L 4 KR 4185/15 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 1467/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4185/15 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. August 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde betrifft die Kostenübernahme für die Versorgung mit einem Zahnersatz in Höhe von EUR 333,03.

Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie beantragte mit Schreiben vom 31. März 2014 unter Vorlage eines Heil- und Kostenplanes ihres Zahnarztes R. vom 30. Juli 2013 die Kostenübernahme für eine Zirkonvollkeramikkrone des Zahnes 21. Zahnarzt R. führte ergänzend unter dem 10. September 2013 aus, die Klägerin sollte metallfrei versorgt werden, da sie seit Jahrzehnten starke allergische Probleme habe. Die Klägerin legte verschiedene hautärztliche Atteste und Befundberichte vor.

Auf Veranlassung der Beklagten legte die Klägerin einen weiteren Heil- und Kostenplan des Zahnarztes R. vom 25. März 2014 zur Versorgung des Zahnes 21 mit einer Zirkonvollkeramikkrone vor, der Gesamtkosten in Höhe von EUR 679,01 und nach Abzug von Festzuschüssen in Höhe von EUR 345,98 einen darin voraussichtlich enthaltenen Eigenanteil in Höhe von EUR 333,03 aufweist.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 3. April 2014 den Heil- und Kostenplan vom 25. März 2014 in Höhe des (dort aufgeführten) doppelten Festzuschusses (von EUR 345,98). Nachdem die Klägerin erneut darauf hingewiesen hatte, dass sie das Zahnersatzmaterial Palladium nicht vertrage, lehnte die Beklagte eine weitergehende Kostenübernahme mit Bescheid vom 20. Mai 2014 ab. Gesetzlich sei bei Zahnersatz lediglich ein Festzuschuss vorgesehen. Eine volle Kostenübernahme sei daher selbst bei Vorliegen einer nachgewiesenen Allergie nicht möglich.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27. Mai 2014 Widerspruch. Eine Versorgung mit dem Material Zirkon sei medizinisch notwendig.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2015 zurück. Eine höhere Kostenübernahme könne nicht erfolgen, da bereits der doppelte und damit der höchste mögliche Festzuschuss gewährt worden sei. Ausnahmen, die eine höhere Kostenbeteiligung rechtfertigen könnten, habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Überdies habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden, dass auch der Zusammenhang der zahnprothetischen Versorgung mit einer anderen Erkrankung, wie zum Beispiel einer Allergie, nicht zu einer höheren Kostenbeteiligung durch die Kasse führen könne (Hinweis auf BSG, Urteil vom 6. Oktober 1999 – B 1 KR 9/99 – in juris). Es komme nämlich nicht darauf an, aus welchem Grund der Zahnersatz notwendig sei.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27. März 2015 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 20. August 2015 ab. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf volle Kostenübernahme für die begehrte Versorgung ihres Zahnes 21 mit Zahnersatz der Legierung Zirkon. Versicherte hätten Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinischen notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig sei und die geplante Versorgung einer Methode entspreche, die gemäß § 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) anerkannt sei. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Die Festzuschüsse umfassten grundsätzlich 50 Prozent der für die jeweilige Regelversorgung festgesetzten Beiträge. Versicherte hätten bei Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen Anspruch auf einen Betrag in jeweils gleicher Höhe, angepasst an die Höhe der für die Regelversorgungsleistung tatsächlich angefallenen Kosten, höchstens jedoch in der Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn sie ansonsten unzumutbar belastet würden. Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Regelung habe die Beklagte durch die Gewährung des doppelten Festzuschusses den Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit Zahnersatz bereits vollständig erfüllt. Mehr könne die Klägerin trotz der geltend gemachten allergischen Reaktion gegen unterschiedliche Metalle nicht beanspruchen. Insbesondere rechtfertigten nach der ständigen Rechtsprechung des BSG etwaige besondere Gründe weder einen höheren Prozentsatz noch die vollständige Übernahme der Kosten der zahnprothetischen Behandlung. Der Einwand der Klägerin, ihr Anspruch folge daraus, dass sie zum Festbetrag erhältliche Zahnersatzmaterialien allesamt nicht vertrage, gehe ins Leere. Ob dieser Einwand der Klägerin zutreffend sei, ob die Klägerin also tatsächlich unter Berücksichtigung ihrer Allergien keine hinreichende Versorgung zum (doppelten) Festbetrag erhalten könne, habe aus diesem Grund keiner weiteren Aufklärung von Amts wegen bedurft. Eine vollständige Übernahme der weiteren Zahnersatzkosten komme auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Aufopferung nicht in Betracht. Schließlich bestünden keine verfassungsrechtlichen Gedenken gegen die Beschränkung auf den Festbetrag bei Zahnersatz.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihr am 9. September 2015 zugestellten Urteil hat die Klägerin am 5. Oktober 2015 Beschwerde beim SG eingelegt; sie ist vom SG an das Landessozialgericht (LSG) weitergeleitet worden und dort ebenfalls am 5. Oktober 2015 eingegangen. Sie trägt sinngemäß vor, dass sie der Ansicht sei, Anspruch auf volle Kostenübernahme zu haben. Alles andere wäre eine unzumutbare Belastung. Sie sei einkommensschwach. Es gehe nicht mehr nur um das abgelehnte Zahnersatzmaterial "Zirkon", sondern auch um die Kostenübernahme für eine Metallkeramiklegierung auf Titanbasis. Dieses Material stehe ihr, weil es von ihrer früheren Krankenkasse genehmigt worden sei, wegen gesundheitsschädlicher Erstbehandlung bzw. Materialunverträglichkeit zu.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. August 2015 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass Berufungszulassungsgründe nicht vorliegen.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 20. August 2015 ist statthaft (§ 145 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Der Beschwerdewert beträgt EUR 333,03; in Höhe dieses Betrages begehrte die Klägerin bei sachgerechter Auslegung beim SG die Verurteilung der Beklagten. Denn dieser Betrag entspricht dem von ihr nach dem ansonsten von der Beklagten genehmigtem Heil- und Kostenplan vom 25. März 2014 zu tragenden Eigenanteil.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Diese Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 20. Dezember 1955 – 10 RV 225/54 – in juris, Rn. 18, zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 144 Rn. 28; vgl. dort auch § 160 Rn. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung).

Der Rechtsstreit wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung auf. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zum Zahnersatz und auf deren Rechtsfolgenseite das Bestehen (lediglich) eines Anspruch auf Festzuschüsse ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 55 SGB V). Es ist zudem höchstrichterlich geklärt, dass bei der Versorgung mit Zahnersatz die Leistung der Krankenkasse grundsätzlich auf einen Zuschuss beschränkt ist und wann hiervon unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Ausnahme zu machen ist (BSG, Urteil vom 5. Oktober 1999 – B 1 KR 9/99 R – in juris, Rn. 11 ff.). Die Beschränkung des Leistungsanspruches auf Festzuschüsse ist vom BSG auch stets als verfassungsgemäß angesehen worden (etwa BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 5/12 R – in juris, Rn. 43 ff.; BSG, Urteil vom 8. September 2015 – B 1 KR 22/14 R – in juris, Rn. 21 f.).

b) Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor.

Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 160 Rn. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil vom 20. August 2015 nicht aufgestellt. Etwas anderes hat die Klägerin auch nicht behauptet.

c) Auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes liegt nicht vor. Auch die Klägerin hat das Vorliegen eines Verfahrensmangels nicht behauptet.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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