Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2918/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1782/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. März 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen.
Der 1955 geborene Kläger absolvierte von 1972 bis 1974 eine Berufsausbildung zum Kfz-Mechaniker mit Fachrichtung Straßenbahnen bei den Verkehrsbetrieben der Stadt Dresden und war dort anschließend ein Jahr als Facharbeiter beschäftigt. Anschließend studierte er ein Jahr an der Jugendhochschule W. P., der Ausbildungsstätte des Zentralrats (ZR) der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Von 1976 bis 1978 war er in der FDJ-Stadtbezirksleitung Dresden-Mitte als 2. Sekretär tätig. Von Mitte 1978 bis Ende 1979 absolvierte er den 18monatigen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) am Standort Tharandt. Von 1980 bis 1989 war er bei den Verkehrsbetrieben der Stadt Dresden als Facharbeiter/Vorarbeiter/Meister mit 100 Mitarbeitern mit der Instandhaltung der Straßenbahnen beschäftigt. 1989 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland aus. Von Dezember 1989 bis November 2009 war er als Monteur bei der BGU Umweltschutzanlagen GmbH (BGU) beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde durch Arbeitgeberkündigung vom 15.05.2009 zum November 2009 beendet.
Der Kläger bezieht seit 01.12.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei ihm sind seit 2013 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G, B, aG festgestellt.
Der Kläger hat Verfahren zur Anerkennung von BK nach Nrn. 2108, 2109, 2110 und von Brustwirbelsäulenbeschwerden als BK bzw. Wie-BK ohne Erfolg durchgeführt (Gerichtsbescheid Sozialgericht Heilbronn - SG - vom 18.02.2014, S 7 U 1217/11, rechtskräftig) sowie zur Anerkennung einer BK Nr. 2112 (Gerichtsbescheid SG vom 09.01.2014, S 7 U 2917/10, rechtskräftig).
Dr. Sch. vom Präventionsdienst Stuttgart erstellte eine Stellungnahme Arbeitsexposition. Danach war der Kläger bei der BGU im Außendienst und in der Werkstatt - nach Umzug in eine neue Halle 1992 - zum Teil mit der Bearbeitung bleihaltiger Werkstoffe beschäftigt. Nach Angaben des Klägers gegenüber Dr. Sch. war er in den ersten Wochen nur in der Werkstatt tätig, ab Februar 1990 zu 75 % auf Montage und zu 25 % in der Werkstatt. Sein letzter Arbeitstag war Anfang Mai 2009. Nach Arbeitgeberkündigung am 15.05.2009 zeigte er am 17.06.2009 den Verdacht auf eine BK wegen Bleivergiftung an. Zur Begründung gab er an, seit drei Jahren verschlechtere sich sein Gesundheitszustand nachweislich, er leide unter Atembeschwerden, Herzproblemen, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Verdauungsbeschwerden. Zusätzlich betroffen seien Zehen, Knie, Unterarm. Er habe an einer konventionellen Drehbank ohne Schutzvorrichtung Blei bearbeitet, vorrangig Bleischeiben auf Durchmesser bzw. Plan abgedreht, wobei durch die Rotationskräfte in erheblichem Maße Bleipartikel in den Raum geschleudert worden seien. Die BGU stellte die Bearbeitung von Blei nach der BK-Anzeige umgehend ein und veräußerte die Maschine. In der BGU gab es keine arbeitsmedizinischen Untersuchungen, keine Gefährdungsbeurteilungen und keine Luftschadstoffmessungen.
Die von der Beklagten beigezogenen medizinischen Unterlagen ergaben eine Polyarthralgie der Hände und Knie ohne wegweisenden klinischen Befund seit März 2007 (Auskunft Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. vom 02.07.2009, S. 31 BG-Akte). Die Internistin Dr. K. berichtete über die Vorstellung wegen seit 18 Monaten bestehender chronischer Gelenkbeschwerden in den Finger-, Zehen- und Kniegelenken im September 2007. Die Vorstellung beim Rheumatologen habe keine rheumatische Erkrankung ergeben. Der Kläger führe die Beschwerden auf eine Bleivergiftung zurück. Das Labor, insbesondere die Erythrozytenmorphologie im Differentialblutbild, die Bleibestimmung im Blut und der Porphyrine in den Erythrozyten ergebe keinen Nachweis einer chronischen Bleiintoxikation. Der Kläger habe auch keinen Bleisaum (schwarzblauer bis schiefergrauer Saum im Zahnfleischrand), sondern lediglich eine leichte bläuliche Verfärbung am unteren Eckzahn. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Sch. fand keine Erklärung für die geklagten Gelenkbeschwerden und empfahl eine arbeitsmedizinische Abklärung hinsichtlich der Bleibelastung. In den SLK-Kliniken - Klinikum am Plattenwald wurde eine idiopathische Kardiomyopathie mit deutlich eingeschränkter Linksventrikel(LV)-Funktion bei unauffälligen epikardialen Kranzarterien diagnostiziert (Arztbrief vom 04.09.2007, S. 36 BGV-Akte). Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. diagnostizierte am 15.06.2009 rezidivierende Drehschwindelattacken mit Doppelbildern, anamnestisch seit 6 Wochen auftretend, ohne Hinweise auf ischämische Attacken oder Stenosen (Arztbrief, S. 46 BG-Akte). Die vom Neurologen empfohlene Magnetresonanztomografie des Schädels wurde nicht durchgeführt. Der Reha-Entlassungsbericht der Rheintal-Klinik vom 24.07.2009 ergab eine volle Erwerbsminderung auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wegen hochgradiger Kardiomyopathie (S. 62 BG-Akte).
Im Rahmen der Ermittlungen der Beklagten erteilte die BGU die Auskunft, der Kläger sei dort mit der Fertigung und Montage von Anlagen zur Regenwasserbehandlung beschäftigt gewesen sei. Dabei habe er ca. 7 bis 12 Stunden im Monat Bleigewichte abgedreht und gewogen, 3 bis 4 Tage in der Woche als Monteur gearbeitet, 4 bis 8 Stunden je Fahrt. In der Werkstatt seien neben den Tätigkeiten mit bleihaltigen Werkstücken auch Edelstahlrohre geschnitten, entgratet, geschliffen, gelocht und ineinander geschweißt worden. Zum Nachweis wurde eine Zeiterfassung der einzelnen Tätigkeiten für das Jahr 2008 vorgelegt. Diese sei auch repräsentativ für die früheren Jahre. Der Kläger bestritt im Gespräch mit Dr. Sch. vom Präventionsdienst Stuttgart der Beklagten diese Angaben, machte aber keine eigenen zum zeitlichen Umfang der Bearbeitung bleihaltiger Werkstücke und verwies auf 60 bis 70 Überstunden im Monat, die teils "abgefeiert", teils ausbezahlt worden seien. Die Bleitätigkeiten seien an Werkstücken, die als Ausgleichsgewichte gedient hätten, nach Angaben des Klägers zu 10 % angefallen, sowie beim Abdrehen von Bleischeiben auf einer offenen Drehmaschine, ca. 15 Minuten je Scheibe. Hierfür gehe der Kläger von 80 % der Werkstattarbeiten aus, die BGU von 50 %.
Dr. Sch. führte in seinem Bericht aus, der Arbeitsplatzgrenzwert liege bei 0,15 mg/m³ und gelte für Pulver und Stäube, da diese inkorporiert werden könnten und Blei in dieser Form als giftig und umweltgefährlich eingestuft werde. Für einen kompakten Bleiklumpen sei keine Gefahrstoffkennzeichnung vorgesehen. Zur Abschätzung der Bleiexposition habe er eine Datenbankrecherche vorgenommen. Die Durchsicht der Messwerte von Arbeitsplatzmessungen des Messtechnischen Dienstes der Berufsgenossenschaften in den letzten 10 Jahren zeige, dass bei der spanenden Bearbeitung von Bleiwerkstücken ohne Absaugung der Arbeitsplatzgrenzwert von 0,15 mg/m³ in keinem Fall überschritten worden sei. An abgesaugten Arbeitsplätzen, von denen wenige Messungen vorlägen, seien erstaunlicherweise zwei Messwerte doppelt so hoch wie der Grenzwert. Die übrigen Werte lägen deutlich darunter. Für die erhöhten Werte gebe es mehrere mögliche Erklärungen: ungünstige Lüftungsverhältnisse, Unwirksamkeit der Absaugung und Fehler bei der Probenentnahme. Die BGU stelle Schutzhandschuhe zur Verfügung, die aber an der offenen Drehmaschine wegen der Unfallgefahr nicht getragen werden dürften. Der Kläger berichte, er habe ca. 2002 Knieprobleme festgestellt, ca. 2003 Atemwegsprobleme und später Beschwerden in den Fingern und der rechten Schulter.
Der Kläger erhob Einwendungen gegen den Bericht von Dr. Sch ... Eine Bleiexposition sei nicht erst ab 1992 erfolgt, sondern von Anfang an. Die Beschreibung der Arbeiten mit Blei sei unvollständig. Der Kontakt mit Blei bestehe in unterschiedlichsten Arbeitsschritten, beginnend mit dem Transport der Bleischeiben, der Handhabung, der Baugruppenmontage, der Weiterbearbeitung. Nicht für jeden Arbeitsschritt werde der Umgang mit Blei dokumentiert und festgehalten. Die durchschnittliche Erfassung der Arbeitsstunden mit Blei vermittle ein unklares Bild. Er sei nicht nur wenige Minuten am Tag einer erhöhten Bleikonzentration in der Luft ausgesetzt gewesen, sondern ca. 8 Stunden täglich. Die zu bearbeitenden Bleischeiben seien keine Bleiklumpen, sondern von einer Fremdfirma gegossen worden, so dass an der Oberfläche Rückstände von Schlacke und Bleistaub gelegen hätten. Durch Oxidation entstünden hochgiftiges Bleioxid und Bleihydroxid. Die Drehmaschine habe keine Absaugvorrichtung oder Kühlmöglichkeit gehabt. Lose haftender Bleistaub und Schlacken seien in die Luft geschleudert worden. Bleistaub werde als Schwebestoff über die Atmung aufgenommen und gelange zu mindestens 50 % ins Blut. Auch eine Aufnahme durch Verschlucken von ca. 30 % sei möglich. Kontakt mit Blei entstehe auch durch das notwendige mehrfache Anfassen der Werkstücke. Es habe keine Schutzkleidung gegeben. Die bleikontaminierte Arbeitskleidung sei einmal wöchentlich mit der normalen Waschmaschine gereinigt worden. Die Kantine sei mit bleibelasteter Kleidung betreten worden. Die Maschinen seien mit Handfegern gereinigt worden. Auf Befragen seitens Dr. Sch. machte der Kläger ergänzend am 05.12.2009 weitere Angaben. In den ersten Jahren bis 1992 sei er nicht sicher, in welchem zeitlichen Umfang er Blei spanabhebend an einer Drehbank bearbeitet habe, gehe aber von wöchentlich 6 bis 8 Stunden aus. Im Zeitraum 1992 bis 2009 habe er auch Bleischeiben gefräst, geschätzt monatlich 10 Stunden. Es sei auch Blei gegossen worden. Außerdem sei weiterer Kontakt mit Blei angefallen bei Transport, Lagerung, manueller Entgratung, Sandstrahlen der Gewichtsgehäuse und Einbau der Gewichte. Zu berücksichtigen sei auch der Kontakt mit Blei während der Montage, angefangen mit der Ladung in die Fahrzeuge, die nur mit einfachem Besen gereinigt worden seien. Die Anlagen seien demontiert und transportiert worden. Während der gesamten Montage habe Bleikontakt bestanden. Auch seien oft Bleigewichte, die jahrelang der Oxidation ausgesetzt gewesen seien, demontiert und bewegt worden. Viele Kontakte seien zeitlich nicht erfasst worden. Das Arbeitszeitgesetz und andere arbeitsrechtliche Bestimmungen seien nicht beachtet worden.
Dr. Sch. wies in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.01.2010 darauf hin, dass nach Rückfrage in der BGU das Bleischmelzen in einem kleinen Gefäß im Freien mit Mundschutz erfolgt sei. Der Kläger habe diese Tätigkeit bei der mündlichen Befragung nicht erwähnt. Hinsichtlich des Handlings der kompakten Bleierzeugnisse gebe es keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht. Abrieb und Flugstaub würden demnach nicht als besonders regelungsbedürftig eingestuft. Mit entsprechender Hygiene könnten Gesundheitsgefahren minimiert werden. Er bleibe bei seiner Bewertung.
Die BGU nahm am 28.01.2010 ergänzend Stellung. Bis 1992 seien nicht viele Gewichte benötigt worden. Der maximale Zeitaufwand seien monatlich 6 Stunden gewesen. Fräsarbeiten seien ab 1992 in einem zeitlichen Rahmen von 20 Stunden jährlich angefallen. Der Sandstrahlhelm sei mit externer Luftversorgung ausgestattet, ein Einatmen von Sandstrahlstaub somit ausgeschlossen. Beim Bewegen und Einbauen der Gewichte sei das Tragen von Handschuhen Pflicht, ebenso beim Einladen, Montieren und Demontieren von Bauteilen. Der Arbeitsumfang mit bleihaltigen Werkstoffen, der nicht in der vorgelegten Zeiterfassung enthalten sei, betrage ca. 1 bis 2 Stunden je Woche.
Mit Bescheid vom 09.03.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 1101 ab. Daher bestünden keine Ansprüche auf Leistungen. Der Kläger erhob Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010 zurückgewiesen wurde.
Hiergegen hat der Kläger am 12.08.2010 Klage beim SG erhoben. Ein aussagekräftiger Nachweis von Bleikontaminierung sei allein durch Knochen- bzw. Gelenksuntersuchung möglich, da sich Blei dort längerfristig ablagere. In Blut und Urin werde das Blei zu schnell abgebaut und könne deswegen nicht mehr nachgewiesen werden. Auch bezüglich der Herzerkrankung und des Schwindels gehe er von einer Verursachung durch Blei aus. Diese seien nämlich ebenso durch eine Schädigung des zentralen Nervensystems verursacht wie die bei ihm vorliegende allgemeine Schwäche in den Gliedern, Reizbarkeit, Verdauungsstörungen, Schlafstörungen, Desorientierung, Überaktivität. Erforderlich sei ein EDTA-Provokationstest und eine Röntgenfluoreszenzanalyse. Die von der Beklagten zugrunde gelegten Messprotokolle seien nicht aussagekräftig, da sie Besonderheiten des Arbeitsplatzes des Klägers wie die alte Drehbank nicht berücksichtigten. Sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert. Er sei wegen eines akuten Lungenödems auf der Intensivstation behandelt worden, sein Defibrillator sei auf einer Autofahrt 6mal ausgelöst worden.
Die Beklagte hat das Ergebnis einer Datenbankrecherche in der BGIA-Expositionsdatenbank zur Exposition gegenüber Gefahrstoffen am Arbeitsplatz, hier bezüglich Blei und seinen Verbindungen, vorgelegt. Gemessen wurde die Belastung beim Drehen und Hobeln ohne Absaugung, Zeitraum 1999 bis 2009, bei Exposition über 8 Stunden und Probennahmedauer über 2 Stunden. Diese hat bei 22 Analysen keine Überschreitung des Grenzwerts ergeben. Überschritten wurde der Grenzwert bei zwei Betrieben, in denen mit Absauganlagen gearbeitet wurde.
Die Beklagte holte eine arbeitsmedizinische Stellungnahme nach Aktenlage bei Facharzt für Arbeitsmedizin, Facharzt für Innere Medizin Dr. K. ein. Dieser berichtete die Diagnosen idiopathische dilatative Kardiomyopathie mit linksführender Herzinsuffizienz bei schwer beeinträchtigter linksventrikulärer Funktion, Gonarthose rechts, Polyarthralgien der großen und kleinen Gelenke unklarer Ursache und Diabetes mellitus. Durchgeführte Untersuchungen hätten für eine Bleikonzentration in Blut und Urin sowie die Bestimmung der Delta-Aminolävulinsäure im Urin unauffällige Werte ergeben. Das Blutbild zeige wie die übrigen Befunde keine Hinweise auf eine Bleiintoxikation. Hieraus sowie aus dem Umstand, dass die arbeitstechnischen Ermittlungen keine Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Grenzwerte ergeben hätte, folgerte Dr. K., dass die Tätigkeit des Klägers nicht geeignet gewesen sei, eine BK Nr. 1101 zu verursachen. Darüber hinaus führe eine Bleivergiftung weder zu Gelenkbeschwerden noch zu Herzschwäche bzw. Kardiomyopathie oder Diabetes mellitus. Auch Schwindel mit Doppelbildern seien keine typischen Symptome einer Bleiintoxikation.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtbescheid vom 26.03.2013 abgewiesen. Bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien zweifelhaft. Zwar habe am Arbeitsplatz des Klägers keine Messung stattgefunden. Die Auskunft der Expositionsdatenbank zeige aber, dass an vergleichbaren Arbeitsplätzen bei spanender Bearbeitung der Grenzwert nicht überschritten werde. Jedenfalls fehlten die medizinischen Voraussetzungen. Bei der Blut- und Urinbestimmung, der anerkannten Diagnostik zur Feststellung einer Bleivergiftung, sei kein Nachweis einer chronischen Bleiintoxikation gefunden worden. Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen seien nicht solche, die Folge einer Bleiintoxikation seien.
Gegen den ihm am 22.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.04.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Gerade weil die behandelnden Fachärzte eine Bleivergiftung nicht abschließend diagnostiziert hätten, müsse im Wege alternativer Feststellungen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. März 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2010 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Erkrankungen als Berufskrankheit Nr. 1101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffenen Entscheidungen für richtig.
Der Senat hat mit Beschluss vom 14.01.2014 die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit am 23.07.2015 in nichtöffentlicher Sitzung mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er mittlerweile wegen einer schweren Nierenerkrankung Dialyse bekomme. Der im Berufungsverfahren vorgelegte Arztbrief des Universitätsklinikums Würzburg vom 22.03.2013 berichtet eine Prostektomie mit Lymphadenektomie und Neurolyse bei Adenocarcinom der Prostata und unter anderem einen Z. n. Herzschrittmacherimplantation sowie eine chronische Niereninsuffizienz, der Arztbrief des Facharztes für Innere Medizin Dr. G. vom 14.11.2012 eine schwergradige dilatative Kardiomyopathie mit hochgradig eingeschränkter LV-Funktion.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagen verwiesen sowie auf die SG-Akten S 7 U 2917/10 und S 7 U 1217/11.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger erstrebt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG die Aufhebung der das Vorliegen einer BK Nr. 1101 ablehnenden Verwaltungsentscheidung sowie die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer solchen BK. Der Kläger hat hingegen keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der BK Nr. 1101.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer dem Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung des § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. In der Anlage 1 zur BKV sind Erkrankungen durch Blei und seine Verbindungen als BK Nr. 1101 enthalten.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der der erkennende Senat folgt, ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (so zuletzt BSG, Urteile vom 23.04.2015 - B 2 U 6/13 R und B 2 U 20/14 R - zit. nach Juris).
Eine Exposition des Klägers zu Blei lag bei der spanenden Bearbeitung von Werkstücken vor. Nicht ermittelt werden konnte der Bleigehalt in der Luft am Arbeitsplatz des Klägers, weil dort Messungen nie durchgeführt wurden und die Maschine unmittelbar nach der BK-Anzeige des Klägers veräußert wurde. Der Kläger leidet unter einer schweren chronischen Niereninsuffizienz, einer schwergradigen dilatativen Kardiomyopathie mit hochgradig eingeschränkter LV-Funktion mit implantiertem Herzschrittmacher und einem Adenocarcinom der Prostata, einer Gonarthrose rechts, Polyarthralgien der großen und kleinen Gelenke unklarer Ursache und einem Diabetes mellitus. Dies ergeben die im Laufe des Verfahrens vorgelegten Befundberichte.
Nach den vorliegenden Befunden ist aber bereits eine Einwirkung nicht nachgewiesen. Indikator für eine Bleiexposition ist die biologische Überwachung des Blutbleispiegels und der biologischen Auswirkungen z. B. der Zink-Protoporphyrin-Test, der Delta-Aminolävulinsäuregehalt in Blut und Urin (Biomonitoring). Aus dem Bleigehalt der Luft lässt sich die Exposition nicht eindeutig ableiten, weil die Aufnahme auf verschiedenen Wegen erfolgt, nämlich durch die Atemwege in Staub-, Rauch- oder Dampfform und durch den Magen-Darm-Trakt (Hannes-Christian Blum, Gefährdungsbeurteilungen, Band 1, Rn. 2.3.2.2.0; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1222). Für die Objektivierung und Quantifizierung einer Bleiintoxikation ist primär die Blutbleikonzentration zu messen. Dabei sind nach Auffassung der Arbeitsstoffkommission der DFG Blutbleispiegel von mehr als 400 ug/l für Männer mit einer erhöhten Gesundheitsgefährdung hinsichtlich einer ZNS-Toxizität verbunden (Mehrtens/Brandenburg, Die BKV, Komm., Stand 1/15, Rn. 2.2. zu M 1101 m. w. N.). Zusätzlich können Koproporphyrine und die Deltaaminolävulinsäure im Harn gemessen werden. Die Bestimmung der Bleikonzentration im Knochen mittels Röntgenfluoreszenztechnik ist dagegen kein diagnostischer Standard, sondern erfolgt nur zu wissenschaftlichen Zwecken (G. T. in: J. F., F. M. (Hrsg.), Die ärztliche Begutachtung, 7. Aufl., S. 199). Anzeichen einer Bleiintoxikation ist der sog. Bleisaum, ein schwarzblauer bis schiefergrauer Saum im Zahnfleischrand. Beim Kläger ergab die am 23.04.2007 untersuchte Urinprobe einen Bleispiegel im Urin von 16,3 ug/l bei einem Normbereich von unter 40 und einen Deltaaminolävulinsäurewert von 4,3 mg/24 h bei einem Normbereich von 0,3 bis 6,4 und somit keine erhöhten Werte (Laborbericht Dr. B. S. 35 BG-Akte). Die Bleibestimmung im Blut, die Erythrozytenmorphologie im Differentialblutbild und der Porphyrine in den Erythrozyten ergab keine chronische Bleiintoxikation. Im EDTA(Ethylendiamintetraacetat)-Blut betrug der Bleiwert beim Kläger 5,9 bei einem Referenzbereich unter 35 ug/dl, das freie Protoporphyrin 2,6 (bei einem Referenzbereich von 0,5 bis 5,0 ug/l und das Zinkprotoporphyrin als Zeichen einer Anämie 25 bei einem Referenzbereich unter 40 umol/molHb (Untersuchung vom 08.10.2007, S. 42 BG-Akte). Ein Bleisaum fand sich bei ihm nicht (Arztbrief Dr. K. vom 16.11.2007, S. 40 BG-Akte). Somit liegen alle Untersuchungsergebnisse deutlich im nichtpathologischen Bereich. Da die Untersuchungen 2007, also noch während der Tätigkeit des Klägers bei der BGU erfolgten, können die negativen Ergebnisse nicht - wie von ihm vorgetragen - auf eine geringe Halbwertzeit zurückgeführt werden, weil die angegebene Exposition zu diesem Zeitpunkt fortbestand. Die vom Kläger im Verlauf des Verfahrens angeregte weitere Ermittlung in Form eines EDTA-Tests ist ausweislich des vorhandenen Befundes bereits 2007 durchgeführt worden. Die Röntgenfluoreszenzanalyse der Knochen ist kein diagnostischer Standard und insbesondere angesichts der durchweg negativen Werte nicht erforderlich.
Die von der Beklagten angeführten Vergleichsmessungen des Bleigehalts der Luft aus ähnlich gelagerten Betrieben sind daher nicht entscheidungserheblich. Angesichts der eindeutigen Ergebnisse des für die Feststellung einer Bleiexposition maßgeblichen Biomonitoring kann auch offen bleiben, welche Bedeutung Luftgrenzwerten zukommt und welcher Grenzwert gegebenenfalls heranzuziehen wäre. Der von der Beklagten angeführte Grenzwert von 0.15 mg/m³ ist der EU-Arbeitsplatzgrenzwert, der als Mindeststandard von den Mitgliedstaaten zu übernehmen ist. Er ist kein Arbeitsplatzgrenzwert im Sinne des § 2 Abs. 8 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), bei deren Einhaltung akute oder chronisch schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen nicht zu erwarten sind. Neben den Arbeitsplatzgrenzwerten sind bei der Festlegung von (Schutz)-Maßnahmen die Regelungen und Anforderungen der stoffspezifischen Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) zu berücksichtigen. Vom Bundesministerium für Arbeit CBMAS) wurde auf Vorschlag des Ausschusses für Gefahrstoffe (AGS) für Blei und anorganische Bleiverbindungen ein Konzentrationswert von 0,1 mg/m³ bekannt gegeben (vgl. Internetrecherche: Institut für Arbeitsschutz - IFA - der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, abgefragt am 09.11.2015).
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen.
Der 1955 geborene Kläger absolvierte von 1972 bis 1974 eine Berufsausbildung zum Kfz-Mechaniker mit Fachrichtung Straßenbahnen bei den Verkehrsbetrieben der Stadt Dresden und war dort anschließend ein Jahr als Facharbeiter beschäftigt. Anschließend studierte er ein Jahr an der Jugendhochschule W. P., der Ausbildungsstätte des Zentralrats (ZR) der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Von 1976 bis 1978 war er in der FDJ-Stadtbezirksleitung Dresden-Mitte als 2. Sekretär tätig. Von Mitte 1978 bis Ende 1979 absolvierte er den 18monatigen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) am Standort Tharandt. Von 1980 bis 1989 war er bei den Verkehrsbetrieben der Stadt Dresden als Facharbeiter/Vorarbeiter/Meister mit 100 Mitarbeitern mit der Instandhaltung der Straßenbahnen beschäftigt. 1989 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland aus. Von Dezember 1989 bis November 2009 war er als Monteur bei der BGU Umweltschutzanlagen GmbH (BGU) beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde durch Arbeitgeberkündigung vom 15.05.2009 zum November 2009 beendet.
Der Kläger bezieht seit 01.12.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei ihm sind seit 2013 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G, B, aG festgestellt.
Der Kläger hat Verfahren zur Anerkennung von BK nach Nrn. 2108, 2109, 2110 und von Brustwirbelsäulenbeschwerden als BK bzw. Wie-BK ohne Erfolg durchgeführt (Gerichtsbescheid Sozialgericht Heilbronn - SG - vom 18.02.2014, S 7 U 1217/11, rechtskräftig) sowie zur Anerkennung einer BK Nr. 2112 (Gerichtsbescheid SG vom 09.01.2014, S 7 U 2917/10, rechtskräftig).
Dr. Sch. vom Präventionsdienst Stuttgart erstellte eine Stellungnahme Arbeitsexposition. Danach war der Kläger bei der BGU im Außendienst und in der Werkstatt - nach Umzug in eine neue Halle 1992 - zum Teil mit der Bearbeitung bleihaltiger Werkstoffe beschäftigt. Nach Angaben des Klägers gegenüber Dr. Sch. war er in den ersten Wochen nur in der Werkstatt tätig, ab Februar 1990 zu 75 % auf Montage und zu 25 % in der Werkstatt. Sein letzter Arbeitstag war Anfang Mai 2009. Nach Arbeitgeberkündigung am 15.05.2009 zeigte er am 17.06.2009 den Verdacht auf eine BK wegen Bleivergiftung an. Zur Begründung gab er an, seit drei Jahren verschlechtere sich sein Gesundheitszustand nachweislich, er leide unter Atembeschwerden, Herzproblemen, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Verdauungsbeschwerden. Zusätzlich betroffen seien Zehen, Knie, Unterarm. Er habe an einer konventionellen Drehbank ohne Schutzvorrichtung Blei bearbeitet, vorrangig Bleischeiben auf Durchmesser bzw. Plan abgedreht, wobei durch die Rotationskräfte in erheblichem Maße Bleipartikel in den Raum geschleudert worden seien. Die BGU stellte die Bearbeitung von Blei nach der BK-Anzeige umgehend ein und veräußerte die Maschine. In der BGU gab es keine arbeitsmedizinischen Untersuchungen, keine Gefährdungsbeurteilungen und keine Luftschadstoffmessungen.
Die von der Beklagten beigezogenen medizinischen Unterlagen ergaben eine Polyarthralgie der Hände und Knie ohne wegweisenden klinischen Befund seit März 2007 (Auskunft Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. vom 02.07.2009, S. 31 BG-Akte). Die Internistin Dr. K. berichtete über die Vorstellung wegen seit 18 Monaten bestehender chronischer Gelenkbeschwerden in den Finger-, Zehen- und Kniegelenken im September 2007. Die Vorstellung beim Rheumatologen habe keine rheumatische Erkrankung ergeben. Der Kläger führe die Beschwerden auf eine Bleivergiftung zurück. Das Labor, insbesondere die Erythrozytenmorphologie im Differentialblutbild, die Bleibestimmung im Blut und der Porphyrine in den Erythrozyten ergebe keinen Nachweis einer chronischen Bleiintoxikation. Der Kläger habe auch keinen Bleisaum (schwarzblauer bis schiefergrauer Saum im Zahnfleischrand), sondern lediglich eine leichte bläuliche Verfärbung am unteren Eckzahn. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Sch. fand keine Erklärung für die geklagten Gelenkbeschwerden und empfahl eine arbeitsmedizinische Abklärung hinsichtlich der Bleibelastung. In den SLK-Kliniken - Klinikum am Plattenwald wurde eine idiopathische Kardiomyopathie mit deutlich eingeschränkter Linksventrikel(LV)-Funktion bei unauffälligen epikardialen Kranzarterien diagnostiziert (Arztbrief vom 04.09.2007, S. 36 BGV-Akte). Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. diagnostizierte am 15.06.2009 rezidivierende Drehschwindelattacken mit Doppelbildern, anamnestisch seit 6 Wochen auftretend, ohne Hinweise auf ischämische Attacken oder Stenosen (Arztbrief, S. 46 BG-Akte). Die vom Neurologen empfohlene Magnetresonanztomografie des Schädels wurde nicht durchgeführt. Der Reha-Entlassungsbericht der Rheintal-Klinik vom 24.07.2009 ergab eine volle Erwerbsminderung auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wegen hochgradiger Kardiomyopathie (S. 62 BG-Akte).
Im Rahmen der Ermittlungen der Beklagten erteilte die BGU die Auskunft, der Kläger sei dort mit der Fertigung und Montage von Anlagen zur Regenwasserbehandlung beschäftigt gewesen sei. Dabei habe er ca. 7 bis 12 Stunden im Monat Bleigewichte abgedreht und gewogen, 3 bis 4 Tage in der Woche als Monteur gearbeitet, 4 bis 8 Stunden je Fahrt. In der Werkstatt seien neben den Tätigkeiten mit bleihaltigen Werkstücken auch Edelstahlrohre geschnitten, entgratet, geschliffen, gelocht und ineinander geschweißt worden. Zum Nachweis wurde eine Zeiterfassung der einzelnen Tätigkeiten für das Jahr 2008 vorgelegt. Diese sei auch repräsentativ für die früheren Jahre. Der Kläger bestritt im Gespräch mit Dr. Sch. vom Präventionsdienst Stuttgart der Beklagten diese Angaben, machte aber keine eigenen zum zeitlichen Umfang der Bearbeitung bleihaltiger Werkstücke und verwies auf 60 bis 70 Überstunden im Monat, die teils "abgefeiert", teils ausbezahlt worden seien. Die Bleitätigkeiten seien an Werkstücken, die als Ausgleichsgewichte gedient hätten, nach Angaben des Klägers zu 10 % angefallen, sowie beim Abdrehen von Bleischeiben auf einer offenen Drehmaschine, ca. 15 Minuten je Scheibe. Hierfür gehe der Kläger von 80 % der Werkstattarbeiten aus, die BGU von 50 %.
Dr. Sch. führte in seinem Bericht aus, der Arbeitsplatzgrenzwert liege bei 0,15 mg/m³ und gelte für Pulver und Stäube, da diese inkorporiert werden könnten und Blei in dieser Form als giftig und umweltgefährlich eingestuft werde. Für einen kompakten Bleiklumpen sei keine Gefahrstoffkennzeichnung vorgesehen. Zur Abschätzung der Bleiexposition habe er eine Datenbankrecherche vorgenommen. Die Durchsicht der Messwerte von Arbeitsplatzmessungen des Messtechnischen Dienstes der Berufsgenossenschaften in den letzten 10 Jahren zeige, dass bei der spanenden Bearbeitung von Bleiwerkstücken ohne Absaugung der Arbeitsplatzgrenzwert von 0,15 mg/m³ in keinem Fall überschritten worden sei. An abgesaugten Arbeitsplätzen, von denen wenige Messungen vorlägen, seien erstaunlicherweise zwei Messwerte doppelt so hoch wie der Grenzwert. Die übrigen Werte lägen deutlich darunter. Für die erhöhten Werte gebe es mehrere mögliche Erklärungen: ungünstige Lüftungsverhältnisse, Unwirksamkeit der Absaugung und Fehler bei der Probenentnahme. Die BGU stelle Schutzhandschuhe zur Verfügung, die aber an der offenen Drehmaschine wegen der Unfallgefahr nicht getragen werden dürften. Der Kläger berichte, er habe ca. 2002 Knieprobleme festgestellt, ca. 2003 Atemwegsprobleme und später Beschwerden in den Fingern und der rechten Schulter.
Der Kläger erhob Einwendungen gegen den Bericht von Dr. Sch ... Eine Bleiexposition sei nicht erst ab 1992 erfolgt, sondern von Anfang an. Die Beschreibung der Arbeiten mit Blei sei unvollständig. Der Kontakt mit Blei bestehe in unterschiedlichsten Arbeitsschritten, beginnend mit dem Transport der Bleischeiben, der Handhabung, der Baugruppenmontage, der Weiterbearbeitung. Nicht für jeden Arbeitsschritt werde der Umgang mit Blei dokumentiert und festgehalten. Die durchschnittliche Erfassung der Arbeitsstunden mit Blei vermittle ein unklares Bild. Er sei nicht nur wenige Minuten am Tag einer erhöhten Bleikonzentration in der Luft ausgesetzt gewesen, sondern ca. 8 Stunden täglich. Die zu bearbeitenden Bleischeiben seien keine Bleiklumpen, sondern von einer Fremdfirma gegossen worden, so dass an der Oberfläche Rückstände von Schlacke und Bleistaub gelegen hätten. Durch Oxidation entstünden hochgiftiges Bleioxid und Bleihydroxid. Die Drehmaschine habe keine Absaugvorrichtung oder Kühlmöglichkeit gehabt. Lose haftender Bleistaub und Schlacken seien in die Luft geschleudert worden. Bleistaub werde als Schwebestoff über die Atmung aufgenommen und gelange zu mindestens 50 % ins Blut. Auch eine Aufnahme durch Verschlucken von ca. 30 % sei möglich. Kontakt mit Blei entstehe auch durch das notwendige mehrfache Anfassen der Werkstücke. Es habe keine Schutzkleidung gegeben. Die bleikontaminierte Arbeitskleidung sei einmal wöchentlich mit der normalen Waschmaschine gereinigt worden. Die Kantine sei mit bleibelasteter Kleidung betreten worden. Die Maschinen seien mit Handfegern gereinigt worden. Auf Befragen seitens Dr. Sch. machte der Kläger ergänzend am 05.12.2009 weitere Angaben. In den ersten Jahren bis 1992 sei er nicht sicher, in welchem zeitlichen Umfang er Blei spanabhebend an einer Drehbank bearbeitet habe, gehe aber von wöchentlich 6 bis 8 Stunden aus. Im Zeitraum 1992 bis 2009 habe er auch Bleischeiben gefräst, geschätzt monatlich 10 Stunden. Es sei auch Blei gegossen worden. Außerdem sei weiterer Kontakt mit Blei angefallen bei Transport, Lagerung, manueller Entgratung, Sandstrahlen der Gewichtsgehäuse und Einbau der Gewichte. Zu berücksichtigen sei auch der Kontakt mit Blei während der Montage, angefangen mit der Ladung in die Fahrzeuge, die nur mit einfachem Besen gereinigt worden seien. Die Anlagen seien demontiert und transportiert worden. Während der gesamten Montage habe Bleikontakt bestanden. Auch seien oft Bleigewichte, die jahrelang der Oxidation ausgesetzt gewesen seien, demontiert und bewegt worden. Viele Kontakte seien zeitlich nicht erfasst worden. Das Arbeitszeitgesetz und andere arbeitsrechtliche Bestimmungen seien nicht beachtet worden.
Dr. Sch. wies in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.01.2010 darauf hin, dass nach Rückfrage in der BGU das Bleischmelzen in einem kleinen Gefäß im Freien mit Mundschutz erfolgt sei. Der Kläger habe diese Tätigkeit bei der mündlichen Befragung nicht erwähnt. Hinsichtlich des Handlings der kompakten Bleierzeugnisse gebe es keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht. Abrieb und Flugstaub würden demnach nicht als besonders regelungsbedürftig eingestuft. Mit entsprechender Hygiene könnten Gesundheitsgefahren minimiert werden. Er bleibe bei seiner Bewertung.
Die BGU nahm am 28.01.2010 ergänzend Stellung. Bis 1992 seien nicht viele Gewichte benötigt worden. Der maximale Zeitaufwand seien monatlich 6 Stunden gewesen. Fräsarbeiten seien ab 1992 in einem zeitlichen Rahmen von 20 Stunden jährlich angefallen. Der Sandstrahlhelm sei mit externer Luftversorgung ausgestattet, ein Einatmen von Sandstrahlstaub somit ausgeschlossen. Beim Bewegen und Einbauen der Gewichte sei das Tragen von Handschuhen Pflicht, ebenso beim Einladen, Montieren und Demontieren von Bauteilen. Der Arbeitsumfang mit bleihaltigen Werkstoffen, der nicht in der vorgelegten Zeiterfassung enthalten sei, betrage ca. 1 bis 2 Stunden je Woche.
Mit Bescheid vom 09.03.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 1101 ab. Daher bestünden keine Ansprüche auf Leistungen. Der Kläger erhob Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010 zurückgewiesen wurde.
Hiergegen hat der Kläger am 12.08.2010 Klage beim SG erhoben. Ein aussagekräftiger Nachweis von Bleikontaminierung sei allein durch Knochen- bzw. Gelenksuntersuchung möglich, da sich Blei dort längerfristig ablagere. In Blut und Urin werde das Blei zu schnell abgebaut und könne deswegen nicht mehr nachgewiesen werden. Auch bezüglich der Herzerkrankung und des Schwindels gehe er von einer Verursachung durch Blei aus. Diese seien nämlich ebenso durch eine Schädigung des zentralen Nervensystems verursacht wie die bei ihm vorliegende allgemeine Schwäche in den Gliedern, Reizbarkeit, Verdauungsstörungen, Schlafstörungen, Desorientierung, Überaktivität. Erforderlich sei ein EDTA-Provokationstest und eine Röntgenfluoreszenzanalyse. Die von der Beklagten zugrunde gelegten Messprotokolle seien nicht aussagekräftig, da sie Besonderheiten des Arbeitsplatzes des Klägers wie die alte Drehbank nicht berücksichtigten. Sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert. Er sei wegen eines akuten Lungenödems auf der Intensivstation behandelt worden, sein Defibrillator sei auf einer Autofahrt 6mal ausgelöst worden.
Die Beklagte hat das Ergebnis einer Datenbankrecherche in der BGIA-Expositionsdatenbank zur Exposition gegenüber Gefahrstoffen am Arbeitsplatz, hier bezüglich Blei und seinen Verbindungen, vorgelegt. Gemessen wurde die Belastung beim Drehen und Hobeln ohne Absaugung, Zeitraum 1999 bis 2009, bei Exposition über 8 Stunden und Probennahmedauer über 2 Stunden. Diese hat bei 22 Analysen keine Überschreitung des Grenzwerts ergeben. Überschritten wurde der Grenzwert bei zwei Betrieben, in denen mit Absauganlagen gearbeitet wurde.
Die Beklagte holte eine arbeitsmedizinische Stellungnahme nach Aktenlage bei Facharzt für Arbeitsmedizin, Facharzt für Innere Medizin Dr. K. ein. Dieser berichtete die Diagnosen idiopathische dilatative Kardiomyopathie mit linksführender Herzinsuffizienz bei schwer beeinträchtigter linksventrikulärer Funktion, Gonarthose rechts, Polyarthralgien der großen und kleinen Gelenke unklarer Ursache und Diabetes mellitus. Durchgeführte Untersuchungen hätten für eine Bleikonzentration in Blut und Urin sowie die Bestimmung der Delta-Aminolävulinsäure im Urin unauffällige Werte ergeben. Das Blutbild zeige wie die übrigen Befunde keine Hinweise auf eine Bleiintoxikation. Hieraus sowie aus dem Umstand, dass die arbeitstechnischen Ermittlungen keine Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Grenzwerte ergeben hätte, folgerte Dr. K., dass die Tätigkeit des Klägers nicht geeignet gewesen sei, eine BK Nr. 1101 zu verursachen. Darüber hinaus führe eine Bleivergiftung weder zu Gelenkbeschwerden noch zu Herzschwäche bzw. Kardiomyopathie oder Diabetes mellitus. Auch Schwindel mit Doppelbildern seien keine typischen Symptome einer Bleiintoxikation.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtbescheid vom 26.03.2013 abgewiesen. Bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien zweifelhaft. Zwar habe am Arbeitsplatz des Klägers keine Messung stattgefunden. Die Auskunft der Expositionsdatenbank zeige aber, dass an vergleichbaren Arbeitsplätzen bei spanender Bearbeitung der Grenzwert nicht überschritten werde. Jedenfalls fehlten die medizinischen Voraussetzungen. Bei der Blut- und Urinbestimmung, der anerkannten Diagnostik zur Feststellung einer Bleivergiftung, sei kein Nachweis einer chronischen Bleiintoxikation gefunden worden. Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen seien nicht solche, die Folge einer Bleiintoxikation seien.
Gegen den ihm am 22.03.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.04.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Gerade weil die behandelnden Fachärzte eine Bleivergiftung nicht abschließend diagnostiziert hätten, müsse im Wege alternativer Feststellungen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. März 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2010 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Erkrankungen als Berufskrankheit Nr. 1101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffenen Entscheidungen für richtig.
Der Senat hat mit Beschluss vom 14.01.2014 die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit am 23.07.2015 in nichtöffentlicher Sitzung mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er mittlerweile wegen einer schweren Nierenerkrankung Dialyse bekomme. Der im Berufungsverfahren vorgelegte Arztbrief des Universitätsklinikums Würzburg vom 22.03.2013 berichtet eine Prostektomie mit Lymphadenektomie und Neurolyse bei Adenocarcinom der Prostata und unter anderem einen Z. n. Herzschrittmacherimplantation sowie eine chronische Niereninsuffizienz, der Arztbrief des Facharztes für Innere Medizin Dr. G. vom 14.11.2012 eine schwergradige dilatative Kardiomyopathie mit hochgradig eingeschränkter LV-Funktion.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagen verwiesen sowie auf die SG-Akten S 7 U 2917/10 und S 7 U 1217/11.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger erstrebt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG die Aufhebung der das Vorliegen einer BK Nr. 1101 ablehnenden Verwaltungsentscheidung sowie die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung einer solchen BK. Der Kläger hat hingegen keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der BK Nr. 1101.
Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer dem Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung des § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind. In der Anlage 1 zur BKV sind Erkrankungen durch Blei und seine Verbindungen als BK Nr. 1101 enthalten.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der der erkennende Senat folgt, ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen (so zuletzt BSG, Urteile vom 23.04.2015 - B 2 U 6/13 R und B 2 U 20/14 R - zit. nach Juris).
Eine Exposition des Klägers zu Blei lag bei der spanenden Bearbeitung von Werkstücken vor. Nicht ermittelt werden konnte der Bleigehalt in der Luft am Arbeitsplatz des Klägers, weil dort Messungen nie durchgeführt wurden und die Maschine unmittelbar nach der BK-Anzeige des Klägers veräußert wurde. Der Kläger leidet unter einer schweren chronischen Niereninsuffizienz, einer schwergradigen dilatativen Kardiomyopathie mit hochgradig eingeschränkter LV-Funktion mit implantiertem Herzschrittmacher und einem Adenocarcinom der Prostata, einer Gonarthrose rechts, Polyarthralgien der großen und kleinen Gelenke unklarer Ursache und einem Diabetes mellitus. Dies ergeben die im Laufe des Verfahrens vorgelegten Befundberichte.
Nach den vorliegenden Befunden ist aber bereits eine Einwirkung nicht nachgewiesen. Indikator für eine Bleiexposition ist die biologische Überwachung des Blutbleispiegels und der biologischen Auswirkungen z. B. der Zink-Protoporphyrin-Test, der Delta-Aminolävulinsäuregehalt in Blut und Urin (Biomonitoring). Aus dem Bleigehalt der Luft lässt sich die Exposition nicht eindeutig ableiten, weil die Aufnahme auf verschiedenen Wegen erfolgt, nämlich durch die Atemwege in Staub-, Rauch- oder Dampfform und durch den Magen-Darm-Trakt (Hannes-Christian Blum, Gefährdungsbeurteilungen, Band 1, Rn. 2.3.2.2.0; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1222). Für die Objektivierung und Quantifizierung einer Bleiintoxikation ist primär die Blutbleikonzentration zu messen. Dabei sind nach Auffassung der Arbeitsstoffkommission der DFG Blutbleispiegel von mehr als 400 ug/l für Männer mit einer erhöhten Gesundheitsgefährdung hinsichtlich einer ZNS-Toxizität verbunden (Mehrtens/Brandenburg, Die BKV, Komm., Stand 1/15, Rn. 2.2. zu M 1101 m. w. N.). Zusätzlich können Koproporphyrine und die Deltaaminolävulinsäure im Harn gemessen werden. Die Bestimmung der Bleikonzentration im Knochen mittels Röntgenfluoreszenztechnik ist dagegen kein diagnostischer Standard, sondern erfolgt nur zu wissenschaftlichen Zwecken (G. T. in: J. F., F. M. (Hrsg.), Die ärztliche Begutachtung, 7. Aufl., S. 199). Anzeichen einer Bleiintoxikation ist der sog. Bleisaum, ein schwarzblauer bis schiefergrauer Saum im Zahnfleischrand. Beim Kläger ergab die am 23.04.2007 untersuchte Urinprobe einen Bleispiegel im Urin von 16,3 ug/l bei einem Normbereich von unter 40 und einen Deltaaminolävulinsäurewert von 4,3 mg/24 h bei einem Normbereich von 0,3 bis 6,4 und somit keine erhöhten Werte (Laborbericht Dr. B. S. 35 BG-Akte). Die Bleibestimmung im Blut, die Erythrozytenmorphologie im Differentialblutbild und der Porphyrine in den Erythrozyten ergab keine chronische Bleiintoxikation. Im EDTA(Ethylendiamintetraacetat)-Blut betrug der Bleiwert beim Kläger 5,9 bei einem Referenzbereich unter 35 ug/dl, das freie Protoporphyrin 2,6 (bei einem Referenzbereich von 0,5 bis 5,0 ug/l und das Zinkprotoporphyrin als Zeichen einer Anämie 25 bei einem Referenzbereich unter 40 umol/molHb (Untersuchung vom 08.10.2007, S. 42 BG-Akte). Ein Bleisaum fand sich bei ihm nicht (Arztbrief Dr. K. vom 16.11.2007, S. 40 BG-Akte). Somit liegen alle Untersuchungsergebnisse deutlich im nichtpathologischen Bereich. Da die Untersuchungen 2007, also noch während der Tätigkeit des Klägers bei der BGU erfolgten, können die negativen Ergebnisse nicht - wie von ihm vorgetragen - auf eine geringe Halbwertzeit zurückgeführt werden, weil die angegebene Exposition zu diesem Zeitpunkt fortbestand. Die vom Kläger im Verlauf des Verfahrens angeregte weitere Ermittlung in Form eines EDTA-Tests ist ausweislich des vorhandenen Befundes bereits 2007 durchgeführt worden. Die Röntgenfluoreszenzanalyse der Knochen ist kein diagnostischer Standard und insbesondere angesichts der durchweg negativen Werte nicht erforderlich.
Die von der Beklagten angeführten Vergleichsmessungen des Bleigehalts der Luft aus ähnlich gelagerten Betrieben sind daher nicht entscheidungserheblich. Angesichts der eindeutigen Ergebnisse des für die Feststellung einer Bleiexposition maßgeblichen Biomonitoring kann auch offen bleiben, welche Bedeutung Luftgrenzwerten zukommt und welcher Grenzwert gegebenenfalls heranzuziehen wäre. Der von der Beklagten angeführte Grenzwert von 0.15 mg/m³ ist der EU-Arbeitsplatzgrenzwert, der als Mindeststandard von den Mitgliedstaaten zu übernehmen ist. Er ist kein Arbeitsplatzgrenzwert im Sinne des § 2 Abs. 8 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), bei deren Einhaltung akute oder chronisch schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen nicht zu erwarten sind. Neben den Arbeitsplatzgrenzwerten sind bei der Festlegung von (Schutz)-Maßnahmen die Regelungen und Anforderungen der stoffspezifischen Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) zu berücksichtigen. Vom Bundesministerium für Arbeit CBMAS) wurde auf Vorschlag des Ausschusses für Gefahrstoffe (AGS) für Blei und anorganische Bleiverbindungen ein Konzentrationswert von 0,1 mg/m³ bekannt gegeben (vgl. Internetrecherche: Institut für Arbeitsschutz - IFA - der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, abgefragt am 09.11.2015).
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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