L 4 AS 193/16 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 2435/15 B ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 193/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. März 2016 wird aufgehoben und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellerinnen vorläufig SGB II-Leistungen für die Zeit von Dezember 2015 bis April 2016 in einer monatlichen Höhe von 1.400 EUR zu zahlen.

Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen für beide Rechtszüge zu tragen.

Den Antragstellerinnen wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. bewilligt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen und Beschwerdeführerinnen (im Folgenden: Antragstellerinnen) begehren im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtschutzes Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von Dezember 2015 bis April 2016.

Die ... geborene Antragstellerin zu 1 ist ungarische Staatsangehörige. Sie reiste nach ihren Angaben nach der Trennung von ihrem bisherigen Partner im Juli 2015 mit ihren drei Töchtern, der am ... geborenen Antragstellerin zu 2, der am ... geborenen Antragstellerin zu 3 und der am ... geborenen Antragstellerin zu 4 in die BRD ein. Dort hielten sich die Antragstellerinnen zunächst bei der in H. lebenden Schwester der Antragstellerin zu 1 auf. Die Antragstellerin zu 1 beabsichtigte die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei der Firma U. GmbH in H. Ein Arbeitsverhältnis kam nicht zustande. Am 22. Juli 2015 schloss die Antragstellerin zu 1 einen Mietvertrag für eine 110 m² große Wohnung in der ... in S. (Orteilsteil R.). Für die Wohnung fällt eine monatliche Bruttokaltmiete iHv 470 EUR an; Heizkostenvorauszahlungen sind in Höhe von 90 EUR zu leisten.

Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 besuchen seit dem 19. August 2015 die erste Klasse der Pestalozzi Grundschule in B. Seit dem 1. November 2015 ist die Antragstellerin zu 1 ausweislich des vorgelegten Arbeitsvertrages und den Gehaltsabrechnungen für November bis April 2016 als Aushilfskraft in der Fladenbrotbäckerei D. U.G. fünf Stunden wöchentlich bzw. 22 Stunden monatlich als Putzhilfe zu einem Stundenlohn von 9 EUR beschäftigt. Der Festlohn beträgt 200 EUR brutto. Nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen iHv 7,40 EUR werden 192,60 EUR bar ausgezahlt.

Am 12. November 2015 stellte die Antragstellerin zu 1 für sich und die Antragsteller zu 2 bis 4 beim Antragsgegner einen Antrag auf SGB II-Leistungen. Der Antragsgegner forderte die Antragstellerin zu 1 schriftlich zur Mitwirkung auf und forderte die Vorlage von im Einzelnen aufgelisteten Unterlagen, u.a. lückenlose Auszüge für das in U. geführten Konto seit dem 1. Juli 2015, Belege über die geplante Arbeitsaufnahme im Juli 2015, die Beantragung von Kindergeld bei der Familienkasse, Unterhaltseinkommen und Vaterschaftsanerkennungen sowie der vollständig ausgefüllten Anlagen VM (Vermögen), EK (Einkommen), KI (Kinder), KdU (Kosten der Unterkunft), UH (Unterhalt). Nachdem die Antragstellerin zu 1 die geforderten Unterlagen zum vereinbarten Termin nicht vollständig vorlegen konnte, versagte der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. Dezember 2015 gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) eine SGB II-Leistungsgewährung wegen fehlender Mitwirkung. Die angeforderten Angaben und Belege würden zur Prüfung des Leistungsanspruchs benötigt.

Dagegen legte die nunmehr anwaltlich vertretene Antragstellerin zu 1 am 21. Dezember 2015 Widerspruch ein. Sie sei dringend auf eine – ggf. vorläufige – Leistungsgewährung angewiesen. Sie könnten lediglich einige Belege – insbesondere solche aus U. – noch nicht beibringen.

Am 7. Dezember 2015 haben die Antragstellerinnen beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) um einstweiligen Rechtschutz nachgesucht. Sie haben ausgeführt: Sei seien dringend auf SGB II-Leistungen angewiesen. Ihre finanziellen Rücklagen, aus denen sie bislang ihren Lebensunterhalt bestritten hätten, seien aufgebraucht. Die Antragstellerin zu 1 verfüge nur noch über ihr Erwerbseinkommen von monatlich 200 EUR. Die vom Antragsgegner geforderten Unterlagen seien kurzfristig nicht aus U. zu beschaffen. Die Väter der Antragstellerinnen zu 2 bis 4 zahlten keinen Unterhalt. Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen seien beantragt, aber noch nicht beschieden, weil Belege aus U. fehlten. Es sei unverständlich, dass der Antragsgegner trotz Vorlage von Mietvertrag, Arbeitsvertrag, Freizügigkeitsbescheinigung, Meldebestätigung, Geburtsurkunden und trotz Angaben zum Einkommen nicht zumindest vorläufige Leistungen gewähre. Im sozialgerichtlichen Verfahren hat die Antragstellerin zu 1 eine Bestätigung der ungarischen Raiffeisenbank vorgelegt, nach der ihr Konto am 25. November 2015 ohne Guthabenbestand geschlossen worden ist. Weiter hat sie eine Gehaltsabrechnung für November 2015 vorgelegt.

Im Erörterungstermin am 5. Februar 2016 hat die Antragstellerin zu 1 – ohne Sprachmittler – erklärt, sie arbeite ein bis drei Mal pro Woche bei ihrem Arbeitgeber. Dieser teilte ihr vorab den Einsatz telefonisch mit, hole sie am Arbeitstag zu Hause ab und bringe sie zurück. Ihre Schwester betreue an ihren Arbeitstagen die Antragstellerin zu 4. Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 seien in der Schule. Ihr Arbeitgeber habe ihr helfen wollen. Den Lohn erhalte sie bar am Monatsersten des Folgemonats. Im Termin hat sie Quittungen über die Barauszahlung des Lohns für Dezember am 31. Dezember 2015 und für Januar 2016 am 29. Januar 2016 vorgelegt.

Auf Anforderung des Antragsgegners hat der Arbeitgeber der Antragstellerin zu 1 Arbeitszeitnachweise für die Monate November 2015 bis Januar 2016 übersandt, aus denen sich jeweils 14 Arbeitsstunden monatlich ergeben.

Am 24. Februar 2016 hat der Antragsgegner einen Hausbesuch in der Wohnung der Antragstellerinnen durchgeführt. Ausweislich des Protokolls wurde eine eingerichtete Zwei-Raum-Wohnung mit Wohnzimmer und Schlafzimmer vorgefunden, von der mit Trockenbauwänden ein Kinderzimmer abgeteilt gewesen sei. Es sei beabsichtigt und nach Größe und Zuschnitt möglich, vom Wohnzimmer ein weiteres Kinderzimmer abzuteilen. Dafür sowie für die malermäßige Instandsetzung der Wohnung würden SGB II-Leistungen benötigt. Die Möbel habe die Antragstellerin zu 1 nach ihren Angaben vom Vermieter, von ihrer Schwester und von Nachbarn erhalten.

Mit Beschluss vom 23. März 2016 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es bestehe nach summarischer Prüfung kein Anordnungsanspruch. Die Antragsteller hätten keinen SGB II-Leistungsanspruch glaubhaft gemacht, denn sie unterlägen dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Ihr Aufenthaltsrecht ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Die Antragstellerin zu 1 habe kein anderes Aufenthaltsrecht, denn sie habe nicht glaubhaft machen können, dass ihre vermeintliche Tätigkeit als Reinigungskraft seit November 2015 zu einem Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU führe. Es sei nicht glaubhaft gemacht worden, ob und in welchem Umfang die Antragstellerin zu 1 in der Fladenbrotbäckerei beschäftigt sei. Ihre Angaben und die dazu vorgelegten Unterlagen seien widersprüchlich. Im Arbeitsvertrag sei eine Beschäftigung für 22 Stunden monatlich zu einem Monatslohn von 200 EUR vereinbart. Im Erörterungstermin habe die Antragstellerin zu 1 zunächst erklärt, einmal pro Woche für eine Stunde zu arbeiten. Selbst wenn man von ihrer korrigierten Angabe, sie arbeite dreimal wöchentlich eine Stunde, ausgehe, ergebe sich nicht die arbeitsvertraglich vereinbarte monatliche Stundenzahl. Aus dem Stundennachweis des Arbeitgebers ergebe sich eine monatliche Arbeitszeit von 14 Stunden, verteilt auf vier Arbeitstage. Trotz der geringeren Stundenzahl sei der vollständige Monatslohn von 200 EUR brutto gezahlt worden, den sie jeweils bar erhalten habe. Es bestünden erhebliche Zweifel am Bestehen eines echten Arbeitsverhältnisses; vieles spreche für ein Gefälligkeitsverhältnis. Dazu gehöre auch, dass der Arbeitgeber die Antragstellerin zu 1 für die Tätigkeit von zu Hause abhole. Selbst wenn man ein Arbeitsverhältnis annehme, sei zweifelhaft, ob es sich um eine Tätigkeit handele, die geeignet sei, ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer zu begründen. Die Arbeitnehmereigenschaft setze eine Tätigkeit voraus, die nicht nur völlig untergeordnet und unwesentlich sei. Der EuGH habe zwar insoweit keine bestimmte Grenze in Bezug auf Einkommen und Arbeitszeit genannt, jedoch bewerte die Kammer die geleistete wöchentliche Arbeitszeit von ein bis drei Stunden als völlig untergeordnet und unwesentlich. Das erzielte Entgelt decke nicht einmal 10% des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerinnen von 1.886,44 EUR. Die Antragstellerin zu 1 könne für sich auch kein Aufenthaltsrecht aus dem Schulbesuch der Antragstellerinnen zu 2 und 3 herleiten. Denn gemäß Artikel 10 VO (EU) Nr. 492/11 setze ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Kinder zum Schulbesuch voraus, dass die Eltern als Wanderarbeitnehmer ein Aufenthaltsrecht besäßen. Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 hätten den Schulbesuch im August 2015 aufgenommen, als die Antragstellerin zu 1 noch beschäftigungslos und arbeitsuchend gewesen sei. Die im November 2015 aufgenommene Erwerbstätigkeit der Antragstellerin zu 1 begründe keine Arbeitnehmereigenschaft, sodass die Antragstellerinnen zu 2 und 3 hieraus kein Aufenthaltsrecht zur Ausbildung ableiteten könnten. Mithin greife für alle Antragstellerinnen der Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Dieser schließe zwar einen Anspruch auf Leistungen nachdem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) nicht aus; den dazu erforderlichen gesonderten Antrag beim Sozialhilfeträger hätten die Antragstellerinnen jedoch nicht gestellt. Es bestehe kein Anlass zur Beiladung des Sozialhilfeträgers.

Gegen den ihnen am 29. März 2016 zugestellten Beschluss haben die Antragstellerinnen am 15. April 2016 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung haben sie darauf hingewiesen, die alleinerziehende Antragstellerin zu 1 könne nur eingeschränkt erwerbstätig sein, denn sie müsse für Zeiten der Erwerbstätigkeit die Betreuung der Antragstellerin zu 4 sicherstellen. Widersprüchliche Angaben der Antragstellerin zu 1 im Erörterungstermin beruhten darauf, dass sie nur bruchstückhaft deutsch spreche. Zwischenzeitlich hätten die Antragstellerinnen beim Landkreis A. einen Antrag auf Sozialhilfeleistungen gestellt, über den noch nicht entscheiden worden sei. Die Antragstellerinnen haben für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2016 hat der Antragsgegner den Widerspruch gegen den Versagungsbescheid zurückgewiesen. Er hat ausgeführt, es lägen immer noch nicht alle Belege vor, sodass über den Leistungsantrag der Antragstellerinnen nicht entschieden werden könne. Dies betreffe insbesondere die Rentenversicherungsnummern der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, die Kontoauszüge für das ungarische Konto seit dem 1. Juli 2015, Nachweise über die Kontoschließung in U., die geplante Arbeitsaufnahme ab Juli 2015 unter Benennung des Arbeitsgebers, die Beantragung von Kindergeld sowie über den Zufluss des Arbeitsentgelts. Dagegen haben die Antragstellerinnen Klage beim SG erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 4 AS 825/16 geführt wird.

Sie beantragen nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

den Beschluss den Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. März 2016 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig für die Monate von Dezember 2015 bis April 2016 SGB II-Leistungen in einer monatlichen Gesamthöhe von 1.400 EUR zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es seien die tatsächliche geleistete Arbeitszeit und das erzielte Arbeitsentgelt zweifelhaft. Zudem sei unverständlich, weshalb der Lohn nicht auf das Konto der Antragstellerin zu 1, sondern bar gezahlt werde. Die Antragstellerin zu 1 verfüge nicht über einen Gesundheitsausweis, der für die Ausübung einer Tätigkeit in einer Bäckerei erforderlich sei. Selbst wenn von einer Glaubhaftmachung des Beschäftigungsverhältnisses auszugehen sei, genüge die geringfügige Beschäftigung nicht, um eine Arbeitnehmereigenschaft zu begründen. Dies habe das LSG Hamburg für eine Beschäftigung mit einem Monatslohn von 200 EUR festgestellt (Beschluss vom 1. Dezember 2014, Az.: L 4 AS 444/14 B ER). Die Betreuungsbedürftigkeit der Antragstellerin zu 4 sei kein Grund, der gegen die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit spreche, da die Betreuung in einer Kindertagesstätte erfolgen könne. Es werde angeregt, den vermeintlichen Arbeitgeber und die Schwester der Antragstellerin zu 1 als Zeugen zu vernehmen.

Auf Aufforderung der Berichterstatterin haben die Antragstellerinnen die Schulhalbjahreszeugnisse der Antragstellerinnen zu 2 und 3, Lohnabrechnungen für die Monate Februar bis April 2016, aktuelle Kontoauszüge des Girokontos der Antragstellerin zu 1 sowie eine Bescheinigung in ungarischer Sprache vorgelegt. Letztere bestätige, dass derzeit kein ungarisches Kindergeld gezahlt werde. Belege für die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma U. GmbH in H. gebe es nicht, weil die Verhandlungen mündlich geführt worden seien. Der Sozialhilfeträger habe inzwischen den Leistungsantrag der Antragstellerinnen abgelehnt. Sie hätten Widerspruch eingelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen sind Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des SG vom 23. März 2016 ist zulässig, insbesondere nach §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 iVm § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG ausgeschlossen. Denn der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes der Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750 EUR ist überschritten. Die Antragsstellerinnen begehren für jeden Monat des streitigen Zeitraums die Bewilligung von SGB II-Leistungen in Höhe von 1.400 EUR.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zu Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds (die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) und eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründeten Tatsachsen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keiner eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht der Hauptsache nicht bindet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b RN 16b).

Dabei müssten die Gerichte die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02, NJW 2003, Seite 1236; BVerfG, NVwZ 2004, Seite 95f.), wenn das einstweilige Rechtschutzverfahren – wie vorliegend – vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt. Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz greift. Zudem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtschutzes einbeziehen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist an Hand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in den Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002, a.a.O., Seite 1237). Dies gilt insbesondere, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn die nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern.

Unter Anwendung dieser Grundsätze spricht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand viel für das Vorliegen des von den Antragstellerinnen glaubhaftgemachten SGB II-Leistungsanspruchs. Sie erfüllen grundsätzlich die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Dem steht § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Denn die Antragstellerinnen verfügen aller Voraussicht nach über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU, die sich aus der Erwerbstätigkeit der Antragstellerin zu 1 ableitet. Aufgrund der Aufnahme der Erwerbstätigkeit im November 2015 greift der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen der Grundsicherung arbeitsuchende Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind ausgeschlossen vom Bezug von Leistungen Ausländerinnen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihren Familienangehörige. Darüber hinaus sind im Wege des "Erst-Recht-Schlusses" nicht zum Bezug von Leistungen nach den SGB II berechtigt Unionsbürger oder Ausländer, die über keine Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, Az.: B 4 AS 44/15 R, juris RN 19f.).

Nach der Rechtsprechung des BSG erfordert die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorliegen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderem Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iSv § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, Az.: B 4 AS 54/12 R, juris RN 23; Urteil vom 25. Januar 2012, Az.: B 14 AS 138/11 R, juris RN 20). Als mögliches Aufenthalts- bzw. Freizügigkeitsrecht kommt hier die unionsrechtliche Freizügigkeitsberechtigung der Antragstellerin zu 1 nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU in Betracht. Danach sind Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, freizügigkeitsberechtigt. Von diesem Freizügigkeitsrecht abgeleitet werden gemäß § 3 Abs. 1 FreizügG/EU die Freizügigkeitsberechtigung der Antragstellerinnen zu 2 bis 4 als (minderjährige) Familienangehörige der Antragstellerin zu 1, die diese begleitet haben.

Der Arbeitnehmerbegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist nicht im engeren nationalrechtlichen Sinne arbeitsrechtlich oder sozialrechtlich (und damit auch nicht grundsicherungsrechtlich) zu verstehen; er ist viel mehr ausschließlich im Lichte des Unionsrecht, hier insbesondere im Sinne des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts auszulegen. Dabei ist der Arbeitnehmerbegriff nicht in der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) definiert, zu deren Umsetzung das FreizügG/EU ergangen ist. Eine Begriffsdefinition ergibt sich auch nicht aus dem europäischen Primärrecht in Gestalt der EU-vertraglichen Freizügigkeitsgewährleistung (Art. 39 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV] und der Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (VO [EWG] Nr. 1612/68 vom 15. Oktober 1968), die als Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU-Union (VO [EU] Nr. 492/2011 vom 5. April 2011) neu kodifiziert worden ist. Aus den Erwägungsgründen der VO [EWG] Nr. 1612/68 ergibt sich aber, dass das Freizügigkeitsrecht "gleichermaßen Dauerarbeitnehmern, Saisonarbeitern, Grenzarbeitnehmern oder Arbeitnehmern zu [steht], die ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Dienstleistung ausüben". Im Zusammenhang mit dem Hauptzweck des Freizügigkeitsrechts, einen diskriminierungsfreien Zugang zum Arbeitsmarkt des aufnehmenden Mitgliedsstaats zu gewähren, folgt daraus notwendigerweise ein weiter Arbeitnehmerbegriff, der lediglich ein auf ein Mindestmaß Anteilnahme am Wirtschaftsleben des aufnehmenden Mitgliedstaates zielt. Dabei ist es ohne Relevanz, ob das mit der ausgeübten Tätigkeit erzielte Entgelt geeignet ist, das von dem jeweiligen Mitgliedstaat definierte Existenzminimum zu decken. Die Arbeitnehmereigenschaft begründen daher auch nicht existenzsichernde Teilzeittätigkeiten, sofern es sich dabei um "tat-sächliche und echte" Tätigkeiten handelt, wobei – gemessen wiederum am Willen der freizügigkeitsberechtigten Personen, im Wirtschaftsleben tätig zu sein – nur solche Beschäftigungen außer Betracht bleiben, die so einen geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig ungeordnet und unwesentlich darstellen (EUGH, Urteil vom 23. März 1982, Rs. 53/81-Levin, RN 17). Zur Prüfung der Voraussetzungen hat sich das Tatsachengericht auf objektive Kriterien zu stützen und dabei eine Gesamtbetrachtung aller Umstände der Rechtssache vorzunehmen, die die Art der Tätigkeit und des Arbeitsverhältnisses betreffen, wobei (lediglich) Umstände, die sich auf das Verhalten des Betreffenden vor und nach der Beschäftigungszeit beziehen, für die Begründung der Arbeitnehmereigenschaft ohne Belang sein sollen (EUGH, Urteil vom 6. November 2003, Rs. C-413/01-Ninni-Orasche, RN 27f.; vgl. z. Vorst.: LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11. November 2015, Az.: L 6 AS 197/15 B ER, juris RN 20).

Nach diesen Maßstäben ist die Antragstellerin zu 1 aufgrund der seit dem 1. November 2015 und auch noch aktuell ausgeübten Tätigkeit als Arbeitnehmerin zu qualifizieren. Sie erbringt nach Weisung ihres Arbeitgebers für diesen Leistungen (vorwiegend Reinigungsarbeiten), für die sie eine Vergütung erhält, und erfüllt damit die Wesensmerkmale eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Unionsrechts. Es ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin zu 1 in den Betrieb des Arbeitgebers integriert ist, unter der Weisung oder der Aufsicht eines Dritten steht, der die zu erbringenden Leistungen und/oder Arbeitszeiten vorschreibt und dessen Anordnungen zu befolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, Az.: B 4 AS 44/15 R, juris RN 26 juris). Die Tätigkeit ist nach den vorgelegten Lohnbescheinigungen und den Arbeitsstundennachweisen dergestalt tatsächlich und echt, dass sie wirklich ausgeübt wird und eine Vereinbarung über die zu erbringenden Arbeitsleistungen nicht nur zum Schein geschlossen worden ist. Dementsprechend geht der Senat davon aus, dass der Antragstellerin das sich aus den Lohnbescheinigungen ergebende monatliche Nettoentgelt in Höhe von 192,60 EUR jeweils zum Monatsende bar ausbezahlt wird.

Insoweit ist es rechtlich nicht relevant, ob die Antragstellerin zu 1 möglicherweise die Tätigkeit (auch) aufgenommen hat, um den für sie sozialleistungsrechtlich günstigen Arbeitnehmerstatus zu erlangen, oder ob der Arbeitgeber sie in seinem Betrieb als Putzhilfe (auch) eingestellt hat, um sie zu unterstützen. Da selbst ein Vorliegen derartiger Motivlagen keine durchgehenden Zweifel an der rechtlichen Wirksamkeit des bestehenden Arbeitsverhältnisses begründet, war dem diesbezüglichen Vorbringen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht weiter nachzugehen.

Im Rechtssinne kommt es allein darauf an, ob die "tatsächliche und echte" Tätigkeit der Antragstellerin zu 1 ihrem Umfang nach als völlig untergeordnet und unwesentlich zu qualifizieren ist. Dies ist hier zu verneinen. Sinn und Zweck der freizügigkeitsrechtlichen Bestimmungen gebieten es, auch geringfügige Beschäftigungen bzw. sog. Minijobs als echte Arbeitsverhältnisse im Sinne des Frei-zügigkeitsrechts zu qualifizieren, denn entsprechende Helfertätigkeiten sind im Wirtschaftsleben der BRD weit verbreitet. Es gibt für sie einen relevanten Arbeitsmarkt. Es kommt nicht darauf an, dass es sich vorliegend um eine Teilzeitbeschäftigung handelt, die weniger als unterhalbschichtig ist. Insoweit hat der EUGH (Urteil vom 4. Februar 2010, Az.: C-14/ 09–Genc) die Arbeitnehmereigenschaft bejaht bei einer Arbeitsleistung von 5,5 Stunden wöchentlich und einem Verdienst von 175 EUR monatlich, der noch unter dem Nettoverdienst der Antragstellerin (192,60 EUR) liegt.

Dagegen verfangen die vom Antragsgegner geltend gemachten Bedenken gegen die Erwerbstätigkeit und die demzufolge abgelehnte Arbeitnehmereigenschaft der Antragstellerin zu 1 nicht. Allein der Umstand, dass die laut Arbeitsvertrag vereinbarte Stundenzahl (22 Stunden monatlich) von den bislang tatsächlich geleisteten monatlichen Arbeitsstunden (zumeist 14 Stunden) abweicht, sprich nicht gegen die Ernsthaftigkeit und die rechtliche Wirksamkeit des Arbeitsvertrages, zumal der vereinbarte Festlohn von 200 EUR brutto nach den Angaben der Antragstellerin zu 1 und den vorliegenden Belegen tatsächlich regelmäßig zur Auszahlung gelangt. Der Umstand, dass der Lohn bar gezahlt wird, löst für sich genommen keine Zweifel aus. Das Fehlen eines Gesundheitszeugnisses der Antragstellerin zu 1 mag – abhängig vom konkreten Einsatzbereich im Betrieb des Arbeitgebers (Fladenbrotbäckerei) – rechtswidrig sein. Der Verstoß gegen Hygienevorschriften ist eine Ordnungswidrigkeit. Diese ist nicht mit verbotenen oder strafbaren Tätigkeiten vergleichbar, die eine Berufung auf das Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ausschließen (vgl. Beschluss des 2. Senats des LSG Sachsen-Anhalt vom 5. April 2016, Az.: L 2 AS 102/16 B ER, juris RN 56).

Soweit der Antragsgegner das von der Antragstellerin zu 1 erzielte monatliche Entgelt in Abhängigkeit des Gesamtbedarfs der vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft für wirtschaftlich völlig untergeordnet und unwesentlich hält, ist dies mit der zuvor zitierten Rechtsprechung des EUGH nicht zu vereinbaren, zumal insoweit zu ihren Gunsten zu berücksichtigen ist, dass es sich um ein Festgehalt handelt, das sie seit nunmehr sechs Monaten regelmäßig erzielt. Ein monatlicher Durchschnittslohn von etwa 175 EUR bei Arbeitnehmern ist eine hinreichende Vergütung (vgl. Beschluss des Senats vom 24. Juni 2016, Az. L 4 AS 249/16 B ER; ebenso Beschluss des 2. Senat des LSG Sachsen-Anhalt vom 5. April 2016, a.a.O., RN 53 f.; LSG Schleswig Holstein, Beschluss vom 11. November 2015, Az.: L 6 AS 197/15 B ER, juris RN 2, 20-22).

Da das Bestehen eines wirksamen, nicht nur unerheblichen Arbeitsverhältnisses zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht worden ist, war der Anregung des Antragsgegners, den Arbeitgeber und die Schwester der Antragstellerin zu 1 in Rahmen eines Erörterungstermins als Zeugen zu vernehmen, nicht nachzugehen. Insoweit verkennt der Antragsgegner die Reichweite des Amtsermittlungsgrundsatzes im einstweiligen Rechtschutz, in dem Leistungsansprüche nicht zu beweisen, sondern glaubhaft zu machen sind. Erst wenn sich nach erfolgter Glaubhaftmachung Zweifel ergeben, sind ggf. weitere Ermittlungen notwendig. Dazu bestand hier kein Anlass.

Nach allem ist die Antragstellerin zu 1 als Arbeitnehmerin iSv § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU anzusehen. Damit leitet sich ihr Aufenthaltsrecht nicht allein aus einer möglichen Arbeitsuche her (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU), sodass der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht greift.

Von dem Freizügigkeitsrecht der Antragstellerin zu 1 als Arbeitnehmerin ist gemäß § 3 Abs. 1 FreizügG/EU die Freizügigkeitsberechtigung der Antragstellerinnen zu 2 bis 4 als Familienangehörige der Antragstellerin zu 1, die diese begleitet haben, abzuleiten. Die Antragstellerinnen zu 2 bis 4 sind als noch nicht 21 Jahre alte Kinder der Antragstellerin zu 1 von § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU erfasst.

Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II greift nicht. Danach sind Ausländerinnen, obwohl sie die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II erfüllen, und ihre Familienangehörigen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Antragstellerinnen sind im Juli 2015 in die BRD eingereist. Der Drei-Monats-Zeitraum war bereits abgelaufen, als sie am 12. November 2015 beim Antragsgegner den SGB II-Leistungsantrag gestellt haben.

Die Antragstellerinnen haben daher Anspruch auf SGB II-Leistungen. In den Monaten von Januar bis April 2016 ergibt ein monatlicher Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft iHv 1.886,44 EUR, der sich zusammensetzt aus dem Regelbedarf der Antragstellerin zu 1 iHv 404 EUR, dem Mehrbedarf wegen Alleinerziehung iHv 145,44 EUR, dem Sozialgeld für die Antragstellerinnen zu 2 und 3 iHv je 270 EUR und dem Sozialgeld der Antragstellerin zu 4 iHv 237 EUR. An Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) sind die tatsächlichen monatlichen Zahlungsverpflichtungen iHv insgesamt 560 EUR (Kaltmiete: 350 EUR, Betriebskosten: 120 EUR, Heizkosten: 90 EUR) zu berücksichtigen; es ergibt sich ein Pro-Kopf-Anteil von 140 EUR. Auf diesen Gesamtbedarf ist allein das monatliche Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 1 iHv 200 EUR brutto anzurechnen. Nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge ergibt sich ein Nettoeinkommen von 192,60 EUR, das um die Freibeträge iHv insgesamt 120 EUR zu bereinigen ist, sodass ein anrechenbares Einkommen iHv 72,60 EUR verbleibt.

Weitere Beträge sind nicht zu berücksichtigen. Die Antragstellerin zu 1 bezieht nach ihren glaubhaften Bekundungen aktuell weder in Ungarn noch in Deutschland Kindergeld für die Antragstellerinnen zu 2 bis 4, weil sie insoweit bei der Kindergeldstelle benötigte Belege aus Ungarn noch nicht hat vorlegen können. Der potentielle Kindergeldanspruch der Antragstellerinnen zu 2 bis 4 ist kein bereites Mittel zur Bedarfsdeckung und kann daher nicht Gesamtbedarf in Abzug gebracht werden (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Hieraus resultiert ein höherer SGB II-Leistungsanspruch der Antragstellerinnen, der jedoch dem Antragsgegner nicht dauerhaft zum Nachteil gereicht, weil dieser gemäß § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) als nachrangig verpflichtender Leistungsträger einen Erstattungsanspruch gegenüber der Familienkasse geltend machen kann (vgl. S.Knick-rehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 5 RN 12-13). § 5 Abs. 1 SGB II regelt nur den grundsätzlichen Vorrang anderer Sozialleitungen (u.a. des Kindergeldes). Der Nachrang der SGB II-Leistungen gilt nur dann, wenn der Leistungsberechtigte die andere Sozialleitung "wirklich und jetzt" erhält (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2012, Az.: B 14 AS 98/11 R, juris), wenn er also seinen gegenwärtigen Bedarf mit diesen Leistungen tatsächlich ganz und zumindest teilweise decken kann. Somit erhält SGB II-Leistungen auch, wer nicht über entsprechende bereite Mittel verfügt, selbst wenn er einen anderweitigen, faktisch aber noch nicht realisierten Leistungsanspruch hat (vgl. S.Knickrehm/Hahn, a.a.O., RN 7). Da der gesetzliche Anspruchsübergang in § 33 SGB II nicht für das Verhältnis zu einem anderen Sozialleistungsträger gilt, ist der Antragsgegner insoweit auf die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen zu verweisen.

Somit ergibt sich nach Anrechnung des Erwerbseinkommens und Verteilung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II ein monatlicher Leistungsanspruch der Antragstellerin zu 1 iHv 662, 91 EUR, der Antragstellerinnen zu 2 und 3 iHv je 394,22 EUR und der Antragstellerin zu 4 iHv 362,49 EUR, mithin insgesamt 1.813,84 EUR.

Bei der Berechnung für Dezember 2015 ergibt sich aufgrund der niedrigeren Regelbedarfe (399 EUR, 267 EUR und 234 EUR) ein Gesamtbedarf iHv 1.870,64 EUR, der nach anteiliger Verteilung des Erwerbseinkommens zu einem Leistungsanspruch iHv 656,15 EUR für die Antragstellerin zu 1, je 391,20 EUR für die Antragstellerinnen zu 2 und 3 und 359,48 EUR für Antragstellerin zu 4 führt (insgesamt 1.798,03 EUR).

Insoweit ist zu beachten, dass im einstweiligen Rechtsschutz Leistungen erst ab gerichtlicher Geltendmachung gewährt werden. Dies gilt auch hier, da die Antragstellerinnen weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Beschwerdeverfahren ein Nachholbedürfnis geltend gemacht haben, sodass eine Gewährung von Leistungen von Zeiten der Vergangenheit, d.h. für die Zeit vor Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtschutzes, nicht in Betracht kommt. Für die Tage vom 1. bis zum 6. Dezember 2015 waren daher keine Leistungen zu gewähren. Für die Zeit ab 7. Dezember 2015 ergibt sich ein anteiliger Leistungsanspruch (25/30) iHv 546,79 EUR für die Antragstellerin zu 1, je 326 EUR für Antragstellerinnen zu 2 und 3 sowie 299,57 EUR für die Antragstellerin zu 4 (insgesamt: 1.498,36 EUR).

Da die Antragstellerin sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in der Beschwerde den geltend gemachten Gesamtleistungsanspruch auf 1.400 EUR pro Monat beziffert haben, waren Leistungen in der beantragten Höhe zuzusprechen.

Die Antragstellerinnen haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie haben ihre finanzielle Notlage u.a. durch die Vorlage von Kontoauszügen und das Mahn- und Kündigungsschreibens des Vermieters wegen Mietschulden belegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Den Antragstellerinnen war gemäß § 73a Abs. 1 SGG iVm §§ 114 ff. ZPO antragsgemäß PKH zu bewilligen, da die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat und nicht mutwillig war. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen vor. Die Antragstellerinnen können die Kosten der Prozessführung nicht aus eigenen Mitteln aufbringen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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