Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 618/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1810/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. März 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die (teilweise) Aufhebung von Verwaltungsakten, mit denen ein Grad der Behinderung von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft sowie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr", also die Zuerkennung des Merkzeichen "G", festgestellt wurden.
Der 1957 geborene Kläger, der beruflich als Arbeiter bei einem Abbruchunternehmen tätig war, stürzte am 18. November 2008 aus mehreren Metern Höhe von einem Gerüst auf einen Container, weswegen er stationär vom 19. November bis 23. Dezember 2008 in der Berufsgenossenschaftlichen (BG-)Unfallklinik in Tübingen aufgenommen wurde. Der Ärztliche Direktor der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Prof. Dr. W., diagnostizierte eine Milzruptur, eine Nierenruptur rechts, ein Thoraxtrauma mit Pneumothorax links und Lungenkontusion beiderseits, eine instabile Beckenringfraktur mit Sacrumfraktur und vorderer Sitz-/ Schambeinfraktur links mit Acetabulumbeteiligung sowie Querfortsatzfrakturen im Bereich der Brustwirbelkörper 8 bis 12.
Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Einschätzung von Dr. F. von März 2009, wonach die "Unfallfolgen mit Gehbehinderung" mit einem GdB von 50 bewertet wurden, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. März 2009 den GdB in dieser Höhe und die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" ab 18. November 2008 fest.
Im Oktober 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, seine gesundheitlichen Verhältnisse zu überprüfen, weshalb um Angabe der ihn behandelnden Ärztinnen und Ärzte gebeten wurde.
Im Verwaltungsverfahren legte die für den Kläger zuständige Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau), welche wegen des Unfall-ereignisses vom 18. November 2008 die Gewährung einer Rente nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung prüfte, dem Beklagten ein in diesem Zusammenhang von Prof. Dr. W. erstattetes so genanntes "Erstes Rentengutachten" vom 12. Mai 2010 vor. Dieses stützte sich auf eine ambulante klinische und röntgenologische Untersuchung des Klägers am 25. März 2010. Als wesentliche Unfallfolgen verblieben danach, jeweils linksseitig und vollständig knöchern verheilt, eine Rippenserienfraktur der Rippen IV bis X und ein Bruch des Schulterblattes; daneben lägen vollständig knöchern verheilte Brüche des Außenknöchels sowie des Scham- und Sitzbeines, jeweils links, eine Knochenspornbildung im Bereich der Hüftpfanne links, knöchern verheilte Brüche der Querfortsätze der Brustwirbelkörper 8 bis 12 linksseitig sowie Zustände bei Milzentfernung nach deren Riss, nach Anpralltraumata der Leber und des Herzens sowie nach kleinem Nierenriss rechts vor. Ferner hätten belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das Gesäß und den linken Oberschenkel bestanden. Verblieben sei auch eine Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule. Im Bereich des Bauches hätten sich reizlose Narben gefunden. Vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen seien eine bekannte Hypercholesterinämie. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab 18. Mai 2010, also sechs Monate nach dem Unfallereignis, schätzte Prof. Dr. W. auf 10 vom Hundert (v. H.).
Nach der versorgungsärztlichen Einschätzung von Dr. G. von Juli 2010 seien die nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigenden Unfallfolgen und der Verlust der Milz insgesamt mit einem GdB von 20 zu bewerten. Daraufhin hörte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2010 dazu an, dass eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen insoweit eingetreten sei, als sich die Funktionsbeeinträchtigungen wegen der Unfallfolgen mit Gehbehinderung zwischenzeitlich gebessert hätten. Der GdB betrage nur noch 20. Zudem bestünde kein Anspruch mehr auf Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G".
Mit Bescheid vom 14. September 2010, der am Folgetag abgesandt wurde, hob der Beklagte den Bescheid vom 24. März 2009 ab 18. September 2010 auf, soweit ein höherer GdB als 20 und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" festgestellt worden waren. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2011 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 1. März 2011 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung erhoben, die Funktionsbeeinträchtigungen hätten sich zwischenzeitlich nicht gebessert.
Unterdessen hatte die BG Bau dem Kläger mit Bescheid vom 26. Oktober 2010 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v. H. ab 18. Mai 2010 gewährt.
Das SG hat Dr. K., der bereits im parallel geführten sozialgerichtlichen Verfahren zur Feststellung eines Rechts auf Erwerbsminderungsrente (Az. S 14 R 1938/10) am 18. Mai 2011 ein Gutachten erstattete, auch im Schwerbehindertenverfahren zum Sachverständigen bestellt. Nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 18. Mai 2011 hat er im Gutachten vom 6. Juni 2011 ausgeführt, gegenüber den Verhältnissen bei Erteilung des Bescheides vom 24. März 2009, also einem Bescheid, der knapp vier Monate nach dem Arbeitsunfall mit Polytrauma erstellt worden sei, habe sich erfreulicherweise eine deutliche Besserung der Gesamtsituation ergeben. Der Kläger arbeite wieder vierstündig, benötige danach nur noch eine Tablette eines niederpotenten Analgetikums und fahre wieder selbst Auto. Er würde versuchen, jeden Tag zwei bis drei Kilometer spazieren zu gehen. Die Gehstrecke betrage nunmehr etwa eine Stunde, dann müsse er etwa für fünf Minuten eine Pause einlegen. Er arbeite im Wesentlichen im Stehen, derzeit, mit einer Pause, über vier Stunden. Bei seiner Untersuchung habe sich eine Funktionsstörung der Wirbelsäule mit mehr als geringen funktionellen Auswirkungen in allen drei Abschnitten, zusätzlich mit wiederkehrenden Nervenwurzelreizzeichen links, welche immer wieder vorkämen und auch von der zeitlichen Achse her immer wieder anhielten, gezeigt. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom habe hingegen nicht nachgewiesen werden können. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, die Fehlstatik, die Nervenwurzelreizzeichen links und die stattgehabten Dornfortsatzbrüche im Bereich der Brustwirbelkörper 8 bis 12 links bewerte er mit einem Teil-GdB von 30. Die Funktionsbehinderung wegen des Beckenringes mit deutlicher Restbeschwerdesymptomatik schätze er mit einem Teil-GdB von 10 ein. Es handele sich um einen Beckenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen bei stabilem Beckenring und degenerativen Veränderungen der Kreuz- und Darmbeingelenke sowie nur endgradiger Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke. Unter Einbeziehung des Teil-GdB für den Verlust der Milz von 20 betrage der Gesamt-GdB aus seiner Sicht 40. Dem Kläger sei das Zurücklegen einer außergewöhnlichen Gehstrecke, also von zwei Kilometern etwa in einer halben Stunde, problemlos zumutbar. Dies habe der Kläger durch das Benennen einer möglichen Gehstrecke von etwa einer Stunde, wobei er erst im Anschluss eine Pause von etwa fünf Minuten einlege, selbst bestätigt.
Hiergegen hat der Kläger eingewandt, Dr. K. habe die bei ihm vorhandenen massiven Schmerzen nur unzureichend berücksichtigt. Nicht nachvollziehbar sei zudem, dass er keine weiteren Hinweise für eine besondere Bewegungsschmerzhaftigkeit gefunden habe. Denn vorliegend sei es im Verlauf der Erkrankung offensichtlich zu einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung gekommen. So habe sich der anfängliche Schmerz an einem bestimmten Punkt der Verletzung so chronifiziert wie ein weitergeleiteter Schmerz bei einer Wurzelreizung oder -schädigung.
Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, die Einschätzung von Dr. K., das Wirbelsäulenleiden bedinge einen Teil-GdB von 30, sei unter Beachtung der versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht nachzuvollziehen. Bei nahezu freier Beweglichkeit der Halswirbelsäule und maximal endgradig bis mittelgradig eingeschränkten Funktionsparametern im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule lasse sich ein höherer GdB als 20 nicht vertreten. Die Wertung für den Verlust der Milz mit einem GdB von 20 entspreche ebenfalls nicht den Vorgaben der versorgungsmedizinischen Grundsätze, die hierfür allenfalls einen Teil-GdB von 10 vorsähen. Im Ergebnis sei daher ein höherer Gesamt-GdB als 20 nicht begründbar.
Dr. K. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, auch nach nochmaliger Sichtung der Aktenlage könne er keinen Hinweis für das Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung feststellen. Aus seiner Sicht wäre gegebenenfalls an die Einholung eines fachneurologisch-psychiatrischen, anästhesiologischen oder schmerztherapeutischen Gutachtens zu denken. Aus fachorthopädischer Sicht gebe es diesbezüglich keine neuen Ergänzungen und Erwägungen, von den Ausführungen im Gutachten abzuweichen. Soweit der Beklagte die Bewertung des Wirbelsäulenleidens mit einem Teil-GdB von 30 als zu hoch ansehe, so berücksichtige dieser zu Unrecht nur Bewegungseinschränkungen. Nachweisbar seien darüber hinaus bestehende Beschwerden, die wiederkehrende Therapiemaßnahmen verschiedener Arten, einschließlich einer medikamentösen Therapie, notwendig machten und den Alltag des Klägers einschränkten. Nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen seien auch solche wiederkehrenden Beschwerden bei der Einschätzung eines Teil-GdB zu berücksichtigen. Ein Milzverlust nach Unfall werde nach diesen Grundsätzen nicht berücksichtigt. Die insoweit genau einschätzende Fachkompetenz liege allerdings nicht auf seinem Fachgebiet, sondern allenfalls auf viszeralchirurgischem oder internistischem.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13. März 2013 abgewiesen. Die Funktionsbeeinträchtigungen wegen der Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Denn es handele sich um allenfalls geringe funktionelle Auswirkungen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten, für die ein höherer GdB nicht gerechtfertigt sei. Die Funktionsbeeinträchtigung durch die unfallbedingte Gesundheitsstörung im Bereich des Beckens habe einen Teil-GdB von 10 zur Folge. Für den Verlust der Milz im Erwachsenenalter sei nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen ein Teil-GdB von 10 vorgesehen. Insgesamt erreiche der Gesamt-GdB daher 20. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" lägen nicht vor. Der Kläger könne üblicherweise noch zu Fuß im Ortsverkehr zurückzulegende Wegstrecken von zwei Kilometern Länge bei einer Gehzeit von etwa einer halben Stunde bewältigen. Gegenüber Dr. K. habe der Kläger selbst angegeben, ihm sei noch eine Gehstrecke von etwa einer Stunde möglich, erst dann müsse eine Pause von etwa fünf Minuten eingelegt werden. Bestätigt werde dies durch das Gutachten von Prof. Dr. W., wonach das Gang- und Barfußgangbild flüssig gewesen seien. Der Einbein-, Zehen- und Fersenstand seien, wie auch der Zehengang, zudem beiderseits möglich gewesen.
Gegen die der Bevollmächtigten des Klägers am 5. April 2013 zugestellten Entscheidung hat dieser am 24. April 2013, verbunden mit einem Prozesskostenhilfegesuch, Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) unter Hinweis darauf eingelegt, dass sich die durch seine Gesundheitsstörungen hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen nicht gebessert hätten. Von der BG Bau erhalte er wegen des Arbeitsunfalls nach wie vor eine Rente nach einer MdE von 20 v. H.
Im Berufungsverfahren sind über diese Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung weitere medizinische Befundunterlagen beizogen worden. Nach einem stationären Aufenthalt des Klägers vom 11. Februar bis 12. März 2009 in der BG-Unfallklinik in Tübingen diagnostizierte der Chefarzt der Abteilung für Berufsgenossenschaftliche Rehabilitation und Prävention, Prof. Dr. K., eine persistierende Schmerzsymptomatik und Bewegungseinschränkung der linken Hüfte nach instabiler Beckenringfraktur links mit Sacrumfraktur links, vorderer und hinterer Schambeinfraktur links, Acetabulumfraktur links, Weber-A-Fraktur links, Querfortsatzfraktur im Bereich der Brustwirbelkörper 8 bis 12, eine Splenektomie nach Milzruptur, eine Leberkontusion, eine Nierenruptur rechts, ein Pneumothorax sowie eine Lungenkontusion beidseits. Bei der klinischen Untersuchung am Aufnahmetag sei die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität im Bereich der beiden unteren Extremitäten regelrecht gewesen. Die Weichteilverhältnisse im Bereich des linken Beckens hätten sich als reizlos erwiesen. Die ehemaligen operativen Zugangswege nach der Schraubenosteosynthese des Iliosakralgelenkes seien reizlos abgeheilt gewesen. Das Barfußgangbild sei zum ebenen Untergrund noch diskret linkshinkend gewesen. Zehen- und Fersengang hätten vom Kläger linksseitig eingeschränkt demonstriert werden können. Das Einnehmen der Hocke sei hälftig möglich gewesen. Insgesamt habe sich, neben einer Atrophie im Bereich des linkes Gesäßes, eine deutliche muskuläre Atrophie im Bereich beider Oberschenkel gezeigt. Die am 19. Januar 2009 durchgeführte radiologische Verlaufskontrolle habe eine zunehmend ossäre Konsolidierung der diagnostizierten Frakturen gezeigt. Während des stationären Aufenthaltes sei eine beginnende knöcherne Konsolidierung im Bereich des Os ilium und des Os ischii bei noch weiterhin abgrenzbaren Frakturspalten eingetreten. Zudem hätten sich noch erweiterte Fugen im Bereich des Iliosakralgelenkes bei einem Zustand nach einer Schraubenosteosynthese gezeigt. Die rechtsseitige Schraube habe einen teilweise extraossären Verlauf mit unsicherer Lage zur austretenden Nervenwurzel genommen. Wegen einer lokalen Schmerzangabe im Bereich des rechten Sprungbeines sei beim Kläger ein Computertomogramm des rechten Sprungbeines erstellt worden. Dabei habe sich im Befund und der Beurteilung eine knöcherne Struktur dorsal des Sprungbeines gezeigt, am ehesten zu werten als Os trigonum, differentialdiagnostisch als ältere Fraktur. In diesem Bereich seien ausgeprägte degenerative Veränderungen mit subchondraler Mehrsklerosierung und zystischen Veränderungen im Bereich des Os trigenum zu erkennen gewesen. Wegen der vom Kläger geschilderten Schmerzsymptomatik sei, unter Einbeziehung des anästhesiologischen Schmerzdienstes und eines Psychotraumatologen, eine interdisziplinäre Schmerztherapie durchgeführt worden. Danach habe sich, nach Modifikation der eingenommenen Analgetika, eine deutliche Besserung der Schmerzsymptomatik gezeigt. Die Medikation bei Entlassung habe neben dem Schlaf- und Beruhigungsmittel Lendormin, 0,25 mg (0-0-0-1) aus Targin, 10/5 mg (1-0-1) und Novalgin, 1 g (bei Bedarf) bestanden. Nach intensiver Ergo-, Balneo- und Physiotherapie habe sich eine deutliche Steigerung der Mobilität des Klägers gezeigt. Er habe von den Unterarmgehstützen entwöhnt werden können. Ebenso habe sich, mit nahezu physiologischem Abrollvorgang, eine deutliche Besserung des Gangbildes gezeigt. Die Werte nach der Neutral-0-Methode seien wie folgt festgestellt worden: Hüfte (Streckung/Beugung: 5-0-110° rechts, 5-0-105° links; Abduktion/Adduktion und Außen-/Innenrotation: jeweils beidseits frei), Knie (Streckung/Beugung: beidseits frei), oberes Sprunggelenk (Dorsalflexion ("Dext")/Plantarflexion ("PFlex"): 15-0-30° rechts, 10-0-30° links) und Schulter (Streckung/Beugung: 30-0-140° rechts, links nicht gemessen).
Nach einer ambulanten klinischen Untersuchung des Klägers am 6. April 2009 hat Prof. Dr. W. Restbeschwerden nach instabiler Beckenringfraktur links mit Sacrumfraktur links und vorderer Beckenringfraktur links sowie Acetabulumfraktur links, Weber-A-Fraktur links, Querfortsatzfraktur im Bereich der Brustwirbelkörper 8 bis 12, eine Leberkontusion, eine Nierenkontusion rechts, ein Pneumothorax, eine Lungenkontusion beidseits, eine Splenektomie nach Milzruptur sowie eine stattgehabte transiliosakrale Verschraubung beidseits, rechts mit zwei Schrauben, links mit einer Schraube und Anlage eines supraacetabulären Fixateur externe vom 24. November 2008 diagnostiziert. Der Kläger habe sich auf Veranlassung der BG Bau zur Heilverfahrenskontrolle vorgestellt. Er habe zuletzt eine Erweiterte Ambulante Physiotherapie durchlaufen. Hierdurch hätten sich leichte Verbesserungen der Beschwerden ergeben. Er klage jedoch noch immer über Schmerzen, insbesondere am Becken. Er könne nicht richtig in die Hocke gehen; dies bereite ihm Schmerzen, insbesondere am Becken dorsalseitig. Er würde morgens und abends Targin-Tabletten als Schmerzmedikation einnehmen. Bei der klinischen Untersuchung hätten sich ansonsten keine wesentlichen pathologischen Befunde erheben lassen. Die Hüftbeweglichkeit sei beidseits weitgehend frei gewesen. Sensomotorische Ausfälle seien keine angegeben worden. Eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation ("ABE-Maßnahme") sollte begonnen werden. Nach einer ambulanten klinischen und radiologischen Untersuchung des Klägers am 20. April 2009 hat Prof. Dr. W. kundgetan, die geplante Maßnahme sei am 6. April 2009 mit zwei Stunden Arbeitszeit täglich begonnen worden. Der Kläger habe berichtet, nicht länger als knapp zwei Stunden aufgrund der aufgetretenen Schmerzen gearbeitet zu haben. Die Hauptbeschwerden würden im Bereich des Kreuzbeines und des linken Sitzbeines auftreten. Die radiologische Aufnahme des Beckens habe unveränderte Stellungsverhältnisse gezeigt. Die vordere Beckenringfraktur linksseitig sei noch nicht sicher fest konsilidiert. Der Beckenring sei unsymmetrisch. Wegen der Verschraubungen sei das Iliosakralgelenk versteift. In der Zusammenschau der Befunde werde aus medizinischer Sicht in der bisher ausgeübten Tätigkeit keine Arbeitsfähigkeit mehr eintreten.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, die bei ihm vorliegenden Funktionseinschränkungen rechtfertigten über den 17. September 2010 hinaus einen GdB von 50 und die Zuerkennung des Merkzeichens "G".
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. März 2013 und den Bescheid vom 14. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Prozesskostenhilfegesuch für das Berufungsverfahren ist mit Beschluss vom 2. November 2015 abgelehnt worden. Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 30. November 2015 darauf hingewiesen, dass über das Rechtsmittel ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden wird. Den Beteiligten ist Gelegenheit gegeben worden, hierzu Stellung zu nehmen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichterinnen und -richter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 25/99 R -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 9, S. 27).
Die Berufung ist form- und nach § 151 Abs. 1 SGG auch fristgereicht eingelegt worden. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der vom Kläger erhobenen (isolierten) Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) der Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2011 (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/15 R -, juris, Rz. 13), da es sich bei der angefochtenen Verwaltungsentscheidung vom 14. September 2010 um keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12. November 1996 - 9 RVs 5/95 -, BSGE 79, 223 (225), wonach bei der isolierten Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich ist).
Grundlage für die vom Beklagten - nach Anhörung des Klägers gemäß § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Schreiben vom 15. Juli 2010 - vorgenommene (teilweise) Aufhebung des Bescheides vom 24. März 2009 mit Wirkung ab 18. September 2010 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, das sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verbesserung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Verminderung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 beziehungsweise der Wegfall der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" folgt (vgl. BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12 zur Erhöhung des Gesamt-GdB). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt (teilweise) aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).
Bei den mit Bescheid vom 24. März 2009 getroffenen Feststellungen des GdB mit 50 und der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidungen vorlagen, ist eine Änderung eingetreten. Die Beckenringfraktur links mit Sacrumfraktur links, wie sie von Prof. Dr. K. nach dem stationären Aufenthalt des Klägers von Mitte Februar bis Mitte März 2009 diagnostiziert wurde, war zu diesem Zeitpunkt noch instabil. Denn selbst bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. Ende April 2009, also kurz nach Erlass des Bescheides vom 24. März 2009, stellte dieser die vordere Beckenringfraktur linksseitig, bei unsymmetrischem Beckenring, noch nicht als sicher konsolidiert fest. Demgegenüber war der Bruch des linken Scham- und Sitzbeines bei seiner gutachterlichen Untersuchung am 25. März 2010 vollständig knöchern verheilt. Einen stabilen Beckenring hat zuletzt auch der Sachverständige Dr. K. bei seiner Untersuchung Mitte Mai 2011 festgestellt. Hieraus erklärt sich auch dessen Einschätzung, wonach sich gegenüber den Verhältnissen bei Erteilung des Bescheides vom 24. März 2009 eine deutliche Besserung der Gesamtsituation ergeben hat. Der Kläger hat wieder vierstündig gearbeitet, danach nur noch eine Tablette eines niederpotenten Analgetikums benötigt und ist wieder selbst Auto gefahren. Er hat versucht, jeden Tag zwei bis drei Kilometer spazieren zu gehen. Die Gehstrecke hat nunmehr etwa eine Stunde betragen, dann hat er etwa für fünf Minuten eine Pause einlegen müssen. Er hat im Wesentlichen im Stehen über vier Stunden am Tag gearbeitet, einschließlich einer Pause. Die damit einhergehende Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist bereits deshalb wesentlich, da nach den VG, Teil B, Nr. 18.10 für Beckenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen, etwa einem instabilen Beckenring einschließlich einer Sekundärarthrose, ein GdB von 20 vorgesehen ist. Beckenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen, etwa ein stabiler Beckenring oder degenerative Veränderungen der Kreuz-Darmbeingelenke, rechtfertigen demgegenüber nur einen GdB von 10, der, anders als ein GdB von 20, in aller Regel nicht geeignet ist, den Gesamt-GdB zu erhöhen. Bereits danach ist der bisher festgestellte GdB um 10 zu reduzieren, worin eine wesentliche Änderung zu sehen ist. Sämtliche behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen rechtfertigen bei zutreffender Bewertung ab dem 18. September 2010 sogar nur einen Gesamt-GdB von 20. Ferner sind ab diesem Datum die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" nicht mehr begründbar.
Der Anspruch des Klägers auf Feststellung des GdB richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er-Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellten und fortentwickelten Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig ihrer Ursache, also final, bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regel-mäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen - wie im Falle des Klägers - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer (unbenannten) Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob der Senat im Berufungsverfahren Teil-GdB-Werte in anderer Höhe für richtig erachtet als der Beklagte oder die Vorinstanz, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze begründen die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers ab 18. September 2010 keinen höheren Gesamt-GdB als 20, wie nach der teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 24. März 2009 durch den Bescheid vom 14. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2011 festgestellt worden ist.
Das Funktionssystem "Rumpf" hat einen Teil-GdB von 20 zur Folge.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 haben Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Nach diesen Maßstäben sind die dieses Funktionssystem betreffenden Funktionseinschränkungen ab 18. September 2010 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2011 mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet. Denn nach dem Gutachten von Dr. K. in diesem Verfahren und seinem im sozialgerichtlichen Rentenverfahren erstatteten, welches als Sachverständigenbeweis verwertet worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411a Zivilprozessordnung - ZPO), sind bei nahezu freier Beweglichkeit der Halswirbelsäule und lediglich geringen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Brustwirbelsäule nur bezogen auf die Lendenwirbelsäule mittelgradige funktionelle Auswirkungen objektiviert. Die bei der Untersuchung Mitte Mai 2011 gemessenen Werte nach der Neutral-0-Methode (Links-/Rechtsdrehen: 80-0-80°, Links-/Rechtsneigen: 40-0-40°, Kinn-Brustbein-Abstand: 1/20 cm und Hinterhaupt-Wand-Abstand: 0 cm) ergaben für die Halswirbelsäule keine Einschränkung in der Beweglichkeit. Die im Bereich der paravertebralen Halsmuskulatur festgestellte mittelgradige Verspannung in Form von Hartspann hat noch nicht zu für den GdB relevanten Funktionsbehinderungen geführt. Das Ott-Zeichen als Maß für die Entfaltbarkeit der Brustwirbelsäule hat Dr. K. mit 30/32 cm festgestellt, woraus sich keine Einschränkung ergibt. Das Schober-Zeichen als Maß für die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule beim Vornüberneigen ist mit 10/13 cm gemessen worden, woraus sich allenfalls eine mittelgradige Entfaltungseinschränkung ableiten lässt. Dr. K. hat die beim Kläger durchaus vorhandenen Schmerzen noch als üblicherweise mit den Gesundheitsstörungen im Wirbelsäulenbereich einhergehende eingeordnet. Diese sind allerdings nach den VG, Teil A, Nr. 2 j bei den in der GdB-Tabelle angegebenen Werten mit eingeschlossen. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndroms, das einen höheren GdB begründen könnte, ist nicht objektiviert. Bereits nach der während des stationären Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik in Tübingen von Mitte Februar bis Mitte März 2009 durchgeführten interdisziplinären Schmerztherapie zeigte sich nach Modifikation der Analgetika eine deutliche Besserung der Schmerzsymptomatik. Jedenfalls ab Frühjahr 2011 benötigte der Kläger, wie er gegenüber Dr. K. angab, nur noch eine Tablette eines niederpotenten Analgetikums täglich. Ihm ist es zudem wieder möglich gewesen, täglich zwei bis drei Kilometer spazieren zu gehen. Eine längere Gehstrecke hat zurückgelegt werden können, wobei eine Pause erst nach einer Gehzeit von einer Stunde hat eingelegt werden müssen. Anders als von Dr. K. vertreten, führen bloße Beschwerden, selbst wenn ihretwegen Therapiemaßnahmen erfolgt sind, nicht zu einer Erhöhung des GdB. Sie sind demgegenüber erst relevant, wenn mit ihnen weitere funktionelle Auswirkungen verbunden sind. Solche hat Dr. K. nicht festgestellt. Zum Funktionssystem "Rumpf" zählen zwar auch das Becken und die Hüfte. Der von Dr. K. noch objektivierte Beckenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen bei stabilem Beckenring und die nur endgradige Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke rechtfertigen zwar für sich gesehen nach den VG, Teil B, Nrn. 18.10 und 18.14 einen GdB von 10. Der nächste 10er-Grad für das Funktionssystem "Rumpf" lässt sich deswegen allerdings, wegen einer zumindest teilweisen Überschneidung hierdurch jeweils bedingter Funktionsstörungen, noch nicht begründen.
Das Funktionssystem "Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem" ist beim Kläger, der sich zum Aufhebungszeitpunkt im 53. Lebensjahr befand, wegen des Verlustes der Milz nach den VG, Teil B, Nr. 16.1 mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Soweit Dr. K. auf den seiner Ansicht nach fehlenden Unterpunkt "Milzverlust nach Unfall" verwiesen hat, ist anzumerken, dass der Grund für die nicht noch weiter vorgenommene Untergliederung in der Entscheidung des Gesetz- und Verordnungsgebers liegt, den GdB, unabhängig seiner Ursache, final bezogen auszugestalten.
Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, wie vorliegend für das Funktionssystem "Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem", nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, ist der Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem "Rumpf" nicht zu erhöhen.
Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" liegen ab 18. September 2010 ebenfalls nicht mehr vor.
Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach den Vorschriften des SGB IX, zuletzt geändert durch Art. 1a des am 15. Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7. Januar 2015 (BGBl II S. 15).
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Fest-stellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX) und stellen auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Zu diesen Merkmalen gehört die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Menschen mit Schwerbehinderung, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmerinnen oder Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Der seit 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 im Interesse einer gleich-mäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP getretenen Anlage zu § 2 VersMedV lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleiches entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für den nach dem Schwer-behindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleich "G" unwirksam, da es insoweit zum Erlasszeitpunkt an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung gefehlt hat. Eine solche Ermächtigung hat sich weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30. Juni 2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 1. Juli 2011 noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX gefunden (Urteile des Senats vom 9. Juni 2011 - L 6 SB 6140/09 -, juris und vom 4. November 2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 9. Mai 2011 - L 8 SB 2294/10 - und vom 14. August 2009 - L 8 SB 1691/08 -, jeweils juris, sowie vom 24. September 2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4).
Diesen Mangel hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 7. Januar 2015 beseitigt und mit § 70 Abs. 2 SGB IX eine neue Verordnungsermächtigung unmittelbar im SGB IX eingefügt. Danach wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend und nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Da die VersMedV vom 10. Dezember 2008 einschließlich ihrer Anlage zu § 2 VersMedV nicht auf der Grundlage dieser erst seit 15. Januar 2015 gültigen Verordnungsermächtigung erlassen worden ist, ist nach wie vor deren Anwendung hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Merkzeichens "G" nicht möglich. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch den ebenfalls mit Gesetz vom 7. Januar 2015 neu eingefügten § 159 Abs. 7 SGB IX Rechnung getragen. Danach gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierdurch konnte zwar nicht die bezüglich der in den VG enthaltenen Regelungen zu den Merk-zeichen "G", "B", "aG" und "Gl" teilunwirksame VersMedV neu erlassen oder als Verordnung für anwendbar erklärt werden, da es insoweit schon an der Zuständigkeit des Gesetzgebers hin-sichtlich einer vom BMAS zu erlassenden Verordnung fehlt. Mit noch hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut (vgl. zum rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 3. September 2014 - 1 BvR 3353/13 -, juris) hat der Gesetzgeber jedoch mit der in § 159 Abs. 7 SGB IX getroffenen Regelung zum Ausdruck gebracht, dass er sich den insoweit maßgeblichen Verordnungstext in der Anlage zu § 2 VersMedV, mithin die unter VG, Teil D, Nrn. 1 bis 4 getroffenen Bestimmungen, zu eigen macht und bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX insoweit die VG Gesetzescharakter haben (vgl. BT-Drucks 18/3190, S. 5).
Bei der Prüfung der Frage, ob die in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Voraussetzungen vorliegen, ist nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein, also altersunabhängig von Menschen ohne Behinderung, noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG, Teil D, Nr. 1 b). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, etwa bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, etwa chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (VG, Teil D, Nr. 1 d). Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (VG, Teil D, Nr. 1 f).
Nach diesen Maßstäben leidet der Kläger ab dem 18. September 2010 nicht mehr an einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Weder liegen bei ihm ab diesem Datum auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen, noch sind Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 eingetreten, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Auch sind von da an bei ihm wesentlich einschränkende innere Leiden oder Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht gegeben.
Die nachgewiesenen Gesundheitsstörungen des Bewegungsapparates schränken die Gehfähigkeit des Klägers zudem nicht mehr erheblich ein. Er ist in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, also Strecken von etwa zwei Kilometern in etwa einer halben Stunde. Ausgehend von den durch Dr. K. im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung erhobenen Befunden, ist dessen Einschätzung, wonach dem Kläger das Zurücklegen einer solchen Wegstrecke problemlos zumutbar ist, nachvollziehbar; insbesondere, da der Kläger nach den Ausführungen von Dr. K. angegeben hat, dass es ihm wieder möglich ist, täglich zwei bis drei Kilometer spazieren zu gehen und auch längere Gehstrecken zurücklegen zu können, wobei eine Pause erst nach einer Gehzeit von einer Stunde eingelegt werden muss.
Nach diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts die vorliegend maßgebliche Gesetzesänderung ab ihrem Inkrafttreten mit Wirkung zum 15. Januar 2015 auch die bereits davor bestehenden Rechtsverhältnisse den neuen Regeln unterwerfen will (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 1/14 R -, juris; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 12/03 R -, SozR 4-2700 § 70 Nr. 1, juris, Rz. 22 m. w. N. zu den Grundsätzen des intertemporalen Rechts), also vorliegend bereits ab 18. September 2010, dem Zeitpunkt der Aufhebung der ursprünglich begründeten Rechtsposition. Denn die nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" einzig geforderte Einschränkung des Gehvermögens (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, SozR 4-3250 § 146 Nr. 1, Rz. 12) ist, wie dargelegt, nicht nachgewiesen.
Dahinstehen kann, ob der Beklagte den Bescheid vom 24. März 2009 mit dem angefochtenen vom 14. September 2010 zutreffend ab dem 18. September 2010 mit Wirkung für "die Zukunft" aufgehoben hat. Der im Inland durch einen Postdienstleister übermittelte Bescheid vom 14. September 2010, der ausweislich eines Vermerkes des Beklagten am Folgetag zur Post gegeben worden war, gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am 18. September 2010 als bekannt gegeben, weshalb die Aufhebung möglicherweise erst für den Folgetag hätte erfolgen dürfen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 - 11b RAr 53/86 -, BSGE 61, 189 (190); Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 18 m. w. N.; a. A. Steinwedel, in Kasseler Kommentar zum SGB X, Stand: August 2012, § 48 Rz. 34, wonach auf den Zeitpunkt ab Bekanntgabe abzustellen ist). Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, da der Klage hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Vorliegend ist es nicht erforderlich, insoweit gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014). Die besonderen Regelungen für Menschen mit Schwerbehinderung werden zwar nicht angewendet nach dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SGB IX (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB IX). Wenn sich der GdB auf weniger als 50 verringert gilt dies jedoch erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB IX). Wegen des erst jetzt abgeschlossenen Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 14. September 2010 bislang noch nicht unanfechtbar gewesen, weshalb der Kläger, bezogen auf den seither festgestellten GdB von 50 nach wie vor im Genuss aller Rechte aus dem SGB IX und sonstiger Schutzbestimmungen geblieben ist (vgl. Pahlen, in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Kommentar zum SGB IX, 12. Aufl. 2010, § 116 Rz. 3). Vergleichbares gilt bezogen auf die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G". Diesbezüglich ist am Ende des Bescheides vom 14. September 2010 ausgeführt, dass der Kläger erst nach Unanfechtbarkeit dieses Bescheides verpflichtet ist, das Beiblatt zur Kraftfahrzeugsteuerermäßigung zurückzugeben, also die Vorteile hieraus erst dann nicht mehr nutzen kann.
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die (teilweise) Aufhebung von Verwaltungsakten, mit denen ein Grad der Behinderung von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft sowie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr", also die Zuerkennung des Merkzeichen "G", festgestellt wurden.
Der 1957 geborene Kläger, der beruflich als Arbeiter bei einem Abbruchunternehmen tätig war, stürzte am 18. November 2008 aus mehreren Metern Höhe von einem Gerüst auf einen Container, weswegen er stationär vom 19. November bis 23. Dezember 2008 in der Berufsgenossenschaftlichen (BG-)Unfallklinik in Tübingen aufgenommen wurde. Der Ärztliche Direktor der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Prof. Dr. W., diagnostizierte eine Milzruptur, eine Nierenruptur rechts, ein Thoraxtrauma mit Pneumothorax links und Lungenkontusion beiderseits, eine instabile Beckenringfraktur mit Sacrumfraktur und vorderer Sitz-/ Schambeinfraktur links mit Acetabulumbeteiligung sowie Querfortsatzfrakturen im Bereich der Brustwirbelkörper 8 bis 12.
Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Einschätzung von Dr. F. von März 2009, wonach die "Unfallfolgen mit Gehbehinderung" mit einem GdB von 50 bewertet wurden, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. März 2009 den GdB in dieser Höhe und die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" ab 18. November 2008 fest.
Im Oktober 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, seine gesundheitlichen Verhältnisse zu überprüfen, weshalb um Angabe der ihn behandelnden Ärztinnen und Ärzte gebeten wurde.
Im Verwaltungsverfahren legte die für den Kläger zuständige Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau), welche wegen des Unfall-ereignisses vom 18. November 2008 die Gewährung einer Rente nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung prüfte, dem Beklagten ein in diesem Zusammenhang von Prof. Dr. W. erstattetes so genanntes "Erstes Rentengutachten" vom 12. Mai 2010 vor. Dieses stützte sich auf eine ambulante klinische und röntgenologische Untersuchung des Klägers am 25. März 2010. Als wesentliche Unfallfolgen verblieben danach, jeweils linksseitig und vollständig knöchern verheilt, eine Rippenserienfraktur der Rippen IV bis X und ein Bruch des Schulterblattes; daneben lägen vollständig knöchern verheilte Brüche des Außenknöchels sowie des Scham- und Sitzbeines, jeweils links, eine Knochenspornbildung im Bereich der Hüftpfanne links, knöchern verheilte Brüche der Querfortsätze der Brustwirbelkörper 8 bis 12 linksseitig sowie Zustände bei Milzentfernung nach deren Riss, nach Anpralltraumata der Leber und des Herzens sowie nach kleinem Nierenriss rechts vor. Ferner hätten belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das Gesäß und den linken Oberschenkel bestanden. Verblieben sei auch eine Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule. Im Bereich des Bauches hätten sich reizlose Narben gefunden. Vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen seien eine bekannte Hypercholesterinämie. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab 18. Mai 2010, also sechs Monate nach dem Unfallereignis, schätzte Prof. Dr. W. auf 10 vom Hundert (v. H.).
Nach der versorgungsärztlichen Einschätzung von Dr. G. von Juli 2010 seien die nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigenden Unfallfolgen und der Verlust der Milz insgesamt mit einem GdB von 20 zu bewerten. Daraufhin hörte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2010 dazu an, dass eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen insoweit eingetreten sei, als sich die Funktionsbeeinträchtigungen wegen der Unfallfolgen mit Gehbehinderung zwischenzeitlich gebessert hätten. Der GdB betrage nur noch 20. Zudem bestünde kein Anspruch mehr auf Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G".
Mit Bescheid vom 14. September 2010, der am Folgetag abgesandt wurde, hob der Beklagte den Bescheid vom 24. März 2009 ab 18. September 2010 auf, soweit ein höherer GdB als 20 und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" festgestellt worden waren. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2011 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 1. März 2011 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung erhoben, die Funktionsbeeinträchtigungen hätten sich zwischenzeitlich nicht gebessert.
Unterdessen hatte die BG Bau dem Kläger mit Bescheid vom 26. Oktober 2010 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v. H. ab 18. Mai 2010 gewährt.
Das SG hat Dr. K., der bereits im parallel geführten sozialgerichtlichen Verfahren zur Feststellung eines Rechts auf Erwerbsminderungsrente (Az. S 14 R 1938/10) am 18. Mai 2011 ein Gutachten erstattete, auch im Schwerbehindertenverfahren zum Sachverständigen bestellt. Nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 18. Mai 2011 hat er im Gutachten vom 6. Juni 2011 ausgeführt, gegenüber den Verhältnissen bei Erteilung des Bescheides vom 24. März 2009, also einem Bescheid, der knapp vier Monate nach dem Arbeitsunfall mit Polytrauma erstellt worden sei, habe sich erfreulicherweise eine deutliche Besserung der Gesamtsituation ergeben. Der Kläger arbeite wieder vierstündig, benötige danach nur noch eine Tablette eines niederpotenten Analgetikums und fahre wieder selbst Auto. Er würde versuchen, jeden Tag zwei bis drei Kilometer spazieren zu gehen. Die Gehstrecke betrage nunmehr etwa eine Stunde, dann müsse er etwa für fünf Minuten eine Pause einlegen. Er arbeite im Wesentlichen im Stehen, derzeit, mit einer Pause, über vier Stunden. Bei seiner Untersuchung habe sich eine Funktionsstörung der Wirbelsäule mit mehr als geringen funktionellen Auswirkungen in allen drei Abschnitten, zusätzlich mit wiederkehrenden Nervenwurzelreizzeichen links, welche immer wieder vorkämen und auch von der zeitlichen Achse her immer wieder anhielten, gezeigt. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom habe hingegen nicht nachgewiesen werden können. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, die Fehlstatik, die Nervenwurzelreizzeichen links und die stattgehabten Dornfortsatzbrüche im Bereich der Brustwirbelkörper 8 bis 12 links bewerte er mit einem Teil-GdB von 30. Die Funktionsbehinderung wegen des Beckenringes mit deutlicher Restbeschwerdesymptomatik schätze er mit einem Teil-GdB von 10 ein. Es handele sich um einen Beckenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen bei stabilem Beckenring und degenerativen Veränderungen der Kreuz- und Darmbeingelenke sowie nur endgradiger Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke. Unter Einbeziehung des Teil-GdB für den Verlust der Milz von 20 betrage der Gesamt-GdB aus seiner Sicht 40. Dem Kläger sei das Zurücklegen einer außergewöhnlichen Gehstrecke, also von zwei Kilometern etwa in einer halben Stunde, problemlos zumutbar. Dies habe der Kläger durch das Benennen einer möglichen Gehstrecke von etwa einer Stunde, wobei er erst im Anschluss eine Pause von etwa fünf Minuten einlege, selbst bestätigt.
Hiergegen hat der Kläger eingewandt, Dr. K. habe die bei ihm vorhandenen massiven Schmerzen nur unzureichend berücksichtigt. Nicht nachvollziehbar sei zudem, dass er keine weiteren Hinweise für eine besondere Bewegungsschmerzhaftigkeit gefunden habe. Denn vorliegend sei es im Verlauf der Erkrankung offensichtlich zu einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung gekommen. So habe sich der anfängliche Schmerz an einem bestimmten Punkt der Verletzung so chronifiziert wie ein weitergeleiteter Schmerz bei einer Wurzelreizung oder -schädigung.
Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, die Einschätzung von Dr. K., das Wirbelsäulenleiden bedinge einen Teil-GdB von 30, sei unter Beachtung der versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht nachzuvollziehen. Bei nahezu freier Beweglichkeit der Halswirbelsäule und maximal endgradig bis mittelgradig eingeschränkten Funktionsparametern im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule lasse sich ein höherer GdB als 20 nicht vertreten. Die Wertung für den Verlust der Milz mit einem GdB von 20 entspreche ebenfalls nicht den Vorgaben der versorgungsmedizinischen Grundsätze, die hierfür allenfalls einen Teil-GdB von 10 vorsähen. Im Ergebnis sei daher ein höherer Gesamt-GdB als 20 nicht begründbar.
Dr. K. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, auch nach nochmaliger Sichtung der Aktenlage könne er keinen Hinweis für das Vorliegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung feststellen. Aus seiner Sicht wäre gegebenenfalls an die Einholung eines fachneurologisch-psychiatrischen, anästhesiologischen oder schmerztherapeutischen Gutachtens zu denken. Aus fachorthopädischer Sicht gebe es diesbezüglich keine neuen Ergänzungen und Erwägungen, von den Ausführungen im Gutachten abzuweichen. Soweit der Beklagte die Bewertung des Wirbelsäulenleidens mit einem Teil-GdB von 30 als zu hoch ansehe, so berücksichtige dieser zu Unrecht nur Bewegungseinschränkungen. Nachweisbar seien darüber hinaus bestehende Beschwerden, die wiederkehrende Therapiemaßnahmen verschiedener Arten, einschließlich einer medikamentösen Therapie, notwendig machten und den Alltag des Klägers einschränkten. Nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen seien auch solche wiederkehrenden Beschwerden bei der Einschätzung eines Teil-GdB zu berücksichtigen. Ein Milzverlust nach Unfall werde nach diesen Grundsätzen nicht berücksichtigt. Die insoweit genau einschätzende Fachkompetenz liege allerdings nicht auf seinem Fachgebiet, sondern allenfalls auf viszeralchirurgischem oder internistischem.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13. März 2013 abgewiesen. Die Funktionsbeeinträchtigungen wegen der Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Denn es handele sich um allenfalls geringe funktionelle Auswirkungen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten, für die ein höherer GdB nicht gerechtfertigt sei. Die Funktionsbeeinträchtigung durch die unfallbedingte Gesundheitsstörung im Bereich des Beckens habe einen Teil-GdB von 10 zur Folge. Für den Verlust der Milz im Erwachsenenalter sei nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen ein Teil-GdB von 10 vorgesehen. Insgesamt erreiche der Gesamt-GdB daher 20. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" lägen nicht vor. Der Kläger könne üblicherweise noch zu Fuß im Ortsverkehr zurückzulegende Wegstrecken von zwei Kilometern Länge bei einer Gehzeit von etwa einer halben Stunde bewältigen. Gegenüber Dr. K. habe der Kläger selbst angegeben, ihm sei noch eine Gehstrecke von etwa einer Stunde möglich, erst dann müsse eine Pause von etwa fünf Minuten eingelegt werden. Bestätigt werde dies durch das Gutachten von Prof. Dr. W., wonach das Gang- und Barfußgangbild flüssig gewesen seien. Der Einbein-, Zehen- und Fersenstand seien, wie auch der Zehengang, zudem beiderseits möglich gewesen.
Gegen die der Bevollmächtigten des Klägers am 5. April 2013 zugestellten Entscheidung hat dieser am 24. April 2013, verbunden mit einem Prozesskostenhilfegesuch, Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) unter Hinweis darauf eingelegt, dass sich die durch seine Gesundheitsstörungen hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen nicht gebessert hätten. Von der BG Bau erhalte er wegen des Arbeitsunfalls nach wie vor eine Rente nach einer MdE von 20 v. H.
Im Berufungsverfahren sind über diese Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung weitere medizinische Befundunterlagen beizogen worden. Nach einem stationären Aufenthalt des Klägers vom 11. Februar bis 12. März 2009 in der BG-Unfallklinik in Tübingen diagnostizierte der Chefarzt der Abteilung für Berufsgenossenschaftliche Rehabilitation und Prävention, Prof. Dr. K., eine persistierende Schmerzsymptomatik und Bewegungseinschränkung der linken Hüfte nach instabiler Beckenringfraktur links mit Sacrumfraktur links, vorderer und hinterer Schambeinfraktur links, Acetabulumfraktur links, Weber-A-Fraktur links, Querfortsatzfraktur im Bereich der Brustwirbelkörper 8 bis 12, eine Splenektomie nach Milzruptur, eine Leberkontusion, eine Nierenruptur rechts, ein Pneumothorax sowie eine Lungenkontusion beidseits. Bei der klinischen Untersuchung am Aufnahmetag sei die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität im Bereich der beiden unteren Extremitäten regelrecht gewesen. Die Weichteilverhältnisse im Bereich des linken Beckens hätten sich als reizlos erwiesen. Die ehemaligen operativen Zugangswege nach der Schraubenosteosynthese des Iliosakralgelenkes seien reizlos abgeheilt gewesen. Das Barfußgangbild sei zum ebenen Untergrund noch diskret linkshinkend gewesen. Zehen- und Fersengang hätten vom Kläger linksseitig eingeschränkt demonstriert werden können. Das Einnehmen der Hocke sei hälftig möglich gewesen. Insgesamt habe sich, neben einer Atrophie im Bereich des linkes Gesäßes, eine deutliche muskuläre Atrophie im Bereich beider Oberschenkel gezeigt. Die am 19. Januar 2009 durchgeführte radiologische Verlaufskontrolle habe eine zunehmend ossäre Konsolidierung der diagnostizierten Frakturen gezeigt. Während des stationären Aufenthaltes sei eine beginnende knöcherne Konsolidierung im Bereich des Os ilium und des Os ischii bei noch weiterhin abgrenzbaren Frakturspalten eingetreten. Zudem hätten sich noch erweiterte Fugen im Bereich des Iliosakralgelenkes bei einem Zustand nach einer Schraubenosteosynthese gezeigt. Die rechtsseitige Schraube habe einen teilweise extraossären Verlauf mit unsicherer Lage zur austretenden Nervenwurzel genommen. Wegen einer lokalen Schmerzangabe im Bereich des rechten Sprungbeines sei beim Kläger ein Computertomogramm des rechten Sprungbeines erstellt worden. Dabei habe sich im Befund und der Beurteilung eine knöcherne Struktur dorsal des Sprungbeines gezeigt, am ehesten zu werten als Os trigonum, differentialdiagnostisch als ältere Fraktur. In diesem Bereich seien ausgeprägte degenerative Veränderungen mit subchondraler Mehrsklerosierung und zystischen Veränderungen im Bereich des Os trigenum zu erkennen gewesen. Wegen der vom Kläger geschilderten Schmerzsymptomatik sei, unter Einbeziehung des anästhesiologischen Schmerzdienstes und eines Psychotraumatologen, eine interdisziplinäre Schmerztherapie durchgeführt worden. Danach habe sich, nach Modifikation der eingenommenen Analgetika, eine deutliche Besserung der Schmerzsymptomatik gezeigt. Die Medikation bei Entlassung habe neben dem Schlaf- und Beruhigungsmittel Lendormin, 0,25 mg (0-0-0-1) aus Targin, 10/5 mg (1-0-1) und Novalgin, 1 g (bei Bedarf) bestanden. Nach intensiver Ergo-, Balneo- und Physiotherapie habe sich eine deutliche Steigerung der Mobilität des Klägers gezeigt. Er habe von den Unterarmgehstützen entwöhnt werden können. Ebenso habe sich, mit nahezu physiologischem Abrollvorgang, eine deutliche Besserung des Gangbildes gezeigt. Die Werte nach der Neutral-0-Methode seien wie folgt festgestellt worden: Hüfte (Streckung/Beugung: 5-0-110° rechts, 5-0-105° links; Abduktion/Adduktion und Außen-/Innenrotation: jeweils beidseits frei), Knie (Streckung/Beugung: beidseits frei), oberes Sprunggelenk (Dorsalflexion ("Dext")/Plantarflexion ("PFlex"): 15-0-30° rechts, 10-0-30° links) und Schulter (Streckung/Beugung: 30-0-140° rechts, links nicht gemessen).
Nach einer ambulanten klinischen Untersuchung des Klägers am 6. April 2009 hat Prof. Dr. W. Restbeschwerden nach instabiler Beckenringfraktur links mit Sacrumfraktur links und vorderer Beckenringfraktur links sowie Acetabulumfraktur links, Weber-A-Fraktur links, Querfortsatzfraktur im Bereich der Brustwirbelkörper 8 bis 12, eine Leberkontusion, eine Nierenkontusion rechts, ein Pneumothorax, eine Lungenkontusion beidseits, eine Splenektomie nach Milzruptur sowie eine stattgehabte transiliosakrale Verschraubung beidseits, rechts mit zwei Schrauben, links mit einer Schraube und Anlage eines supraacetabulären Fixateur externe vom 24. November 2008 diagnostiziert. Der Kläger habe sich auf Veranlassung der BG Bau zur Heilverfahrenskontrolle vorgestellt. Er habe zuletzt eine Erweiterte Ambulante Physiotherapie durchlaufen. Hierdurch hätten sich leichte Verbesserungen der Beschwerden ergeben. Er klage jedoch noch immer über Schmerzen, insbesondere am Becken. Er könne nicht richtig in die Hocke gehen; dies bereite ihm Schmerzen, insbesondere am Becken dorsalseitig. Er würde morgens und abends Targin-Tabletten als Schmerzmedikation einnehmen. Bei der klinischen Untersuchung hätten sich ansonsten keine wesentlichen pathologischen Befunde erheben lassen. Die Hüftbeweglichkeit sei beidseits weitgehend frei gewesen. Sensomotorische Ausfälle seien keine angegeben worden. Eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation ("ABE-Maßnahme") sollte begonnen werden. Nach einer ambulanten klinischen und radiologischen Untersuchung des Klägers am 20. April 2009 hat Prof. Dr. W. kundgetan, die geplante Maßnahme sei am 6. April 2009 mit zwei Stunden Arbeitszeit täglich begonnen worden. Der Kläger habe berichtet, nicht länger als knapp zwei Stunden aufgrund der aufgetretenen Schmerzen gearbeitet zu haben. Die Hauptbeschwerden würden im Bereich des Kreuzbeines und des linken Sitzbeines auftreten. Die radiologische Aufnahme des Beckens habe unveränderte Stellungsverhältnisse gezeigt. Die vordere Beckenringfraktur linksseitig sei noch nicht sicher fest konsilidiert. Der Beckenring sei unsymmetrisch. Wegen der Verschraubungen sei das Iliosakralgelenk versteift. In der Zusammenschau der Befunde werde aus medizinischer Sicht in der bisher ausgeübten Tätigkeit keine Arbeitsfähigkeit mehr eintreten.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, die bei ihm vorliegenden Funktionseinschränkungen rechtfertigten über den 17. September 2010 hinaus einen GdB von 50 und die Zuerkennung des Merkzeichens "G".
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. März 2013 und den Bescheid vom 14. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Prozesskostenhilfegesuch für das Berufungsverfahren ist mit Beschluss vom 2. November 2015 abgelehnt worden. Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 30. November 2015 darauf hingewiesen, dass über das Rechtsmittel ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden wird. Den Beteiligten ist Gelegenheit gegeben worden, hierzu Stellung zu nehmen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichterinnen und -richter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 25/99 R -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 9, S. 27).
Die Berufung ist form- und nach § 151 Abs. 1 SGG auch fristgereicht eingelegt worden. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der vom Kläger erhobenen (isolierten) Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) der Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2011 (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/15 R -, juris, Rz. 13), da es sich bei der angefochtenen Verwaltungsentscheidung vom 14. September 2010 um keinen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12. November 1996 - 9 RVs 5/95 -, BSGE 79, 223 (225), wonach bei der isolierten Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz maßgeblich ist).
Grundlage für die vom Beklagten - nach Anhörung des Klägers gemäß § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Schreiben vom 15. Juli 2010 - vorgenommene (teilweise) Aufhebung des Bescheides vom 24. März 2009 mit Wirkung ab 18. September 2010 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, das sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verbesserung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Verminderung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 beziehungsweise der Wegfall der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" folgt (vgl. BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12 zur Erhöhung des Gesamt-GdB). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt (teilweise) aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).
Bei den mit Bescheid vom 24. März 2009 getroffenen Feststellungen des GdB mit 50 und der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidungen vorlagen, ist eine Änderung eingetreten. Die Beckenringfraktur links mit Sacrumfraktur links, wie sie von Prof. Dr. K. nach dem stationären Aufenthalt des Klägers von Mitte Februar bis Mitte März 2009 diagnostiziert wurde, war zu diesem Zeitpunkt noch instabil. Denn selbst bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W. Ende April 2009, also kurz nach Erlass des Bescheides vom 24. März 2009, stellte dieser die vordere Beckenringfraktur linksseitig, bei unsymmetrischem Beckenring, noch nicht als sicher konsolidiert fest. Demgegenüber war der Bruch des linken Scham- und Sitzbeines bei seiner gutachterlichen Untersuchung am 25. März 2010 vollständig knöchern verheilt. Einen stabilen Beckenring hat zuletzt auch der Sachverständige Dr. K. bei seiner Untersuchung Mitte Mai 2011 festgestellt. Hieraus erklärt sich auch dessen Einschätzung, wonach sich gegenüber den Verhältnissen bei Erteilung des Bescheides vom 24. März 2009 eine deutliche Besserung der Gesamtsituation ergeben hat. Der Kläger hat wieder vierstündig gearbeitet, danach nur noch eine Tablette eines niederpotenten Analgetikums benötigt und ist wieder selbst Auto gefahren. Er hat versucht, jeden Tag zwei bis drei Kilometer spazieren zu gehen. Die Gehstrecke hat nunmehr etwa eine Stunde betragen, dann hat er etwa für fünf Minuten eine Pause einlegen müssen. Er hat im Wesentlichen im Stehen über vier Stunden am Tag gearbeitet, einschließlich einer Pause. Die damit einhergehende Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist bereits deshalb wesentlich, da nach den VG, Teil B, Nr. 18.10 für Beckenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen, etwa einem instabilen Beckenring einschließlich einer Sekundärarthrose, ein GdB von 20 vorgesehen ist. Beckenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen, etwa ein stabiler Beckenring oder degenerative Veränderungen der Kreuz-Darmbeingelenke, rechtfertigen demgegenüber nur einen GdB von 10, der, anders als ein GdB von 20, in aller Regel nicht geeignet ist, den Gesamt-GdB zu erhöhen. Bereits danach ist der bisher festgestellte GdB um 10 zu reduzieren, worin eine wesentliche Änderung zu sehen ist. Sämtliche behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen rechtfertigen bei zutreffender Bewertung ab dem 18. September 2010 sogar nur einen Gesamt-GdB von 20. Ferner sind ab diesem Datum die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" nicht mehr begründbar.
Der Anspruch des Klägers auf Feststellung des GdB richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er-Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellten und fortentwickelten Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig ihrer Ursache, also final, bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regel-mäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen - wie im Falle des Klägers - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer (unbenannten) Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob der Senat im Berufungsverfahren Teil-GdB-Werte in anderer Höhe für richtig erachtet als der Beklagte oder die Vorinstanz, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze begründen die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers ab 18. September 2010 keinen höheren Gesamt-GdB als 20, wie nach der teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 24. März 2009 durch den Bescheid vom 14. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2011 festgestellt worden ist.
Das Funktionssystem "Rumpf" hat einen Teil-GdB von 20 zur Folge.
Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 haben Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Nach diesen Maßstäben sind die dieses Funktionssystem betreffenden Funktionseinschränkungen ab 18. September 2010 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2011 mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet. Denn nach dem Gutachten von Dr. K. in diesem Verfahren und seinem im sozialgerichtlichen Rentenverfahren erstatteten, welches als Sachverständigenbeweis verwertet worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411a Zivilprozessordnung - ZPO), sind bei nahezu freier Beweglichkeit der Halswirbelsäule und lediglich geringen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Brustwirbelsäule nur bezogen auf die Lendenwirbelsäule mittelgradige funktionelle Auswirkungen objektiviert. Die bei der Untersuchung Mitte Mai 2011 gemessenen Werte nach der Neutral-0-Methode (Links-/Rechtsdrehen: 80-0-80°, Links-/Rechtsneigen: 40-0-40°, Kinn-Brustbein-Abstand: 1/20 cm und Hinterhaupt-Wand-Abstand: 0 cm) ergaben für die Halswirbelsäule keine Einschränkung in der Beweglichkeit. Die im Bereich der paravertebralen Halsmuskulatur festgestellte mittelgradige Verspannung in Form von Hartspann hat noch nicht zu für den GdB relevanten Funktionsbehinderungen geführt. Das Ott-Zeichen als Maß für die Entfaltbarkeit der Brustwirbelsäule hat Dr. K. mit 30/32 cm festgestellt, woraus sich keine Einschränkung ergibt. Das Schober-Zeichen als Maß für die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule beim Vornüberneigen ist mit 10/13 cm gemessen worden, woraus sich allenfalls eine mittelgradige Entfaltungseinschränkung ableiten lässt. Dr. K. hat die beim Kläger durchaus vorhandenen Schmerzen noch als üblicherweise mit den Gesundheitsstörungen im Wirbelsäulenbereich einhergehende eingeordnet. Diese sind allerdings nach den VG, Teil A, Nr. 2 j bei den in der GdB-Tabelle angegebenen Werten mit eingeschlossen. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndroms, das einen höheren GdB begründen könnte, ist nicht objektiviert. Bereits nach der während des stationären Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik in Tübingen von Mitte Februar bis Mitte März 2009 durchgeführten interdisziplinären Schmerztherapie zeigte sich nach Modifikation der Analgetika eine deutliche Besserung der Schmerzsymptomatik. Jedenfalls ab Frühjahr 2011 benötigte der Kläger, wie er gegenüber Dr. K. angab, nur noch eine Tablette eines niederpotenten Analgetikums täglich. Ihm ist es zudem wieder möglich gewesen, täglich zwei bis drei Kilometer spazieren zu gehen. Eine längere Gehstrecke hat zurückgelegt werden können, wobei eine Pause erst nach einer Gehzeit von einer Stunde hat eingelegt werden müssen. Anders als von Dr. K. vertreten, führen bloße Beschwerden, selbst wenn ihretwegen Therapiemaßnahmen erfolgt sind, nicht zu einer Erhöhung des GdB. Sie sind demgegenüber erst relevant, wenn mit ihnen weitere funktionelle Auswirkungen verbunden sind. Solche hat Dr. K. nicht festgestellt. Zum Funktionssystem "Rumpf" zählen zwar auch das Becken und die Hüfte. Der von Dr. K. noch objektivierte Beckenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen bei stabilem Beckenring und die nur endgradige Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke rechtfertigen zwar für sich gesehen nach den VG, Teil B, Nrn. 18.10 und 18.14 einen GdB von 10. Der nächste 10er-Grad für das Funktionssystem "Rumpf" lässt sich deswegen allerdings, wegen einer zumindest teilweisen Überschneidung hierdurch jeweils bedingter Funktionsstörungen, noch nicht begründen.
Das Funktionssystem "Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem" ist beim Kläger, der sich zum Aufhebungszeitpunkt im 53. Lebensjahr befand, wegen des Verlustes der Milz nach den VG, Teil B, Nr. 16.1 mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Soweit Dr. K. auf den seiner Ansicht nach fehlenden Unterpunkt "Milzverlust nach Unfall" verwiesen hat, ist anzumerken, dass der Grund für die nicht noch weiter vorgenommene Untergliederung in der Entscheidung des Gesetz- und Verordnungsgebers liegt, den GdB, unabhängig seiner Ursache, final bezogen auszugestalten.
Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, wie vorliegend für das Funktionssystem "Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem", nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, ist der Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem "Rumpf" nicht zu erhöhen.
Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" liegen ab 18. September 2010 ebenfalls nicht mehr vor.
Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach den Vorschriften des SGB IX, zuletzt geändert durch Art. 1a des am 15. Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7. Januar 2015 (BGBl II S. 15).
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Fest-stellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX) und stellen auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Zu diesen Merkmalen gehört die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Menschen mit Schwerbehinderung, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmerinnen oder Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Der seit 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 im Interesse einer gleich-mäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP getretenen Anlage zu § 2 VersMedV lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleiches entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für den nach dem Schwer-behindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleich "G" unwirksam, da es insoweit zum Erlasszeitpunkt an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung gefehlt hat. Eine solche Ermächtigung hat sich weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30. Juni 2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 1. Juli 2011 noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX gefunden (Urteile des Senats vom 9. Juni 2011 - L 6 SB 6140/09 -, juris und vom 4. November 2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 9. Mai 2011 - L 8 SB 2294/10 - und vom 14. August 2009 - L 8 SB 1691/08 -, jeweils juris, sowie vom 24. September 2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4).
Diesen Mangel hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 7. Januar 2015 beseitigt und mit § 70 Abs. 2 SGB IX eine neue Verordnungsermächtigung unmittelbar im SGB IX eingefügt. Danach wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend und nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Da die VersMedV vom 10. Dezember 2008 einschließlich ihrer Anlage zu § 2 VersMedV nicht auf der Grundlage dieser erst seit 15. Januar 2015 gültigen Verordnungsermächtigung erlassen worden ist, ist nach wie vor deren Anwendung hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Merkzeichens "G" nicht möglich. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch den ebenfalls mit Gesetz vom 7. Januar 2015 neu eingefügten § 159 Abs. 7 SGB IX Rechnung getragen. Danach gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierdurch konnte zwar nicht die bezüglich der in den VG enthaltenen Regelungen zu den Merk-zeichen "G", "B", "aG" und "Gl" teilunwirksame VersMedV neu erlassen oder als Verordnung für anwendbar erklärt werden, da es insoweit schon an der Zuständigkeit des Gesetzgebers hin-sichtlich einer vom BMAS zu erlassenden Verordnung fehlt. Mit noch hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut (vgl. zum rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 3. September 2014 - 1 BvR 3353/13 -, juris) hat der Gesetzgeber jedoch mit der in § 159 Abs. 7 SGB IX getroffenen Regelung zum Ausdruck gebracht, dass er sich den insoweit maßgeblichen Verordnungstext in der Anlage zu § 2 VersMedV, mithin die unter VG, Teil D, Nrn. 1 bis 4 getroffenen Bestimmungen, zu eigen macht und bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX insoweit die VG Gesetzescharakter haben (vgl. BT-Drucks 18/3190, S. 5).
Bei der Prüfung der Frage, ob die in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Voraussetzungen vorliegen, ist nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein, also altersunabhängig von Menschen ohne Behinderung, noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG, Teil D, Nr. 1 b). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, etwa bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, etwa chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (VG, Teil D, Nr. 1 d). Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (VG, Teil D, Nr. 1 f).
Nach diesen Maßstäben leidet der Kläger ab dem 18. September 2010 nicht mehr an einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Weder liegen bei ihm ab diesem Datum auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen, noch sind Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 eingetreten, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Auch sind von da an bei ihm wesentlich einschränkende innere Leiden oder Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht gegeben.
Die nachgewiesenen Gesundheitsstörungen des Bewegungsapparates schränken die Gehfähigkeit des Klägers zudem nicht mehr erheblich ein. Er ist in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, also Strecken von etwa zwei Kilometern in etwa einer halben Stunde. Ausgehend von den durch Dr. K. im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung erhobenen Befunden, ist dessen Einschätzung, wonach dem Kläger das Zurücklegen einer solchen Wegstrecke problemlos zumutbar ist, nachvollziehbar; insbesondere, da der Kläger nach den Ausführungen von Dr. K. angegeben hat, dass es ihm wieder möglich ist, täglich zwei bis drei Kilometer spazieren zu gehen und auch längere Gehstrecken zurücklegen zu können, wobei eine Pause erst nach einer Gehzeit von einer Stunde eingelegt werden muss.
Nach diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts die vorliegend maßgebliche Gesetzesänderung ab ihrem Inkrafttreten mit Wirkung zum 15. Januar 2015 auch die bereits davor bestehenden Rechtsverhältnisse den neuen Regeln unterwerfen will (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 1/14 R -, juris; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 12/03 R -, SozR 4-2700 § 70 Nr. 1, juris, Rz. 22 m. w. N. zu den Grundsätzen des intertemporalen Rechts), also vorliegend bereits ab 18. September 2010, dem Zeitpunkt der Aufhebung der ursprünglich begründeten Rechtsposition. Denn die nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G" einzig geforderte Einschränkung des Gehvermögens (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, SozR 4-3250 § 146 Nr. 1, Rz. 12) ist, wie dargelegt, nicht nachgewiesen.
Dahinstehen kann, ob der Beklagte den Bescheid vom 24. März 2009 mit dem angefochtenen vom 14. September 2010 zutreffend ab dem 18. September 2010 mit Wirkung für "die Zukunft" aufgehoben hat. Der im Inland durch einen Postdienstleister übermittelte Bescheid vom 14. September 2010, der ausweislich eines Vermerkes des Beklagten am Folgetag zur Post gegeben worden war, gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am 18. September 2010 als bekannt gegeben, weshalb die Aufhebung möglicherweise erst für den Folgetag hätte erfolgen dürfen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 - 11b RAr 53/86 -, BSGE 61, 189 (190); Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 18 m. w. N.; a. A. Steinwedel, in Kasseler Kommentar zum SGB X, Stand: August 2012, § 48 Rz. 34, wonach auf den Zeitpunkt ab Bekanntgabe abzustellen ist). Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, da der Klage hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Vorliegend ist es nicht erforderlich, insoweit gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014). Die besonderen Regelungen für Menschen mit Schwerbehinderung werden zwar nicht angewendet nach dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SGB IX (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB IX). Wenn sich der GdB auf weniger als 50 verringert gilt dies jedoch erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB IX). Wegen des erst jetzt abgeschlossenen Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 14. September 2010 bislang noch nicht unanfechtbar gewesen, weshalb der Kläger, bezogen auf den seither festgestellten GdB von 50 nach wie vor im Genuss aller Rechte aus dem SGB IX und sonstiger Schutzbestimmungen geblieben ist (vgl. Pahlen, in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Kommentar zum SGB IX, 12. Aufl. 2010, § 116 Rz. 3). Vergleichbares gilt bezogen auf die Inanspruchnahme des Merkzeichens "G". Diesbezüglich ist am Ende des Bescheides vom 14. September 2010 ausgeführt, dass der Kläger erst nach Unanfechtbarkeit dieses Bescheides verpflichtet ist, das Beiblatt zur Kraftfahrzeugsteuerermäßigung zurückzugeben, also die Vorteile hieraus erst dann nicht mehr nutzen kann.
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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