S 18 KR 532/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 532/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 123/13 NZB
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
(1.) Die Kosten eines Feuerwehreinsatzes für den Transport eines des Versicherten zum Rettungswagen sind nur dann wegen eines Leistungsversagens der Krankenkasse ausnahmsweise durch diese zu übernehmen, wenn die Verrichtung zu der die Feuerwehr hinzugezogen wurde, grundsätzlich vom Rettungsdienst bzw. Krankentransport mit eigenen Mitteln hätte durchgeführt werden können. Kann der Abtransport dagegen nicht mit der standardmäßigen Ausstattung und dem Personal des Rettungsdienstes bzw. Krankentransportes bewältigt werden, liegt der Einsatz der Feuerwehr selbst dann außerhalb des versicherten Risikos, für das die Krankenkassen einzustehen haben, wenn der Versicherte krankheits- oder verletzungsbedingt auf die Bergung angewiesen war (entgegen Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.06.2010, Az. L 10 KR 59/08).
(2.) Zur Verzinsung eines Erstattungsanspruches nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB 5.
1. Der Bescheid vom 26.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2010 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Gebühren für den Feuerwehreinsatz in Höhe von 154,00 EUR zu erstatten. Der Erstattungsbetrag ist ab dem 01.01.2011 nach § 44 Abs. 3 SGB I zu verzinsen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten eines Feuerwehreinsatzes, von Säumniszuschlägen und Mahngebühren aus der Gebührenforderung für den Feuerwehreinsatz sowie der Kosten eines gegen den Gebührenbescheid gerichteten Vorverfahrens.

Die 1960 geborene Klägerin wohnt in H. in einem modernisierten Plattenbau aus den 1970er Jahren (Typ WBS 70). Am Ostersonntag, dem 04.04.2010 erlitt die nach eigenen Angaben zirka 75 kg wiegende Klägerin daheim einen Bandscheibenvorfall mit starken einschießenden Schmerzen. Es gelang ihrem Ehemann, sie ins Bett zu bringen, wo sie bewegungslos verblieb. Der Ehemann informierte die Rettungsleitstelle, die einen Notarzt und einen Rettungswagen entsandte. Der Notarzt wies die Klägerin in das Klinikum P. ein. Um die Klägerin aus ihrer Wohnung in den Rettungswagen zu verbringen, forderte der Notarzt über die Rettungsleitstelle die Feuerwehr als Tragehilfe an. Die Freiwillige Feuerwehr der Stadt H. rückte daraufhin mit einem Löschfahrzeug mit neun Mann Besatzung sowie einem Drehleiterwagen mit weiteren drei Mann Besatzung zur Wohnung der Klägerin aus. Die Klägerin wurde anschließend, wie es im Einsatzbericht der Feuerwehr heißt, "mit Tragetuch durch Treppenhaus zum RTW geschafft". Nach der Erinnerung der Klägerin sei den Rettungskräften der Abtransport mit der Trage durch das Treppenhaus wegen der Länge der Krankentrage einschließlich der Griffe von zirka zwei Metern problematisch erschienen.

Mit einem auf den "16.03.2010" datierten und am 22.04.2010 zur Post aufgegebenen Gebührenbescheid setzte die Stadt H. gegenüber der Klägerin einen Betrag von 154,00 EUR als Gebühr für den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr fest. Als Rechtsgrundlage ist in der Begründung des Bescheides § 69 Abs. 3 Nr. 4 SächsBRKG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 4 der FF-Kostensatzung der Stadt H. angegeben (technische Hilfeleistung im Interesse der Klägerin). In Ausübung ihres Ermessens habe die Stadt H. der Klägerin nur die Kosten für den Einsatz des Löschfahrzeuges nebst Besatzung, nicht aber die Kosten des Drehleiterwagens in Rechnung gestellt.

Gegen den Gebührenbescheid erhob die Klägerin mit am 30.04.2010 bei der Stadt H. eingegangenem Schreiben vom 28.04.2010 Widerspruch, den sie damit begründete, nicht sie habe die Feuerwehr gerufen, sondern der Notarzt. Sie sei zurechnungsfähig gewesen und habe nicht um Hilfe gebeten.

Darüber hinaus beantragte die Klägerin am 21.05.2010 durch kommentarlose Weiterleitung des Gebührenbescheides der Stadt H. an die Beklagte sinngemäß die Erstattung der ihr in Rechnung gestellten Gebühren des Feuerwehreinsatzes. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.05.2010 ab. Einsätze der Feuerwehr seien gemäß § 69 Abs. 1 SächsBRKG unentgeltlich, soweit nicht § 69 Abs. 2 und 3 etwas anderes bestimme. Das bedeute, dass grundsätzlich die Gemeinde als Aufgabenträger der Feuerwehr die Kosten für Einsätze zu tragen haben, es sei denn es liege eine der Ausnahmen nach § 69 Abs. 2 oder 3 SächsBRKG vor. Eine solche Ausnahme sei jedoch nicht ersichtlich. Eine Kostenübernahme sei somit ausgeschlossen.

Ihren hiergegen am 20.08.2010 erhobenen Widerspruch vom 18.08.2010 begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, dass ausweislich des Gebührenbescheides der Stadt H. und des in dessen Begründung genannten § 69 Abs. 3 SächsBRKG der Feuerwehreinsatz gerade nicht unentgeltlich gewesen sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2010 zurück. Eine Rettungsfahrt, für deren Kosten die Krankenkasse aufzukommen habe, sei abzugrenzen von den Maßnahmen der Lebensrettung, also der Rettung - in der Regel unter Zuhilfenahme technischer Mittel - aus akuter und unmittelbarer Lebens- und Gesundheitsgefahr. Hierbei handele es sich um eine allgemein öffentlich-rechtliche Aufgabe. Zuständig für die Rettung von Menschen aus allen möglichen Gefahren im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr seien die Kommunen. Die Abgrenzung zwischen der Rettung als allgemeine Gefahrenabwehr und einer Rettungsfahrt zum Krankenhaus sei an der Stelle zu ziehen, wo die unmittelbare Gefahrensituation beseitigt sei und die Rettungsfachleute (hier: die Feuerwehr) den Kranken oder Verletzten dem Rettungsfahrzeug übergeben. Dies gelte unabhängig davon, aus welcher Gefahrenlage Menschen befreit worden sind. Die Bergung bzw. der Transport der Klägerin aus dem Haus durch die Feuerwehr mit dem dafür nötigen Gerät und Personal falle in die kommunale Zuständigkeit, während nur der Abtransport mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus in der Zuständigkeit der Krankenversicherung liege. Die Bergung bzw. der Transport aus Gefahrenlagen gehöre auch dann nicht zu den von der Gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Risiken, wenn sich eine Krankenbehandlung anschließe. Der Versicherungsschutz greife erst mit dem Transport ins Krankenhaus. Die Klägerin habe sich in einer akuten Notsituation befunden. Sie habe den Rettungswagen nicht allein und auch nicht mit Hilfe der Einsatzkräfte des Rettungswagens aufsuchen können, weshalb zum Tragen bis zum Rettungswagen die Hilfe der Feuerwehr erforderlich geworden sei. Nur die Rettungsfahrt ins Krankenhaus sei von der Leistungspflicht der Krankenkasse umfasst. Der Einsatz der Feuerwehr sei dem kommunalen bzw. privaten Bereich zuzurechnen, weshalb auch der Gebührenbescheid für die Leistungen der Feuerwehr direkt an die Klägerin ergangen sei.

Die Stadt H. wies den gegen den Gebührenbescheid vom "16.03.2010" (Postaufgabedatum: 22.04.2010) gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 28.04.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2010 ebenfalls zurück. Die Stadt stützte die Gebührenforderung wiederum auf § 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 und § 69 Abs. 3 Nr. 4, SächsBRKG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 4 FF-Kostensatzung der Stadt H ... Die Gebührenpflicht knüpfe daran an, dass der Einsatz im Interesse der Klägerin am sichersten und schnellsten Transport gelegen habe. Die Zustimmung des Betroffenen sei nicht erforderlich.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 26.05.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 29.09.2010 richtet sich die am 01.11.2010 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage, mit der die Klägerin die Erstattung von insgesamt 205,45 EUR nebst Verzugs- und Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt. Die geltend gemachte Hauptforderung setzt sich wie folgt zusammen:

Gebühren für den Feuerwehreinsatz lt. Gebührenbescheid der Stadt H. 154,00 EUR

Säumniszuschläge aus der Gebührenforderung der Stadt H. 3,00 EUR

Mahngebühren aufgrund der Gebührenforderung der Stadt H. 5,00 EUR

Gebühren des Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid der Stadt H. 43,45 EUR

Insgesamt 205,45 EUR

Die Klägerin habe am 12.11.2010 auf den Gebührenbescheid der Stadt H. für die Kosten des Feuerwehreinsatzes 154,00 EUR zuzüglich 3,00 EUR Säumniszuschläge und 5,00 EUR Mahngebühren sowie am 22.11.2010 Gebühren für den Widerspruch gegen den Gebührenbescheid der Stadt H. in Höhe von 43,45 EUR an die Stadt H. gezahlt. Diese Beträge habe die Beklagte ihr zu erstatten. Der Anspruch ergebe sich aus § 13 Abs. 3 Satz 1 und § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 SGB V. Die Hilfestellung der Feuerwehr beim Abtransport aus der Wohnung zum Rettungswagen sei keine Maßnahme der allgemeinen Gefahrenabwehr gewesen, wie das bei der Bergung Verletzter aus Fahrzeugen der Fall sei. Die Klägerin sei auf Grund des Bandscheibenvorfalls nicht mobil gewesen. Der Transport aus der Wohnung zum Rettungswagen sei Teil des Rettungsweges und von § 60 SGB V mit abgedeckt. Die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung beginne nicht erst, wenn der Patient die Treppe heruntergekommen und in den Rettungswagen gestiegen sei. Da Rettungswagen nur in akuter gesundheitsgefährdender Situation eingesetzt würden, seien die Patienten in der Regel nicht mobil. Nach der gegenteiligen Auffassung der Beklagten müsse sich der immobile Patient selbst um die Verbringung in den Rettungswagen kümmern. Das sei lebensfremd.

Die Bevollmächtigten der Klägerin verweisen auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17.05.2010, Az. 1 S 2441/09, wonach die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten des Transportes eines stark übergewichtigen gehunfähigen Patienten mittels Drehleiter aus der Wohnung zum Krankenwagen zu tragen habe. Sie nehmen darüber hinaus Bezug auf das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17.06.2010, Az. L 10 KR 59/08, wonach die Krankenkasse die Kosten eines vom Rettungsdienst im Zusammenhang mit einer notwendigen Krankenfahrt veranlassten Einsatzes der Freiwilligen Feuerwehr zur Beförderung eines Versicherten aus seiner Wohnung auf die Straße und zurück zu tragen habe, soweit der Einsatz allein der Durchführung des Transportes zum Zwecke der Krankenbehandlung diene und dieser der Leistungspflicht der Krankenkasse unterfalle.

Die von der Klägerin gezahlten Säumniszuschläge, Mahngebühren und Widerspruchsgebühren seien, nachdem die Beklagte die Freistellung von der Gebührenforderung der Stadt H. für den Feuerwehreinsatz abgelehnt hatte, als Verzugsschaden auszugleichen.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 26.05.1010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 205,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 162,00 EUR ab dem 02.09.2010 und aus weiteren 43,45 EUR ab Rechtshängigkeit zu zahlen

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Krankentransport umfasse nur die Kosten der in den Krankentransport-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses benannten Transportmittel, nicht jedoch die besonderen Bergungseinrichtungen der Feuerwehr. Geschuldet werde nach § 60 SGB V nur die Beförderung mit den im Gesetz genannten Fahrzeugen, nicht dagegen die Ermöglichung des Transportes selbst. Die Krankenkasse treffe keine Pflicht, für alle Kosten aufzukommen, welche durch die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes entstehen. Das Gesetz begrenze den Leistungsanspruch auf Transporte, die aus qualifizierten Gründen im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse notwendig seien (Verweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 06.11.2008, Az. B 1 KR 38/07 R). Rettungsfahrten im Sinne des § 60 SGB V seien gegenüber Maßnahmen der Lebensrettung abzugrenzen, wobei die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit der Krankenkasse einerseits und der Kommune andererseits nach der Beseitigung der unmittelbaren Gefahrensituation und der Übergabe des Kranken oder Verletzten an das Rettungsfahrzeug zu ziehen sei. Eine Erstreckung der Fahrtkostenerstattung auf die Kosten von Nebenleistungen, die von den Transportkosten nicht umfasst seien, komme nicht in Betracht. Insoweit weise die Bergung aus der Wohnung im Unglücksfall (z.B. Sturz) keinen Unterschied zur Bergung Verletzter aus einem Unfallfahrzeug auf. In beiden Fällen gehöre die Hilfestellung zu den technischen Hilfen im Sinne von § 2 SächsBRKG und gehöre nicht zur Rettungsfahrt.

Die Beklagte beruft sich auf das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 07.04.2005, Az. S 15/21 KR 445/04, wonach die Kosten der Bergung eines Verletzten von der Skipiste und der Transport zum Krankentransportwagen mittels eines Hundeschlittens der Bergwacht nicht von den Kosten des Krankentransportes nach § 60 SGB V umfasst sei. Diese Norm umfasse nicht die Kosten der Rettung aus akuter Gefahr. Das von der Klägerin für ihre Auffassung in Anspruch genommene Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17.06.2010, Az. L 10 KR 59/08, sei in seiner Begründung ungenau bzw. in sich widersprüchlich, soweit dort zur notwendigen Abgrenzung zwischen Lebensrettung und Rettungsfahrt lediglich festgestellt werde, dass auch ein Unglücksfall Ursache für einen Krankentransport sein könne. Im Übrigen sei die Notwendigkeit, die Feuerwehr hinzuzuziehen, nicht erkennbar. Dass die Rettungskräfte die Klägerin nicht hätten zum Rettungswagen transportieren können, sei nicht plausibel.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gerichtliche Verfahrensakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27.03.2013 sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten und der Stadt H. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung des für den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr gemäß dem Gebührenbescheid der Stadt H. vom "16.03.2010" (Postaufgabedatum: 22.04.2010) aufgewandten Betrages von 154,00 EUR. Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin auch die Erstattung der Säumniszuschläge, Mahngebühren und Widerspruchsgebühren in Höhe von insgesamt 51,45 EUR begehrt.

Als Rechtsgrundlage für die Erstattung der durch den Gebührenbescheid der Stadt H. der Klägerin auferlegten Kosten des Feuerwehreinsatzes in Höhe von 154,00 EUR kommt hier allein § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 SGB V in Betracht (so Bundessozialgericht, Urteil vom 02.11.2007, Az. B 1 KR 4/07 R). Nach dieser Vorschrift sind, wenn eine Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Transport der Klägerin aus ihrer Wohnung zum Rettungswagen, um die Rettungsfahrt ins Krankenhaus zu ermöglichen, war unaufschiebbar. Nach Lage der Dinge handelte es sich um einen Einsatz zur Notfallrettung. § 2 Abs. 2 Satz 2 SächsBRKG definiert als Notfallrettung, die in der Regel unter Einbeziehung von Notärzten erfolgende Durchführung von lebensrettenden Maßnahmen bei Notfallpatienten, die Herstellung ihrer Transportfähigkeit und ihre unter fachgerechter Betreuung erfolgende Beförderung in das für die weitere Versorgung nächstgelegene geeignete Krankenhaus. Notfallpatienten sind gemäß Satz 3 der Vorschrift Kranke oder Verletzte, die sich in Lebensgefahr befinden oder bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn sie nicht umgehend medizinische Hilfe erhalten.

Aufgrund der Entscheidung des Notarztes, die Klägerin als Akutpatientin mit dem Rettungstransportwagen stationär einzuweisen, muss eine solche Situation angenommen werden. Es bedarf keiner Erörterungen, ob nicht im vorliegenden Falle auch ein Verbleib der Klägerin daheim mit schmerzstillender Medikation, die Inanspruchnahme des vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes im Hausbesuch oder ein Abtransport im Krankentransportwagen ausreichend gewesen wäre. Immerhin stellt sich bei einem Bandscheibenvorfall mit den hierfür typischen starken Schmerzen, im vorliegenden Falle verbunden mit Immobilität, und der nicht auszuschließenden Gefahr einer kompressionsbedingten Schädigung der Nervenwurzeln die Frage nach einer daraus eventuell resultierenden Indikation für eine unverzügliche Operation. Die Entscheidung des einweisenden Notarztes stellt sich jedenfalls aus Sicht der Klägerin nicht als offensichtlich fehlerhaft dar. Da in der konkreten Behandlungssituation der hinzugezogene Notarzt den Behandlungsanspruch des Versicherten konkretisiert, ist die Beklagte im Leistungsverhältnis zur Klägerin hieran gebunden.

Die Beklagte war ohne die Hinzuziehung der Kräfte der Feuerwehr in der gegebenen Situation auch nicht in der Lage, mit den als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung bereitgestellten Mitteln den vom Notarzt veranlassten Abtransport zur Behandlung im Krankenhaus zu erbringen, weil die vom Träger des Rettungsdienstes mit dem Abtransport beauftragten Rettungskräfte sich - aus welchen Gründen auch immer - außer Stande sahen, die Klägerin aus ihrer Wohnung bis zum Rettungswagen zu bringen.

Der Transport der Klägerin bis zum Rettungswagen war hier noch von dem durch die Beklagte im Rahmen ihrer Sachleistungsverpflichtung zu erfüllenden Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Es handelt sich dabei um eine Annexleistung zu der von der Krankenkasse gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V als Sachleistung geschuldeten Rettungsfahrt zum Krankenhaus.

Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass zu einer abschließenden Erörterung der Frage, in welchen Fällen die zur Notfallrettung eingesetzten Mittel noch von der Sachleistungsverpflichtung der Krankenkasse zur Durchführung von Krankentransporten nach § 60 Absatz 2 Satz 1 SGB V umfasst sind und wann die zur Ermöglichung des Transportes eingesetzten technischen Hilfen über den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen. Allerdings hält die Kammer die von der Beklagten geforderte Abgrenzung anhand einer Unterscheidung zwischen dem Rechtskreis der Gefahrenabwehr, wie er in den landesrechtlichen Gesetzen über den Brandschutz, den Rettungsdienst und den Katastrophenschutz geregelt ist, einerseits und den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung andererseits im Sinne einer Trennung der Aufgabenbereiche für unzutreffend. Die Aufgaben des Rettungsdienstes und die nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V von den Krankenkassen zu erbringenden Leistungen zur Behandlung einer Krankheit einschließlich der hierfür nach § 60 SGB V bereitzustellenden Transportleistungen überschneiden vielmehr einander. Gerade die wechselseitige Verzahlung zwischen dem öffentlich-rechtlich organisierten System der Gesundheitsvorsorge und Gefahrenabwehr, in dessen Rahmen die kommunalen Träger (Rettungszweckverbände) die Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransports sicherzustellen haben, auf der einen Seite und die in § 60 Abs. 1 und 2 sowie § 133 SGB V verankerte Kostenträger- und Leistungszuständigkeit der Krankenkassen auf der anderen Seite wie auch die in § 28 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 SächsBRKG geregelte gemeinschaftliche Sicherstellungsverpflichtung der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung und der Landesärztekammer tragen diesem Umstand Rechnung. Die Einstandspflicht der Krankenkassen zur Finanzierung der im Rahmen von Rettungsmaßnahmen eingesetzten sachlichen und personellen Mittel ist deshalb an Hand des vom Fünften Buch Sozialgesetzbuch bestimmten Leistungsumfanges der gesetzlichen Krankenversicherung zu beurteilen.

Vor diesem Hintergrund teilt das Gericht die von der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17.06.2010, Az. L 10 KR 59/08, juris Rn. 35, erhobenen Einwände, soweit dort versucht wird, die Leistungspflicht der Krankenkasse für Krankentransportleistungen danach abzugrenzen, ob eine konkrete Leistung auf die Beförderung des Versicherten zur Krankenbehandlung gerichtet sei (dann Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung) oder ob es um die Rettung aus einer Gefahrensituation gehe, welche auch ohne anschließende Beförderung zur Krankenbehandlung erforderlich sei (dann keine Leistungspflicht der Krankenkasse). Die Kammer hält eine solche Differenzierung angesichts der Vielgestaltigkeit der eintretenden Situationen für nicht praktikabel.

Ebenso undurchführbar erscheint die Erstreckung der Leistungspflicht der Krankenkasse auf sämtliche Hilfeleistungen, die dem Zweck untergeordnet sind, die von den Krankenkassen nach § 11 Abs. 2 SGB V geschuldeten Leistungen zu ermöglichen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind gerade nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Es ist vielmehr mit Artikel 2 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die von den gesetzlichen Krankenkassen geschuldeten Leistungen nur nach Maßgabe eines gesetzlich definierten Leistungskataloges bereitgestellt werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.12.2005, Az. 1 BvR 347/98, juris Rn. 58; Beschluss vom 12.12.2012, Az. 1 BvR 69/09, juris Rn. 8).

Der Versicherungsfall in der gesetzlichen Krankenversicherung ist durch den Leistungsfall definiert. Ein Anspruch auf Leistungen erwächst dem Versicherten nicht bereits daraus, dass sich das Risiko, zu erkranken oder sich zu verletzen, verwirklicht hat, sondern erst daraus, dass der Versicherte in Folge einer Krankheit oder Verletzung auf die spezifischen Gesundheitsleistungen angewiesen ist, die nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch zur Erreichung der in § 11 Abs. 2 SGB V genannten Ziele bereitgestellt werden.

Dies kommt im Gesetz beispielhaft dadurch zum Ausdruck, dass nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung oder zum Behinderungsausgleich vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht umfasst sind, wenn es sich um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens handelt. Es spiegelt sich ferner darin wieder, dass unspezifische Maßnahmen der Gesunderhaltung (namentlich Sport) dem Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V zugeordnet sind oder dass beispielsweise Lebensmittel, sofern sie nicht in spezieller krankheitsadaptierter Zubereitung angeboten werden, durch § 31 Abs. 5 SGB V implizit aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen werden (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.06.2006, Az. B 1 KR 18/06 B; Beschluss vom 26.09.2006, Az. B 1 KR 16/06 B). Vor diesem Hintergrund erscheinen die von der Klägerin für ihre Auffassung in Anspruch genommenen Entscheidungen des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17.06.2010, Az. L 10 KR 59/08, und des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom 17.05.2010, Az. 1 S 2441/09, durchaus einer kritischen Würdigung bedürftig. Kräne und Drehleitern sind ebenso wenig zu therapeutischen oder rehabilitativen Zwecken konstruiert wie es sich bei Feuerwehrleuten oder Katastrophenhelfern des Technischen Hilfswerkes um typische Gesundheitsberufe handelt, wie sie für den Kreis der Leistungserbringer nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch prägend sind.

Ausgehend von diesen Maßstäben resultiert der Leistungsanspruch der Klägerin im vorliegenden Falle nicht etwa daraus, dass es zur Verbringung in den Rettungswagen zwingend der besonderen technischen Hilfen der Feuerwehr bedurft hätte, sondern - im Gegenteil - daraus, dass gerade kein Grund erkennbar ist, warum die Mitarbeiter des Rettungsdienstes sich hier außer Stande gesehen haben, die Klägerin ohne die Hilfe der Feuerwehr zum Rettungswagen zu transportieren.

Gemäß § 3 Nr. 3 SächsBRKG sind die Rettungszweckverbände Aufgabenträger des bodengebundenen Rettungsdienstes. Kostenträger für Rettungsfahrten gesetzlich Krankenversicherter sind dagegen gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V die Krankenkassen. Diese sind gegenüber den Versicherten zur Sachleistung verpflichtet, wozu sie mit den Leistungserbringern gemäß § 133 Abs. 1 SGB V Entgeltvereinbarungen schließen. Hinsichtlich des Inhaltes der nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V geschuldeten Leistungen knüpft das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch auf Grund der wechselseitigen Verschränkung mit der landesrechtlich geregelten Organisation des Rettungsdienstwesens durch § 27 (Rettungsmittel), § 28 (notärztliche Versorgung) und § 29 (Personal und Fahrzeuge) SächsBRKG an die landesrechtlichen Vorschriften über das Rettungswesen - nicht aber über den Brand- und Katastrophenschutz - an. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 3 SächsBRKG sind die Krankenkassen deshalb als Kostenträger eigens in die Auswahl der mit der Durchführung der Notfallrettungen und des Krankentransportes betrauten privaten Leistungserbringer einbezogen.

Gemäß § 29 Abs. 1 SächsBRKG haben bei Notfallrettungs- und Krankentransporteinsätzen nach näherer Maßgabe des Landesrettungsdienstplanes mindestens zwei fachlich geeignete Personen mitzuwirken. Gemäß § 29 Abs. 2 SächsBRKG sind für die Notfallrettung und den Krankentransport entsprechend den näheren Maßgaben des Landesrettungsdienstplanes geeignete Krankenkraftwagen einzusetzen. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a SächsLRettDPVO sind für die Durchführung von Notfallrettungen Rettungswagen nach DIN EN 1789 Typ C einzusetzen. § 6 Abs. 1 Satz 1 SächsLRettDPVO ordnet an, dass Rettungswagen mit mindestens einem Rettungssanitäter und einem Rettungsassistenten zu besetzen sind. Die Bestückungsliste von Rettungswagen nach DIN EN 1789 Typ C umfasst neben der üblichen Trage auch einen klappbaren Tragestuhl, eine Schaufeltrage oder ein Rettungstragetuch.

Die Klägerin wies ein für Versicherte beiderlei Geschlechts durchschnittliches Gewicht auf. Sie hielt sich in ihrer Wohnung in einem Wohnhaus auf, dass mit Rücksicht auf die bauliche Standardisierung geradezu als Inbegriff des Normalfalles bezeichnet werden kann. Das Treppenhaus solcher Häuser weist keine Besonderheiten auf, die ein dem Bereich der Eigenverantwortung zuzurechnendes gesteigertes Risiko hinweist, mittels technischer Hilfen geborgen werden zu müssen. Die Klägerin hatte sich nicht in eigener Verantwortung an einen schwer zugänglichen Ort begeben, von dem sie nur unter Einsatz von Mitteln und Personal weggebracht werden konnte, das nicht in erster Linie wegen der Erkrankung bzw. Verletzung hinzugezogen werden muss, sondern wegen des nicht durch diese Risiken bedingten Eintritts einer die Bergung erfordernden Notlage (wie in dem vom Sozialgericht Gießen im Urteil vom 07.04.2005, Az. S 15/21 KR 445/04, beurteilten Einsatz der Bergwacht).

Die Mitarbeiter des Rettungsdienstes hätten demnach allein mit Hilfe der ihnen standardmäßig für den Transport Kranker oder Verletzter zum Rettungswagen bereitgestellten Mittel in der Lage sein müssen, die Strecke bis zum Rettungswagen mit der Klägerin zu bewältigen. Der objektiv für den Transport aus der Wohnung zum Rettungswagen erforderliche Leistungsbedarf ist somit weder einem versicherungsfremden Risiko zuzurechnen, noch bedurfte es anderer als krankheits- bzw. behinderungsadaptierter Hilfsmittel oder einer besonderen Qualifikation des Personals, über welche die den Gesundheitsberufen angehörenden Leistungserbringer der gesetzlichen Krankenkassen nicht verfügen.

Aus welchen Gründen sich die Mitarbeiter des Rettungsdienstes zum Abtransport außer Stande gesehen haben, bedarf keiner Mutmaßungen. Objektiv liegt ein Versagen des gesetzlichen Leistungssystems vor, das sich die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin wie das eines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen muss. Auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an.

Die von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V mit dem Wort "dadurch" vorausgesetzte Kausalität zwischen dem Unvermögen der Beklagten zur Erbringung der Sachleistung und der Entstehung der Kostenlast bei der Klägerin ist gegeben. Die Hinnahme des Gebührenbescheides der Stadt H. durch die Klägerin, welche die Zurückweisung des gegen den Gebührenbescheid gerichteten Widerspruchs durch den Widerspruchsbescheid der Stadt vom 08.10.2010 hat in Bestandskraft erwachsen lassen, kann nicht der Klägerin als eigenverantwortlich gesetzte Folge allein zugerechnet werden. Der Gebührenbescheid der Stadt H. ist nicht so offensichtlich rechtswidrig, dass die Klägerin eine Obliegenheit getroffen hätte, hiergegen notfalls verwaltungsgerichtlich vorzugehen, anstatt die daraus resultierende Kostenbelastung auf die Beklagte abzuwälzen. Insbesondere erscheint es keineswegs als zwingend, dass die von der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt H. geleistete Technische Hilfe hier hätte unentgeltlich erfolgen müssen. Gemäß § 69 Abs. 1 SächsBRKG sind die Einsätze der Gemeindefeuerwehr zur Brandbekämpfung und zur Technischen Hilfe nur dann unentgeltlich, soweit nicht § 69 Abs. 2 und 3 etwas anderes bestimmt. § 69 Abs. 2 SächsBRKG ordnet in bestimmten - hier nicht einschlägigen - Fällen zwingend die Kostenpflicht des Verursachers oder Veranlassers bzw. des aus anderen Gründen Finanzierungsverantwortlichen an. § 69 Abs. 3 Nr. 4 SächsBRKG erlaubt den Gemeinden für alle anderen Leistungen der Gemeindefeuerwehr die satzungsmäßige Erhebung von Kosten, unter anderem von demjenigen, in dessen Interesse der Einsatz erfolgt ist. Mehrere zum Kostenersatz Verpflichtete haften dabei gemäß § 69 Abs. 4 SächsBRKG als Gesamtschuldner. Von der Möglichkeit der Kostenerhebung beim Begünstigten hat die Stadt H. mit § 3 Abs. 2 Nr. 4 der FF-Kostensatzung Gebrauch gemacht. Als im Regelfall unentgeltliche Technische Hilfe im Sinne des § 69 Abs. 1 SächsBRKG definiert § 2 Abs. 1 Satz 2 SächsBRKG die Hilfeleistung für Menschen, Tiere, Sachwerte und die Umwelt bei Schäden und öffentlichen Notständen durch Naturereignisse und Unglücksfälle unter Einsatz von Kräften und Mitteln der Feuerwehr. Unglücksfall im Sinne dieses Gesetzes ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 4 SächsBRKG ein plötzlich eintretendes Ereignis, das erhebliche Gefahren für Menschen, Sachen oder die Umwelt verursacht und den Einsatz von Kräften und Mitteln der Feuerwehr erforderlich macht. Allein der Umstand, dass hier ein Notfall im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 SächsBRKG angenommen werden muss, in dem schwere gesundheitliche Schäden für die Klägerin zu befürchten waren, wenn nicht umgehend medizinische Hilfe erteilt wird, indiziert noch nicht ein über den unmittelbaren (Bandscheiben-)Vorfall hinausgehendes Gefahrenpotential im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 4 SächsBRKG.

Erfolgt ein Rettungswagentransport als Sachleistung, weil der Notarzt ihn am Einsatzort angeordnet und der Versicherte ihn entgegen genommen hat, kann dem Versicherten nicht vorgehalten werden, der Arzt habe die Notwendigkeit falsch eingeschätzt (Vertrauensschutz; vgl. z.B. Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.11.2006, Az. B 1 KR 32/04 R, juris Rn. 48; Urteil vom 06.11.2008, Az. B 1 KR 38/07 R, juris Rn. 20). Auch löst eine Rettungsfahrt zum Krankenhaus den Anspruch auf Fahrtkosten bereits aus, wenn sich später herausstellt, dass eine stationäre Behandlung nicht erforderlich war (§ 60 Absatz 2 Nr. 2 SGB V).

Freilich lässt § 69 Abs. 3 SächsBRKG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 4 FF-Kostensatzung verschiedene Deutungen zu, in wessen "Interesse der Einsatz erfolgt" ist. Neben der Klägerin, die den Abtransport durch die Feuerwehr über sich ergehen lassen musste, trifft dieses Kriterium ebenso auf den eingesetzten Rettungsdienst (hier: die J.-U. e.V.) zu, dessen Mitarbeiter sich hier außer Stande gesehen haben, mit eigenen Mitteln und aus eigener Kraft die Klägerin in den Rettungswagen zu bringen, wie auch auf die Beklagte als für die Erbringung von Rettungsfahrten gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V Sachleistungsverpflichtete. Auf Grund des bewusst weit gefassten Tatbestandes der Norm ist insoweit am ehesten von einer Gesamtschuld im Sinne des § 69 Abs. 4 Satz 1 SächsBRKG auszugehen. Der Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern hat sich indessen wiederum nach den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch über die Finanzierungsverantwortung des Sachleistungspflichtigen zu richten, der seinerseits nur auf den Rückgriff über die Leistungserbringerkette zu verweisen ist. Insoweit stellt § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V die speziellere Vorschrift für den Ausgleich der durch den Einsatz verursachten Kosten dar. Die persönliche Verpflichtung der Klägerin zur Entrichtung der Gebühren für den Feuerwehreinsatz gegenüber der Stadt H. bleibt hiervon unberührt. Die Erstattungspflicht der Beklagten setzt sogar voraus, dass die Klägerin wirksam und bindend gegenüber der Stadt H. mit den Gebühren für den Feuerwehreinsatz belastet ist.

Die Verzinsung der Erstattungsforderung richtet sich nach § 44 Absatz 1 SGB I. Danach sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V unterfällt dem Anwendungsbereich von § 44 SGB I. Diese Vorschrift erfasst alle Sozialleistungen, die in der Zahlung eines Geldbetrages bestehen. Auch wenn der Erstattungsanspruch an die Stelle einer Dienst- oder Sachleistung tritt, ist er auf eine Geldleistung gerichtet. Die Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs entspricht auch dem Zweck des § 44 Abs. 1 SGB I, die Nachteile verspäteter Zahlung auszugleichen und die Rechtsstellung des einzelnen zu stärken, indem sie die sozialrechtlichen Ansprüche weitgehend den schuldrechtlichen Ansprüchen angleicht (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.12.2009, Az. L 1 KR 5/09).

Fällig und gemäß § 44 Abs. 1 SGB I nach Ablauf eines Kalendermonats verzinsbar wird die Erstattungsforderung mit ihrer Entstehung. Erst mit Begleichung der Drittforderung wandelt sich der Freistellungsanspruch in die auf Geld gerichtete Erstattungsforderung um. Der Freistellungsanspruch ist noch nicht zu verzinsen. Er ist nicht auf eine Geldleistung an den Versicherten, sondern einen Dritten gerichtet. Der Wert des Anspruchs auf Befreiung von einer Verbindlichkeit unterliegt deshalb keinem pauschalisiert durch Zinsen ausgleichbaren Kaufkraftverlust, im Gegenteil.

Entstanden und fällig geworden ist die Erstattungsforderung mit der Begleichung der Gebührenforderung der Stadt H. am 12.11.2010. Die Verzinsung kann somit nach Ablauf des auf dieses Datum folgenden Kalendermonats (Dezember 2010), mithin ab dem 01.01.2011, beginnen.

Gemäß § 44 Abs. 2 SGB I beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden gemäß § 19 Satz 1 SGB IV auf Antrag erbracht. Hierbei ist es irrelevant, ob der Antrag lediglich verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Bedeutung hat, weshalb die meisten Sozialleistungen hierunter fallen. Da es sich bei der Erstattung des für die Selbstbeschaffung aufgewandten Betrages um eine von der Geltendmachung abhängige und damit antragsabhängige Leistung handelt, gilt das auch für Erstattungsleistungen nach § 13 Abs. 3 SGB V.

Die Geltendmachung des Anspruchs setzt nicht dessen Fälligkeit voraus. Mit Rücksicht auf den Zweck der Sechsmonatsfrist, dem Leistungsträger eine ausreichende, aber auch notwendige Bearbeitungszeit zur Feststellung der Anspruchsberechtigung und Leistungshöhe einzuräumen, um ihn vor ungerechtfertigten Zinsforderungen zu schützen (Bundessozialgericht, Urteil vom 28.05.1997, Az. 8 RKn 2/96, juris Rn. 19), hat die Kammer für den Beginn der Frist den am 21.05.2010 bei der Beklagten eingegangenen Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme ausreichen lassen. Denn der damit zunächst nur geltend gemachte Freistellungsanspruch war zugleich bereits auf die Vermeidung der mit dem Erstattungsanspruch auszugleichenden Kostenbelastung der Klägerin gerichtet. Für die Frage der Anspruchsfeststellung durch die Behörde kommt es - anders als im Rahmen des § 44 Abs. 1 SGB I - auf die Unterschiede zwischen dem Erstattungs- und dem Freistellungsanspruch nicht an.

Verzinst werden gemäß § 44 Abs. 3 SGB I volle Euro-Beträge, wobei der Kalendermonat mit dreißig Tagen zu Grunde zu legen ist.

Für die von der Klägerin über die Zinsen nach § 44 SGB I hinaus geforderten Verzugs- und Rechtshängigkeitszinsen fehlt dagegen die Rechtsgrundlage (vgl. bereits Bundessozialgericht, Urteil vom 16.12.1964, Az. 12 RJ 526/64, juris Rn. 12 ff.); § 44 SGB I gilt für die Verzinsung der streitgegenständlichen Forderung speziell und abschließend.

Eine Erstattung der an die Stadt H. entrichteten Säumniszuschläge und Mahngebühren kommt nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht in Betracht. Es handelt sich hierbei nicht um Kosten, die dem Leistungsversagen der Beklagten als Folge zugerechnet werden können. Die Klägerin war auf Grund des Gebührenbescheides der Stadt H. persönlich zur Zahlung der Gebühren für den Feuerwehreinsatz verpflichtet. Die verbindliche Inanspruchnahme der Klägerin ist gerade die Voraussetzung dafür, dass die Beklagte die Klägerin von der Gebührenforderung freistellen bzw. ihr die gezahlten Gebühren erstatten kann; anderenfalls würde es schon an einer wirksamen Kostenbelastung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V fehlen. War aber die Klägerin gegenüber der Stadt H. zunächst persönlich Primärschuldnerin der Gebühren für den Feuerwehreinsatz, handelte sie auf eigene Verantwortung und eigenes finanzielles Risiko, wenn sie die Gebührenforderung gegenüber der Abgabengläubigerin nicht erfüllt, sondern säumig bleibt. Dass die Beklagte die Klägerin nicht unverzüglich von der Gebührenforderung freigestellt hat, hinderte die Klägerin nicht, ihrer eigenen Zahlungsverpflichtung gegenüber der Stadt H. zunächst nachzukommen und so die Entstehung der Mehrkosten zu verhindern.

Auch ein Ersatz als Verzugsschaden kommt - ganz gleich auf welcher Rechtsgrundlage - aus diesem Grunde nicht in Betracht, weil es unter wertenden Zurechnungsgesichtspunkten an der für einen solchen Schadensersatzanspruch vorausgesetzten Kausalität zwischen der Nichterfüllung des Freistellungsanspruchs der Klägerin durch die Beklagte und der Belastung der Klägerin mit den säumnisbedingten Mehrkosten durch die Stadt H. fehlte. Zumindest aber hat die Klägerin ihre Obliegenheit verletzt, den Eintritt des Vermögensschadens zu verhindern, indem sie ihrer eigenen Zahlungsverpflichtung gegenüber der Stadt H. nachkommt.

Das Gleiche gilt im Ergebnis hinsichtlich der Kosten des erfolglosen Widerspruchs der Klägerin gegen den Gebührenbescheid der Stadt H ... Ein Ersatz auf Grundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V kommt ganz offensichtlich nicht in Betracht, weil es sich um Kosten der Rechtsverfolgung handelt, welche die Klägerin in eigener Verantwortung eingegangen ist. Weder durch das der Beklagten zurechenbare Versagen der Rettungsdienstkräfte beim Abtransport der Klägerin aus der Wohnung noch durch die Nichterfüllung der Freistellungspflicht hinsichtlich der Feuerwehr-Gebührenforderung hat die Beklagte eine Ursache dafür gesetzt, dass die Klägerin ein erfolgloses Widerspruchsverfahren gegen den Gebührenbescheid der Stadt H. anstrengt. Die Einlegung des Widerspruchs und die dadurch ausgelöste Gebührenlast war auch nicht notwendig, um den Abtransport aus der Wohnung mit Hilfe der Feuerwehr zu ermöglichen, oder eine mit dem Einsatz zwangsläufig verbundene Folge. Es ist auch sonst kein Verhalten ersichtlich, durch das die Beklagte die Klägerin zur Erhebung des fruchtlosen Widerspruchs veranlasst hätte. Insbesondere hat die Klägerin den Widerspruch bereits mit Schreiben vom 28.04.2010 erhoben, also circa einen Monat bevor die Beklagte ihr mit der Begründung des streitgegenständlichen Ausgangsbescheides vom 26.05.2010 erstmals - und in dieser allgemein gehaltenen Formulierung nicht einmal unzutreffend - mitteilte, die Einsätze der Feuerwehr seien grundsätzlich unentgeltlich, sofern kein Ausnahmefall nach § 69 Abs. 2 oder 3 SächsBRKG vorliege, wofür hier aber nichts ersichtlich sei. Aus diesem Grund sieht die Kammer auch keinerlei rechtliche Ansätze für eine Ausgleichpflicht der Beklagten unter Schadensersatzgesichtspunkten, ganz gleich auf welcher rechtlichen Grundlage.

Eine evtl. spätere Geltendmachung des Ersatzanspruchs aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 BGB, Artikel 34 Satz 1 GG) vor dem hierfür zuständigen Landgericht (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG, Artikel 34 Satz 3 GG) bleibt der Klägerin mangels abschließender negativer Entscheidung der Kammer über diese spezielle Anspruchsgrundlage gleichwohl unbenommen. Eine Abtrennung und teilweise Verweisung des Verfahrens war insoweit nicht veranlasst (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 20.10.2010, Az. B 13 R 63/10 B, juris Rn. 24).

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG. Hinsichtlich des Umfangs der Kostenerstattungspflicht der Beklagten hat sich die Kammer von der Überlegung leiten lassen, dass trotz der Unbegründetheit der Klage hinsichtlich der Erstattung der Säumniszuschläge, Mahn- und Widerspruchsgebühren die Beklagte mit der Weigerung, die Gebühr für den Feuerwehreinsatz zu übernehmen, zwar nicht die Klägerin zur Erhebung der die anderen Punkte betreffenden Klage zurechenbar veranlasst, jedoch gleichwohl maßgeblich zur Veranlassung des Rechtsstreits auch hierüber und zur insoweit ungerechtfertigten Inanspruchnahme des Gerichts in vermeidbarer Weise beigetragen hat.
Rechtskraft
Aus
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