericht der Wicker-Klinik vom 27. Februar 2008 wird als Folge des Motorradunfalls eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Es wird davon ausgegangen, dass bei dem Kläger in Folge des Motorradunfalls eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit bestanden hat und der Kläger den Motorradunfall als lebensbedrohlich erlebt hat, weil zur Unfallstelle erst der Leichenwagen, dann erst der Krankenwagen gekommen sei. Dieser, der Diagnosestellung zugrunde gelegte Sachverhalt, ist nicht belegt. Wie bereits dargelegt, ist eine Bewusstlosigkeit in Folge des Motorradunfalls nicht nachgewiesen. Ein Schädelhirntrauma, das eine zeitweilige Bewusstlosigkeit des Klägers verursacht haben könnte, wurde nicht diagnostiziert. Weder der durchgangsärztliche Erstbefund noch die folgenden klinischen und bildgebenden Untersuchungsbefunde weisen auf ein Schädelhirntrauma, auch nicht in Form einer Gehirnerschütterung, hin. Auch die Annahme, dass zur Unfallstelle zuerst ein Leichenwagen gekommen sei und der Kläger deshalb die Befürchtung hatte, dass sein Leben bedroht sei, lässt sich - schon aufgrund der späteren Angaben des Klägers - nicht aufrecht erhalten. Gegenüber Dr. Q. gab der Kläger an, die Polizei habe nach ihrem Eintreffen den Rettungswagen bestellt, dann sei durch Zufall ein Leichenwagen vorbeigekommen, was die Polizisten zu "witzigen" Bemerkungen gebracht habe, sie hätten doch nur einen Krankenwagen bestellt. Ähnliche Angaben machte der Kläger gegenüber Prof. Dr. R. Er gab an, er könne sich noch erinnern, dass ein Leichenwagen vorbeigefahren sei und die Polizei wie im Scherz gesagt habe, einen Leichenwagen bräuchten sie nicht. Diese Äußerungen des Klägers können nicht dahingehend interpretiert werden, dass er wegen des vorbeifahrenden Leichenwagens Angst um sein Leben gehabt habe. Denn dem Kläger war, wie sich seiner Schilderung entnehmen lässt, durchaus bewusst, dass der Leichenwagen zufällig vorbeifuhr und es sich bei den Äußerungen der Polizeibeamten um ein "Witze machen" handelt. Der Kläger mag dieses Verhalten als Vernachlässigung und Misshandlung empfunden haben, wie dies Dr. Q. in seinem Gutachten darlegt. Dass dieses Verhalten ernsthafte Befürchtungen um sein Leben ausgelöst hat, lässt sich jedoch aufgrund der gegenüber Dr. Q. und Prof. Dr. R. gemachten Angaben nicht begründen. Hätte die Begebenheit bei dem Kläger eine intensive Furcht um sein Leben ausgelöst, wäre zu erwarten, dass er diese Empfindungen gegenüber Dr. Q. und gegenüber Prof. Dr. R. auch zum Ausdruck gebracht hätte. Dies gilt auch für das mit der Dipl.-Psychologin K. wenige Monate nach dem Unfallereignis geführte Gespräch, in dem die Empfindungen und Reaktionen des Klägers nach dem Unfall thematisiert worden waren. Zu Recht hat deshalb das Sozialgericht in seinem Urteil festgestellt, dass der Kläger selbst Gefühle von Horror, Schrecken und Hilflosigkeit über den Unfallhergang niemals geäußert hat, sich diesbezüglich zumindest keinerlei aktenkundige Hinweise finden lassen. In Anbetracht dessen können die späteren Angaben des Klägers anlässlich der Begutachtung durch Prof. Dr. S. am 15. Mai 2013 der Beurteilung, ob das A2-Kriterum vorliegt, nicht zugrunde gelegt werden. Auch gegenüber Prof. Dr. S. hat der Kläger angegeben, er habe, als er auf der Wiese gelegen habe, gehört, wie die Polizisten miteinander gesprochen und im Scherz gesagt hätten, ob sie den Leichenwagen oder den Krankenwagen gerufen hätten. Zu diesem Zeitpunkt sei wirklich ein schwarzer Volvo, ein Beerdigungswagen dort gestanden. Er sei in Panik geraten, seitdem könne er auch keinen Leichenwagen mehr sehen. Diese Angaben zu seinem subjektiven Erleben hat der Kläger erstmals neun Jahre nach dem Unfallereignis gemacht und nachdem seine Reaktion auf das Unfallereignis bzw. auf die Begebenheit mit dem Leichenwagen im Gutachten des Dr. Q. und im Urteil des Sozialgerichts thematisiert und beurteilt worden war. Der Beurteilung des Prof. Dr. R., das A-Kriterium nach DSM-IV sei im Falle des Klägers erfüllt, konnte sich der Senat nicht anschließen. Prof. Dr. R. unterstellt in seinem Gutachten vom 24. März 2010, dass das Unfallereignis für den Kläger "zweifellos eine Bedrohung seines Lebens dargestellt" habe, jedem sei bekannt, dass ein Unfall dieser Art ohne Weiteres zum Tode führen könne. Nachdem die Beklagte hiergegen Einwände geltend gemacht und die Unterlagen der polizeilichen Ermittlungen vorgelegt hatte, hat Prof. Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 27. Juli 2010 ergänzend ausgeführt, der Kläger sei nach der Kollision bei einer Geschwindigkeit von 60 km/Stunde etwa 15 bis 20 Meter weit über die Straße geschleudert worden und habe den Eindruck behalten, dass er dadurch hilflos auf einer Wiese gelegen habe. Es sei ein Zustand völliger Hilflosigkeit unmittelbar nach einem lebensbedrohlichen Ereignis gewesen. Prof. Dr. R. geht folglich davon aus, dass es sich bei dem Unfallereignis um ein objektiv lebensbedrohliches Ereignis gehandelt und dieses Ereignis bei dem Kläger ein Gefühl der Hilflosigkeit ausgelöst hat. Wie bereits dargelegt, kann aufgrund der polizeilichen Ermittlungen nur von einer leichteren Kollision der Fahrzeuge ausgegangen werden. Es ist auch nicht erwiesen, dass der Kläger durch diese Kollision derart durch die Luft geschleudert oder über die Straße geschleudert worden ist, dass dadurch lebensgefährliche Verletzungen hätten erwartet werden müssen. Hinsichtlich der von Prof. Dr. R. angenommenen subjektiven Empfindungen des Klägers fehlt es an einer diesbezüglichen Schilderung des Klägers selbst, wie dies bereits von dem Sozialgericht zutreffend ausgeführt wurde. Das von dem Kläger vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. S. führt zu keiner anderen Beurteilung. Prof. Dr. S. gibt für seine Diagnosestellung keine transparente, nachvollziehbare Begründung. Er verweist zur Begründung seiner Diagnosen auf die Untersuchung und die psychologischen Testungen, obwohl im "Fazit" festgestellt worden war, dass diese Testungen keinerlei verwertbare Informationen ergeben haben. Im Weiteren führt er Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung an, ohne zu belegen, weshalb diese Symptome seines Erachtens vorliegen.
Der Senat nimmt mit Dr. U. zudem an, dass auch die Voraussetzungen für die Annahme des A-Kriteriums nach dem neu herausgegebenen und nunmehr seit 2015 in deutscher Sprache vorliegenden DSM-5 (vgl. Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5, Deutsche Ausgabe herausgegeben von Peter Falkai und Hans-Ullrich Wittche, 2015 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG) hier nicht vorliegen. Anders als in DSM IV fällt bei DSM-5 zwar nunmehr das A2-Kriterium weg, andererseits - so zutreffend Dr. U. - lässt das A-Kriterium nach DSM-5 aber eine rein subjektive Bedrohung nicht mehr genügen. In DSM-5 (a. a. O. Seite 369) wird das A-Kriterium formuliert: Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt auf eine (oder mehrere) der folgenden Arten:
1. Direktes Erleben eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse.
2. Persönliches Erleben eines oder mehrerer solcher traumatischen Ereignisse bei anderen Personen.
3. Erfahren, dass einem nahen Familienmitglied oder einem engen Freund ein oder mehrere traumatische Ereignisse zugestoßen sind. Im Falle von tatsächlichem oder drohendem Tod des Familienmitgliedes oder Freundes muss das Ereignis bzw. müssen die Ereignisse durch Gewalt oder einen Unfall bedingt sein.
4. Die Erfahrung wiederholter oder extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren derartigen traumatischen Ereignissen (z. B. Ersthelfer, die menschliche Leichenteile aufsammeln oder Polizisten, die wiederholt mit schockierenden Details von Kindesmissbrauch konfrontiert werden).
Das diagnostische Merkmal "Konfrontation mit tatsächlichem Tod oder drohendem Tod oder ernsthafter Verletzung" wird dabei wie folgt erläutert (siehe Seite 373 f.): "Direkt erlebte traumatische Ereignisse (in Kriterium A aufgeführt) umfassen folgende Erlebnisse, sind aber nicht auf diese begrenzt: Kriegserfahrung als Soldat oder Zivilist, drohender oder tatsächlicher körperlicher Übergriff (z. B. körperlicher Angriff, Raubüberfall, Überfall auf der Straße, körperliche Misshandlung in der Kindheit), drohende oder tatsächliche sexuelle Gewalt ( ), Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen und schwere Verkehrsunfälle." Dr. U. hat zutreffend darauf verwiesen, dass das Unfallereignis diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn der von dem Kläger erlittene Verkehrsunfall kann nicht als "schwer" bezeichnet werden. Auch bei Betrachtung der übrigen Beispiele wird deutlich, dass das von dem Kläger erlebte Ereignis nicht als traumatisches Ereignis in diesem Sinne beurteilt werden kann.
Insgesamt ist festzustellen, dass nicht im Vollbeweis nachgewiesen ist, dass bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt.
Die von der Beklagten im Termin als Folgen des Arbeitsunfalles anerkannten Funktionsstörungen des rechten Daumens - Einschränkungen der Beweglichkeit im Daumengrund und -endgelenk sowie Funktionsstörung des Daumensattelgelenkes - führen nicht zu einer rentenberechtigenden MdE des Klägers. Denn die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsstörungen sind nicht vergleichbar mit dem Verlust des Daumens, z. B. nach Amputationsverletzung, der mit einer MdE von 20 v. H. bewertet wird (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 565). Da dem Begehren des Klägers nicht stattgegeben werden konnte, war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgericht zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Arbeitsunfallfolgen und einen Anspruch auf Rente.
Der 1959 in der Türkei geborene Kläger lebt seit 1979 in der Bundesrepublik Deutschland. Er arbeitete als Lehrer an mehreren Schulen und unterrichtete zuerst Deutsch für Ausländer und dann Türkisch. Am Morgen des 6. Mai 2004 befuhr er mit seinem Motorrad die L xx in Richtung D-Stadt. Eine Pkw-Fahrerin, die mit ihrem Pkw aus einer untergeordneten Straße nach links in die L xx abbiegen wollte, übersah das Motorrad des Klägers. Der Pkw touchierte das Motorrad des Klägers am Kofferaufsatz auf der rechten Seite, woraufhin der Kläger stürzte und, so die Aussage eines Zeugen, einige Meter auf dem Asphalt dahinrutschte. Im Polizeibericht wird hierzu mitgeteilt, der Kläger habe sich leicht verletzt, er habe Prellungen am Handgelenk erlitten. An beiden Fahrzeugen sei ein leichter Sachschaden entstanden. Der Kläger wurde in das Kreiskrankenhaus Gelnhausen gebracht. Dort wurde eine Bennett-Fraktur der rechten Hand festgestellt. Es erfolgte eine ambulante operative Versorgung. Über den übrigen Befund wurde mitgeteilt, der Kläger habe bei dem Unfall keine Bewusstlosigkeit und keine Amnesie erlitten. Er sei wach und orientiert. Es bestünden keine neurologischen Auffälligkeiten. Die Halswirbelsäule sei unauffällig. Über den Verlauf der weiteren ambulanten Behandlung teilte das Krankenhaus am 10. September 2004 mit, die postoperative Röntgenkontrolle habe eine optimale Stellung bei regelrechter Lage der implantierten Schrauben gezeigt. Der Kläger habe im Verlauf über eine Überempfindlichkeit bei gleichzeitigem Taubheitsgefühl dorso-radial am rechten Daumen im Sinne einer vermutlich inoperativ entstandenen Läsion des dorso-radialen sensiblen Astes des Nervus radialis geklagt. Im Verlauf der bisherigen Behandlung sei es zu einer leichten Besserung der lokalen Beschwerden am Daumen gekommen. Die Wundheilung sei ungestört verlaufen. Ab dem 14. Mai 2004 seien Krankengymnastik und Lymphdrainagen erfolgt. Trotz intensiver Physiotherapie habe während des gesamten Verlaufs eine ausgeprägte Schonhaltung der rechten Hand imponiert, für die sich objektiv keine Erklärung finden lasse. Radiologische Kontrollen der knöchernen Verletzung hätten unverändert eine optimale Frakturstellung gezeigt. Während der Behandlungszeit habe der Kläger massive Beschwerden initial als Kopfschmerzen sowie Schmerzen in der linken Schulter beklagt. Dann sei ein konstantes Brenngefühl dorsal über der linken Schulter aufgetreten. Die wechselnden, zeitweise aber erheblichen Beschwerden hätten zu einer Reihe weiterer Untersuchungen geführt. Eine CT-Untersuchung des Schädels am 14. Mai 2004 habe keinen pathologischen Befund ergeben. Eine neurologische Untersuchung habe keine objektivierbaren neurologischen Defizite im Bereich der Schultergürtel- und Armmuskulatur gezeigt. Es seien "sensible Reizerscheinungen im peripheren Versorgungsgebiet des Nervus radialis rechts" sowie eine "fragliche Schulterprellung rechts mit entsprechenden Missempfindungen" diagnostiziert worden. Eine MRT-Untersuchung der HWS vom 18. Juni 2004 habe außer geringen degenerativen Veränderungen der unteren HWS ohne Krankheitswert und einem kleinen Haemangiom des 5. HWK (unfallunabhängig) keinen pathologischen Befund ergeben. Auch am 2. Juli 2004 habe der Kläger unverändert brennende Schmerzen über der linken Schulter und dem linken Nacken angegeben. An der rechten Hand habe sich die bereits erwähnte Schonhaltung gezeigt, die Beweglichkeit des 1. Strahls sei noch immer erheblich eingeschränkt, ohne dass sich hierfür eine konkrete Ursache gefunden habe. Auch für einen Morbus Sudeck habe zu keinem Zeitpunkt ein Hinweis bestanden. Nach den Sommerferien nahm der Kläger am 27. August 2004 seine Arbeit als Lehrer wieder auf. Der Orthopäde Dr. F. empfahl am 13. Oktober 2004 wegen anhaltender Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule mit Zwangshaltung des Kopfes nach rechts und Schmerzen im Daumengrundgelenk eine Vorstellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik. Daraufhin erfolgte eine ambulante Untersuchung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main am 12. Oktober 2004. Die von dem Kläger mitgebrachten Röntgenaufnahmen der Brust- und Halswirbelsäule zeigten nach Aussage des Neurochirurgen Dr. H. keine posttraumatischen Veränderungen. Es wurden weitere radiologische Untersuchungen der Halswirbelsäule mit Röntgenfunktionsaufnahmen durchgeführt. Auch diese Untersuchungen ergaben keine posttraumatischen Veränderungen. Dr. H. äußerte die Auffassung, es könne im Rahmen des Unfallgeschehens eine leichte Halswirbelsäulen-Distorsion stattgefunden haben. Chirurgischerseits wurde ein Bewegungsdefizit des 1. Strahls der rechten Hand diagnostiziert. Ein stationärer Aufenthalt mit ganztägig kontrollierter Physio- und Ergotherapie wurde empfohlen. Während des stationären Aufenthaltes vom 13. Oktober bis 5. November 2004 wurde der Kläger am 25. Oktober 2004 neurologisch und neurometrisch-elektromyographisch von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. und am 29. Oktober sowie am 1. November 2004 von der Dipl.-Psychologin K. untersucht. Über die Angaben des Klägers teilte die Dipl.-Psychologin in ihrem Bericht vom 3. November 2004 mit, der Kläger sei seinen Angaben zufolge nach dem Unfall circa 20 bis 30 m durch die Luft geschleudert worden. Initial hätten viele Körperpartien gebrannt, wahrscheinlich sei er über den Boden geschleudert worden. An den Sturz könne er sich nicht erinnern. Nachdem Hilfe gekommen sei, sei er im Krankenwagen "kurz weg gewesen". Fünf Tage nach seinem Unfall sei ein Bekannter von ihm ebenfalls mit dem Motorrad tödlich verunglückt. Circa eine Woche nach dem Unfall habe er im Nacken- und Hinterkopfbereich brennende Schmerzen empfunden. Initial habe er Angst vor einem Herzinfarkt gehabt und habe Blutdruck gemessen. Auf Nachfrage habe der Kläger angegeben, dass er häufiger den Blutdruck messe, seit vor vielen Jahren seine Mutter, Vater und Oma erkrankt seien. Er habe das Blutdruckmessen auch den Kindern beigebracht. Bei Schmerzen steige der Blutdruck an, ein bereits erfolgtes EKG habe jedoch einen unauffälligen Befund ergeben. Seit circa Ende Mai habe er dann unregelmäßig auftretende Albträume bekommen, von denen er jedoch nicht genau wisse, was er träume. Er wache lediglich schweißgebadet auf und habe stärkste Atemnot, er reagiere so stark, dass er Angst habe zu sterben. Aktuell träume er fast jede Nacht, habe meist jedoch keine Erinnerung. Der Kläger wurde nach Aussagen der Dipl.-Psychologin gebeten, während des stationären Aufenthaltes nachts genau darauf zu achten, was er träumt. Der Kläger habe daraufhin jedoch lediglich berichtet, dass es etwas mit dem Unfall zu tun habe, was genau, wisse er nicht. Der Kläger berichte, dass er Angst verspüre, wenn er an der Unfallstelle vorbeifahre. Nach den Sommerferien habe er wieder mit dem Dienst angefangen und dabei jedoch starke Nervosität und Aggressivität verspürt, da ihm niemand helfen könne. Auch heute beziehe er noch immer alles auf sich und denke, dass ihn die anderen falsch verstehen. Auch früher seien seine Ideen ausgenutzt worden durch andere Menschen, heute behalte er die Ideen für sich. Auch in der Schule sei er immer wieder ausgenutzt worden, das wisse er zu 100 % und könne dies auch beweisen. Er werde schon seit circa 20 Jahren ausgenutzt. Des Weiteren gab der Kläger an, seit Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit leide er unter starken Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen. Er sei reizbarer, ungeduldiger sowie interesseloser. Es wurden mehrere neuropsychologische Testungen durchgeführt. Dabei zeigten die Aufmerksamkeits-, Merkfähigkeits- und Konzentrationsleistungen deutlich unterdurchschnittliche Ergebnisse. Die Dipl.-Psychologin führte hierzu aus, die erhobenen Testwerte ließen sich lediglich orientierend heranziehen, da zum einen deutliche Aggravationstendenzen sowie eine mangelnde Motivation vorgelegen hätten und der Kläger nicht willens gewesen sei, auch nach mehrfacher Aufforderung und Aufklärung über die Messung im ms-Bereich eine adäquate Körperhaltung einzunehmen. Ebenfalls habe er auch nach mehrfacher Aufforderung, dies zu unterlassen, noch unkontrolliert und deutlich zu stark die Bedientastatur der Computertestung betätigt, so dass dieser Untersuchungsgang deutlich verkürzt worden sei. Aufgrund der erfassten Daten sei möglicherweise von einer Ängstlichkeit, vielleicht im Rahmen einer Anpassungsstörung, auszugehen. Die Ursachenlage sowie die modulierenden Faktoren hätten im Rahmen des Anamnesegesprächs nicht klar exploriert werden können. Es sei hier erst nach erhöhter Compliance eine genauere Aussage möglich. Aufgrund der erfassten orientierenden Fragebogenuntersuchungen sowie des klinischen Eindrucks lasse sich tendenziell von misstrauischen, emotional instabilen, narzisstischen Zügen ausgehen. Es liege eine deutliche Angstsymptomatik vor, die im Anamnesegespräch in der Form nicht habe erfasst werden können. Aufgrund der Tatsache, dass circa fünf Tage nach dem Motorradunfall ein Bekannter des Klägers tödlich mit dem Motorrad verunglückt sei und eine Woche später nach dem Unfall eine Schmerzsymptomatik bei dem Kläger aufgetreten sei, bestehe ebenfalls der Verdacht auf eine konversionsneurotische Symptomatik. Dr. J. gelangt in ihrer Stellungnahme vom 20. November 2004 zu der Beurteilung, weder klinisch-neurologisch noch elektromyographisch-neurographisch ließen sich neurogene Ausfälle erkennen. In der Gesamtbewertung entstehe jedoch der Eindruck einer psychogenen Überlagerung. Der den Kläger behandelnde Orthopäde Dr. F. berichtete in Briefen vom 17. Januar 2005, 30. März 2005 und 9. März 2005 über weiterbestehende, sich eher verstärkende Beschwerden. Am 3. März 2005 forderte er die Beklagte auf, den Kläger dringend in eine Fachklinik für posttraumatische Psychosomatose zur weiteren Diagnostik bzw. Therapie zu leiten. Im Schreiben vom 9. März 2005 führte er aus, seines Erachtens bestünde der Verdacht auf posttraumatische kontusionelle Veränderungen. Es seien unbedingt noch einmal eine neurologische Untersuchung angezeigt und gegebenenfalls auch nochmalige MRT-Kontrolluntersuchungen des Schädels und der HWS. Alle Beschwerden auf die Psyche zurückzuführen halte er ärztlicherseits für sehr bedenklich. Am 30. März 2005 wurde der Kläger erneut in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main untersucht. Dabei gab der Kläger Beschwerden im Sinne eines Nacken-Schulter-Armsyndroms links, Geräusche im linken Ohr, ein Brennen vom Kopf bis zur linken Schulter ziehend, eine Unverträglichkeit von Wärme und eine hohe Vergesslichkeit an. Es erfolgte ein weiterer stationärer Aufenthalt vom 4. April 2005 bis 19. April 2005. Während dessen erfolgte eine weitere kernspintomographische Untersuchung des Gehirns, die einen unauffälligen intrakraniellen Befund ergab. Außerdem wurde der Kläger am 6. April 2005 nochmals von der Neurologin und Ärztin für Psychiatrie Dr. J. und am 4. April 2005 von dem HNO-Arzt Dr. L. untersucht. Dr. J. gelangte in ihrer Stellungnahme vom 11. April 2005 zusammenfassend zu der Beurteilung, auf neurologischem Gebiet seien keine Ausfälle erkennbar bzw. objektivierbar. Es bestehe auch kein Anhalt für eine cerebrale Schädigung. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege ebenfalls nicht vor. Es fänden sich weder intrusive Erinnerungsbilder noch eine eindeutige Auslösung von Angst- und Spannungszuständen bei Erinnerung an den Unfall, sehe man einmal von dem geschilderten Erinnern, verbunden mit unangenehmen Gefühlen, beim Passieren der Unfallstelle ab, das in dieser geschilderten Ausprägung jedoch nicht als eindeutiges Krankheitssymptom gewertet werden könne, zumal eine Tendenz zur Vermeidung nicht zu erkennen sei. Es bestehe insgesamt die Verdachtsdiagnose einer Anpassungsstörung mit Somatisierungsstörung, bei Verdacht auf eine Persönlichkeitsstruktur mit narzisstischen und auch hypochondrischen Zügen. Festzustellen sei jedoch eine deutliche Aggravationstendenz bzgl. der körperlichen Beschwerden. In der Gesamtschau müsse festgestellt werden, dass der Unfall nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als wesentliche Ursache für die jetzige Beschwerdesymptomatik auf psychiatrischem Gebiet angesehen werden könne. Es stünden eher Persönlichkeitsfaktoren im Vordergrund. Gegenüber Dr. L. gab der Kläger an, er habe nun in unregelmäßiger Abfolge seit Mitte 2004 ein Ohrgeräusch "wie das Klackern eines Metallstücks in einer leeren Coladose". Dieser Tinnitus trete auch beim Essen und Gehen gelegentlich auf. Einen Hörverlust verspüre er nicht. Dr. L. gelangte zu der Beurteilung, Unfallfolgen auf HNO-ärztlichem Fachgebiet seien nicht wahrscheinlich zu machen. Bei dem "Klackern" handele es sich am ehesten um wiederkehrende Tubenbelüftungsstörungen, möglicherweise auch um ein spontanes Zucken der Tubenmuskulatur. Die Tubenbelüftungsstörung sei als unfallunabhängig zu betrachten. Der Kläger teilte in einem Gespräch vom 6. Mai 2005 unter Bezugnahme auf den Bericht der Dr. J. mit, es sei nie ein Freund von ihm bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. In D-Stadt sei ein tödlicher Motorradunfall passiert, von dem er gehört habe. Es handele sich jedoch nicht um einen Bekannten oder einen Freund. Der Orthopäde Dr. F. äußerte am 6. Mai 2005 mit Bezugnahme auf die jüngsten unauffälligen Untersuchungsbefunde, es könne gesagt werden, dass die Beschwerden an der HWS eine Erkrankung eigener Art seien, wahrscheinlich im Sinne einer Psychosomatose. Dieses passe auch zum cerebralen Befund mit zunehmendem Gedächtnisverlust, insbesondere für Zahlen. Die seines Erachtens bestehende Psychosomatose müsse stationär behandelt werden.
Die Beklagte teilte dem Kläger durch Bescheid vom 24. Juni 2005 mit, die Gewährung von Leistungen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung über den 5. November 2004 hinaus werde abgelehnt. Die nach diesem Zeitpunkt aufgetretenen Beschwerden seien nicht auf den Unfall vom 6. Mai 2004 zurückzuführen. Der Unfall vom 6. Mai 2004 habe laut dem Beratungsarzt Dr. M. eine Bennett-Fraktur der rechten Hand sowie eine leichte Halswirbelsäulenzerrung verursacht. Die noch bestehenden Beschwerden der Halswirbelsäule seien auf die festgestellte Osteochondrose zurückzuführen. Außerdem sei von einer psychischen Überlagerung auszugehen. Seinen am 21. Juli 2005 eingelegten Widerspruch ließ der Kläger im März 2007 von seinen Bevollmächtigten begründen. Es wurde eine posttraumatische Belastungsstörung, ein nunmehr behandlungsbedürftiger Tinnitus sowie eine Herzerkrankung als Unfallfolgen geltend gemacht und mitgeteilt, der Zustand des Klägers habe sich insbesondere Ende Oktober/Anfang November 2006 massiv verschlechtert. Insofern wurde auf einen Bericht der HNO-Gemeinschaftspraxis am Klinikum Hanau vom 13. November 2006, einen Bericht der Dipl.-Psychologin N. vom 21. Januar 2007 sowie einen Bericht der Klinik für Psychiatrie des Klinikums der Stadt Hanau vom 22. Dezember 2006 verwiesen. Außerdem wurde auf einen Bescheid des Versorgungsamtes vom 3. März 2007 hingewiesen, der als Hauptbehinderungen eine Anpassungsstörung, Somatisierungsstörungen mit Wirbelsäulen- und Handbeschwerden sowie eine Schwerhörigkeit mit Gleichgewichtsstörungen und Ohrgeräuschen beidseits nennt und den Gesamt-GdB mit 60 v. H. bewertet. Im vorgelegten Entlassungsbericht der HNO-Gemeinschaftspraxis am Klinikum Hanau vom 13. November 2006 werden als Diagnosen ein Hörsturz links mit Tinnitus aurium und vestibulärer Komponente, ein HWS-Syndrom, ein Hypertonus, eine chronische Sinusitis maxillaris rechts, eine psychische Dekompensation, eine mikrozytäre hypochrome Anämie und diffuse laborchemisch nachweisbare Entzündungsreaktionen diagnostiziert. Über den stationären Aufenthalt vom 6. bis 10. November 2006 wird mitgeteilt, die stationäre Aufnahme sei notfallmäßig aufgrund eines ausgeprägten Hörsturzes links erfolgt. Unter der Frenzelbrille habe ein diskreter Ausfallnystagmus nach rechts imponiert. Als zusätzliches Signum sei das grauenhafte Ohrgeräusch links anzusehen. Dieses habe ein solches Ausmaß angenommen, dass der Kläger so nicht mehr weiterleben könne. Sein Lebensmut sei völlig "verschwunden" und das Schlafen sei so nicht mehr möglich. Im Bericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Hanau vom 20. März 2007 wird eine chronifizierte schwere gereizte Depression (ICD 10: F 33.2), eine Somatisierungsstörung und anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD 10: F 45.0/F 45.4), ein chronischer Tinnitus aurium und Zustand nach Hörsturz (ICD 10: H 93.1/H 91.2), eine hypertensive Herzkrankheit (ICD 10: I 11.90) und ein zervikaler Bandscheibenschaden (ICD 10: FM 50.9) diagnostiziert. Es wird mitgeteilt, der Kläger klage über einen ständigen, mittlerweile unerträglich lauten Pfeifton wie von Flugzeugturbinen, der sich in den letzten zwei Monaten nochmals verschlimmert habe. Über die Angaben des Klägers wird mitgeteilt: Die Ärzte hätten es zwei Jahre lang versäumt, seinen Tinnitus zu erkennen und zu behandeln. Der Tinnitus verursache schwere Ängste, Schlafstörungen und eine ungeheuere Unruhe. Sein Zustand sei nicht mehr auszuhalten, so dass vermehrt suizidale Gedanken auftauchten. Es komme zu erschreckenden Erfahrungen, dass er Dinge plötzlich vergesse, angefangene Sachen stehen und liegen lasse, Handlungen unvermittelt unterbreche, einfach weggehe oder nicht mehr weiter wisse. Er vergesse Namen, Gesichter und Identitäten. Es tue ihm weh, dass er sich so verändert habe. Immer sei er ein Mann gewesen, der helfen wollte und der geholfen habe, das könne er nicht mehr. Seitdem er 1979 nach Deutschland gekommen sei, habe er immer und ständig Probleme. Nie habe er nein gesagt, habe sich immer in Anspruch nehmen lassen und sei immer gerannt. Immer habe er perfekt sein wollen und alles richtig machen. Es sei für ihn nicht erträglich, einen Fehler zu begehen. Das alles gehe jetzt nicht mehr. Zudem werde er nicht ernst genommen. Niemand sei an seiner Tätigkeit interessiert. Türkischunterricht werde zunehmend abgeschafft. Aber immer wenn es Schwierigkeiten gebe, werde er gerufen. Seit 26 Jahren sei er als angestellter Lehrer tätig und werde wechselnd in allen Schulen im Kreisgebiet eingesetzt. In seinen Aufgaben habe er keine Vertreter. Er sei unersetzlich. Deshalb befürchte er, dass er in schwere Probleme gerate, wenn er länger arbeitsunfähig sein sollte. Auch der Umstand, in der Psychiatrie behandelt zu werden, könne ihm schaden. Zudem leide er unter ständigen schweren Schmerzen und Brennen im Hals und Schultergürtelbereich, oft mit Taubheit und Kraftverlust im rechten Arm. Im Mai 2004 habe er einen Motorradunfall erlitten mit Fraktur und osteosynthetischer Operation des rechten Daumens. Danach sei ein Bandscheibenvorfall im Halsbereich festgestellt worden; ob es sich um eine Unfallfolge handele, wisse er nicht. Als übrige Vorerkrankungen würden eine arterielle Hypertonie seit circa sechs Jahren und eine Nephrolithiasis links mehrere Jahre zurückliegend genannt. In einem Bericht der Dipl.-Psychologin N. vom 26. Januar 2007 wird aufgeführt, der Kläger sei nach seiner Entlassung aus der Psychiatrischen Klinik Hanau zu einem Erstgespräch in ihre Praxis gekommen. Aufgrund der bisherigen probatorischen Sitzungen habe eine schwere, bis heute nicht bewältigte Traumatisierung nach einem Motorradunfall vor zwei Jahren diagnostiziert werden können. Das unbewältigte Trauma finde heute noch seinen Ausdruck im Psychischen: In den Panikattacken aufgrund wiederkehrender Affekte; in schweren Schlafstörungen und Albträumen; in phobischen Reaktionen, die die Vitalität des Klägers beeinträchtigten und zu Rückzugstendenzen führten; in depressiven Reaktionen mit Verlust an Lebenssinn; in massiven Konzentrationsstörungen. Zu den Akten gelangten des Weiteren ein Kernspintomographiebefund vom 13. Mai 2005, ein Gutachten des Dr. O. vom 16. Dezember 2005 für den BB., ein orthopädisches Gutachten für die Gesetzliche Rentenversicherung des Dr. P. vom 19. September 2007 sowie ein Kurentlassungsbericht der Wicker Klinik in Bad Wildungen vom 27. Februar 2008. Kernspintomographisch wurde ein Diskusprolaps in C5/6 und C6/7 bei bilateral foraminaler Komponente neuroforaminaler Deformität in den Wurzelaustritten C6 und 7, wodurch bewegungsabhängig eine entsprechende neurologische Symptomatik zu erklären sei, diagnostiziert. Dr. O. stellte als Arbeitsunfallfolge eine in guter Stellung stabil durchbaute Fraktur des ersten Mittelhandknochens rechts mit reizlos einliegendem Metall fest, ferner eine deutliche Einschränkung der Beweglichkeit im Daumengrund- und Endgelenk und eine mäßige Einschränkung der Funktion im Daumensattelgelenk sowie eine Minderung der Handspanne rechts mit Minderung der groben Kraft rechts. Die unfallbedingte Dauergebrauchsbeeinträchtigung der rechten Hand schätzte er auf 1/11 des Handwertes. Gegenüber Dr. P. gab der Kläger an, im Vordergrund stünden Schmerzen und Bewegungseinschränkung der rechten Hand und im rechten Handgelenk verbunden mit Gefühlsstörungen. Handwerkliche Arbeiten und Schreibarbeiten seien nicht mehr möglich. Die rechte Hand sei kraftlos. Weiterhin wurden Nackenschmerzen linksseitig mit Brennen und ein Tinnitus im linken Ohr angegeben, deshalb seien auch Beruhigungstabletten notwendig. Bedingt durch die Schmerzen komme es zu Konzentrationsstörungen, die Lebenslust habe abgenommen, die Vergesslichkeit zugenommen und es bestehe eine ausgeprägte Schlaflosigkeit. Dr. P. diagnostizierte eine Bewegungseinschränkung im rechten Daumengrund- und -endgelenk sowie Daumensattelgelenk bei Zustand nach operativ versorgter Bennett-Fraktur rechts, einen fixierten Rundrücken bei verstärkter BWS-Kyphose und diskreter Osteochondrospondylose der Lendenwirbelsäule und äußerte den Verdacht auf cervicale Cephalgien bei Verdacht auf Zustand nach Kontusionstrauma der Halswirbelsäule und diskrete Ostechondrospondylose der unteren Halswirbelsäule. Im Entlassungsbericht der Wicker-Klinik werden eine posttraumatische Belastungsstörung, mittelgradige depressive Störung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, hypertensive Herzkrankheit und ein Tinnitus beidseits bei Zustand nach Hörsturz diagnostiziert. Unter "Eigenanamnese" wird mitgeteilt, der Kläger komme wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung mit stark depressiver Symptomatik in Folge eines Motorradunfalls am 6. Mai 2004 zur stationären Rehabilitation. Bei dem Unfall sei es zu einer Fraktur am rechten Daumen sowie einer Thoraxprellung gekommen, des Weiteren zu einem Schleudertrauma und es habe eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit bestanden. Zu den aktuellen Beschwerden wird ausgeführt: Bei dem Kläger bestünden typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, Intrusionen (Flashbacks bzgl. des Motorradunfalls, Auslöser: Unfallort, Motorräder etc., Albträume), dissoziative Zustände, Übererregung und Vermeidungsverhalten, sozialer Rückzug. Des Weiteren bestünden eine ausgeprägte depressive Symptomatik sowie eine Somatisierungsstörung und somatoforme Schmerzstörung. Autofahren könne er nur noch begrenzt, er werde dabei sehr müde, riskiere einzuschlafen. Er fahre fast täglich an der Unfallstelle vorbei, dies lasse sich nicht vermeiden, da es sehr nah seinem Zuhause sei und es keinen anderen Weg gebe. Möglich sei, dass diese häufige Konfrontation mit dem Unfallort zu einer Chronifizierung der posttraumatischen Symptomatik geführt habe. Der Kläger habe den Motorradunfall als lebensbedrohlich erlebt, nach seiner Aussage sei zur Unfallstelle erst der Leichenwagen, dann erst der Krankenwagen gekommen. Dies habe den Kläger offensichtlich in seinem Vertrauen in das Leben erheblich erschüttert. Zum Befund im Bereich der rechten Hand wird mitgeteilt, es finde sich eine gewisse Bewegungseinschränkung des Daumens, auch die Beweglichkeit des Handgelenkes sei eingeschränkt, woraus eine sekundäre Kraftminderung resultiere. Von der Taubheit des Daumens (Verletzung eines sensiblen Endastes des Nervus radialis rechts) abgesehen, finde sich neurologischerseits keine Auffälligkeit im Bereich der rechten Hand und des rechten Armes, insbesondere keine Muskelatrophie, kein peripheres Engpasssyndrom und auch keine cervicale Wurzelreizung. Die Nackenschmerzen links seien muskulär, Hinweise für eine Radikulopathie fänden sich ebenfalls nicht.
Die Beklagte wies durch Widerspruchsbescheid vom 21. November 2008 den Widerspruch des Klägers zurück. Eine Herzerkrankung liege nicht vor. Das Tinnitusleiden könne nicht auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden. Die psychischen Beschwerden des Klägers seien ebenfalls unfallunabhängig. Dies ergebe sich aus dem Bericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Hanau vom 20. März 2007. Der Bericht der Wicker-Klinik vom 27. Februar 2008 und die dort gestellte Diagnose überzeugten nicht. Der Bericht setze sich weder mit den Vorbefunden noch mit den konkurrierenden Faktoren auseinander. Die Kausalitätsdarstellung sei besonders unkritisch, da sie etwaige konkurrierende Faktoren völlig unberücksichtigt lasse. Bezüglich der geltend gemachten Beschwerden in der Halswirbelsäule komme der Orthopäde Dr. P. zu dem Ergebnis, dass sich diese Wirbelsäulenbeschwerden durch einen fixierten und verstärkten Rundrücken bei mäßig degenerativen Wirbelsäulenveränderungen erklären ließen.
Der Kläger hat am 18. Dezember 2008 beim Sozialgericht Fulda (Sozialgericht) Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Q. ein Gutachten vom 27. August 2009 eingeholt. Der Sachverständige hat mitgeteilt, das Unfallgeschehen als solches habe während der Untersuchung des Klägers kaum eine Rolle gespielt. Seine Klagen bezögen sich vielmehr auf die Ereignisse danach, insbesondere auf die Umstände, die er als Zeichen für seine Vernachlässigung und Misshandlung empfindet, da man sich in seinem Erleben ab dem Moment, in dem die Polizeibeamten an der Unfallstelle Witze über den statt des gerufenen Rettungswagens vorbeifahrenden Leichenwagen gemacht hätten und er nach der Operation mit Drainage ohne Taxifahrt nach Hause geschickt worden sei, nicht adäquat um ihn gekümmert habe. Der Kläger habe sich in der aktuellen Exploration sehr ausführlich und sehr aufgebracht über das aus seiner Sicht versagende bis skandalöse Versorgungssystem des Sozialstaates ausgelassen. Dagegen habe ihn das Unfallereignis selbst psychisch durchaus gering beeindruckt. Diese psychische Entwicklung des Klägers nach dem Unfall werde nur vor dem Hintergrund seiner Primärpersönlichkeit verständlich, welche von starkem Leistungsbewusstsein und psychischer Stabilisierung durch Altruismus und Perfektion geprägt sei. Dies sei durch die tatsächlich unfallbedingte, teils subjektiv gesteigert wahrgenommene Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Daumens in Gefahr geraten. Der Kläger habe durch die Beeinträchtigung seiner psychischen Integrität eine zusätzliche empfindliche Kränkung erlitten. Der Kläger leide an der psychiatrischen Störung einer Anpassungsstörung mit depressiven, anderen emotionalen und somatoformen Anteilen. Diese Gesundheitsstörung sei nach dem Unfallereignis aufgetreten und wäre ohne diesen bzw. ein ähnliches Ereignis nicht aufgetreten. Die psychische Fehlentwicklung sei nicht im Erleben des Unfallereignisses als solchem begründet, sondern als an die Primärpersönlichkeit gebundene Reaktion auf die Ereignisse danach, durch die sich der Kläger anhaltend benachteiligt, gekränkt und im Stich gelassen gefühlt habe. Insofern sei das Unfallereignis nicht als alleinige Ursache der Anpassungsstörung anzusehen. Im Zusammenwirken mit anderen Ursachen habe das Unfallereignis die Anpassungsstörung hervorgerufen, wobei dieses nur eine sehr untergeordnete Rolle spiele. Die Anpassungsstörung des Klägers sei insofern vollständig unfallunabhängiger Natur, als dass sich die Symptome auf das Unfallereignis bezögen. Das Krankheitsbild müsse vielmehr der Primärpersönlichkeit des Klägers zugerechnet werden.
Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ein weiteres Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater Prof. Dr. R. vom 24. März 2010 eingeholt. Prof. Dr. R. ist zu der Beurteilung gelangt, bei dem Kläger liege eine posttraumatische Belastungsstörung gemäß ICD-10 F 43.1 vor. Die wesentlichen Kriterien, überprüft nach DSM-IV seien erfüllt, eher abgeschwächt fänden sich szenische Intrusionen des Unfalls, auch in den Akten seien diese nicht aufgelistet. Möglich sei allerdings, dass eine kurzfristige Commotio vorgelegen habe mit einer retrograden Amnesie, so dass der Kläger sich an den unmittelbaren Aufprall szenisch nicht mehr erinnern könne. Nach den ICD-10-Kriterien seien Ereignisse notwendig, die eine außergewöhnliche Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß und bei jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würden. Es werde in der Rubrik F 43.1 auf prädisponierende Faktoren hingewiesen. Gemäß DSM-IV sei das Indexereignis weiter gefasst. Hier würden auch beobachtete Ereignisse miteinbezogen, jedoch insgesamt heiße es auch, das traumatische Ereignis beinhalte das direkte persönliche Erleben "einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat ". Entscheidend seien nach DSM-IV: Schwere, Dauer und Nähe der Person bei der Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis. Der Kläger sei mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 bis 70 km/Stunde von seinem Motorrad geschleudert worden, er sei etwa 20 bis 30 Meter über den Asphalt geschleudert, so dass seine Stiefel und auch seine Ledertasche durch die Reibungswärme Verbrennungsspuren aufgewiesen hätten (so die Angaben der Ehefrau). Dann sei er auf eine Wiese gelegt worden. Hier tauchten die Erinnerungen des Klägers wieder auf. Somit habe der Kläger unmittelbare sensorische Eindrücke an das Unfallerlebnis, das zweifelsohne eine Bedrohung seines Lebens dargestellt habe. Der Kläger habe einen Helm getragen, so dass möglicherweise hierdurch nicht lebensgefährliche Verletzungen aufgetreten seien. Doch sei jedem bekannt, dass ein Aufprall dieser Art ohne Weiteres zum Tode führen könne. Der Kläger habe auch wiederkehrende, eindringlich belastende Erinnerungen an das Ereignis, die Bilder, Gedanken oder Wahrnehmung umfassten. Der Kläger könne in allen Einzelheiten schildern, wie er hilflos auf der Wiese gelegen habe. Insofern sei auch die Begebenheit mit dem Leichenwagen von Bedeutung, der kurz darauf an der Unfallstelle vorbeigefahren sei. Belastende Träume von dem Ereignis würden nicht dezidiert berichtet, sondern nur allgemein Albträume und Angstträume. Flashback-Episoden seien von dem Kläger nicht berichtet worden. Bei der Anamnese der Wicker-Kliniken sei zwar berichtet, dass typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung vorlägen mit Flashbacks, jedoch sei hier nicht genau herausgearbeitet worden, ob wirklich Intrusionen im engeren Sinne vorlägen. Es liege auch eine intensive psychische Belastung bei Konfrontation auf das traumatische Ereignis vor. Auch körperliche Reaktionen seien gleichfalls bei der Untersuchung des Klägers beobachtet worden, der Kläger habe nach Luft gerungen. Auch das Vermeidensverhalten liege vor. Wenn der Kläger vom Unfall spreche, wolle er nicht daran erinnert werden. Affektive Störungen lägen vor, Gefühle einer eingeschränkten Zukunft. Ein erhöhtes Arousal liege vor, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Wutausbrüche und Konzentrationsstörungen. Die Symptome dauerten länger als einen Monat. Das Störungsbild verursache Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 20 v. H.
Das Sozialgericht hat hierzu Dr. Q. um eine ergänzende Stellungnahme gebeten. In dieser Stellungnahme vom 22. April 2010 hat Dr. Q. die Auffassung geäußert, dass die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht gestellt werden könne. Die hierfür maßgeblichen Kriterien seien, auch wenn man die Ausführungen des Gutachtens von Prof. Dr. R. zugrunde lege, nicht erfüllt. Prof. Dr. R. hat hierauf in einer ergänzenden Stellungnahme vom 27. Juli 2010 geantwortet und an seiner Beurteilung festgehalten.
Die Beklagte hat ausgeführt, Prof. Dr. R. gehe in seiner gutachterlichen Stellungnahme von einem falschen Unfallhergang aus.
Das Sozialgericht hat die Klage mit dem Begehren, eine posttraumatische Belastungsstörung, einen Tinnitus und Beschwerden an der Halswirbelsäule als Arbeitsunfallfolgen anzuerkennen und eine Unfallrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren, durch Urteil vom 18. Oktober 2010 abgewiesen.
Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 26. Oktober 2010 zugestellte Urteil am 22. November 2010 Berufung eingelegt und ein psychiatrisch-psychosomatisch-psychotherapeutisches Gutachten des Prof. Dr. S. vom 24. Juli 2013 vorgelegt, das Prof. Dr. S. im Auftrag des Landgerichts Hanau in dem Rechtsstreit des Klägers gegen die Unfallverursacherin erstattet hatte. Dem Gutachten des Prof. Dr. S. ist zu entnehmen, dass im Rahmen seiner Begutachtung eine testpsychologische Untersuchung durch die Dipl.-Psychologin T. stattfand. Als Fragestellung wurde formuliert, ob es testpsychologische Hinweise auf eine psychopathologische Symptomatik gibt oder begründete oder objektivierbare Hinweise auf eine Simulation oder Tendenzen zur Aggravation feststellbar sind. Die erste testpsychologische Untersuchung am 15. Mai 2013, am Tag der Untersuchung durch Prof. Dr. S., musste nach Aussage des Sachverständigen nach 60 Minuten abgebrochen werden, "da der Proband sich nicht mehr konzentrieren konnte und über heftige Kopfschmerzen klagte". Beim Versuch der Testauswertung zeigten sich Schwierigkeiten, da der Kläger teilweise doppelte oder dreifache Ankreuzungen vorgenommen hatte oder Antworten ganz fehlten. Auch die Art der Antwortmuster ließen an der Validität der Antworten Zweifel aufkommen, weil teils ganze Seiten mit der gleichen Antwortmöglichkeit angekreuzt waren. Weil die Ergebnisse der ersten Testauswertung weitgehend nicht auswertbar waren, wurde eine zweite Testung am 13. Juni 2013 in der Praxis der Dipl.-Psychologin vorgenommen. Es sollten im Wesentlichen kognitive Fähigkeiten getestet werden. Die Testdiagnostik stieß ebenfalls auf Schwierigkeiten. Unter "Fazit" wurde festgehalten: "Eine gezielte testpsychologische Untersuchung ist bei Herrn G. derzeit nicht möglich. Die in der Selbstbeurteilung ausgefüllten Fragebögen dürften keinerlei verwertbare Informationen über die Exploration und Verhaltensbeobachtung hinaus erbringen. Die Daten wurden unter subjektivem Zwang erhoben und spiegeln vermutlich in keiner Weise die wirkliche Meinung und das Befinden des Probanden wider. Daher wurde auf eine weitere Auswertung verzichtet." In seiner "Beurteilung" hat Prof. Dr. S. ausgeführt: "Bei der multidimensionalen Untersuchung fanden sich keine Anhaltspunkte für eine Aggravation oder Simulation des Probanden. Es fanden sich keine Widersprüche zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Untersuchungsergebnisse, die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Probanden gerechtfertigt hätten. Durch zwei voneinander unabhängige Untersuchungssituationen kam der Proband glaubhaft an die Grenzen seiner psychophysischen Belastbarkeit. Die Angaben waren in sich stimmig und in der beobachtenden Weise glaubhaft, allerdings nicht stimmig mit der prämoriden Persönlichkeit, so wie sie von dem Probanden und seiner Ehefrau geschildert wurde. Nach der Untersuchung und der testpsychologischen Testung liegt folgende Diagnose auf psychiatrischen-psychosomatischen- und psychotherapeutischen Fachgebiet vor: Posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10: F 43.1), mittelgrade depressive Episode mit somatischem Syndrom (ICD 10: F 32.11), Verdacht auf anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD 10: F 45.40). Zu der Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung passen die Vorbefunde (z. B. das psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. R.), die Anamnese und die bei der Begutachtung erhobenen subjektiven und objektiven Befunde." Im Folgenden wurde ausgeführt, auf der Symptomebene ergäben sich bei dem Kläger folgende Symptome, die die posttraumatische Belastungsstörung nachweisen: "Der Proband war einer traumatischen Situation ausgesetzt, in der er Todesangst hatte und reagierte mit intensiver Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen. Es bestehen wiederkehrende und sich aufdrängende Erinnerungen an das Ereignis. Handeln oder Fühlen, dass das traumatische Ereignis wiederkehren könnte (z. B. nachts). Intensives psychisches Leiden bei Konfrontation mit internen oder externen Reizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder ihm ähnlich sind (objektiv bei der Exploration). Körperliche Reaktion bei Konfrontation mit internen oder externen Reizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder ihm ähnlich sind (objektiv bei der Exploration). Anhaltende Vermeidung von Reizen, die in Verbindung mit dem Trauma stehen, so die Vermeidung von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die eine Erinnerung an das Trauma wachrufen könnten. Unfähigkeit, wichtige Aspekte des Traumas wiederzugeben. Deutlich vermindertes Interesse und Teilnahme an wichtigen Aktivitäten. Eingeschränkter Affekt (z. B. Unfähigkeit, affektiv bedeutsame Freundschaften zu pflegen). Seit dem Ereignis bestehen Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, übersteigerte Vigilanz und Reizbarkeit." Die festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen seien Unfallfolge. Unfallunabhängiger Art seien die Schuldzuweisungen an Dritte bezüglich mangelnder Behandlung.
Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, Prof. Dr. S. habe die getroffene Diagnose eines "posttraumatischen Belastungssyndroms" nicht schlüssig herausgearbeitet. Dem Gutachten könnten kaum Ausführungen zur Erfüllung der Diagnosekriterien nach dem ICD 10 entnommen werden. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. U. führte als Beratungsarzt der Beklagten in einer Stellungnahme vom 22. April 2014 aus: Die Feststellungen des Prof. Dr. S., es ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Aggravation oder Simulation und keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Probanden, weil keine Widersprüche zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Untersuchungsergebnisse vorlägen, überzeugten wegen des Widerspruchs zu den Ergebnissen der selbstveranlassten testpsychologischen Diagnostik nicht. Es dränge sich der Verdacht auf, dass Prof. Dr. S. den Aussagen des Klägers zu unkritisch begegnet sei. Zumindest dürfe in Anbetracht der früheren Aggravationsvermutungen um die Ergebnisse der eigenen testpsychologischen Untersuchungen allein die Meinung des Klägers nicht als Beleg für den Zusammenhang herangezogen werden. Prof. Dr. S. diagnostiziere eine posttraumatische Belastungsstörung, es erfolge jedoch kein tatsächlicher Abgleich mit den Kriterien der ICD-10 und dem vorliegenden Fall. Prof. Dr. S. sei der Argumentationsaustausch zwischen Dr. Q. und Prof. Dr. R. offensichtlich nicht bekannt gewesen. Prof. Dr. R. und auch das Sozialgericht seien mit Dr. Q. einer Meinung, dass ohne Anerkennung des Eingangskriteriums einer posttraumatischen Belastungsstörung diese auf keinen Fall diagnostiziert und damit auch kein Unfallzusammenhang mehr hergeleitet werden könne. Es sei deshalb nochmals auf die Kriterien der ICD-10 und der neu herausgegebenen DSM-5 für den amerikanischen Sprachraum verwiesen. Für die ICD-10 gelte, dass ein Trauma, das zu einer PTBS führen könne, bei nahezu jedem eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde und eine außerordentliche Bedrohung von katastrophenartigem Ausmaß darstellen müsse. Nach DSM-5 werde ein Trauma mit tatsächlicher oder angedrohter Todesgefahr gefordert, schwerwiegende Verletzung oder sexuelle Gewalt. Nach beiden Diagnosesystemen genüge eine subjektive Bedrohung nicht. Damit werde verhindert, dass sich der Traumabegriff im Falle einer erhöhten Vulnerabilität dehnen lasse. Die individuelle Vulnerabilität könne die mangelnde Schwere eines Traumas zur Diagnosestellung einer PTBS nicht ausgleichen. Zu der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Störung gebe Prof. Dr. S. keine Erläuterung, weshalb er diese als Folge des Unfalls ansehe. Nach der geltenden psychiatrischen Lehre folge die depressive Episode oder die rezidivierende depressive Störung vor allem genetischen - und Persönlichkeitsfaktoren. Ebenso knapp und nicht überzeugend sei die Diskussion der somatoformen Schmerzstörung. Nach der ICD-10 seien entscheidende Ursache für die somatoforme Schmerzstörung emotionale Konflikte oder psychosoziale Belastungen. Solche habe es bei dem Kläger sicherlich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall gegeben. Das subjektive Kränkungserleben, der Verlust der sozialen Rolle, Schuldzuweisung an Dritte, bezüglich mangelnder Behandlung und eingeschränkter Adaptionsleistung könnten zur Entwicklung einer somatoformen Schmerzstörung beigetragen haben, seien auch sicherlich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu sehen, zählten aber nicht zu den versicherungsrechtlichen mittelbaren oder unmittelbaren Unfallfolgen. Es handele sich hierbei um Anlagebedingungen, die durch den Unfall im Sinne einer Gelegenheitsursache angestoßen worden seien, wofür der Unfall ein austauschbares Ereignis darstelle. Ein konkurrierender Kausalzusammenhang sei von Prof. Dr. S. nicht erwogen und demgemäß auch nicht argumentativ entkräftet worden.
Der Kläger hat einen Bericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Hanau vom 17. Juli 2014 vorgelegt. Darin teilen der Oberarzt Dr. V. und die Ambulanzärztin Dr. C. mit, der Kläger befinde sich aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung seit 2007 dort in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung. Diagnostiziert wurde eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F 33.1, G). Über den Befund wird mitgeteilt, der Kläger sei wach und zu allen Qualitäten orientiert. Im Kontakt geordnet. Im Affekt depressiv, die Schwingungsfähigkeit sei erhalten. Im Antrieb sei er adäquat bei bestehender innerlicher Unruhe. Es zeigten sich keine kognitiven Defizite, keine Halluzinationen oder psychotisches Erleben. Eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung liege nicht vor. Es bestehe aber ein Gefühl, nicht unterstützt zu werden mit Entwertung. Nach Aufforderung des Senats wurde ein weiterer Befundbericht vom 13. Oktober 2014 übersandt. Der Hausarzt des Klägers Dr. E. hat die ihm vorliegenden ärztlichen Unterlagen übersandt.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2015 in Änderung des angefochtenen Bescheides vom 24. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2008 als Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. Mai 2004 einen Zustand nach mittels Schraubenosteosynthese operativ versorgter, in guter Stellung stabil durchbauter Fraktur des 1. Mittelhandknochens rechts mit noch einliegendem Metall und verbliebener Einschränkung der Beweglichkeit im Daumengrund- und endgelenk sowie Funktion im Daumensattelgelenk anerkannt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 18. Oktober 2010 aufzuheben, und bei ihm als Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. Mai 2004 eine posttraumatische Belastungsstörung, einen Tinnitus und Beschwerden an der Halswirbelsäule festzustellen und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2008 und des Anerkenntnisses im Termin vom 25. August 2015 zu verurteilen, ihm Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. nach Ende des Verletztengeldanspruchs zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten und das Urteil des Sozialgerichts Kassel sind zu Recht ergangen. Der Kläger hat nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGV VII) keinen Anspruch auf Rente, da bei ihm auf Grund des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 6. Mai 2004 keine länger anhaltenden Unfallfolgen festzustellen sind, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zumindest 20 v. H. rechtfertigen.
Gesundheitsstörungen müssen im Vollbeweis nachgewiesen werden, d. h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (§ 128 Abs. 1 SGG), um als Unfallfolgen anerkannt zu werden, und zudem durch einen Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall bzw. dem Gesundheitserstschaden verbunden sein. Für diese Kausalitätsfeststellung zwischen dem Arbeitsunfall und den als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) gilt dabei wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - juris).
Soweit der Kläger ein Tinnitusleiden und HWS-Beschwerden als weitere Arbeitsunfallfolgen geltend macht, kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass diese Gesundheitsstörungen Folgen des Arbeitsunfalls sind.
Gegenüber Dr. L. gab der Kläger im April 2005 an, dass er in unregelmäßiger Abfolge ein "Klackern" im Ohr verspüre, das auch beim Essen und Gehen gelegentlich auftrete. Aufgrund der von dem Kläger geschilderten Symptome diagnostizierte Dr. L. eine wiederkehrende Tubenbelüftungsstörung, die unfallunabhängiger Natur sei. Im November 2006 und in der Zeit danach berichtete der Kläger über einen lauten Pfeifton im linken Ohr, der ständig vorhanden ist. Nach Berichten der HNO-Gemeinschaftspraxis am Klinikum Hanau vom 5. Juni 2007 und 18. Juli 2007 ist der Tinnitus im Zusammenhang mit einem Hörsturz links entstanden. Hierbei handelt es sich nach Auffassung der den Kläger behandelnden Ärzte primär um ein idiopathisches Geschehen, wobei das bestehende HWS-Syndrom, der Hypertonus sowie die psychische Dekompensation als auch die diffusen laborchemisch nachweisbaren Entzündungsreaktionen als "Trigger" mitgewirkt haben könnten. Die Ärzte fanden keine Hinweise auf eine unfallbedingte Genese. Auch die von dem Kläger anhaltend geklagten HWS-Beschwerden können nicht auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden. Die am Unfalltag erfolgte durchgangsärztliche klinische Untersuchung zeigte bezüglich der HWS unauffällige Verhältnisse. Auch die in der Folgezeit mehrfach durchgeführten klinisch-neurologischen, neurometrisch-elektromyographischen Untersuchungen zeigten ebenso wenig wie die röntgenologischen und kernspintomographischen Untersuchungen der HWS Hinweise auf unfallbedingte Gesundheitsstörungen im Bereich der Halswirbelsäule. Bei den bildgebenden Untersuchungen fanden sich im Bereich der Halswirbelsäule des Klägers lediglich degenerative Veränderungen. Der Kernspintomographiebefund vom 13. Mai 2005 zeigte Bandscheibenschäden in C5/6 und C6/7 bei bilateral foraminaler Komponente und neuroforaminaler Deformität an den Wurzelaustritten C6 und C7. Durch diesen Befund lässt sich nach Meinung des Radiologen Dr. W. eine bewegungsabhängige neurologische Symptomatik erklären. Eine bei dem Unfall evtl. erlittene leichte Halswirbelsäulen-Distorsion mit weichgewebiger Zerrung führt nicht zu anhaltenden Beschwerden im Bereich der HWS.
Die von dem Kläger geltend gemachte posttraumatische Belastungsstörung liegt als Gesundheitsstörung schon im Vollbeweis nicht vor.
Zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesystemen (z. B. ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information - DIMDI - ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt; DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahr 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Auflage 2001) erforderlich unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in juris).
Die Diagnosekriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung nach den Diagnosesystemen ICD-10 und DSM-IV sind unterschiedlich konzipiert, und zwar insbesondere hinsichtlich des Traumakriteriums, des sog. A-Kriteriums. Das Konzept nach DSM-IV stellt bei diesem Kriterium auf das individuelle subjektive Erleben des Betroffenen ab und formuliert es wie folgt:
1. Die Person erlebte, beobachtete oder war mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert, die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzungen oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhaltete (A1-Kriterium) und
2. die Reaktion der Person umfasste intensive Furcht, Hilflosigkeit und Entsetzen (A2-Kriterium).
Nach ICD-10 ist hingegen ein objektiv schweres Ereignis Voraussetzung für die Annahme des A-Kriteriums. Nach ICD-10 wird gefordert: Verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die fast bei jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.
Bei dem Kläger liegen die Kriterien nach diesen beiden Diagnosesystemen nicht vor. Für die Feststellung stützt sich der Senat insbesondere auf die Ausführungen des Dr. U. in dessen Stellungnahme vom 22. April 2014 sowie des Sachverständigen Dr. Q. in dessen Gutachten vom 27. August 2009 und in dessen Stellungnahme vom 22. April 2010. Zu Recht hat Dr. U. festgestellt, dass eine Situation "mit außergewöhnlicher Bedrohung und katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde", wie sie nach ICD-10 Voraussetzung der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ist, von dem Kläger am 6. Mai 2004 nicht erlebt wurde. Der nicht an dem Verkehrsunfall beteiligte Zeuge X., der sich mit seinem Fahrzeug hinter dem Fahrzeug der den Unfall verursachenden Fahrerin befand, führte in dem polizeilichen Zeugen-Fragebogen am 8. Mai 2004 aus: Das unfallverursachende Fahrzeug habe sich auf der Linksabbiegerspur befunden. Als die Fahrerin dieses Fahrzeugs losgefahren sei, habe sie den von links kommenden Motorradfahrer übersehen, das Fahrzeug habe das Motorrad auf der rechten Seite touchiert, worauf der Fahrer gestürzt und einige Meter auf dem Asphalt dahingerutscht sei. Er sei nur leicht verletzt worden. Auffälligkeiten bei den beiden Betroffenen habe er nicht feststellen können. Dass der Kläger, wie von ihm mehrfach behauptet, durch die Kollision der Fahrzeuge 20 bis 30 Meter durch die Luft geschleudert worden ist, wird durch diese Aussage nicht belegt. Die schriftlichen Aussagen des Zeugen X., der polizeiliche Bericht und der durchgangsärztliche Aufnahmebefund können auch nicht belegen, dass bei dem Kläger eine kurze Bewusstlosigkeit oder eine Amnesie vorgelegen hat. Im Polizeibericht wird von einer leichten Verletzung gesprochen, auch der Zeuge X. berichtet, dass der Kläger nur leicht verletzt worden sei. Auch der Kläger, der als Unfallbeteiligter während der polizeilichen Ermittlungen befragt wurde, gab zu den Unfallfolgen und der Art der Verletzungen im polizeilichen Fragebogen an, die Hand rechts sei gebrochen. Weitere Verletzungen nannte er nicht. Dieses Unfallereignis, das laut polizeilichem Protokoll an beiden Fahrzeugen nur zu einem leichten Sachschaden geführt hat und bei dem Kläger keine schwereren Verletzungen verursacht hat, ist bei der nach ICD-10 gebotenen objektiven Betrachtung (vgl. Urteil des Senats vom 25. März 2014 - L 3 U 207/11) kein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß und ist auch keineswegs in der Lage, bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorzurufen. Das A Kriterium nach ICD-10 ist deshalb hier zweifellos nicht erfüllt.
Aber auch wenn man der Beurteilung das Konzept nach DSM-IV zugrunde legt, ist bereits das A-Kriterium, auch wenn hier eine subjektive Komponente berücksichtigt wird, nicht erfüllt, wie Dr. Q. in seiner Stellungnahme vom 22. April 2010 zutreffend ausgeführt hat. Dies begründet der Sachverständige insbesondere damit, dass für die subjektive Bedrohung im Sinne von DSM-IV erforderlich ist, dass der akute Schock im Sinne von Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen mit entsprechenden Symptomen als Reaktion unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unfallereignis gesichert sein muss. Dies steht im Einklang mit dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Danach ist bei einem katastrophalen Ereignis entsprechend ICD-10 eine Latenz (von bis zu 6 Monaten) zwischen Unfall und Manifestation der psychischen Symptomatik zu beachten. Bei einem minderschweren Ereignis ist indes nach der Pathophysiologie traumatischer Erlebnisse eine zeitnahe psychische Reaktion als seelischer Gesundheitserstschaden zu erwarten, und zwar von der Qualität, wie es das A2-Kriterium nach DSM-IV voraussetzt (vgl. die Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften - AWMF - Registernr. 051/09 - Stand: 31. März 2012, gültig bis 31. März 2017 - Teil II Seiten 103, 106, 117 - www.uni-duesseldorf.de/awmf; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seiten 148, 150; vgl. auch HLSG, Urteil vom 25. März 2014 - L 3 U 207/11 - juris). Das A2-Kriterium muss dabei als seelischer Gesundheitserstschaden im Vollbeweis dokumentiert und gesichert sein (Sk2-Leitlinie a. a. O., Seite 115).
Eine Belastungsreaktion des Klägers nach dem Unfallereignis ist jedoch nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Weder aus den polizeilichen Ermittlungen noch den ärztlichen Befundberichten zeitnah nach dem Unfall lassen sich Hinweise entnehmen, dass der Kläger eine Belastungsreaktion in der oben genannten Art gezeigt hat. Angaben über Reaktionen im Sinne des A2-Kriteriums hat der Kläger auch nicht gegenüber der Dipl.-Psychologin K. am 1. November 2004 oder gegenüber Dr. J. am 29. Oktober 2004 bzw. 6. April 2005 gemacht. Im Bericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Hanau vom 20. März 2007 wird ausführlich über die Angaben und Beschwerden des Klägers während des stationären Aufenthaltes vom 13. November 2006 bis 22. Dezember 2006 berichtet. Zum Arbeits- bzw. Motorradunfall finden sich keine Angaben, die auf damit im Zusammenhang stehende psychische Reaktionen des Klägers hindeuten. Es finden sich vielmehr deutliche Hinweise auf unfallunabhängige den Kläger psychisch belastende Umstände. Im Anschluss an diesen stationären Aufenthalt wurde der Kläger von der Dipl.-Psychologin N. therapeutisch betreut. Die Dipl.-Psychologin diagnostizierte bei dem Kläger zwar eine nicht bewältigte Traumatisierung nach einem Motorradunfall. Ihre Berichte lassen jedoch nicht erkennen, auf welche konkreten Erlebnisse und Gefühle des Klägers diese Diagnose gestützt wird. Im Entlassungsbericht der Wicker-Klinik vom 27. Februar 2008 wird als Folge des Motorradunfalls eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Es wird davon ausgegangen, dass bei dem Kläger in Folge des Motorradunfalls eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit bestanden hat und der Kläger den Motorradunfall als lebensbedrohlich erlebt hat, weil zur Unfallstelle erst der Leichenwagen, dann erst der Krankenwagen gekommen sei. Dieser, der Diagnosestellung zugrunde gelegte Sachverhalt, ist nicht belegt. Wie bereits dargelegt, ist eine Bewusstlosigkeit in Folge des Motorradunfalls nicht nachgewiesen. Ein Schädelhirntrauma, das eine zeitweilige Bewusstlosigkeit des Klägers verursacht haben könnte, wurde nicht diagnostiziert. Weder der durchgangsärztliche Erstbefund noch die folgenden klinischen und bildgebenden Untersuchungsbefunde weisen auf ein Schädelhirntrauma, auch nicht in Form einer Gehirnerschütterung, hin. Auch die Annahme, dass zur Unfallstelle zuerst ein Leichenwagen gekommen sei und der Kläger deshalb die Befürchtung hatte, dass sein Leben bedroht sei, lässt sich - schon aufgrund der späteren Angaben des Klägers - nicht aufrecht erhalten. Gegenüber Dr. Q. gab der Kläger an, die Polizei habe nach ihrem Eintreffen den Rettungswagen bestellt, dann sei durch Zufall ein Leichenwagen vorbeigekommen, was die Polizisten zu "witzigen" Bemerkungen gebracht habe, sie hätten doch nur einen Krankenwagen bestellt. Ähnliche Angaben machte der Kläger gegenüber Prof. Dr. R. Er gab an, er könne sich noch erinnern, dass ein Leichenwagen vorbeigefahren sei und die Polizei wie im Scherz gesagt habe, einen Leichenwagen bräuchten sie nicht. Diese Äußerungen des Klägers können nicht dahingehend interpretiert werden, dass er wegen des vorbeifahrenden Leichenwagens Angst um sein Leben gehabt habe. Denn dem Kläger war, wie sich seiner Schilderung entnehmen lässt, durchaus bewusst, dass der Leichenwagen zufällig vorbeifuhr und es sich bei den Äußerungen der Polizeibeamten um ein "Witze machen" handelt. Der Kläger mag dieses Verhalten als Vernachlässigung und Misshandlung empfunden haben, wie dies Dr. Q. in seinem Gutachten darlegt. Dass dieses Verhalten ernsthafte Befürchtungen um sein Leben ausgelöst hat, lässt sich jedoch aufgrund der gegenüber Dr. Q. und Prof. Dr. R. gemachten Angaben nicht begründen. Hätte die Begebenheit bei dem Kläger eine intensive Furcht um sein Leben ausgelöst, wäre zu erwarten, dass er diese Empfindungen gegenüber Dr. Q. und gegenüber Prof. Dr. R. auch zum Ausdruck gebracht hätte. Dies gilt auch für das mit der Dipl.-Psychologin K. wenige Monate nach dem Unfallereignis geführte Gespräch, in dem die Empfindungen und Reaktionen des Klägers nach dem Unfall thematisiert worden waren. Zu Recht hat deshalb das Sozialgericht in seinem Urteil festgestellt, dass der Kläger selbst Gefühle von Horror, Schrecken und Hilflosigkeit über den Unfallhergang niemals geäußert hat, sich diesbezüglich zumindest keinerlei aktenkundige Hinweise finden lassen. In Anbetracht dessen können die späteren Angaben des Klägers anlässlich der Begutachtung durch Prof. Dr. S. am 15. Mai 2013 der Beurteilung, ob das A2-Kriterum vorliegt, nicht zugrunde gelegt werden. Auch gegenüber Prof. Dr. S. hat der Kläger angegeben, er habe, als er auf der Wiese gelegen habe, gehört, wie die Polizisten miteinander gesprochen und im Scherz gesagt hätten, ob sie den Leichenwagen oder den Krankenwagen gerufen hätten. Zu diesem Zeitpunkt sei wirklich ein schwarzer Volvo, ein Beerdigungswagen dort gestanden. Er sei in Panik geraten, seitdem könne er auch keinen Leichenwagen mehr sehen. Diese Angaben zu seinem subjektiven Erleben hat der Kläger erstmals neun Jahre nach dem Unfallereignis gemacht und nachdem seine Reaktion auf das Unfallereignis bzw. auf die Begebenheit mit dem Leichenwagen im Gutachten des Dr. Q. und im Urteil des Sozialgerichts thematisiert und beurteilt worden war. Der Beurteilung des Prof. Dr. R., das A-Kriterium nach DSM-IV sei im Falle des Klägers erfüllt, konnte sich der Senat nicht anschließen. Prof. Dr. R. unterstellt in seinem Gutachten vom 24. März 2010, dass das Unfallereignis für den Kläger "zweifellos eine Bedrohung seines Lebens dargestellt" habe, jedem sei bekannt, dass ein Unfall dieser Art ohne Weiteres zum Tode führen könne. Nachdem die Beklagte hiergegen Einwände geltend gemacht und die Unterlagen der polizeilichen Ermittlungen vorgelegt hatte, hat Prof. Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 27. Juli 2010 ergänzend ausgeführt, der Kläger sei nach der Kollision bei einer Geschwindigkeit von 60 km/Stunde etwa 15 bis 20 Meter weit über die Straße geschleudert worden und habe den Eindruck behalten, dass er dadurch hilflos auf einer Wiese gelegen habe. Es sei ein Zustand völliger Hilflosigkeit unmittelbar nach einem lebensbedrohlichen Ereignis gewesen. Prof. Dr. R. geht folglich davon aus, dass es sich bei dem Unfallereignis um ein objektiv lebensbedrohliches Ereignis gehandelt und dieses Ereignis bei dem Kläger ein Gefühl der Hilflosigkeit ausgelöst hat. Wie bereits dargelegt, kann aufgrund der polizeilichen Ermittlungen nur von einer leichteren Kollision der Fahrzeuge ausgegangen werden. Es ist auch nicht erwiesen, dass der Kläger durch diese Kollision derart durch die Luft geschleudert oder über die Straße geschleudert worden ist, dass dadurch lebensgefährliche Verletzungen hätten erwartet werden müssen. Hinsichtlich der von Prof. Dr. R. angenommenen subjektiven Empfindungen des Klägers fehlt es an einer diesbezüglichen Schilderung des Klägers selbst, wie dies bereits von dem Sozialgericht zutreffend ausgeführt wurde. Das von dem Kläger vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. S. führt zu keiner anderen Beurteilung. Prof. Dr. S. gibt für seine Diagnosestellung keine transparente, nachvollziehbare Begründung. Er verweist zur Begründung seiner Diagnosen auf die Untersuchung und die psychologischen Testungen, obwohl im "Fazit" festgestellt worden war, dass diese Testungen keinerlei verwertbare Informationen ergeben haben. Im Weiteren führt er Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung an, ohne zu belegen, weshalb diese Symptome seines Erachtens vorliegen.
Der Senat nimmt mit Dr. U. zudem an, dass auch die Voraussetzungen für die Annahme des A-Kriteriums nach dem neu herausgegebenen und nunmehr seit 2015 in deutscher Sprache vorliegenden DSM-5 (vgl. Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5, Deutsche Ausgabe herausgegeben von Peter Falkai und Hans-Ullrich Wittche, 2015 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG) hier nicht vorliegen. Anders als in DSM IV fällt bei DSM-5 zwar nunmehr das A2-Kriterium weg, andererseits - so zutreffend Dr. U. - lässt das A-Kriterium nach DSM-5 aber eine rein subjektive Bedrohung nicht mehr genügen. In DSM-5 (a. a. O. Seite 369) wird das A-Kriterium formuliert: Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt auf eine (oder mehrere) der folgenden Arten:
1. Direktes Erleben eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse.
2. Persönliches Erleben eines oder mehrerer solcher traumatischen Ereignisse bei anderen Personen.
3. Erfahren, dass einem nahen Familienmitglied oder einem engen Freund ein oder mehrere traumatische Ereignisse zugestoßen sind. Im Falle von tatsächlichem oder drohendem Tod des Familienmitgliedes oder Freundes muss das Ereignis bzw. müssen die Ereignisse durch Gewalt oder einen Unfall bedingt sein.
4. Die Erfahrung wiederholter oder extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren derartigen traumatischen Ereignissen (z. B. Ersthelfer, die menschliche Leichenteile aufsammeln oder Polizisten, die wiederholt mit schockierenden Details von Kindesmissbrauch konfrontiert werden).
Das diagnostische Merkmal "Konfrontation mit tatsächlichem Tod oder drohendem Tod oder ernsthafter Verletzung" wird dabei wie folgt erläutert (siehe Seite 373 f.): "Direkt erlebte traumatische Ereignisse (in Kriterium A aufgeführt) umfassen folgende Erlebnisse, sind aber nicht auf diese begrenzt: Kriegserfahrung als Soldat oder Zivilist, drohender oder tatsächlicher körperlicher Übergriff (z. B. körperlicher Angriff, Raubüberfall, Überfall auf der Straße, körperliche Misshandlung in der Kindheit), drohende oder tatsächliche sexuelle Gewalt ( ), Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen und schwere Verkehrsunfälle." Dr. U. hat zutreffend darauf verwiesen, dass das Unfallereignis diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn der von dem Kläger erlittene Verkehrsunfall kann nicht als "schwer" bezeichnet werden. Auch bei Betrachtung der übrigen Beispiele wird deutlich, dass das von dem Kläger erlebte Ereignis nicht als traumatisches Ereignis in diesem Sinne beurteilt werden kann.
Insgesamt ist festzustellen, dass nicht im Vollbeweis nachgewiesen ist, dass bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt.
Die von der Beklagten im Termin als Folgen des Arbeitsunfalles anerkannten Funktionsstörungen des rechten Daumens - Einschränkungen der Beweglichkeit im Daumengrund und -endgelenk sowie Funktionsstörung des Daumensattelgelenkes - führen nicht zu einer rentenberechtigenden MdE des Klägers. Denn die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsstörungen sind nicht vergleichbar mit dem Verlust des Daumens, z. B. nach Amputationsverletzung, der mit einer MdE von 20 v. H. bewertet wird (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 565). Da dem Begehren des Klägers nicht stattgegeben werden konnte, war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgericht zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
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