L 6 U 2685/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 1303/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2685/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Verletztenrente wegen einer als Berufskrankheit (BK) anerkannten Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung - BKV (im Folgenden: BK 2301).

Der 1954 geborene Kläger wurde nach dem Studium der Instrumentalmusik an der Staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg und Ableistung seines Wehrdienstes von Juli 1972 bis Oktober 1973 als Militärmusiker ab 03.08.1978 im Alter von 24 Jahren direkt als Solo-Kontrabassist beim Südwestrundfunk-SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden-Freiburg angestellt. Er hatte von Beginn an Schwierigkeiten, sich angesichts seines jungen Alters in dieser Leitungsposition durchzusetzen, insbesondere gegenüber den älteren Kollegen, die sich innerhalb des Orchesters auch auf die Solo-Position beworben hatten. Diese folgten dann teilweise seinen Anweisungen nicht und machten während des Spiels negative Bemerkungen über sein Spiel. Durch den Stress litt er damals an wiederkehrenden Gastritiden. 2005 hatte er eine schwere depressive Krise mit massiver Unruhe, Schlaflosigkeit, starker Gewichtsabnahme, Überforderung, massiven und sehr konkreten Suizidgedanken. Diese wurde dadurch ausgelöst, dass die durch die Verlagerung des Orchesters nach Freiburg entstandenen Fahrtkosten nicht mehr übernommen wurden und das Finanzamt eine erhebliche Steuernachzahlung forderte, was zu finanziellen Schwierigkeiten führte. Gleichzeitig kam es zu einer Ehekrise. Danach konnte er seine Tätigkeit weiterhin zufriedenstellend verrichten, litt aber zunehmend unter Verspannungen, Schmerzen und verminderter Belastbarkeit bei Proben und Konzerten (Gutachten Prof. Dr. S. vom 07.05.2013, Bl. 125 Senatsakte).

Gehörschutzmittel benutzte er nicht ständig. Eine Lärmmessung der Beklagten am 01.06.1993 hatte bei der 7. Sinfonie von G. M. für die Kontrabassstreicher in Ohrhöhe einen Mittelungspegel von 95,3 dB/(A) und einen Spitzenwert von 108,9 dB(A) ergeben. Das Stück sei von den Musikern als repräsentativ für den durchschnittlichen Lärmpegel angegeben worden. Abschließend wurden Vorschläge zur Gehörschutzprävention unterbreitet wie Lärmpausen, Verzicht auf elektronische Verstärker, reflexionsarme bzw. schallabsorbierende Gestaltung des Probesaals oder/und akustisch angepasster persönlicher Gehörschutz. Erneute Messungen am 06.09.1999 ergaben weiterhin Werte über 85 dB(A), auch über 90 dB(A).

Der Kläger war vom 14.01.2010 bis 25.10.2010 arbeitsunfähig, anschließend von seinem Arbeitgeber freigestellt und bezog Krankengeld. Ab 20. Juli 2012 erhielt er nur noch den Krankengeldzuschuss vom Arbeitgeber auf der Basis des Netto-Gehalts unter Anrechnung des Krankengeldsatzes, so dass er eine Lohneinbuße von monatlich 2.677,50 EUR im Monat erlitt. Seit 01.04.2012 bezieht er Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer und betriebliche Altersversorgung. Die Differenz zwischen den Bruttobezügen bei Weiterbeschäftigung und den betrieblichen Versorgungsbezügen beträgt 2.802,85 EUR auf der Basis des Rentenhöhe von 836,49 EUR für 2012. Ab 01.01.2013 liegt die gesetzliche Rente bei 917,16 EUR.

Beim Kläger ist seit 03.02.2011 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 wegen depressiver Verstimmung, Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, muskulären Verspannungen, Kopfschmerzsyndrom, Ohrgeräuschen (Tinnitus), Krampfadern, operiert, und Mittelnervendruckschädigung bds. (Karpaltunnelsyndrom) festgestellt.

Facharzt für Hals-Nasen-Ohren(HNO)Heilkunde Dr. W. zeigte am 09.03.2010 den Verdacht einer BK wegen Lärmschwerhörigkeit/Tinnitus nach einem Lärmtrauma mit Tinnitus am 13.01.2010, Beschwerden erstmals am 14.01.2010, an. Der Kläger gab am 30.03.2010 an, der Tinnitus sei ein sehr hoher Pfeifton im rechten Ohr verbunden mit sehr hohem Rauschen, Flimmern und Kratzen. Er sei immer, besonders beim Spielen des Instruments, vorhanden.

Die Stellungnahme Arbeitsexposition vom 20.05.2010 ergab bei Orchesterproben von 4,5 Stunden am Tag, individuellem Üben von 2 bis 3 Stunden und zusätzlich ca. 50 Konzerten im Jahr angesichts der bei Proben erfolgten Messungen bei diesen täglichen Lärmwerte von 88 bis 95 dB(A). Die zur Verfügung gestellten Otoplastiken könnten insbesondere bei modernen Stücken nicht immer genutzt werden, weil in den leisen Passagen das Tragen von Gehörschutz zu Fehlern führen würde. Beim individuellen Üben dürften beim Kontrabass nur selten Werte über 85 dB(A) erreicht werden. Der Kläger sei damit bei seiner Tätigkeit einer Lärmgefährdung im Sinne der BK 2301 ausgesetzt.

Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. D. berichtete von einer Behandlung am 30.03.2010, bei der der Kläger über Schmerzen im Wirbelsäulenbereich und Hörminderung mit Ohrgeräusch, kombiniert mit rezidivierenden Schwindelbeschwerden, klagte. Die Diagnose laute psychophysisches Erschöpfungssyndrom, Schmerzsyndrom bei bestehender Muskelanspannungsstörung. Er habe Massagen und komplementär medizinische Medikation verordnet. Das beigefügte Audiogramm zeigte eine rechts etwas stärker als links ausgeprägte innenohrbedingte Hochtonschwerhörigkeit mit rechtsseitiger typischer und lärmverdächtiger Senkenbildung im Hochtonbereich bei 4 kHz mit hier bestehendem maximalen Hörverlust in einer Höhe von 30 dB. Der Hörverlust nach Röser betrug weniger als 10 % (vgl. beratungsärztliche Stellungnahme Facharzt für HNO-Krankheiten Dr. J. vom 23.01.2011, Bl. 181 BG-Akte). Anlässlich der letzten arbeitsmedizinischen Untersuchung vom 09.07.2009 (Bl. 38 BG-Akte) zeigte das Audiogramm, dass der Test rechts durch ein Störgeräusch beeinträchtigt, so das nicht erkennbar war, ob eine Hörminderung besteht. Hinsichtlich des 2001 erlittenen Hörsturzes mit nachfolgendem Tinnitus, therapiert durch Infusionsbehandlung, gab der Kläger keine Beeinträchtigung an.

Vom 20.07.2010 bis 31.08.2010 wurde der Kläger in der Tinnitus-Klink Dr. H. in Bad Arolsen stationär behandelt. Dort wurden die Diagnosen rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradig, dekompensiertes Tinnitusleiden, Phonophobie und Hyperakusis gestellt. Therapiert wurde mit psychosomatischer Aufarbeitung, Vermittlung von Bewältigungsstrategien sowie Hör- und Geräuschtherapie. Entlassungsmedikation war Citalopram, L-Thyroxin, Ramipiril und Sortis. Anamnestisch habe der Kläger bereits vor 9 Jahren bei einer Orchesterprobe einen Hörsturz auf der rechten Seite mit Tinnitus und Geräuschempfindlichkeit bei anfänglich guter Remission unter Infusionsbehandlung erlitten. Das Hörvermögen habe sich damals nach einem viertel Jahr wieder normalisiert. Vor 5 Jahren sei er schwer depressiv eingebrochen. Damals hätten massive finanzielle Schwierigkeiten vorgelegen, er sei deutlich gemobbt worden und es hätten Schwierigkeiten in der Partnerschaft bestanden. Im Vorfeld des Etablierens des jetzigen Tinnitusleidens sei der Kläger erneut sowohl aufgrund von Konflikten am Arbeitsplatz als auch Konflikten im privaten Bereich bzw. diesbezüglich jeweils bestehender Ambivalenz depressiv eingebrochen. Er habe sein Leiden im Tinnitus somatisierend zum Ausdruck gebracht und sei in einen Teufelskreis aus Bewertung des Ohrgeräuschs als bedrohlich und unkontrollierbar, Gefühlen von Angst und Hilflosigkeit, physiologischer Anspannung und Verstärkung und Aufrechterhaltung des Tinnitusleidens geraten. Zudem habe er bei subjektiver Krankheitstheorie bezüglich einer Schädigung während einer Orchesterprobe zunehmend eine Phonophobie im Sinne einer Geräuschempfindlichkeit, insbesondere in Bezug auf Geräusche assoziiert mit dem Arbeitsplatz, vom Kläger als hochfrequent beschrieben, gezeigt. Es habe sich ein entsprechendes Vermeidungsverhalten entwickelt und er habe sich zunehmend weniger in der Lage gesehen, angesichts der weiteren gesundheitlichen Schwierigkeiten, auch das Sehvermögen betreffend, seinen Beruf weiter auszuüben. Die Symptomatik werde durch eine sehr hohe ängstlich-somatische Fixierung verstärkt und aufrecht erhalten. Neuro-otologisch bestehe ein primär durch Schäden der Haarzellen des Innenohres ausgelöster Tinnitus korrelierend mit audiometrisch nachgewiesenem geringgradigem Hörverlust im Hochfrequenzbereich. Die Geräuschüberempfindlichkeit erkläre sich in der Aufrechterhaltung auch durch phonophobische Anteile.

In der Therapie seien Konflikte am Arbeitsplatz bzw. vor allem im privaten Setting bearbeitet worden. Hinsichtlich der weiteren Ausübung seines Berufs sei der Kläger in hohem Maße ambivalent gewesen, weil er die Belastung durch experimentelle Musik schwer erträglich finde, die berufliche Zukunft bei einem vorzeitigen Ausscheiden aber schwierig wäre. Man habe ihn insgesamt antidepressiv aktivieren und die bestehenden Ängste reduzieren können. Er sei zunehmend affektiv schwingungsfähig, eine Fortführung ambulanter Psychotherapie sei dringend angeraten.

Die Befunde zeigten eine geringe Einschränkung der Hörfunktion bei 10 kHz. Die Unbehaglichkeitsschwelle lag für reine Töne rechts zwischen 45 und 25 dB, im Bereich der Hochfrequenz hörschwellennah; links zwischen 45 und 30 dB, im Bereich der Hochfrequenz hörschwellennah. Die Unbehaglichkeitsschwelle für Sprache lag bei 85 dB rechts und 90 dB links. Der Tinnitus war bei 3000 Hz total verdeckbar mit 13 dB. Das 50%ige Wortverständnis im Störschall betrug rechts -4 dB, links -3,5 dB und lag damit im Normbereich. Der Tinnitusfragebogen nach Goebel ergab zu Beginn des stationären Aufenthalts einen Gesamtwert von 17 Punkten, entsprechend einer schwerstgradigen Tinnitusbelastung und einem klar dekompensierten Tinnitus. Am Ende ergab sich ein Gesamtwert von 3 Punkten, entsprechend einer leichtgradigen Tinnitusbelastung und einem klar kompensierten Tinnitus. Auf der Hospital Anxiety and Depression Scale zeigte sich zu Beginn des Aufenthalts auf den Subskalen Ängstlichkeit (RW=9) und der Subskala Depressivität (RW=13) auffällig erhöhte Werte, entsprechend einer schweren Symptomatik; am Ende des Aufenthalts unauffällige Werte (RW=6 für Ängstlichkeit und Depressivität).

Im Auftrag der Beklagen erstattete Prof. Dr. P. ihr HNO-fachärztliches Gutachten vom 10.11.2010. Die Sachverständige kam zu dem Ergebnis, eine BK 2301 liege vor, wobei sich die Auswirkung des Lärms "weniger in einer Schwerhörigkeit", sondern in Form eines Tinnitus aurium zeige. Der vom Präventionsdienst ermittelte Lärmpegel von weit über 85 dB(A) sei nach allgemeiner Auffassung geeignet, Lärmschäden des Gehörs, z. B. einen Tinnitus zu verursachen. Sie stellte die Diagnose eines Tinnitus aurium rechtsbetont und einer tonaudiometrisch geringfügigen Hörstörung ohne prozentualen Hörverlust mit einer Hörminderung von bds. 0 %. Sie schlug eine MdE von 10 v. H. für den Tinnitus und die Geräuschüberempfindlichkeit vor und empfahl eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung. Der Tinnitusfragebogen nach Göbel und Hiller habe einen Gesamtschweregrad von 56 von 84 möglichen Punkten, entsprechend einem schweren dekompensierten Tinnitus mit Schweregrad 3, ergeben. Das Ohrgeräusch rechts sei mit 4 kHz und 43 dB, links mit 4 kHz und 35 dB zu simulieren. Der Tinnitus sei durch Töne dicht über dem empfundenen Lautstärkepegel verdeckbar. Das Ohrgeräusch werde spontan angegeben, nicht erst auf Nachfrage. Sowohl rechts als auch links sei das Ohrgeräusch ipsi- und kontralateral verdeckbar. Es sei ein bds. rechtsbetontes Ohrgeräusch in Form eines hochfrequenten Pfeifens. Der Kläger nehme es rechts deutlich lauter wahr als links, in Ruhe lauter, bei Umgebungsgeräuschen leiser, es sei jedoch permanent vorhanden, besonders schlimm in größeren Gruppen, am angenehmsten in freier Natur. Die Einschlafphase sei deutlich verlängert. Er wache aber nicht vom Ohrgeräusch auf und es komme nicht zu einem früheren Erwachen. Den stationären Aufenthalt in der Tinnitus-Klinik bezeichne der Kläger als nicht hilfreich.

Facharzt für HNO-Krankheiten Dr. J. erachtete in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 23.01.2011 die von der Gutachterin vorgeschlagene MdE von 10 v. H. für die beruflich bedingte Lärmschwerhörigkeit äußerst geringen Ausmaßes verbunden mit Tinnitus und Hyperakusis für angemessen. Für den Fall, dass diese Bemessung dem Beschwerdebild nicht gerecht werde, müsse kritisch geprüft werden, ob die Lärmschädigung wesentliche Bedingung für die Ohrgeräusche sei oder ob eine in der Persönlichkeit des Klägers begründete Reaktionsweise vorliege. Dies sei neurologisch-psychiatrisch zu beurteilen.

Mit Bescheid vom 07.02.2011 erkannte die Beklagte eine beim Kläger bestehende Hörminderung bds. als BK 2301 an. Kosten der Heilbehandlung würden übernommen. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Der Versicherungsfall sei am 14.01.2010 eingetreten (Audiogrammerstellung). Als Folgen der BK wurden anerkannt eine äußerst geringgradige innenohrbedingte Hochtonschwerhörigkeit bds. Nicht als BK-Folgen festgestellt wurden ein Zustand nach (Z. n.) Hörsturz, rezidivierende depressive Störungen mit dekompensiertem Tinnitus-Leiden und Hyperakusis vor 10 Jahren. Der Tinnitus sei nicht Folge der äußerst geringen lärmbedingten Hörminderung, sondern habe sich nach einem erneuten depressiven Einbruch aufgrund von Konflikten am Arbeitsplatz und im privaten Bereich entwickelt. Aufgrund dieser Konfliktsituationen sei es zu einer Somatisierung der Beschwerden und Entwicklung von Ohrgeräuschen gekommen. Ein Zusammenhang zwischen den Ohrgeräuschen und der beruflichen Tätigkeit könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Trotz der schon seit vielen Jahren bestehenden Lärmeinwirkung liege nur eine äußerst geringe innenohrbedingte Hörminderung bds. vor, die nicht im Zusammenhang mit dem bestehenden Tinnitus stehe.

Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch, regte eine nervenärztliche Begutachtung bei Dr. U. an und teilte mit Schreiben vom 05.02.2011 mit, dass er bis 25.10.2010 arbeitsunfähig gewesen und seitdem von seinem Arbeitgeber freigestellt sei, da er schon aufgrund seiner visuellen Probleme nicht mehr im Orchester arbeiten könne.

Am 14.09.2011 erstattete Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizinerin Dr. U. ein Gutachten nach Untersuchung vom 22.08.2011. Sie schätzte die nervenärztliche MdE auf 10 v. H. Der Kläger leide langjährig unter einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom, erhalte regelmäßig Krankengymnastik, Chiropraktik und Osteopathie. Er habe ein rechtsbetontes Karpaltunnelsyndrom (Befund Neurozentrum Universitätsklinik Freiburg vom 08.12.2010), eine langjährige Hypothyreose, medikamentös substituiert. 2001 habe er einen Hörsturz erlitten mit nachfolgendem Tinnitus und Geräuschempfindlichkeit, unter Infusionsbehandlung sei dieser relativ gut remittiert. 2005 habe sich eine Depression entwickelt, die zu 6wöchiger Arbeitsunfähigkeit geführt habe und ambulant psychiatrisch und medikamentös (Cipramil, Promethazin und Zoklipon) behandelt worden sei. In den vergangenen 2 bis 3 Jahren sei keine psychiatrische Therapie erfolgt.

Er gebe an, seit dem Hörsturz 2001 in wechselnder Intensität an einem Tinnitus zu leiden. Dieser habe sich insbesondere rechts seit Januar 2010 verstärkt. Am 13.01.2010 habe er einen Solopart in einem Musikstück von W. R. gespeilt. Dabei sei rechtsbetont ein hochfrequentes Pfeifen aufgetreten. Danach habe er Intonation und Klangfarbe nicht mehr richtig beurteilen können und sei seitdem stark geräuschempfindlich. Er könne seitdem nicht mehr musizieren, weil der Tinnitus dann besonders stark sei und ihn an der Kontrolle des Spiels hindere. Tinnitus und Hyperakusis hätten zwar seit 2001 bestanden und er habe deshalb seit Jahren Probleme beim Musizieren gehabt, seit Januar 2010 seien sie aber unerträglich. Er sehe sich als berufsunfähig. Hinzu komme ein Problem mit den Augen. Er habe links einen Visus von 0,5 und rechts von 0,8. Um im Orchester spielen zu können, bräuchte er eine Gleitsichtbrille, mit dieser würden ihm aber die Bilder verschwimmen. Bereits seit 2005 habe er mit Depressionen zu tun. Er habe seinerzeit eine schwere Depression mit Schlafstörungen, Appetitverlust, Entscheidungsschwäche und Niedergeschlagenheit gehabt, sei in Behandlung gewesen und nehme seither ein Antidepressivum ein. Unter 20 mg Cipramil täglich sei er relativ stabil gewesen. Seit dem Ereignis am 13.01.2010 sei seine Stimmung deutlich schlechter, Tinnitus und Hyperakusis würden ihn sehr stark seelisch belasten. Er wisse nicht, wie es beruflich weitergehen könne. Er habe Zukunftsängste und sei sehr deprimiert, dass man ihm in der Tinnitus-Klinik nicht habe helfen können. Er sei in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung. Berufliche Belastungen, insbesondere die Lärmbelastung am Arbeitsplatz, habe ihn viel Kraft gekostet. Ein weiteres Problem sei, dass ihm beim Kontrabass-Spielen die Finger einschliefen. Es bestehe ein Karpaltunnelsyndrom mit OP-Indikation.

Im psychopathologischen Befund seien Vigilanz und Orientierungsvermögen unbeeinträchtigt. Der Kläger sei pünktlich ohne Begleitung erschienen, gepflegt freundlich zugewandt und offen, ohne Aggravation. Im Affekt sei er besorgt, dabei euthym, angespannt, gedanklich auf die Problematik konzentriert, ausreichend affektiv modulationsfähig, mit situationsadäquatem Antrieb. Es bestünden vegetative Stigmata im Form von Schlafstörungen und Hyperakusis, kein Morgentief. Es bestehe eine Somatisierungstendenz, die psychomentale Belastbarkeit sei reduziert. Die kognitiven Funktionen seien unbeeinträchtigt, die Tagesstruktur unauffällig.

Die Gutachterin stellte die nervenärztliche Diagnose Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion, daneben Tinnitus aurium und Hyperakusis, Karpaltunnelsyndrom. Es lasse sich nicht sicher sagen, ob die Anpassungsstörung noch in kausalem Zusammenhang zu der 2005 stattgehabten Depression stehe. Der Kläger sei beruflich lärmexponiert und hierdurch dauerbelastet. Im Rahmen einer sehr hohen Beanspruchung und Überbelastung könne sich eine Anpassungsstörung entwickeln. Hauptverantwortlich sei die hochgradige Lärmbelastung. Eine Krankheitsfehlverarbeitung sei nicht auszuschließen, eine erhöhte Vulnerabilität oder besondere Sensibilität für Lärmbelastung lasse sich nicht bemessen. In jedem Fall sei die Anpassungsstörung Folge der beruflichen Lärmexposition. Die Depression von 2005 sei zwischenzeitlich gut remittiert bzw. kompensiert worden. Tinnitus und Hyperakusis hätten persistiert. Der zeitliche Beginn der jetzt vorliegenden Anpassungsstörung lasse sich nicht mehr sicher eruieren. Beschwerdefreiheit sei nach Angaben des Kläger seit 2001 nicht mehr gegeben gewesen. Die seelische Erkrankung sei eine berufsbedingte Gesundheitsstörung, weil Tinnitus und Hyperakusis sich zwar nicht objektivieren ließen, aber als berufsbezogene Dauerbelastung in der Lage seien, die psychische Gesundheit zu beeinträchtigen. Nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Lärmbelastung liege die Visusbeeinträchtigung und das Karpaltunnelsyndrom.

Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Neuroradiologie PD Dr. R. hielt in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 06.11.2011 das Gutachten von Dr. U. für schlüssig und unter Einbeziehung der HNO-ärztlichen MdE von 10 v. H. eine Gesamt-MdE von 15 v. H. für angemessen. Nach dem Ereignis im Januar 2010 sei es zu einer Depression wechselnder Ausprägung gekommen, an deren Entstehung viele Faktoren mitgewirkt hätten - nämlich Mobbing, Erschwerung der Berufsausübung durch nachlassende Sehfähigkeit, Karpaltunnelsyndrom, eine erhöhte Vulnerabilität oder besondere Sensibilität. Dennoch sei das Ereignis im Januar 2010 nicht nur Auslöser, sondern wesentliche Teilursache gewesen. Zwar sei die von den HNO-Ärzten festgestellte geringfügige Symptomatik grundsätzlich nicht geeignet, eine Anpassungsstörung hervorzurufen. Allerdings seien die Anforderungen an einen Solo-Instrumentalisten in einem renommierten Orchester ungewöhnlich hoch, so dass im konkreten Fall durchaus eine Anpassungsstörung angenommen werden könne.

Die Beklagte zog ein arbeitsmedizinisches Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin und Innere Medizin Dr. K. an die Deutsche Rechtenversicherung (DRV) Bund und ein musikermedizinisches Gutachten zur Vorlage an den Rentenversicherungsträger gegenüber dem Arbeitgeber von der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Prof. Dr. S. vom 16.03.2301 bei. Dr. K. führte aus, aus arbeitsmedizinischer Sicht bestehe auf Dauer Berufsunfähigkeit für die ausgeübte Tätigkeit. Bedingt durch die eingeschränkte Sehleistung, die nachgewiesenen Defizite des Hörens, vor allem der hohen Frequenzen, den permanenten Tinnitus, der schweren, seit Jahren bestehenden, teils reaktiven depressiven Symptomatik und den Schmerzen des Bewegungsapparates, vornehmlich der Halswirbelsäule (typisch berufsbedingt), könne eine Tätigkeit als Orchestermusiker respektive als Solokontrabassist, nicht mehr über 3 Stunden täglich ausgeübt werden. Sämtliche Erkrankungen seien wegen des chronischen Verlaufs und der nahezu erfolglosen Behandlungen als chronisch und irreversibel zu bezeichnen. Auch der Einsatz einer Videoapparatur zum Ausgleich der Sehstörung habe keine Verbesserung erbracht.

Prof. Dr. S., Freiburger Institut für Musikermedizin an der Hochschule für Musik, stellte in ihrem Gutachten vom 16.03.2011 aufgrund der Untersuchung vom 18.02.2011 die Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode; dekompensierter schwerer Tinnitus, 3gradig; reaktive psychische Belastung im Rahmen der Berufsausübung durch bestehende körperliche Symptome im Bereich des Hörens und Sehens; berufsspezifisches Burn-out-Syndrom.

In den Jahren nach 2001 sei der Tinnitus verschwunden. Seit der Depression 2005 werde er mit Cipramil behandelt. Er sei vom 14.02.2010 bis 25.10.2010 wegen Tinnitus krankgeschrieben gewesen. Gleichzeitig bestehe die Presbyopie. Da er bei seiner Tätigkeit keine Gleitsichtbrille tragen könne, sei im Februar eine Videoapparatur getestet, aber nicht für tauglich befunden worden. Aktuell bestünden massive Durchschlafstörungen, eine depressive Stimmungslage, herabgesetzte psychische Belastungsfähigkeit. Die Belastung durch den anhaltenden Tinnitus werde als stark empfunden. Im Kontakt sei er sehr angespannt, bei belastenden Themen den Tränen nahe. In der Hörprüfung habe sich im Tonaudiogramm bds. eine diskrete Hochtoneinschränkung rechts bei 4 kHz von ca. 20 dB, bei 6 kHz von ca. 15 dB, bei 8 kHz von ca. 20 dB und bei 10 kHz von ca. 60 dB gefunden. Links bestehe keine C5-Senke, die Schwelle liege aber bei 6 kHz bei ca. 15 dB, bei 8 kHz bei ca. 30 dB und bei 10 kHz bei ca. 40 dB. Im Sprachaudiogramm bestünden keine Einschränkungen. Der bds. angegebene Tinnitus sei rechts bei 4 kHz und links bei 2 kHz lokalisiert und könne mit 10 dB überschwellig überdeckt werden. Im Tinnitusfragebogen nach Goebel und Holler werde ein Score von 54 entsprechend einem dekompensierten Tinnitus Grad 3 erreicht mit besonders hohen Score-Werten betreffend emotionale Belastung, kognitive Belastung, Penetranz des Tinnitus und Hörproblemen.

Die depressive Störung habe sich in 32 Berufsjahren aufgrund der beruflichen Situation und der beruflichen Anforderungen entwickelt. Die Position bringe enorme psychische Anforderungen mit sich, zunächst der hohe Perfektionsdruck bezüglich der spielerischen Leistungen insbesondere an den exponierten Solo-Stellen. Hinzu komme die Leitungsaufgabe in der Soloposition, die in der Vergangenheit durch die Mitarbeit der jeweiligen Mitspieler extrem erschwert worden sei. Hierauf habe der Kläger von Beginn an mit wiederkehrenden Gastritiden reagiert. Die psychische Anforderungssituation werde verstärkt dadurch, dass durch die Einschränkung des Sehens und des Hörens keine notwendigen und optimalen Voraussetzungen bestünden, um diese Hochleistungsanforderungen zu erfüllen. Dies wirke sich massiv verstärkend auf die psychische Anspannung aus. Auch der dekompensierte Tinnitus trage negativ zur psychischen Gesamtsituation und Einschränkung der Spielfähigkeit bei. Er sei nicht in der Lage, den Beruf des Orchestermusikers auszuüben. Die Symptome stellten eine BK dar.

Der Befundbericht der Universitätsmedizin Mannheim, Prof. Dr. K. vom 14.07.2010, berichtete eine Sehschärfe von +3,0 sph.=0,8 rechts und +4,25 sph. -1,0cyl./4°=0,5 bei Amblyopie links. Aufgrund der fortgeschrittenen Presbyoptie sei zum Spielen des Instruments eine zusätzliche Lesekorrektur von 1,5 Dptr. erforderlich. Mit dieser Korrektur könne der Kläger jedoch den Dirigenten nicht mehr sehen. Eine Gleitsichtbrille sei wegen der deutlichen Körperbewegungen beim Spielen nicht möglich. Eine Korrekturmöglichkeit bestehe durch Implantation einer multifokalen Intraokularlinse, deren Wirkung vorab mit Kontaktlinsen getestet werden könne oder durch Verwendung eines Videominitors, der das Bild des Dirigenten im Abstand von ca. einem Meter einspiele. Eine Begutachtung durch das Kontaktlinsenstudio Gander vom 02.09.2010 ergab, dass eine zufriedenstellende Lösung mit Kontaktlinsen nicht zu erzielen sei.

Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. stellte in ihrem Gutachten für die DRV Bund aufgrund persönlicher Untersuchung vom 25.05.2012 die Diagnose Anpassungsstörung im Sinne einer depressiven Reaktion. Der Kläger erscheine pünktlich, der Kontakt sei gut herstellbar, er antworte ausführlich, die Stimmung sei ausgeglichen, die affektive Schwingungsfähigkeit erhalten, unterschwellig sei er etwas verbal aggressiv. Konzentration und Aufmerksamkeit seien nicht gestört. Er gebe immer wieder auftretende depressive Verstimmungen sowie einen Tinnitus, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen an. Er wolle in seinem Beruf arbeiten, könne aber nicht. In den letzten Wochen habe er viele Beschwerden wegen des Karpaltunnelsyndroms bds. gehabt, das jetzt operiert worden sei. Er sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über 6 Stunden erwerbsfähig, in seinem Beruf als Solo-Kontrabassist unter 3 Stunden.

Mit Teilabhilfebescheid vom 08.02.2012 änderte die Beklagte den Bescheid vom 07.02.2011 dahin ab, dass Folgen der anerkannten BK 2301 eine äußerst geringgradige Innenohrschwerhörigkeit bds. mit Tinnitus und Hyperakusis sowie Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion seien. Unabhängig von der BK lägen Visusbeeinträchtigung, Nah- und Fernsicht betreffend, und ein Karpaltunnelsyndrom vor. Eine MdE in rentenberechtigendem Grade bestehe weiterhin nicht. Eine besondere berufliche Betroffenheit sei nicht anzunehmen, da der Kläger seine berufliche Tätigkeit am 26.10.2010 wieder aufgenommen habe und mit unveränderten Bezügen beschäftigt sei. Eine unbillige Härte liege nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2012 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 03.04.2012 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Selbst wenn man nur von einer MdE von 15 v. H. ausgehe, sei diese auf 25 v. H. zu erhöhen, denn der Ausnahmetatbestand der besonderen beruflichen Betroffenheit sei erfüllt. Er habe am 13.12.2010 einen Arbeitsversuch unternommen. Seit dem 26.01.2012 sei er arbeitsunfähig und beziehe Krankengeld. Eine Rückkehrmöglichkeit an seinen Arbeitsplatz bestehe nicht. Dieser sei nicht leidensgerecht. Er legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 15.08.2012 vor, in der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. Arbeitsunfähigkeit seit 26.01.2012 wegen Tinnitus aurium, Hyperakusis, reaktiver Depression und Karpaltunnelsyndrom bescheinigt (Die vorherigen Bescheinigungen nannten entweder keine Diagnose oder das Karpaltunnelsyndrom als Grund der Arbeitsunfähigkeit, vgl. z. B. Bl. 205 ff. V-Akte).

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG eine Auskunft beim Arbeitgeber eingeholt. Die Personalabteilung hat mit Schreiben vom 26.11.2012 mitgeteilt, der ausschließlich als Solo-Kontrabassist beschäftigte Kläger habe am 13.12.2010 einen Arbeitsversuch mit einem Hilfsmittel durchgeführt. Nach dem musiker-medizinischen Gutachten sei er gehindert, seinen Arbeitsverpflichtungen nachzukommen. Die Vergütung des Klägers hätte zum 01.04.2012 7.277,00 EUR, die Versorgungsbezüge 4.474,15 EUR, somit die Differenz 2.802,85 EUR betragen.

Der Kläger hat im SG-Verfahren seinen Rentenbescheid vom 28.12.2012 vorgelegt, wonach er Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 917,16 EUR ab 01.02.2013 bezieht.

Mit Urteil vom 19.06.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die MdE aus den anerkannten Folgen der BK 2301 sei zutreffend mit 15 v. H. bewertet. Diese sei auch nicht wegen besonderer beruflicher Betroffenheit als Berufsmusiker zu erhöhen. Nachteile im Sinne von § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII lägen vor, wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde. Wesentliche Merkmale hierfür seien das Alter des Versicherten, die Dauer der Ausbildung, die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und sonstige besondere Umstände des Einzelfalls, wenn der Versicherte die verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten könne. Zwar habe der Kläger eine langjährige, stark spezialisierte Ausbildung durchlaufen und eine entsprechende langjährige berufliche Tätigkeit in besonders herausgehobener Stellung ausgeübt. Eine unbillige Härte liege dennoch nicht vor, weil er insgesamt seit dem Eintritt des Versicherungsfalls Lohnersatzleistungen in Höhe von 74 % seiner Bezüge als Musiker erhalte. Daher liege kein unzumutbarer sozialer Abstieg vor, unabhängig von der Frage, ob der Kläger darüber hinaus privat gegen Berufsunfähigkeit abgesichert sei, oder in der Lage wäre, durch verwandte berufliche Tätigkeiten den Verlust auszugleichen und ob der Verlust der innegehabten Tätigkeit überhaupt maßgeblich auf die BK 2301 zurückzuführen sei oder auf nichtversicherte Ursachen wie die Verminderung der Sehfähigkeit. Den Verlust der Solomusikerposition mit dem damit verbundenen sozialen Abstieg und den Verlust der persönlichen Erfüllung könne das Gericht ebenso wenig berücksichtigen wie Auswirkungen einer verfrühte Verrentung auf die Altersrente.

Gegen das am 28.06.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.07.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das Tinnitusleiden habe sich verschlechtert. Ohnehin sei die MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit auf 25 v. H. zu erhöhen.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 7. Februar 2011 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 8. Februar 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2012 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 25 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Entscheidungen für richtig.

Der Senat am 02.04.2014 nach § 109 SGG Prof. Dr. R. und Prof. Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieses ist - mit Einverständnis des Klägers nach Aktenlage - am 14.01.2015 erstellt worden. Aufgrund der dortigen Bezugnahme auf ein im Schwerbehindertenklageverfahren S 12 SB 4620/11 am 07.05.2013 nach Untersuchungen am 04. und 05.12.2012 erstattetes Gutachten ist dieses beigezogen und schließlich eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen eingeholt worden.

Prof. Dr. S. und Prof. Dr. R. haben ausgeführt, die Befunderhebung im Dezember 2012 habe ergeben, dass bei der Untersuchung sowie in den letzten Wochen zuvor eine depressive Grundstimmung mit Durchschlafstörungen und starkem Leiden aufgrund des Tinnitus bestanden habe. Aus psychosomatischer Sicht liege ein chronischer Verlauf bei dysthymer Grundstruktur vor. Der Kläger leide seit vielen Jahren unter Depressionen und Angstzuständen, die durch jahrelange psychotherapeutische Behandlung und entsprechende medikamentöse Behandlung in Schach gehalten werden müssten. Aufgrund der Belastung durch die hinzugekommenen somatischen Symptome, insbesondere die Hyperakusis und den Tinnitus, sei die psychische Belastungsfähigkeit zusätzlich stark eingeschränkt, insbesondere seit dem Lärmtrauma im Januar 2010. Die Sachverständige Prof. Dr. S. hat auf dem Gebiet der Psychosomatik die Diagnosen reaktive psychische Belastung durch bestehende körperliche Symptome im Bereich des Hörens und Sehens, Phonophobie, berufsspezifisches Burn-out-Syndrom und rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, gestellt.

Aktuell leide der Kläger deutlich unter seinen Ohrgeräuschen, wache mehrfach in der Nacht deswegen auf. Zusätzlich bestehe eine starke Empfindlichkeit gegen laute Geräusche (Hyperakusis). HNO-ärztlich werde ein Tinnitius bds. angegeben, der knapp über der Hörschwelle jeweils in den Frequenzen rechts 3 kHz und links 2 kHz knapp überschwellig verdeckbar sei. Tonaudiometrisch bestünden diskrete Einschränkungen des Hörvermögens im Hochtonbereich. Die Unbehaglichkeitsschwelle sei bei 85 bis 90 dB erreicht. der Tinnitus sei mit einem Gesamt-Scoren von 71 auf dem Tinnitus-Fragebogen nach Goebel und Hiller als dekompensiert, 3 bis 4gradig, einzuschätzen.

Im Schwerbehindertenklageverfahren haben die Sachverständigen den GdB für die Depression und den Tinnitus auf 50 geschätzt, da die Depression als schwere psychische Störung mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten einzustufen sei. In dem für das vorliegende Verfahren erstatteten Gutachten haben sie mit derselben Begründung die MdE auf 50 v. H. geschätzt. Die durch die BK 2301 verursachte reaktive Depression sei vollständig berufsabhängig. Die für die Begutachtung und Bestimmung der MdE im Vordergrund stehende psychische Beeinträchtigung sei vollständig und umfassend als durch den Tinnitus und die Hyperakusis verursachte reaktive psychische Belastung und Phonophobie zu bezeichnen, die funktionell zu einem berufsspezifischen Burn-out-Syndrom geführt habe. Zusätzlich bestehe eine rezidivierende depressive Störung, die in ihrem Verlauf und ihrer Ausprägung durch berufliche Belastungen verstärkt werde. Die Sachverständigen haben sich im Einklang mit den Vorgutachten gewähnt, mit Ausnahme der Höhe der MdE, die erstmals sie in der Gesamtschau von HNO-ärztlichem Befund und psychischer Situation vorgenommen hätten.

Die Beklagte hat hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme von Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 25.03.2015 vorgelegt. Danach halte sie eine MdE von 15 v. H. weiterhin für zutreffend. Dr. M. hat ausgeführt, das Gutachten auf psychotherapeutischem/psychosomatischem Fachgebiet sei nicht schlüssig und weiche von der wissenschaftlichen Lehrmeinung bzw. der einschlägigen Gutachtenliteratur zur Depression ab. Die Reaktion des Klägers sei nicht beruflich bedingt, sondern auf die vorbestehende wiederholte depressive Störung zurückzuführen. Die S2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen AWMF besage in Statement 16, dass die kausale Zuordnung schwergradiger Depressionen stets eine eingehende Diskussion in Abgrenzung zu schädigungsunabhängigen konkurrierenden Faktoren erfordere, da derartige Erkrankungen häufig auch spontan oder im Rahmen alltäglicher Lebensereignisse aufträten. Diese Diskussion lasse das Gutachten vermissen und diagnostiziere eine depressive Anpassungsstörung und zusätzlich eine wiederholte depressive Störung als BK. Eine solche Doppeldiagnose kenne die wissenschaftliche Literatur nicht. Im Fall des Klägers sei eine depressive Störung vorbestehend, die sich auch in Bezug auf die BK auswirke, diese aber nicht kausal begründe. Zudem halte das Gutachten nicht die Kriterien einer Anpassungsstörung ein. Zeigten sich nach einem traumatischen Ereignis (bzw. hier als Reaktion auf eine BK) im Vordergrund stehende depressive Symptome, die den Schweregrad einer leichten depressiven Störung überschritten, seien diese nicht nach ICD-10 als Anpassungsstörung zu verschlüsseln, selbst wenn sie gleichermaßen im Rahmen einer misslungenen Anpassung an das Ereignis aufträten. Um einen Zusammenhang wahrscheinlich zu machen, seien hohe Anforderungen an bestehende Brückensymptome zu stellen, da nahezu ein Viertel der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens eine depressive Episode entwickele, davon 5 bis 6 % eine schwere Symptomatik. Beim Kläger hätten depressive Phasen eindeutig auch unabhängig von der BK vorgelegen und seien 2005 dokumentiert. In der wissenschaftlichen Literatur gebe es keinen Hinweis, dass wiederholte depressive Episoden monokausal bedingt seien. Nach der S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression mache es die Heterogenität depressiver Störungen unwahrscheinlich, dass ein Faktor allein für die Entstehung einer Depression verantwortlich sei. Die von den meisten Experten angenommenen multifaktoriellen Erklärungskonzepte gingen von Wechselwirkungen zwischen biologischen und psychosozialen Faktoren aus, wobei die Bedeutung der Faktoren erheblich variiere. Die gutachterliche Einschätzung der unfallbedingten Auslösung bleibe die laut Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, erforderlichen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse schuldig. Für die rezidivierende depressive Störung sei die BK eine Gelegenheitsursache gewesen, weil sie auch eine psychische Reaktion auf die BK sei, der Kläger aber auf Belastungen auch in anderen Lebenssituationen eben mit depressiven Symptomen reagiere.

In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 11.12.2015 hat Prof. Dr. S. sich auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 15.07.2013 berufen, in der aufgrund ihres Gutachtens ein GdB von 40 für Depression und Ohrgeräusche zur Anerkennung vorgeschlagen wurde. Im Hinblick auf die Einwendungen von Dr. M. hat sie dargelegt, seit dem Tinnitus 2001 habe eine erhöhte Vulnerabilität des Innenohrs bestanden. Es liege somit eine klassische "Henne und Ei"-Problematik vor, denn es sei sehr schwer zu entscheiden, welches der vorliegenden Störungsbilder sich zuerst entwickelt habe und welches Folge des anderen sei. Die gutachterliche Einschätzung sei nach der Theorie der wesentlichen Bedingung vorgenommen worden, da eine Abgrenzung zwischen Ursache und Wirkung nicht mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit vorgenommen werden könne. Die wesentliche Ursache sei dann versicherungsrechtlich alleinige Ursache. Dies bedeute nicht, dass die mit dem Tinnitus einhergehende Depression ausschließlich und monokausal durch den Tinnitus verursacht sei. Dies stehe nicht im Widerspruch zu den Leitlinien der AWMF.

Hinsichtlich der MdE sei die besondere berufliche Betroffenheit mit zu berücksichtigen. Diesem gutachterlichen Auftrag sei sie nachgekommen und habe als Fachvertreterin der Musikermedizin die psychische Belastung durch den Tinnitus im speziellen Fall eines Berufsmusikers beurteilt. Der Kläger habe die Position als Solo-Kontrabassist in einem äußerst renommierten Orchester bekleidet, in dem höchste und differenzierte Leistungsanforderungen, auch an das Gehör bestünden. Bestehe hier eine Einschränkung im Sinne der BK 2301, führe dies zu erheblichen psychischen Belastungen mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Aus musikermedizinsicher Sicht sei deswegen davon auszugehen, dass sich der Tinnitus beim Kläger wesentlich stärker auf die Erwerbsfähigkeit auswirke als z. B. bei einem Arbeiter in der metallverarbeitenden Industrie, der unter Lärmschwerhörigkeit und Tinnitus litte. Dies rechtfertige die wesentlich höhere Einschätzung der MdE in Zusammenschau von Tinnitus und Depression.

Die Beteiligten habe ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten (3 Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhobene Klage, mit der die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 25 v.H. begehrt wird, ist zulässig, aber unbegründet, denn die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Folgen der von der Beklagten anerkannten BK 2103 führen auch zur Überzeugung des Senats nicht zu einer höheren MdE als 15 v. H.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger erstrebte Leistung ist § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind dabei nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1), den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).

In Anwendung dieser Grundsätze begründen die von der Beklagten anerkannte BK-Nr. 2301 und die dadurch verursachten Funktionsbeeinträchtigungen auch zur Überzeugung des Senats keine höhere MdE als 15 v. H.

Beim Kläger sind als Folge der mit Bescheid vom 07.02.2011 festgestellten BK 2301 von der Beklagten mit Teilabhilfebescheid vom 08.02.2012 eine äußerst geringgradige Innenohrschwerhörigkeit bds. mit Tinnitus und Hyperakusis sowie eine Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion anerkannt. Diese Feststellungen sind bindend, weshalb der Senat Zweifeln an dem Lärmbefund linksseitig, die sich aus dem Gutachten von Dr. R. ergeben, der links keine C 5-Senke gefunden hat, womit weder die lärmbedingte Genese der Hörminderung links noch der linksseitige Tinnitus wahrscheinlich zu machen wären, nicht nachgehen musste. Auffällig ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass der Kläger zunächst einen Tinnitus (nur) rechts berichtete, der erst im Verlaufe des Verfahrens (nach langer Arbeitsunfähigkeit) zu einem beidseitigen Tinnitus wurde.

Zur Überzeugung des Senats sind die als BK-Folge anerkannten Gesundheitsstörungen mit einer MdE auf HNO-ärztlichen Fachgebiet und einer MdE auf psychiatrischen Fachgebiet sowie einer Gesamt-MdE von 15 v. H. zutreffend bewertet.

Beim Kläger liegt eine innenohrbedingte Hochtonschwerhörigkeit mit rechtsseitig typischer und lärminduzierter Senkenbildung im Hochtonbereich bei 4 kHz mit maximalem Hörverlust in einer Höhe von 30 dB vor, der einen Hörverlust von 0 % bedingt. Allerdings ist ein lärmtypischer Hochtonschaden mit einem Hörverlust von 0 % nach dem Tonaudiogramm nicht als Normalhörigkeit, sondern als beginnende Schwerhörigkeit zu bezeichnen (Königsteiner Empfehlung, a.a.O., Nr. 4.4.). Die weiteren HNO-ärztlichen Befundungen im Laufe des Verfahrens haben zum selben Ergebnis geführt. Hinsichtlich der geringgradigen Einschränkung des Hörvermögens besteht Einigkeit zwischen allen Gutachtern und Sachverständigen. Der Tinnitus, ein vom Kläger als permanentes Pfeifen oder hochfrequentes Rauschen beschrieben, steht im Zusammenhang mit der Hochtonschwerhörigkeit und ist mit einer MdE bis zu 10 v. H. zu berücksichtigen (Königsteiner Empfehlung, 5. Aufl. 2012, abgedr. in: Mehrtens/Brandenburg, die Berufskrankheitenverordnung - BKV - Nr. 4.4.4; Schönberger/Mehrtens /Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 351 m. w. N.). Eine gesonderte MdE für Hyperakusis bzw. Phonophobie ist nicht vorgesehen.

Auf psychiatrischem Fachgebiet liegt beim Kläger eine Anpassungsstörung im Sinne einer depressiven Reaktion vor. Das ICD-10 definiert Anpassungsstörungen (F 43.2; DSM IV 308.3) als Zustände von subjektivem Leid und emotionaler Beeinträchtigung, die soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen, wie auch schwerer körperlicher Erkrankung, auftreten. Im Vordergrund stehen depressive Symptome, Angstzustände, Verhaltensauffälligkeiten. Nach ICD-10 kann eine Anpassungsstörung lediglich bis zu einer Zeitdauer von 2 Jahren diagnostiziert werden (Schönberger u. a., a. a. O., S. 143 m. w. N.). Eine MdE bis 20 v. H. erfordert eine Anpassungsstörung mit stärkergradiger sozial-kommunikativer Beeinträchtigung, zusätzlich zur psychisch-emotionalen Störung, wie Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität und Rückzug.

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger in so leichter Ausprägung vor, das eine MdE über 10 v. H. nicht erreicht wird. Dies entnimmt der Senat den im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Gutachten der Dr. U. im berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsverfahren und der Dr. E. gegenüber der DRV Bund, die durch Untersuchungsergebnisse unterlegt ist und zusätzlich durch die im Gutachten von Dr. E. geschilderten Befunde gestützt wird. Danach erschien der Kläger pünktlich zu den Untersuchungsterminen, war gepflegt, der Kontakt war gut herzustellen, seine Stimmungslage war ausgeglichen mit guter affektiver Schwingungsfähigkeit. Es lag weder eine Störung des Antriebs noch eine Beeinträchtigung der affektiven Schwingungsfähigkeit vor, auch das für eine Depression typische Morgentief fehlte, was auch die Schlussfolgerung der Sachverständigen nachvollziehbar macht, dass die Tagesstruktur noch erhalten, sogar unauffällig ist. Dr. E. hat den Kläger sogar als in ausgeglichener Stimmungslage beschrieben, was eine schwerwiegendere Depression ebenso wie eine schwere Ausprägung der Anpassungsstörung diagnostisch ausschließt. Er gab zwar Schlafstörungen an, Aufmerksamkeit und Konzentration waren aber ungestört und die kognitiven Fähigkeiten wurden ausdrücklich als gut beschrieben, was bei einer nennenswerten Beeinträchtigung durch fehlenden Schlaf nicht zu erwarten ist. Die geklagten Schlafstörungen waren jedenfalls nicht so erheblich, dass sie zu Tagesmüdigkeit und Einschränkung von Aufmerksamkeit und Konzentration führten. Damit liegt nach den Richtwerten für die MdE bei psychischen Beeinträchtigungen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 156 m. w. N.) keine höhere MdE vor. Auch bei Einordnung in die Kategorie einer depressiven Episode besteht nur eine Verstimmung, die nicht den Schweregrad einer leichten depressiven Episode erreicht.

Der Senat kann hingegen nicht der Einschätzung von Prof. Dr. S. folgen, die eine MdE von 50 v. H. für Tinnitus und rezidivierende depressive Symptomatik befürwortet. Diese sind nicht durch Untersuchungsergebnisse unterlegt. Aus der Untersuchung vom 05.12.2012 werden als psychischer Befund eine depressive Grundstimmung mit Durchschlafstörungen und starkem Leiden durch die Symptome des Tinnitus angegeben, insgesamt ein starke Einschränkung der psychischen Belastungsfähigkeit, die es unmöglich macht, den Orchesterdienst auszuüben. Es fehlt jede Angabe von Auswirkungen der seelischen Störung auf die Alltagsbewältigung, insbesondere die Tagesstruktur, was aber für die Nachvollziehbarkeit einer psychiatrischen Begutachtung unerlässlich ist (vgl. hierzu DRV, Leitlinie für die sozialmedizinische Begutachtung psychischer Störungen, 2012, S. 35 ff.). Allerdings wird in den vorangegangenen, aufgrund von Untersuchungen erstatteten Gutachten von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. R. nichts von in der Untersuchungssituation aufgetretenen Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsstörungen berichtet. Zudem ist nach den Gutachten von Prof. Dr. S. der Zusammenhang der psychischen Erkrankung, die angesichts der nur geringfügigen Hörstörung ihrer Ansicht nach für die Schätzung der MdE im Vordergrund steht, zur anerkannten BK 2301 durchaus zweifelhaft dargestellt. Im Gutachten an den Rentenversicherungsträger vom 16.03.2011 führt sie aus (Bl. 394 BG-Akte), aktuelle Symptomatik und Vorgeschichte zeigten, dass die depressive Störung ursächlich mit der beruflichen Situation und den beruflichen Anforderungen in Zusammenhang stehe und sich über 32 Jahre entwickelt habe. Die Position des Klägers bringe enorme psychische Anforderungen mit sich, Perfektionsdruck und Leitungsaufgaben. Die psychische Anforderungssituation werde verstärkt durch die Einschränkung des Sehens und Hörens. Auch der dekompensierte Tinnitus trage negativ zur psychischen Gesamtsituation und Einschränkung der Spielfähigkeit bei. Im Gutachten vom 14.01.2015 beschreibt sie eine seit vielen Jahren bestehende Depression mit Angstzuständen und eine zusätzliche starke Einschränkung durch die somatischen Symptome, insbesondere Hyperakusis und Tinntus, insbesondere seit dem Lärmtrauma im Januar 2010. In ihrer ergänzenden Stellungnahme legt sie dar, es liege ein "Henne und Ei"-Problematik vor. Es sei sehr schwer zu entscheiden, ob das otologische oder das psychische Störungsbild zuerst entstanden seien.

Da die letzte Untersuchung im Dezember 2012 erfolgte, kann das neue Gutachten von Prof. Dr. S. nicht auf neuen Befunden beruhen. Insoweit ist von einer abweichenden Bewertung im Hinblick auf dieselbe psychopathologische Befundlage auszugehen, die Dr. U. und Dr. E. vorgefunden haben. Der Kläger war mit einer Begutachtung nach Aktenlage im Berufungsverfahren einverstanden. Die MdE-Schätzung von Prof. Dr. S. beruht ausweislich ihrer ergänzenden Stellungnahme an den Senat auch darauf, dass sie eine Erhöhung der medizinischen MdE unter dem Gesichtspunkt der besonderen beruflichen Betroffenheit vorgenommen hat. Diese rechtliche Bewertung ist aber vom Gericht, nicht vom Sachverständigen vorzunehmen.

Bei der gebotenen integrierenden Gesamtschau der Gesamteinwirkungen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 103) ist PD. Dr. R. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme im Ergebnis überzeugend davon ausgegangen, dass die Gesamt-MdE 15 v. H. ergibt (vgl. dazu auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 351), zumal beim Kläger eine Überschneidung der Leiden vorliegt, denn die Symptome des Tinnitus verursachen nach Einschätzung aller Sachverständiger gerade die psychischen Probleme. Dem folgt der Senat, da die einzelnen MdE-Ansätze ohnehin nicht schematisch zusammengerechnet werden dürfen, weshalb auch unter Berücksichtigung der psychischen Beeinträchtigung eine Gesamt-MdE von 15 v. H. immer noch angemessen und ausreichend ist.

Eine Erhöhung der MdE gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII wegen besonderer beruflicher Betroffenheit zur Vermeidung unbilliger Härten ist nicht vorzunehmen. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 25/04 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 2, Juris, Rz. 18, 19) schränkt die Vorschrift den Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung nicht ein, denn das widerspricht der Systematik des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (so zuletzt auch Thüringer LSG, Urteil vom 12. Juni 2014 - L 1 U 1582/11 -, Juris, Rz. 25). Daher begründet ein hoher Erwerbsschaden allein nicht die Anwendung, etwa entsprechend den Grundsätzen des § 30 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die Regelung ist vielmehr eine Härteklausel für Fälle, in denen Versicherte ihre verbliebenen Fähigkeiten nur unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstieg verwerten können. Die unfallbedingte Aufgabe des erlernten Berufs vermag nach der Rechtsprechung des BSG ebenso wenig eine Erhöhung der MdE zu begründen wie der Umstand, dass erst unter Heranziehung der Erhöhungsvorschrift ein Anspruch auf Verletztenrente ermöglicht werden kann (BSG, Urteil vom 27.09.1968 - 2 RU 149/66 - BSGE 28, 227). Voraussetzung ist ein sehr spezifischer Beruf mit einem relativ engen Bereich. Die Ausübung muss auf Grund der Dauer oder Intensität oder auf Grund besonderer Begabung nicht nur ein spezielles Fachwissen, sondern auch spezifische Fähigkeiten oder Fertigkeiten vermittelt haben, die die Stellung im Erwerbsleben wesentlich begünstigt haben. Hierin muss den Versicherten infolge der Aufgabe oder erheblicher Einschränkung dieser Tätigkeit ein beträchtlicher Nachteil treffen, und zwar in finanziell-wirtschaftlicher Hinsicht, wobei erst künftig eintretende Schäden unbeachtlich sind (Kasseler Kommentar/Ricke, Stand Juni 2015, Rz. 28 ff zu § 56 SGB VII m. w. N.). Ausgehend hiervon hat der Kläger zwar eine stark spezialisierte Ausbildung absolviert und deswegen über einen langen Zeitraum als Solo-Kontrabassist eine besondere herausgehobene berufliche Stellung mit einem entsprechenden Einkommen innegehabt, indessen fehlt es an den für die Annahme einer besonderen Härte erforderlichen Nachteile durch die Berufsaufgabe. Die einzelnen Umstände sind nämlich nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (BSG, Urteil vom 04.12.1991 -2 RU 47/90 SozR 3-2200 § 581 Nr. 1).

Als besondere Nachteile im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII kommen nur solche in Betracht, die nicht schon von der nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII bemessenen MdE im allgemeinen Erwerbsleben und vom Jahresarbeitsverdienst - JAV - umfasst sind (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R -, Juris, Rz. 30). Bereits der JAV beruht nämlich grundsätzlich auf der Annahme, dass die konkreten Einkommensverhältnisse, die im Jahr des Unfalls gegeben waren, ohne ihn auch in Zukunft fortbestanden hätten, somit berücksichtigt bereits die MdE den Einkommensverlust auch bei sehr hohem Einkommen. Deswegen muss sich der besondere Nachteil des Verlusts der mit dem Beruf erworbenen besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten, der für die Annahme einer Härte Voraussetzung ist, wirtschaftlich messen lassen.

Davon ausgehend muss der Kläger keine besonderen finanziellen Nachteile durch die Berufsaufgabe als Solo-Kontrabassist in Kauf nehmen, die im Wege der besonderen Härte auszugleichen sind, was schon das SG zutreffend festgestellt hat. Denn er ist in einem Lebensalter aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, in dem eine Vielzahl von Arbeitnehmern ohnehin nicht mehr berufstätig sind. Deswegen kann zur Frage, inwieweit ihm ein unzumutbarer sozialer Abstieg entstanden ist, auch zur Überzeugung des Senats durchaus auf die Lohnersatzleistungen abgestellt werden, die der Kläger nach der Berufsaufgabe bezieht und die seinen Status erhalten. Dies gilt umso mehr, als seine Bezüge nicht auf eigener privater Vorsorge beruhen, was ihm sicherlich nicht entgegengehalten werden könnte, sondern er die Bezüge, die dem SG mitgeteilt wurden, allein dem Umstand verdankt, dass er als gehobene Einkommensgruppe auch in seiner Altersversorgung durch die Leistungen des Arbeitgebers wie die der gesetzlichen Rentenversicherung privilegiert ist. Seine finanziellen Verhältnisse sind danach dergestalt, dass ihm durch die Berufsaufgabe kein beträchtlicher finanziell-wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist, der die Anwendung der Vorschrift zur Abwendung einer unzumutbaren sozialen Härte erfordert, insbesondere droht ihm kein unzumutbarer sozialer Abstieg (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 2 U 25/05R = SozR 4-2700 § 56 Nr. 2). Er erhielt zunächst Lohnfortzahlung, anschließend Krankengeld und einen Krankengeldzuschuss vom Arbeitgeber, während der Freistellung die vollen Bezüge, anschließend (vgl. Auskunft des Arbeitgebers an das SG vom 03.06.2013) gewährte ihm der Arbeitgeber Versorgungsbezüge in Höhe von 4.474,14 EUR, zu denen ab 01.01.2013 die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von 917,16 EUR hinzutritt, so dass die Differenz zum Bruttogehalt von 7.277,00 EUR nur noch 1.885,69 EUR beträgt. Angesichts einer Quote von 74 % der Versorgungsbezüge gegenüber dem Erwerbseinkommen ist dies bereits eine weit über der gesetzlichen Altersvorsorge gesetzlich Rentenversicherter liegende Absicherung. Zum Beurteilungszeitpunkt hat ein sogenannter Eckrentner am 01.07.2011 bei 45 Beitragsjahren nur eine Versorgung in Höhe von 1.236,15 EUR erzielt (durchschnittliche Altersrente bei Männern sogar nur 1.052,00 EUR, Quelle: Die Rentenbestände der gesetzlichen Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Stand: 01.07.2012). Die ihm gewährte Versorgung liegt auch über der Höhe des gesetzlichen Krankengeldes (§ 45 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung), die mit 70 Prozent dem Niveau der Lohnersatzleistungen anderer Sozialversicherungszweige entspricht (BT-Drucks.13/4615 S. 10) und prozentual bei Versicherten den entgangenen Lohn ausgleichen soll. Gleiches gilt im Vergleich zu der ebenfalls privilegierten Altersversorgung der Beamten und Richter, die bei nur 71 Prozent und damit ebenso unter der Quote des Klägers liegt. Durch das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ist ihm somit kein sozialer Abstieg zugemutet worden, es besteht allein aufgrund der finanziellen Absicherung keine unzumutbare Härte, zumal gerichtsbekannt ist, dass die Differenz hinsichtlich der Nettobeträge sogar noch geringer ausfällt.

Selbst wenn hinsichtlich der Prüfung, ob dem Kläger durch die Berufsaufgabe ein sozialer Abstieg zugemutet wird, nicht auf die aktuellen Versorgungsbezüge abgestellt wird, so kann angesichts des beruflichen Restleistungsvermögens zur Überzeugung des Senats kein Härtefall festgestellt werden. Denn der beim Kläger vorliegende Tinnitus ist nur sehr geringgradig ausgeprägt und tritt nur bei sehr intensiver Hochtonbelastung auf, was der Senat sämtlichen im Verlauf des Verfahrens erhobenen HNO-ärztlichen Befunden entnimmt. Die geringe Ausprägung des Tinnitus als Gesundheitsstörung auf HNO-ärztlichem Fachgebiet folgt dabei bereits denknotwendig der nur sehr gering ausgeprägten lärmbedingten Hochtonschwerhörigkeit. Die aus dem Tinnitus folgende psychische Beeinträchtigung wurde von Gutachtern und Sachverständigen als spezifisch durch die Tätigkeit als Orchestermusiker oder sogar als Solist im Orchester verursacht gesehen. Dr. E. zufolge wird die Anpassungsstörung durch die fortbestehende berufliche Lärmexposition aufrecht erhalten. Diese bestand nach der Beschwerdeschilderung in hohem Maße bei experimenteller Musik und großen sinfonischen Werken. Nach den arbeitstechnischen Feststellungen der Stellungnahme Arbeitsexposition bestand beim individuellen Üben des Klägers mit seinem Instrument, dem Kontrabass, keine besonders hohe Lärmbelastung, wohl aber bei Orchesterproben und Aufführungen. Dies folgte aus seiner Plazierung im Orchester teils vor den Trompeten, teils vor den Flöten. Angesichts der besonderen Empfindlichkeit gegenüber lautem Scheppern und hohen Frequenzen ist die Unzumutbarkeit für den Kläger nachvollziehbar. Vergleichbare Belastungen bringt eine Lehrtätigkeit und die Erteilung von Musikunterricht nicht mit sich. Der besonders hohe Leistungsdruck als Solist, der für PD Dr. R. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme die geklagten Beschwerden angesichts des äußerst geringfügigen HNO-ärztlichen Befundes erst erklärbar machten, würde bei Tätigkeiten außerhalb eines Orchesters ebenfalls wegfallen. Nach den Gutachten von Prof. Dr. S. wirkte die Anforderung an den Orchestermusiker, körperlich und psychologisch flexibel zwischen den musikalischen Vorgaben des Dirigenten, der Erbringung der eigenen motorischen und emotional musikalischen Leistung sowie der Leitung der Instrumentengruppe zu vermitteln, insbesondere angesichts des vom Kläger geklagten Mobbings im Orchester, massiv verstärkend auf die psychische Anspannung im Sinne eines (nicht ICD-10 konformen) berufsspezifischen Burn-out. Hieraus folgte die von allen bescheinigte Berufsunfähigkeit als Orchestermusiker. In einer Lehrtätigkeit wäre der Kläger keinen vergleichbaren Belastungen ausgesetzt, könnte sein erworbenes Spezialwissen einschließlich seiner Erfahrungen aus der Orchesterarbeit einbringen und sogar von seinem Renommée als langjähriger Solist in einem renommierten Orchester, nunmehr im Ruhestand, profitieren. Auch als Musiker ist eine leidensgerechte Tätigkeit möglich, nämlich in einem kammermusikalischen Ensemble, wo die spezifischen Belastungen, die die Arbeit als Solist in einem großen Sinfonieorchester mit sich bringt, nicht bestehen. Der Senat hält den Kläger nach seinem Restleistungsvermögen für imstande, solche Tätigkeiten auszuüben (vgl. insoweit Urteil des BSG vom 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R - a. a. O.).

Schließlich kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Kläger seine Tätigkeit infolge des Versicherungsfalls aufgeben musste, was aber Voraussetzung für die Annahme einer besonderen beruflichen Betroffenheit ist. Versicherungsfall ist vorliegend die anerkannte BK 2301 mit den anerkannten Folgen einer äußerst geringgradigen Innenohrschwerhörigkeit bds. mit Tinnitus und Hyperakusis sowie einer Anpassungsstörung mit verlängerter depressiver Reaktion. Dass der Kläger wegen dieser anerkannten Leiden seinen Beruf aufgeben musste, ist selbst nach dem Gutachten der Prof. Dr. S. und ihrer ergänzenden Stellungnahme nicht der Fall.

Der Kläger war bis 25.10.2010 arbeitsunfähig und wurde danach vom Arbeitgeber freigestellt, nach Angaben des Arbeitgebers aufgrund "gesundheitlicher Beeinträchtigungen". Der Kläger selbst hat in seinem Schreiben vom 05.02.2011 an die Beklagte angegeben, er sei vom Dienst freigestellt, weil schon aufgrund seiner visuellen Probleme die Arbeit im Orchester nicht mehr möglich sei (Bl. 204 BG-Akte). Dies wird bestätigt durch den Befundbericht zur Vorlage beim Arbeitgeber des Prof. Dr. K. vom 14.07.2010, in dem dieser darlegt, dass wegen fortgeschrittener Presbyopie zum Spielen des Instruments eine zusätzliche Lesekorrektur erforderlich sei, mit der der Kläger jedoch den Dirigenten nicht sehen könne. Eine Gleitsichtbrille sei wegen der deutlichen Körperbewegungen beim Spielen nicht möglich. Prof. Dr. K. sah die Möglichkeit der Implantation einer multifokalen Intraokularlinse, deren Wirkung vorab durch Kontaktlinsen getestet werden könnte, oder der Verwendung eines Videomonitors (Bl. 399 BG-Akte). Die Testung von Kontaktlinsen ergab keine zufriedenstellende Lösung (Stellungnahme des Kontaktlinsenanpassers vom 02.09.2010, Bl. 40 BG-Akte). Der Videomonitor wurde vom Kläger im Februar 2011 bei einer Orchesterprobe getestet und in Abstimmung mit dem musikalischen Leiter für nicht geeignet befunden (vgl. Gutachten Prof. Dr. S. vom 16.03.2011, Bl. 393 SG-Akte). Daraus folgt, dass der Kläger selbst eine Wiederaufnahme der Tätigkeit für möglich hielt, wenn das Visusproblem zufriedenstellend gelöst werden könnte, was bedeutet, dass seine übrigen gesundheitlichen Einschränkungen der Wiederaufnahme der Tätigkeit nicht entgegenstanden. Die Arbeitsunfähigkeit ab 26.01.2012 bis 15.04.2012 erfolgte wegen der Diagnose Karpaltunnelsyndrom, danach sind auf den Bescheinigungen keine Diagnosen angegeben (Bl. 369 bis 378 BG-Akte). Die Arbeitsunfähigkeit zwischen 12.07.2012 und 13.08.2012 wurde von Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. bescheinigt wegen einer depressiven Episode (F 32.9), Karpaltunnelsyndrom (G 56.0), Tinnitus /(H 93.1) und Hyperakusis (H 93.2; Aufstellung Bl. 368 BG-Akte). Nach den für die Berentung wegen Berufsunfähigkeit ausschlaggebenden Gutachten von Prof. Dr. S. vom 16.03.2011 (Bl. 390 BG-Akte), Dr. K. und Dr. E. war auch die Einschränkung der Sehleistung ursächlich, zumal sie durch Hilfsmittel nicht auszugleichen ist. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. S. war sogar Hauptursache für die Symptomatik, die zur Berufsunfähigkeit geführt hat, die über 32 Jahre entwickelte depressive Störung auf Grund der beruflichen Anforderungen angesichts des Perfektionsdrucks und der Leitungsanforderungen, worauf sich die Einschränkungen der Seh- und Hörleistung verstärkend auswirken, wozu der Tinnitus nur zusätzlich beiträgt.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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