Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 14/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3792/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. August 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012 Az.: 660/B3/1722640/12, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 aufgehoben. Die auf Anerkennung einer Erkrankung und Reduzierung des Lungenvolumens als Berufskrankheit gerichtete Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines reduzierten Lungenvolumens als Berufskrankheit (BK) oder wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) streitig.
Der 1954 geborene Kläger verpflichtete sich nach dem Abitur von 1974 bis 1976 zur Bundeswehr, wo er zum Krankenpfleger ausgebildet wurde. Von Oktober 1976 bis ca. 1987 studierte er ohne Studienabschluss Informatik, Chemie und Pharmazie. Nach kaufmännischer Tätigkeit 1988/1989 war er von Februar 1990 bis Juni 2004 als Chemisch-Technischer Angestellter im Bereich Forschung und Entwicklung bei der Firma R. Ch. AG in Mannheim beschäftigt. Das letzte halbe Jahr verwaltete er das Chemikalienlager und musste dann in eine Transfergesellschaft wechseln. Das Arbeitsverhältnis wurde im Zuge des allgemeinen Personalabbaus beendet, im Juli 2005 wurde der Kläger arbeitslos.
Am 31. Juli 1992 begab sich der Kläger wegen akuter Beschwerden im Zusammenhang mit einer Antibiotikatherapie (nach einer nach Zeckenbiss 1990 erlittenen Borreliose) in stationäre Behandlung in das St. J.-Krankenhaus Heidelberg, wobei er u.a. über Atemnot bei Belastung und ein abdominelles Fremdgefühl nach Verschlucken eines Zahnes vor drei Jahren berichtete, was zur Diagnose einer psycho-neurotischen Grundhaltung führte (Entlassungsbericht des St. J.-Krankenhaues Heidelberg vom 17. September 1992). Am 14. Mai 2002 erlitt er einen anerkannten Arbeitsunfall, in dem Tropfen einer kleinen Menge 4-Chlor-3-Nitropyriden auf seinen linken Sicherheitsstiefel beim Umfüllen unter Säureschutzkleidung fielen, welches nach der folgenlosen Ausheilung eines Erysipels (dermatologisches Gutachten Prof. Dr. E.) nicht zur Gewährung von weiteren Leistungen führte (Bescheid der Beklagten vom 7. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2005, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim - SG - vom 31. Mai 2006 - S 6 U 2335/05, Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2006 - L 2 U 3398/06 - und Rücknahme des "Wiederanrufungsantrags" vom 20. April 2007 - L 2 U 2009/07).
Ab dem 22. März 2006 war er arbeitsunfähig erkrankt, wurde dann erstmalig auf Veranlassung der Bundesagentur für Arbeit vom Neurologen und Psychiater M. begutachtet (vgl. zum Folgenden Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 23. September 2008 - L 9 R 49/08), der in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 25. Februar 2006 eine paranoide Persönlichkeitsstörung (DD Schizophrenie) diagnostizierte. Wegen dieser paranoiden Schizophrenie bezieht er nunmehr auch Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im Rahmen eines Rechtsstreits auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wurde der Kläger erneut nervenärztlich von Dr. Sch. begutachtet, die in ihrem Gutachten vom 31. Juli 2007 zu einer akut behandlungsbedürftigen paranoiden Schizophrenie gelangte. In dem Parallelverfahren L 6 U 1278/14 auf Anerkennung seiner seelischen Beschwerden als BK ist der Kläger auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Prof. Dr. B. nervenärztlich begutachtet worden. Dieser ist in seinem Gutachten vom 1. November 2014 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer arteriellen Hypertonie leide. Zum Lungenbefund hat der Sachverständige festgestellt, dass der Kläger über Atemstörungen nur dann berichtet habe, wenn er einmal verschleimt sei, er müsse jedoch häufiger husten. Die orientierte internistische Untersuchung habe ein vesikuläres Atmen (normales Geräusch, welches beim Ein- und Ausatmen entsteht) über allen Lungenabschnitten sowie eine genügende Atemverschieblichkeit der unteren Lungengrenzen ergeben.
Am 22. April 2004 wurden auf Grund eines Antrags des Klägers Mängel im Gebäude C14 (Technikum) geprüft, da dieser einen Zusammenhang mit seinen aufgetretenen Gesundheitsbeschwerden (Bronchitis, Haut- und Herzprobleme sowie Blutvergiftung) vermutete. Dr. S. von R. Ch. AG führte aus, dass die Zuleitung zur Apparatur R 240 für die Dauer von ca. sechs Monaten offen, weil nicht abgeflanscht gewesen sei. Bei Normbetrieb der entsprechenden Anlage habe keine Gesundheitsgefahr durch Stoffe bestanden, da die Anlage an eine Absaugung angeschlossen gewesen sei. Lediglich über Nacht würden verschiedene Ansätze nicht mehr abgesaugt, so dass eine Diffusion von Gefahrstoffen theoretisch möglich sei. Von 2002 bis 2003 sei die Raumbelüftung nur teilweise in Betrieb gewesen, wodurch die Zufuhr von Frischluft bzw. Erwärmung der von draußen zugeführten Luft nicht möglich gewesen sei, es hätten zeitweise Temperaturen um 12 Grad Celsius geherrscht, so dass die Zufuhr schließlich durch technische Maßnahmen abgestellt worden sei. Die Raum-Abluft habe jedoch bis ca. Juli 2003 funktioniert, später sei auch diese defekt bis März 2004 gewesen.
Im Rahmen eines ersten Verfahrens auf Feststellung einer BK führte die Beklagte am 4. Mai 2004 eine Besichtigung der ehemaligen Arbeitsplätze des Klägers und Besprechung mit den Betriebsleitern etc. durch. Dabei wurde festgestellt, dass der Kläger Tätigkeiten in den Laboratorien und im Technikum im Bau C14 ausgeübt habe. 1997/1998 sei es durch einen Fehler eines Mitarbeiters zum Austritt von ca. 5 Litern Thionylchlorid gekommen. Dieser eine Mitarbeiter habe dann fieberhaft versucht, das Thionylchlorid mit Wasser zu entfernen, wodurch Salzsäure und schweflige Säure entstanden seien, aber nicht Schwefelsäure, wie der Kläger vermute. Nach eigenem Bekunden sei der Kläger zum Zeitpunkt des Ereignisses gar nicht im Hause und dadurch zu keiner Zeit gefährdet gewesen. Im Winter 2002/03 habe die Frischluft nicht ausreichend erwärmt werden können, weswegen deren Zufuhr gedrosselt worden sei, die Abzüge seien aber weiterhin funktionsfähig und in Betrieb gewesen. Hinsichtlich des behaupteten offenen Stutzens an der Absaugung verhalte es sich so, dass irgendwelche Stoffe dort nicht ausgetreten seien, vielmehr herrsche in der Absaugleitung Unterdruck. Bei Verfahren, bei denen die kritischsten Stoffe - Cyanwasserstoff, Schwefelwasserstoff oder Kohlenmonoxid - entstehen könnten, würden die Konzentrationen mit Monitoren am Mann oder an der Apparatur ständig gemessen. Beim Grenzwert erfolge sofort Alarm, dann sei Atemschutz zu tragen. Die Protokollübermessungen im Oktober und November verdeutlichten dies. Mit Ausnahme des zwei Minuten dauernden Wechsels des Filters habe kein Cyanid nachgewiesen werden können, d.h. die Konzentration sei jedenfalls kleiner als 10 % des Grenzwertes gewesen. Die Messungen habe der Kläger sogar selbst durchgeführt. Er sei daher insgesamt bei seiner Tätigkeit nicht in gesundheitlich relevantem Ausmaß gegen irgendwelche Stoffe exponiert gewesen.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 5. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2005 ab, die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (arbeitstechnische Voraussetzungen der BK-Nrn. 1101 ff. der Berufskrankheitenverordnung - BKV - nicht erfüllt, Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2007 - S 1 U 28/06). Im anschließenden Berufungsverfahren (L 10 U 3071/07) wurde u.a. der behandelnde Hausarzt Dr. K. als sachverständiger Zeuge gehört, der über den Verdacht auf eine psycho-neurotische Grundhaltung berichtete. In dem nachfolgenden Erörterungstermin vom 18. September 2008 erklärte der Kläger, er habe derzeit keine akut behandlungsbedürftigen Herzprobleme mehr und sein Ziel, die Verhältnisse bei seinem damaligen Arbeitgeber anzuprangern, erreicht. Die Beteiligten schlossen daraufhin einen Vergleich des Inhalts, dass die Beklagte sich verpflichtete, über den Antrag des Klägers, seine psychischen Probleme als BK anzuerkennen, inhaltlich rechtsmittelfähig zu entscheiden. Nachdem die Staatliche Gewerbeärztin Einsele in Auswertung der vorliegenden Unterlagen sowie des Vorbringens des Klägers ausführte, dass neuere gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach psychische Störungen durch berufliche Einflüsse verursacht würden, nicht vorlägen, die vom Kläger geschilderten seelischen Beschwerden zwar zweifellos auch berufsbedingt seien, hiervon aber keinesfalls nur bestimmte Berufsgruppen durch ihre Tätigkeit besonders betroffen seien, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2009 den Antrag des Klägers ab. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (Gerichtbescheid vom 25. Mai 2010 - S 14 U 2969/09), ebenso das nachgehende Berufungsverfahren beim Senat (Urteil vom 21. Juli 2011 - L 6 U 3018/10) wie die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht (BSG - Beschluss vom 26. Oktober 2011 - B 2 U 233/11 B). Das hierauf gerichtete Überprüfungsverfahren des Klägers ist bislang ebenfalls erfolglos geblieben (Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012, Az.: 660/B 1/141490 102/08, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 und Gerichtsbescheid des SG vom 28. Januar 2014 - S 13 U 13/13). In dem anschließenden, noch anhängigen Berufungsverfahren L 6 U 1278/14 hat der Kläger zuletzt einen Entlassungsbericht des Universitätsklinikums Heidelberg vom 30. Dezember 2014 wegen akuter stationärer Behandlung vom 20. bis 30. Dezember 2014 nach Pneumonie (Lungenentzündung) vorgelegt. Zusätzlich ist ein Zwerchfellhochstand rechts (anamnestisch seit 2004 nach Entzündung der Thoraxwand) bei Phrenikusparese (Lähmung des nervus Phrenikus mit Erschlaffen der entsprechenden Seite des Zwerchfells) diagnostiziert worden. Weiterhin leide der Kläger an einer bekannten Koronaren 1-Gefäßerkrankung der RCA bei leichter eingeschränkter linksventrikulären Funktion (2003). Die Lungenfunktionsanalyse vom 29. Dezember 2014 habe keine Obstruktion, also keine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung und nur eine mäßige Restriktion erbracht. In diesem Berufungsverfahren hat der Kläger zusätzlich eine privat eingeholte "gutachtliche Stellungnahme" des Ingenieurbüros für Bauwesen und Umwelt von Dipl. Ing. W. vorgelegt, wonach sich aus der Bezeichnung des Gebäudes C14 als Technikum ergebe, dass tatsächlich eine Produktionsanlage in der Vorstufe zur Großproduktion vorgelegen habe, somit auch die eingesetzten Behältnisse die gleichen sein müssten wie die in der Großproduktion. Folglich sei die vorhandene Lüftungsanlage zu gering ausgelegt, so dass der erforderliche Luftwechsel nicht eingehalten worden sei, zumal die Lüftungsanlage defekt gewesen sei, so dass der Betrieb sofort hätte eingestellt werden müssen. Insoweit bestehe noch weiterer Aufklärungsbedarf.
Parallel zu den Rechtsstreitigkeiten veranlasste der Kläger eine gewerbeärztliche Prüfung beim Regierungspräsidium Stuttgart. Der Staatliche Gewerbearzt Dr. B. gelangte zu dem Ergebnis, dass die Nachforschungen zu dem Stoff 4-Chlor-3-Nitropyridin (CNP) und anderer verwandter Stoffe in Bezug auf ihre Toxizität nicht erfolgreich gewesen seien. Hinsichtlich des Verdachts einer Blausäurevergiftung sei es so, dass der Kläger Herzinfarkt-ähnliche Symptome vom 28. November 2007 geschildert habe. Nach den vorliegenden Unterlagen (Bericht der Medizinischen Klinik der Universität Heidelberg vom 5. Dezember 2002) sei der Kläger morgens (7.30 Uhr) vermutlich auf dem Weg zur Arbeit in die Klinik gefahren oder eingeliefert worden, nachdem er akute Symptome in Form von Schwindelgefühl, Übelkeit, Herzstechen, Luftnot, Taubheitsgefühl im rechten Arm und Pelzigkeitsgefühl in der Unterlippe bemerkt habe. Es sei zwar denkbar, dass Blausäure-Gas (HCN) aus der Kanalisation austreten könne, wenn offene Verbindungen zu den Arbeitsräumen bestünden, denn HCN sei etwas leichter als Luft. Die üblicherweise beschriebenen Symptome bei leichten Vergiftungen seien Irritationen der Atemwege mit Kratzen im Hals und Husten, Engegefühl in der Brust, erhöhter Speichelfluss, Angstgefühl, Übelkeit und Erbrechen. Diese Symptome träten jedoch unmittelbar bei Exposition auf. Wenn die geschilderten Beschwerden erst nach einer beschwerdefreien Nachtruhe bemerkbar würden, sei es nicht wahrscheinlich, dass sie auf eine Blausäurevergiftung zurückzuführen seien. Dies gelte auch, wenn der Kläger an diesem Morgen erst von einer Nachtschicht zurückgekehrt sein sollte, denn die Symptomatik würde wahrscheinlich nicht erst nach Arbeitsende auftreten.
Der Kläger wandte sich schließlich an den Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg (vgl. zum Folgenden Landtags-Drucksache 15/1272), der zu dem Ergebnis gelangte, dass sich die Petition, soweit den bestehenden Schäden im Kanalsystem abgeholfen werde, dadurch erledigt habe, und im Übrigen der Petition nicht abgeholfen werden könne. Das Gebäude C14, in dem neben diversen Büroräumen insbesondere Laborräume und das "Technikum für Forschung und Entwicklung" untergebracht gewesen seien und in welchem als notwendige Vorstufe für die Erzeugung marktfähiger Chemieprodukte (durch sog. Upscaling) in deutlich geringerem Maßstab als in den eigentlichen Produktionsanlagen im Wesentlichen die gleichen Produkte hergestellt worden seien wie in den Chemieanlagen der Firma, sei am 21. Juni 1990 baurechtlich genehmigt worden. Für die Aufbewahrung von Laborchemikalien stünden spezielle Sicherheitsschränke bereit. Nach Überprüfung durch das Regierungspräsidium seien die im Gebäude C14 befindlichen Laboratorien, insbesondere auch die Technikum-Anlage, rechtskonform betrieben worden. Wegen dessen Größe und Ausstattung sei davon auszugehen, dass mit der Anlage seinerzeit nicht in industriellem Umfang produziert worden sei und auch heute nicht. Vielmehr würden nur chemische Produktionsverfahren getestet. Der Betrieb erfülle damit auch die sicherheitstechnischen Anforderungen der Störfallverordnung, nur erprobte "sichere Verfahren" durchzuführen, d.h. die chemischen Reaktionen so zu steuern, dass sie nicht außer Kontrolle gerieten und zu einem Störfall führen könnten. Ebenso sei das Kanalsystem des gesamten Werkes überprüft worden. Hierbei seien Schäden unterschiedlicher Schwere im Kanalsystem festgestellt worden, etwas mehr als 22 % hätten unmittelbaren Handlungsbedarf, beträfen aber nur Abwasserkanäle für sanitäre Abwässer. Am 12. März 1996 sei es in der Anlage A51 zu einer Staubexplosion mit Gebäudeschaden und zu einem größeren Einsatz von Rettungskräften gekommen, Personenschäden seien nicht protokolliert worden. Aufgrund des Abstandes zum Gebäude C14 sowie der Tageszeit, zu der das Ereignis stattgefunden habe, ließe sich ein Zusammenhang zur damaligen Arbeitsplatzsituation nicht herstellen. Der "Thionylchloridunfall" sei nicht aktE.undig, eine unmittelbare Auswirkung von Schäden auf die Luftsituation in den Arbeitsräumen nicht plausibel, zumal der Kläger zur Zeit des Ereignisses überhaupt nicht anwesend und von den Auswirkungen nicht betroffen gewesen sei. Am 4. November 1997 sei es zu unangenehmen Gerüchen in der Spülküche gekommen, worauf eine Mitarbeiterin nach Hause geschickt und krankgeschrieben worden sei, welches sich mit der aktE.undigen wasserrechtlichen Problemsituation decke. Danach habe es Probleme in der betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage für Abwässer aus den Produktionsanlagen gegeben, nämlich mikrobiologische Aktivitäten im behandelten Abwasser, die zu einer Reduktion von Sulfat geführt hätten, wodurch Schwefelwasserstoffe von unbekannter Menge entstanden seien. Die Situation lasse sich heute nicht mehr hinreichend beurteilen, die Abwasserprobleme seien damals behoben worden und bei aktuellen Überprüfungen hätten keine unangenehmen Gerüche oder schlechte Arbeitsluft mehr festgestellt werden können. Aktenkundig sei lediglich die Unfallmeldung vom 4. Juli 2002, für die Zeit zwischen 1996 und heute lägen keine weiteren Unfallmeldungen vor, die die Arbeitnehmer im Gebäude C14 beträfen und mit Gefahrstoffen, gefährlichen Arbeiten, chemischen Anlagen, Laborarbeiten oder schlechter Arbeitsluft im Zusammenhang stünden. Die Überprüfung der vorgetragenen Punkte habe somit insgesamt kein Fehlverhalten der Behörden ergeben. Insbesondere liege auch nach Auffassung des Staatlichen Gewerbearztes beim Kläger weder eine Listen-BK noch eine Wie-BK vor.
Mit Schreiben vom 29. September/24. Oktober 2011, bei der Beklagten eingegangen am 31. Oktober 2011, wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und machte nunmehr geltend, dass er an einem reduzierten Lungenvolumen, Darmfalschbesiedlung und Nahrungsunverträglichkeit auf Grund der offenen Wäscher, der Gully-Problematik, des Druckpumpen-Cyanidunfalls, dem Entsorgen von Fässern, dem 4-Chlor-3-Nitropyridin-Unfall, den fehlenden Ventilen zwischen den beiden Schadstoffabsaugungskreisläufen, der undichten Chlorierung bei fehlender Umluft und Abluft usw. leide. Am 12. November 2003 sei er deswegen in der Notambulanz im Klinikum Mannheim eingeliefert worden. Grund hierfür sei Aufregung gewesen, denn 100 Liter Cyanlauge seien beinahe wie im Thionychloridunfall in das Mannheimer Kanalnetz abgeflossen. Es sei zu einer hypertonischen Entgleisung gekommen. Dabei sei ihm ein reduziertes Lungenvolumen mitgeteilt worden. Mit Schreiben vom 13. Juni 2012 teilte die Beklagte dem Kläger zunächst mit, es gebe keine Hinweise auf den begründeten Verdacht einer BK, so dass es eines Feststellungsverfahrens nicht bedürfe.
Schließlich lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2012, Az.: 660/B 3/1722 640/12, die Anerkennung der vorgebrachten Beschwerden wie reduziertes Lungenvolumen, Reizdarm mit Nahrungsmittelunverträglichkeit, Rückenschmerzen sowie Verschlechterung des Sehvermögens als BK bzw. Wie-BK ab. Über die Herz- und Leberbeschwerden wie die psychischen Beschwerden sei bereits bestandskräftig entschieden worden, folglich müsse dies nicht erneut erfolgen. Auch die nunmehr geschilderten Beschwerden stellten für sich genommen keine Erkrankungen dar, wie sie in der Anlage zur BKV aufgeführt seien. Vielmehr handele es sich um anlagebedingte Gesundheitsstörungen, die unabhängig von etwaigen beruflichen Schadstoffeinwirkungen hervorgerufen worden seien. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2012). Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, durch das jetzige Vorbringen ergebe sich kein Sachverhalt, der nicht bereits Gegenstand des Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahrens aus dem Jahre 2009 sowie der ergangenen Entscheidungen der sozialgerichtlichen Instanzen gewesen wäre.
Hiergegen hat der Kläger am 28. Dezember 2012 erneut Klage beim SG erhoben und erstmalig die BK-Nrn. 1315 bzw. 4302 BKV, hilfsweise die Anerkennung als Wie-BK geltend gemacht. Er hat vorgetragen, u.a. durch Zyanid bei seiner Arbeit vergiftet worden zu sein. Der Stoff sei mit der BK-Nr. 1315 der BKV ohne Weiteres vergleichbar. Die BK-Nr. 4302 führe obstruktive Atemwegserkrankungen auf, wie er sie habe.
Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegen getreten, Isocyanate und Zyanide seien keine chemisch identischen Substanzen. Daher würden mögliche Atemwegsbeschwerden nicht unter die BK-Nr. 1315 der BKV-Liste fallen. Sofern Zyanide chemisch-irrativ oder toxisch wirkten, würde eine obstruktive Atemwegserkrankung als BK-Nr. 4302 der BKV-Liste anerkannt werden können. Ein reduziertes Lungenvolumen oder gar eine obstruktive Atemwegserkrankung sei beim Kläger jedoch durch ärztliche Befunde nicht belegt. Auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne einer gesundheitsschädigenden Zyanideinwirkung am ehemaligen Arbeitsplatz seien nicht gegeben.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG eine erneute Auskunft bei Allgemeinmediziner Dr. K. eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, dass der Kläger von 1996 bis 2003 an erhöhten Leberwerten gelitten habe, die sich seit 2004 normalisiert hätten. Die Gründe dafür seien unbekannt. Von 1996 bis 2003 habe er zusätzlich über rezidivierende Hautausschläge berichtet. 2003 habe er den Verdacht auf eine Zyanidvergiftung mit Atemnot geäußert und sei daraufhin in die Krehlklinik mit Verdacht auf Herzinfarkt eingewiesen worden. Hieraus resultierten psychische Veränderungen z.B. Depressionen und Persönlichkeitsveränderungen.
Nach vorangegangener Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. August 2014, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 13. August 2014, abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es sei nicht erwiesen, dass der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK nach Nrn. 1101 ff. der Anlage 1 zur BKV erfülle, welches bereits aus den rechtskräftigen Urteilen folge. Einer unfallversicherungsrechtlich relevanten Exposition stehe im Übrigen bereits der Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes vom 4. Mai 2005 entgegen. Danach sei der Kläger keinen Gefahrstoffen in gesundheitlich relevantem Ausmaß ausgesetzt gewesen. Die Nichterweislichkeit der arbeitstechnischen Voraussetzungen gehe nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Des Weiteren sei auch ein reduziertes Lungenvolumen nicht nachgewiesen, wie sich dies der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. K. vom 10. April 2014 entnehmen lasse.
Hiergegen hat der Kläger am 28. August 2014 Berufung beim SG eingelegt, zu deren Begründung er wiederholt hat, dass das Gebäude C14 falsch angemeldet und geführt worden sei, worauf sich auch mangelnde Fürsorge des Arbeitgebers gründe. Deswegen müsse von einer Beweislastumkehr ausgegangen werden. In den Ausgangsverfahren sei von falschen Fakten ausgegangen worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. August 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012, Az.: 660/ B 3/1722 640/12, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 aufzuheben und die Erkrankung und Reduzierung des Lungenvolumens als Berufskrankheit anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie verweist darauf, dass die diversen Beschwerden nicht der BK-Liste zugeordnet werden könnten und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Beschwerden und der beruflichen Tätigkeit nicht bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§§ 144, 151 Abs. 2 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Denn die Bescheide der Beklagten sind nicht hinreichend bestimmt und schon deswegen rechtswidrig. Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist daher insoweit begründet. Soweit der Kläger darüber hinaus die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer BK im Wege der damit kombinierten Verpflichtungsklage begehrt hat, war die Berufung zurückzuweisen. Insoweit fehlt es an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 33 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Verwaltungsakts, dass dessen Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Adressaten bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, die in ihm angeordnete Rechtsfolge zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (BSG, Urteil vom 13. Februar 2013 - B 2 U 25/11 R - zitiert nach juris).
Bei BKen ist nach § 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zwischen "Listen-BKen" und "Wie-BKen" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als BK in einem Tatbestand der BKV erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die BK also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4 2700 § 9 Nr. 17).
Zu dem Verfahrensgegenstand im vorgenannten Sinne trifft der angefochtene Bescheid auch bei Heranziehung des Widerspruchsbescheides und der insgesamt abgegebenen Begründungen keine Aussage (vgl. zum folgenden auch LSG Sachsen Anhalt, Urteil vom 13. Februar 2014 - L 6 U 12/13 - zitiert nach juris). Dies gilt zumindest, soweit bestimmte berufliche Einwirkungen daraufhin zu überprüfen waren, ob sie eine Berufskrankheit bedingen, oder über Krankheitsbilder zu entscheiden ist, die abstrakt - auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Listentatbestand - eine Berufskrankheit sein können. Mit dem Bescheid vom 12. Oktober 2012 hat die Beklagte ohne jede Konkretisierung auf eine Listen-BK die Feststellung einer BK bei dem Kläger verneint und zur Begründung lediglich auf den Gesetzestext des § 9 SGB VII Bezug genommen. Auch soweit auf die vorangegangenen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen Bezug genommen wurde, hat die Beklagte keine BK genannt und auch ausdrücklich klargestellt, dass hierüber "nicht erneut entschieden zu werden" braucht.
Folglich wurde keine konkrete Listen-BK geprüft, obwohl der Kläger den konkreten Kontakt mit chemischen Substanzen vorgetragen und auch bestimmte Erkrankungen behauptet hat. Der Verwaltungsakt über die Ablehnung der Erkrankung als Berufskrankheit ist daher mangels Bestimmtheit rechtswidrig, da sich diese Ablehnung nicht nach den allgemeinen Grundsätzen der Auslegung konkreten Berufskrankheitstatbeständen zuordnen lässt.
Entsprechend setzt eine bestimmte Entscheidung nach § 9 Abs. 2 SGB VII (sog. Wie-BK) jedenfalls voraus, dass eine konkrete Beziehung zwischen einer bestimmten Einwirkung und einer bestimmten Erkrankung zum Gegenstand der Entscheidung gemacht und dabei erkennbar wird, dass es sich nicht um eine Entscheidung zu einer Listen-BK handelt. Auch dies ist nicht der Fall.
Abgesehen davon, dass auch in den Tatsacheninstanzen die erforderliche Bestimmung nicht nachgeholt worden ist, gilt § 41 Abs. 2 SGB X ohnedies für den Verstoß gegen § 33 Abs. 1 SGB X nicht (BSG, Urteil vom 13. Juli 2006 - B 7a AL 24/05 R- SozR 4-1200 § 48 Nr. 2; Engelmann, in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 33 Rdnr. 16 m. w. N.). Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X ist mithin nicht heilbar (BSG, a.a.O.; Engelmann, a.a.O); ebenso wenig ist, weil es sich bei dem Verstoß gegen § 33 Abs. 1 SGB X nicht um einen Formmangel handelt, § 42 SGB X anwendbar (BSG, a.a.O.; Engelmann, a.a.O).
Daher sind auf die Anfechtungsklage des Klägers die angefochtenen Bescheide aufzuheben und ist insoweit der Berufung stattzugeben.
Hinsichtlich des Antrags auf Anerkennung einer BK fehlt es folglich an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung der Beklagten, so dass insoweit die Berufung des Klägers ohne Erfolg war, was der Senat entsprechend bei der Kostenentscheidung nach § 193 SGG berücksichtigt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines reduzierten Lungenvolumens als Berufskrankheit (BK) oder wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) streitig.
Der 1954 geborene Kläger verpflichtete sich nach dem Abitur von 1974 bis 1976 zur Bundeswehr, wo er zum Krankenpfleger ausgebildet wurde. Von Oktober 1976 bis ca. 1987 studierte er ohne Studienabschluss Informatik, Chemie und Pharmazie. Nach kaufmännischer Tätigkeit 1988/1989 war er von Februar 1990 bis Juni 2004 als Chemisch-Technischer Angestellter im Bereich Forschung und Entwicklung bei der Firma R. Ch. AG in Mannheim beschäftigt. Das letzte halbe Jahr verwaltete er das Chemikalienlager und musste dann in eine Transfergesellschaft wechseln. Das Arbeitsverhältnis wurde im Zuge des allgemeinen Personalabbaus beendet, im Juli 2005 wurde der Kläger arbeitslos.
Am 31. Juli 1992 begab sich der Kläger wegen akuter Beschwerden im Zusammenhang mit einer Antibiotikatherapie (nach einer nach Zeckenbiss 1990 erlittenen Borreliose) in stationäre Behandlung in das St. J.-Krankenhaus Heidelberg, wobei er u.a. über Atemnot bei Belastung und ein abdominelles Fremdgefühl nach Verschlucken eines Zahnes vor drei Jahren berichtete, was zur Diagnose einer psycho-neurotischen Grundhaltung führte (Entlassungsbericht des St. J.-Krankenhaues Heidelberg vom 17. September 1992). Am 14. Mai 2002 erlitt er einen anerkannten Arbeitsunfall, in dem Tropfen einer kleinen Menge 4-Chlor-3-Nitropyriden auf seinen linken Sicherheitsstiefel beim Umfüllen unter Säureschutzkleidung fielen, welches nach der folgenlosen Ausheilung eines Erysipels (dermatologisches Gutachten Prof. Dr. E.) nicht zur Gewährung von weiteren Leistungen führte (Bescheid der Beklagten vom 7. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2005, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim - SG - vom 31. Mai 2006 - S 6 U 2335/05, Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2006 - L 2 U 3398/06 - und Rücknahme des "Wiederanrufungsantrags" vom 20. April 2007 - L 2 U 2009/07).
Ab dem 22. März 2006 war er arbeitsunfähig erkrankt, wurde dann erstmalig auf Veranlassung der Bundesagentur für Arbeit vom Neurologen und Psychiater M. begutachtet (vgl. zum Folgenden Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 23. September 2008 - L 9 R 49/08), der in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 25. Februar 2006 eine paranoide Persönlichkeitsstörung (DD Schizophrenie) diagnostizierte. Wegen dieser paranoiden Schizophrenie bezieht er nunmehr auch Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im Rahmen eines Rechtsstreits auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wurde der Kläger erneut nervenärztlich von Dr. Sch. begutachtet, die in ihrem Gutachten vom 31. Juli 2007 zu einer akut behandlungsbedürftigen paranoiden Schizophrenie gelangte. In dem Parallelverfahren L 6 U 1278/14 auf Anerkennung seiner seelischen Beschwerden als BK ist der Kläger auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Prof. Dr. B. nervenärztlich begutachtet worden. Dieser ist in seinem Gutachten vom 1. November 2014 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer arteriellen Hypertonie leide. Zum Lungenbefund hat der Sachverständige festgestellt, dass der Kläger über Atemstörungen nur dann berichtet habe, wenn er einmal verschleimt sei, er müsse jedoch häufiger husten. Die orientierte internistische Untersuchung habe ein vesikuläres Atmen (normales Geräusch, welches beim Ein- und Ausatmen entsteht) über allen Lungenabschnitten sowie eine genügende Atemverschieblichkeit der unteren Lungengrenzen ergeben.
Am 22. April 2004 wurden auf Grund eines Antrags des Klägers Mängel im Gebäude C14 (Technikum) geprüft, da dieser einen Zusammenhang mit seinen aufgetretenen Gesundheitsbeschwerden (Bronchitis, Haut- und Herzprobleme sowie Blutvergiftung) vermutete. Dr. S. von R. Ch. AG führte aus, dass die Zuleitung zur Apparatur R 240 für die Dauer von ca. sechs Monaten offen, weil nicht abgeflanscht gewesen sei. Bei Normbetrieb der entsprechenden Anlage habe keine Gesundheitsgefahr durch Stoffe bestanden, da die Anlage an eine Absaugung angeschlossen gewesen sei. Lediglich über Nacht würden verschiedene Ansätze nicht mehr abgesaugt, so dass eine Diffusion von Gefahrstoffen theoretisch möglich sei. Von 2002 bis 2003 sei die Raumbelüftung nur teilweise in Betrieb gewesen, wodurch die Zufuhr von Frischluft bzw. Erwärmung der von draußen zugeführten Luft nicht möglich gewesen sei, es hätten zeitweise Temperaturen um 12 Grad Celsius geherrscht, so dass die Zufuhr schließlich durch technische Maßnahmen abgestellt worden sei. Die Raum-Abluft habe jedoch bis ca. Juli 2003 funktioniert, später sei auch diese defekt bis März 2004 gewesen.
Im Rahmen eines ersten Verfahrens auf Feststellung einer BK führte die Beklagte am 4. Mai 2004 eine Besichtigung der ehemaligen Arbeitsplätze des Klägers und Besprechung mit den Betriebsleitern etc. durch. Dabei wurde festgestellt, dass der Kläger Tätigkeiten in den Laboratorien und im Technikum im Bau C14 ausgeübt habe. 1997/1998 sei es durch einen Fehler eines Mitarbeiters zum Austritt von ca. 5 Litern Thionylchlorid gekommen. Dieser eine Mitarbeiter habe dann fieberhaft versucht, das Thionylchlorid mit Wasser zu entfernen, wodurch Salzsäure und schweflige Säure entstanden seien, aber nicht Schwefelsäure, wie der Kläger vermute. Nach eigenem Bekunden sei der Kläger zum Zeitpunkt des Ereignisses gar nicht im Hause und dadurch zu keiner Zeit gefährdet gewesen. Im Winter 2002/03 habe die Frischluft nicht ausreichend erwärmt werden können, weswegen deren Zufuhr gedrosselt worden sei, die Abzüge seien aber weiterhin funktionsfähig und in Betrieb gewesen. Hinsichtlich des behaupteten offenen Stutzens an der Absaugung verhalte es sich so, dass irgendwelche Stoffe dort nicht ausgetreten seien, vielmehr herrsche in der Absaugleitung Unterdruck. Bei Verfahren, bei denen die kritischsten Stoffe - Cyanwasserstoff, Schwefelwasserstoff oder Kohlenmonoxid - entstehen könnten, würden die Konzentrationen mit Monitoren am Mann oder an der Apparatur ständig gemessen. Beim Grenzwert erfolge sofort Alarm, dann sei Atemschutz zu tragen. Die Protokollübermessungen im Oktober und November verdeutlichten dies. Mit Ausnahme des zwei Minuten dauernden Wechsels des Filters habe kein Cyanid nachgewiesen werden können, d.h. die Konzentration sei jedenfalls kleiner als 10 % des Grenzwertes gewesen. Die Messungen habe der Kläger sogar selbst durchgeführt. Er sei daher insgesamt bei seiner Tätigkeit nicht in gesundheitlich relevantem Ausmaß gegen irgendwelche Stoffe exponiert gewesen.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 5. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2005 ab, die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (arbeitstechnische Voraussetzungen der BK-Nrn. 1101 ff. der Berufskrankheitenverordnung - BKV - nicht erfüllt, Gerichtsbescheid vom 9. Mai 2007 - S 1 U 28/06). Im anschließenden Berufungsverfahren (L 10 U 3071/07) wurde u.a. der behandelnde Hausarzt Dr. K. als sachverständiger Zeuge gehört, der über den Verdacht auf eine psycho-neurotische Grundhaltung berichtete. In dem nachfolgenden Erörterungstermin vom 18. September 2008 erklärte der Kläger, er habe derzeit keine akut behandlungsbedürftigen Herzprobleme mehr und sein Ziel, die Verhältnisse bei seinem damaligen Arbeitgeber anzuprangern, erreicht. Die Beteiligten schlossen daraufhin einen Vergleich des Inhalts, dass die Beklagte sich verpflichtete, über den Antrag des Klägers, seine psychischen Probleme als BK anzuerkennen, inhaltlich rechtsmittelfähig zu entscheiden. Nachdem die Staatliche Gewerbeärztin Einsele in Auswertung der vorliegenden Unterlagen sowie des Vorbringens des Klägers ausführte, dass neuere gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach psychische Störungen durch berufliche Einflüsse verursacht würden, nicht vorlägen, die vom Kläger geschilderten seelischen Beschwerden zwar zweifellos auch berufsbedingt seien, hiervon aber keinesfalls nur bestimmte Berufsgruppen durch ihre Tätigkeit besonders betroffen seien, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2009 den Antrag des Klägers ab. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (Gerichtbescheid vom 25. Mai 2010 - S 14 U 2969/09), ebenso das nachgehende Berufungsverfahren beim Senat (Urteil vom 21. Juli 2011 - L 6 U 3018/10) wie die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht (BSG - Beschluss vom 26. Oktober 2011 - B 2 U 233/11 B). Das hierauf gerichtete Überprüfungsverfahren des Klägers ist bislang ebenfalls erfolglos geblieben (Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012, Az.: 660/B 1/141490 102/08, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 und Gerichtsbescheid des SG vom 28. Januar 2014 - S 13 U 13/13). In dem anschließenden, noch anhängigen Berufungsverfahren L 6 U 1278/14 hat der Kläger zuletzt einen Entlassungsbericht des Universitätsklinikums Heidelberg vom 30. Dezember 2014 wegen akuter stationärer Behandlung vom 20. bis 30. Dezember 2014 nach Pneumonie (Lungenentzündung) vorgelegt. Zusätzlich ist ein Zwerchfellhochstand rechts (anamnestisch seit 2004 nach Entzündung der Thoraxwand) bei Phrenikusparese (Lähmung des nervus Phrenikus mit Erschlaffen der entsprechenden Seite des Zwerchfells) diagnostiziert worden. Weiterhin leide der Kläger an einer bekannten Koronaren 1-Gefäßerkrankung der RCA bei leichter eingeschränkter linksventrikulären Funktion (2003). Die Lungenfunktionsanalyse vom 29. Dezember 2014 habe keine Obstruktion, also keine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung und nur eine mäßige Restriktion erbracht. In diesem Berufungsverfahren hat der Kläger zusätzlich eine privat eingeholte "gutachtliche Stellungnahme" des Ingenieurbüros für Bauwesen und Umwelt von Dipl. Ing. W. vorgelegt, wonach sich aus der Bezeichnung des Gebäudes C14 als Technikum ergebe, dass tatsächlich eine Produktionsanlage in der Vorstufe zur Großproduktion vorgelegen habe, somit auch die eingesetzten Behältnisse die gleichen sein müssten wie die in der Großproduktion. Folglich sei die vorhandene Lüftungsanlage zu gering ausgelegt, so dass der erforderliche Luftwechsel nicht eingehalten worden sei, zumal die Lüftungsanlage defekt gewesen sei, so dass der Betrieb sofort hätte eingestellt werden müssen. Insoweit bestehe noch weiterer Aufklärungsbedarf.
Parallel zu den Rechtsstreitigkeiten veranlasste der Kläger eine gewerbeärztliche Prüfung beim Regierungspräsidium Stuttgart. Der Staatliche Gewerbearzt Dr. B. gelangte zu dem Ergebnis, dass die Nachforschungen zu dem Stoff 4-Chlor-3-Nitropyridin (CNP) und anderer verwandter Stoffe in Bezug auf ihre Toxizität nicht erfolgreich gewesen seien. Hinsichtlich des Verdachts einer Blausäurevergiftung sei es so, dass der Kläger Herzinfarkt-ähnliche Symptome vom 28. November 2007 geschildert habe. Nach den vorliegenden Unterlagen (Bericht der Medizinischen Klinik der Universität Heidelberg vom 5. Dezember 2002) sei der Kläger morgens (7.30 Uhr) vermutlich auf dem Weg zur Arbeit in die Klinik gefahren oder eingeliefert worden, nachdem er akute Symptome in Form von Schwindelgefühl, Übelkeit, Herzstechen, Luftnot, Taubheitsgefühl im rechten Arm und Pelzigkeitsgefühl in der Unterlippe bemerkt habe. Es sei zwar denkbar, dass Blausäure-Gas (HCN) aus der Kanalisation austreten könne, wenn offene Verbindungen zu den Arbeitsräumen bestünden, denn HCN sei etwas leichter als Luft. Die üblicherweise beschriebenen Symptome bei leichten Vergiftungen seien Irritationen der Atemwege mit Kratzen im Hals und Husten, Engegefühl in der Brust, erhöhter Speichelfluss, Angstgefühl, Übelkeit und Erbrechen. Diese Symptome träten jedoch unmittelbar bei Exposition auf. Wenn die geschilderten Beschwerden erst nach einer beschwerdefreien Nachtruhe bemerkbar würden, sei es nicht wahrscheinlich, dass sie auf eine Blausäurevergiftung zurückzuführen seien. Dies gelte auch, wenn der Kläger an diesem Morgen erst von einer Nachtschicht zurückgekehrt sein sollte, denn die Symptomatik würde wahrscheinlich nicht erst nach Arbeitsende auftreten.
Der Kläger wandte sich schließlich an den Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg (vgl. zum Folgenden Landtags-Drucksache 15/1272), der zu dem Ergebnis gelangte, dass sich die Petition, soweit den bestehenden Schäden im Kanalsystem abgeholfen werde, dadurch erledigt habe, und im Übrigen der Petition nicht abgeholfen werden könne. Das Gebäude C14, in dem neben diversen Büroräumen insbesondere Laborräume und das "Technikum für Forschung und Entwicklung" untergebracht gewesen seien und in welchem als notwendige Vorstufe für die Erzeugung marktfähiger Chemieprodukte (durch sog. Upscaling) in deutlich geringerem Maßstab als in den eigentlichen Produktionsanlagen im Wesentlichen die gleichen Produkte hergestellt worden seien wie in den Chemieanlagen der Firma, sei am 21. Juni 1990 baurechtlich genehmigt worden. Für die Aufbewahrung von Laborchemikalien stünden spezielle Sicherheitsschränke bereit. Nach Überprüfung durch das Regierungspräsidium seien die im Gebäude C14 befindlichen Laboratorien, insbesondere auch die Technikum-Anlage, rechtskonform betrieben worden. Wegen dessen Größe und Ausstattung sei davon auszugehen, dass mit der Anlage seinerzeit nicht in industriellem Umfang produziert worden sei und auch heute nicht. Vielmehr würden nur chemische Produktionsverfahren getestet. Der Betrieb erfülle damit auch die sicherheitstechnischen Anforderungen der Störfallverordnung, nur erprobte "sichere Verfahren" durchzuführen, d.h. die chemischen Reaktionen so zu steuern, dass sie nicht außer Kontrolle gerieten und zu einem Störfall führen könnten. Ebenso sei das Kanalsystem des gesamten Werkes überprüft worden. Hierbei seien Schäden unterschiedlicher Schwere im Kanalsystem festgestellt worden, etwas mehr als 22 % hätten unmittelbaren Handlungsbedarf, beträfen aber nur Abwasserkanäle für sanitäre Abwässer. Am 12. März 1996 sei es in der Anlage A51 zu einer Staubexplosion mit Gebäudeschaden und zu einem größeren Einsatz von Rettungskräften gekommen, Personenschäden seien nicht protokolliert worden. Aufgrund des Abstandes zum Gebäude C14 sowie der Tageszeit, zu der das Ereignis stattgefunden habe, ließe sich ein Zusammenhang zur damaligen Arbeitsplatzsituation nicht herstellen. Der "Thionylchloridunfall" sei nicht aktE.undig, eine unmittelbare Auswirkung von Schäden auf die Luftsituation in den Arbeitsräumen nicht plausibel, zumal der Kläger zur Zeit des Ereignisses überhaupt nicht anwesend und von den Auswirkungen nicht betroffen gewesen sei. Am 4. November 1997 sei es zu unangenehmen Gerüchen in der Spülküche gekommen, worauf eine Mitarbeiterin nach Hause geschickt und krankgeschrieben worden sei, welches sich mit der aktE.undigen wasserrechtlichen Problemsituation decke. Danach habe es Probleme in der betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage für Abwässer aus den Produktionsanlagen gegeben, nämlich mikrobiologische Aktivitäten im behandelten Abwasser, die zu einer Reduktion von Sulfat geführt hätten, wodurch Schwefelwasserstoffe von unbekannter Menge entstanden seien. Die Situation lasse sich heute nicht mehr hinreichend beurteilen, die Abwasserprobleme seien damals behoben worden und bei aktuellen Überprüfungen hätten keine unangenehmen Gerüche oder schlechte Arbeitsluft mehr festgestellt werden können. Aktenkundig sei lediglich die Unfallmeldung vom 4. Juli 2002, für die Zeit zwischen 1996 und heute lägen keine weiteren Unfallmeldungen vor, die die Arbeitnehmer im Gebäude C14 beträfen und mit Gefahrstoffen, gefährlichen Arbeiten, chemischen Anlagen, Laborarbeiten oder schlechter Arbeitsluft im Zusammenhang stünden. Die Überprüfung der vorgetragenen Punkte habe somit insgesamt kein Fehlverhalten der Behörden ergeben. Insbesondere liege auch nach Auffassung des Staatlichen Gewerbearztes beim Kläger weder eine Listen-BK noch eine Wie-BK vor.
Mit Schreiben vom 29. September/24. Oktober 2011, bei der Beklagten eingegangen am 31. Oktober 2011, wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und machte nunmehr geltend, dass er an einem reduzierten Lungenvolumen, Darmfalschbesiedlung und Nahrungsunverträglichkeit auf Grund der offenen Wäscher, der Gully-Problematik, des Druckpumpen-Cyanidunfalls, dem Entsorgen von Fässern, dem 4-Chlor-3-Nitropyridin-Unfall, den fehlenden Ventilen zwischen den beiden Schadstoffabsaugungskreisläufen, der undichten Chlorierung bei fehlender Umluft und Abluft usw. leide. Am 12. November 2003 sei er deswegen in der Notambulanz im Klinikum Mannheim eingeliefert worden. Grund hierfür sei Aufregung gewesen, denn 100 Liter Cyanlauge seien beinahe wie im Thionychloridunfall in das Mannheimer Kanalnetz abgeflossen. Es sei zu einer hypertonischen Entgleisung gekommen. Dabei sei ihm ein reduziertes Lungenvolumen mitgeteilt worden. Mit Schreiben vom 13. Juni 2012 teilte die Beklagte dem Kläger zunächst mit, es gebe keine Hinweise auf den begründeten Verdacht einer BK, so dass es eines Feststellungsverfahrens nicht bedürfe.
Schließlich lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2012, Az.: 660/B 3/1722 640/12, die Anerkennung der vorgebrachten Beschwerden wie reduziertes Lungenvolumen, Reizdarm mit Nahrungsmittelunverträglichkeit, Rückenschmerzen sowie Verschlechterung des Sehvermögens als BK bzw. Wie-BK ab. Über die Herz- und Leberbeschwerden wie die psychischen Beschwerden sei bereits bestandskräftig entschieden worden, folglich müsse dies nicht erneut erfolgen. Auch die nunmehr geschilderten Beschwerden stellten für sich genommen keine Erkrankungen dar, wie sie in der Anlage zur BKV aufgeführt seien. Vielmehr handele es sich um anlagebedingte Gesundheitsstörungen, die unabhängig von etwaigen beruflichen Schadstoffeinwirkungen hervorgerufen worden seien. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2012). Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, durch das jetzige Vorbringen ergebe sich kein Sachverhalt, der nicht bereits Gegenstand des Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahrens aus dem Jahre 2009 sowie der ergangenen Entscheidungen der sozialgerichtlichen Instanzen gewesen wäre.
Hiergegen hat der Kläger am 28. Dezember 2012 erneut Klage beim SG erhoben und erstmalig die BK-Nrn. 1315 bzw. 4302 BKV, hilfsweise die Anerkennung als Wie-BK geltend gemacht. Er hat vorgetragen, u.a. durch Zyanid bei seiner Arbeit vergiftet worden zu sein. Der Stoff sei mit der BK-Nr. 1315 der BKV ohne Weiteres vergleichbar. Die BK-Nr. 4302 führe obstruktive Atemwegserkrankungen auf, wie er sie habe.
Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegen getreten, Isocyanate und Zyanide seien keine chemisch identischen Substanzen. Daher würden mögliche Atemwegsbeschwerden nicht unter die BK-Nr. 1315 der BKV-Liste fallen. Sofern Zyanide chemisch-irrativ oder toxisch wirkten, würde eine obstruktive Atemwegserkrankung als BK-Nr. 4302 der BKV-Liste anerkannt werden können. Ein reduziertes Lungenvolumen oder gar eine obstruktive Atemwegserkrankung sei beim Kläger jedoch durch ärztliche Befunde nicht belegt. Auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne einer gesundheitsschädigenden Zyanideinwirkung am ehemaligen Arbeitsplatz seien nicht gegeben.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG eine erneute Auskunft bei Allgemeinmediziner Dr. K. eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, dass der Kläger von 1996 bis 2003 an erhöhten Leberwerten gelitten habe, die sich seit 2004 normalisiert hätten. Die Gründe dafür seien unbekannt. Von 1996 bis 2003 habe er zusätzlich über rezidivierende Hautausschläge berichtet. 2003 habe er den Verdacht auf eine Zyanidvergiftung mit Atemnot geäußert und sei daraufhin in die Krehlklinik mit Verdacht auf Herzinfarkt eingewiesen worden. Hieraus resultierten psychische Veränderungen z.B. Depressionen und Persönlichkeitsveränderungen.
Nach vorangegangener Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. August 2014, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 13. August 2014, abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es sei nicht erwiesen, dass der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK nach Nrn. 1101 ff. der Anlage 1 zur BKV erfülle, welches bereits aus den rechtskräftigen Urteilen folge. Einer unfallversicherungsrechtlich relevanten Exposition stehe im Übrigen bereits der Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes vom 4. Mai 2005 entgegen. Danach sei der Kläger keinen Gefahrstoffen in gesundheitlich relevantem Ausmaß ausgesetzt gewesen. Die Nichterweislichkeit der arbeitstechnischen Voraussetzungen gehe nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers. Des Weiteren sei auch ein reduziertes Lungenvolumen nicht nachgewiesen, wie sich dies der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. K. vom 10. April 2014 entnehmen lasse.
Hiergegen hat der Kläger am 28. August 2014 Berufung beim SG eingelegt, zu deren Begründung er wiederholt hat, dass das Gebäude C14 falsch angemeldet und geführt worden sei, worauf sich auch mangelnde Fürsorge des Arbeitgebers gründe. Deswegen müsse von einer Beweislastumkehr ausgegangen werden. In den Ausgangsverfahren sei von falschen Fakten ausgegangen worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. August 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012, Az.: 660/ B 3/1722 640/12, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 aufzuheben und die Erkrankung und Reduzierung des Lungenvolumens als Berufskrankheit anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie verweist darauf, dass die diversen Beschwerden nicht der BK-Liste zugeordnet werden könnten und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Beschwerden und der beruflichen Tätigkeit nicht bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§§ 144, 151 Abs. 2 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Denn die Bescheide der Beklagten sind nicht hinreichend bestimmt und schon deswegen rechtswidrig. Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist daher insoweit begründet. Soweit der Kläger darüber hinaus die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer BK im Wege der damit kombinierten Verpflichtungsklage begehrt hat, war die Berufung zurückzuweisen. Insoweit fehlt es an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung.
Rechtsgrundlage hierfür ist § 33 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitserfordernis verlangt als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Verwaltungsakts, dass dessen Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Adressaten bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, die in ihm angeordnete Rechtsfolge zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (BSG, Urteil vom 13. Februar 2013 - B 2 U 25/11 R - zitiert nach juris).
Bei BKen ist nach § 9 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zwischen "Listen-BKen" und "Wie-BKen" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als BK in einem Tatbestand der BKV erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die BK also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4 2700 § 9 Nr. 17).
Zu dem Verfahrensgegenstand im vorgenannten Sinne trifft der angefochtene Bescheid auch bei Heranziehung des Widerspruchsbescheides und der insgesamt abgegebenen Begründungen keine Aussage (vgl. zum folgenden auch LSG Sachsen Anhalt, Urteil vom 13. Februar 2014 - L 6 U 12/13 - zitiert nach juris). Dies gilt zumindest, soweit bestimmte berufliche Einwirkungen daraufhin zu überprüfen waren, ob sie eine Berufskrankheit bedingen, oder über Krankheitsbilder zu entscheiden ist, die abstrakt - auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Listentatbestand - eine Berufskrankheit sein können. Mit dem Bescheid vom 12. Oktober 2012 hat die Beklagte ohne jede Konkretisierung auf eine Listen-BK die Feststellung einer BK bei dem Kläger verneint und zur Begründung lediglich auf den Gesetzestext des § 9 SGB VII Bezug genommen. Auch soweit auf die vorangegangenen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen Bezug genommen wurde, hat die Beklagte keine BK genannt und auch ausdrücklich klargestellt, dass hierüber "nicht erneut entschieden zu werden" braucht.
Folglich wurde keine konkrete Listen-BK geprüft, obwohl der Kläger den konkreten Kontakt mit chemischen Substanzen vorgetragen und auch bestimmte Erkrankungen behauptet hat. Der Verwaltungsakt über die Ablehnung der Erkrankung als Berufskrankheit ist daher mangels Bestimmtheit rechtswidrig, da sich diese Ablehnung nicht nach den allgemeinen Grundsätzen der Auslegung konkreten Berufskrankheitstatbeständen zuordnen lässt.
Entsprechend setzt eine bestimmte Entscheidung nach § 9 Abs. 2 SGB VII (sog. Wie-BK) jedenfalls voraus, dass eine konkrete Beziehung zwischen einer bestimmten Einwirkung und einer bestimmten Erkrankung zum Gegenstand der Entscheidung gemacht und dabei erkennbar wird, dass es sich nicht um eine Entscheidung zu einer Listen-BK handelt. Auch dies ist nicht der Fall.
Abgesehen davon, dass auch in den Tatsacheninstanzen die erforderliche Bestimmung nicht nachgeholt worden ist, gilt § 41 Abs. 2 SGB X ohnedies für den Verstoß gegen § 33 Abs. 1 SGB X nicht (BSG, Urteil vom 13. Juli 2006 - B 7a AL 24/05 R- SozR 4-1200 § 48 Nr. 2; Engelmann, in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 33 Rdnr. 16 m. w. N.). Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X ist mithin nicht heilbar (BSG, a.a.O.; Engelmann, a.a.O); ebenso wenig ist, weil es sich bei dem Verstoß gegen § 33 Abs. 1 SGB X nicht um einen Formmangel handelt, § 42 SGB X anwendbar (BSG, a.a.O.; Engelmann, a.a.O).
Daher sind auf die Anfechtungsklage des Klägers die angefochtenen Bescheide aufzuheben und ist insoweit der Berufung stattzugeben.
Hinsichtlich des Antrags auf Anerkennung einer BK fehlt es folglich an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung der Beklagten, so dass insoweit die Berufung des Klägers ohne Erfolg war, was der Senat entsprechend bei der Kostenentscheidung nach § 193 SGG berücksichtigt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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