L 6 SB 425/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 2751/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 425/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 70 und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr", also die Zuerkennung des Merkzeichens "G".

Der 1957 in Syrien geborene Kläger lebte zwischenzeitlich im Libanon, wo er eine Lehre zum Schreiner absolvierte. 1985 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein und ist mittlerweile deutscher Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und Vater von fünf Kindern, wobei ein Sohn 2012 an einer Krebserkrankung verstarb. Mit Unterbrechungen arbeitete er bis 2002 in seinem erlernten Beruf. Danach konnte er diese Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Ab diesem Zeitpunkt bezog er Fürsorgeleistungen, seit 2005 in Form von Arbeitslosengeld II. Kurzzeitig war er in den Jahren 2006 und 2007 für etwa drei bis vier Monate als Hausmeister beschäftigt. Im Oktober 2009 zog er von Wiesbaden nach Karlsruhe um, wo zwei seiner Kinder leben. Dort bewohnt er mit seiner Ehefrau eine etwa 70 m² große Unterkunft, die sich im ersten Stock eines Hauses ohne Aufzug befindet, zur Miete.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2010 stellte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales Wiesbaden - Versorgungsamt - den GdB mit 50 ab 1. Juli 2009 fest. Dieser wurde während eines vor dem Sozialgericht (SG) Wiesbaden geführten Verfahrens zur Feststellung des GdB erlassen (Az. S 7 SB 144/08). In diesem Verfahren war auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten bei der Leitenden Ärztin an der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Gießen, der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Psychoanalyse Dr. Sch.-M., eingeholt worden, welches nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 30. Juli 2009 erstattet worden war. Nach Auswertung des Gutachtens führte Dr. L. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28. Dezember 2009 aus, die bei der neurologischen Untersuchung erhobenen Befunde seien, wie von Dr. Sch.-M. angegeben, von einer aggravierenden Darstellung der Beschwerden überlagert gewesen, so dass diese nur eingeschränkt aussagefähig seien. Auffällig sei auch, dass bei einer andernorts durchgeführten neurologischen Untersuchung durch Dr. G. Ende Mai 2009 zwar elektrophysiologisch durchaus ein Hinweis auf eine auch im Magnetresonanztomogramm (MRT) nachweisbare zervikale Spinalkanalstenose zu finden gewesen sei. Ein klinisch pathologischer Befund hierzu habe aber nicht sicher erhoben werden können. Insofern sei die Bewertung allein einer zervikalen Myelopathie mit einem GdB von 50, wie von der Gutachterin angenommen, sicher zu hoch gegriffen. Unter Berücksichtigung der beim Kläger vorliegenden Schmerzsymptomatik sei hingegen ab dem Zeitpunkt dieser gutachterlichen Untersuchung ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Merkzeichens lägen demgegenüber nicht vor.

Am 5. März 2012 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB sowie unter anderem die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Er wies auf Beschwerden im Wirbelsäulenbereich hin, insbesondere sei eine Spinalkanalstenose hinzugekommen. Ferner habe er chronische Schmerzen, insbesondere im Bereich des Halses, wobei hier auch Schluckbeschwerden aufträten. Weiter bestehe eine chronische Kopfschmerzproblematik. Er leide darüber hinaus, bedingt durch die Schmerzen, an Schlafstörungen.

Zudem legte er einen Entlassungsbericht des Orthopäden Dr. H. vom Ambulanten Zentrum für Reha und Prävention in Karlsruhe vor, wo er vom 3. bis 24. Januar 2011 behandelt wurde. Danach seien eine zervikale Myelopathie bei Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6 mit Brachialgie links (ICD-10 M48.0), eine Lumboischialgie links bei Bandscheibenprotrusion im Bereich L 5/S 1 (ICD-10 M51.2), eine Bursitis trochanterika rechts (ICD-10 M70.6) und der Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.9) diagnostiziert worden. Weiter legte der Kläger den Befundbericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vor, worin über eine Behandlung Anfang Dezember 2010 berichtet wurde, der neurologische Befund sei im Prinzip weitgehend unverändert. Im Grunde genommen stehe die operative Entlastung der zervikalen Myelopathie an, wozu sich der Kläger bislang nicht habe entschließen können. Er diagnostizierte ein Muskuloskelettales Schmerzsyndrom sowie eine zervikale Myelopathie und Spinalkanalstenose, jeweils im Bereich C 5/6.

Der Orthopäde Dr. F. erkannte nach dem Befundbericht über eine Untersuchung Anfang Februar 2012 eine Myelopathie im Halswirbelsäulenbereich, ein chronisches Lumbalsyndrom, eine Lumboischialgie rechts, eine Spinalstenose im Lendenwirbelsäulenbereich, eine Sakroiliakalgelenks-Blockierung, eine Tendinose im Bereich der linken Schulter, eine Achillessehnen-Tendinitis links sowie ein chronisches Schmerzsyndrom.

Mit Bescheid vom 26. März 2012 lehnte der Beklagte nicht nur die Neufeststellung des GdB ab, sondern auch die Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung unter anderem des Merkzeichens "G". Die Versorgungsärztin Dr. St. bewertete den Gesamt-GdB im März 2012 nach wie vor mit 50, ausgehend von einem Teil-GdB von 50 für die Funktionsbeeinträchtigung "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Chronisches Schmerzsyndrom, Spinalkanalstenose" und einem Teil-GdB von 10 für die Funktionsbeeinträchtigung "Gebrauchseinschränkung des linken Armes". Eine Polyarthrose habe nicht objektiviert werden können. Die Schluckstörungen und die Spannungskopfschmerzen beziehungsweise die Migräne bedingten jeweils keinen GdB von wenigstens 10. Ferner sei der Kläger in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2012 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 30. Juli 2012 Klage beim SG Karlsruhe erhoben, welches schriftliche sachverständige Zeugenaussagen bei Dr. F., Dr. R. und der Ärztin für Hals-, Nasen- und Ohren (HNO-)Heilkunde Dr. Sp. eingeholt hat.

Dr. F., der seine Auskunft auf Untersuchungen des Klägers im Zeitraum von November 2009 bis Mitte August 2012 gestützt hat, teile die versorgungsärztliche Einschätzung der Behinderungen auf seinem Fachgebiet und erachte den GdB hierfür mit 50 als angemessen. Eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten. Er halte das Zurücklegen einer Wegstrecke von 2 km bei einer Dauer von etwa einer halben Stunde für möglich.

Nach einer Untersuchung des Klägers Mitte Juli 2012 hat Dr. R., bei dem dieser seit Juni 2010 in Behandlung gewesen ist, ausgeführt, es liege eine zervikale Myelopathie bei zervikaler Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6 vor. Hierdurch komme es zu neurologischen Befundauffälligkeiten. Davon unabhängig leide der Kläger an Schluckstörungen, welche fachärztlich betreut würden, und lumboischialgieforme Schmerzen im Gesäßbereich.

Dr. Sp. hat kundgetan, der Kläger befinde sich seit April 2011 bei ihr in Behandlung. Bis Anfang Oktober 2012 seien mehrere Untersuchungen erfolgt. Der Kläger leide unter einer erheblichen Schluckstörung und Schmerzen im Halsbereich. Sie habe eine Dysphagie (ICD-10 R13.9), eine leichtgradige Hochtonschwerhörigkeit (ICD-10H 91.1) und Halsschmerzen (ICD-10 R07.0) diagnostiziert. Die Schluckstörung erscheine mit Einschränkung der Kostaufnahme schwerwiegender, wofür sie einen GdB von 20 für gerechtfertigt erachte. Die Halsschmerzen könnten laut behandelndem Orthopäden den Veränderungen der Wirbelsäule zugeordnet werden. Die Schwerhörigkeit finde bislang keinen Eingang in die versorgungsärztliche Einschätzung. Wegen des Hörverlustes, zu dessen Dokumentation sie ein Tonaudiogramm vom 18. September 2012 vorgelegt hat, schlage sie einen GdB von 15 vor.

Des Weiteren hat das SG Karlsruhe von der Fachärztin für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie Dr. Sch. die Krankenunterlagen des Klägers angefordert, woraufhin diese den von ihr dokumentierten Behandlungsverlauf von Mitte Dezember 2011 bis Mitte Dezember 2012 aufgelistet hat.

Beim SG Karlsruhe hat der Kläger parallel zum Schwerbehindertenverfahren ein Verfahren wegen der Feststellung des Rechts auf Rente wegen Erwerbsminderung geführt (Az. S 5 R 3912/12).

Aus der Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg hat das SG Karlsruhe das Gutachten der Fachärztin für Chirurgie U. Z., welches nach einer klinischen Untersuchung des Klägers am 20. Juni 2012 erstattet wurde, und das nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 16. August 2012 verfasste neurologisch-psychiatrische Zusatzgutachten von Dr. E. beigezogen. Danach sind ein Halswirbelsäulensyndrom mit leichten funktionellen Einschränkungen ohne aktive Wurzelreizerscheinungen bei röntgenologisch nachgewiesener Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6 mit Myelopathiezeichen (ICD-10 M54.2/M48.0), ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit leichten funktionellen Einschränkungen bei röntgenologisch degenerativen Veränderungen ohne Zeichen der Wurzelreizung (ICD-10 M54.0/M 48.0) sowie Kniebeschwerden rechts ohne aktuellen Reizzustand und ohne Funktionseinschränkungen, sonographisch unauffällig (ICD-10 M22.0) diagnostiziert worden. Weiterhin liege auf chirurgischem Fachgebiet der Verdacht auf eine Schmerzverarbeitungsstörung und nach Aktenlage auf eine Persönlichkeitsstörung vor. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei ein episodischer Spannungskopfschmerz (ICD-10 G44.2) und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41) diagnostiziert worden.

Aus der Gerichtsakte des Rentenverfahrens hat das SG Karlsruhe das von Dr. J. nach einer Untersuchung des Klägers am 22. März 2013 erstattete orthopädische Gutachten beigezogen. Er habe eine diskrete Fehlstatik der Wirbelsäule, eine Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen in der Bildgebung, eine zervikale Myelopathie bei Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6, eine endgradige, linksbetonte Bewegungseinschränkung der Schultergelenke, einen minimalen Reizzustand am äußeren Oberarmknorren links, ein Streckdefizit in den Mittelgelenken der Langfinger 3 und 4 rechts sowie 2 und 3 links, eine diskrete Dypuytren´sche Kontraktur beider Hohlhände, eine geringe Hüftdysplasie beidseits mit initialen degenerativen Veränderungen ohne Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke, eine diskrete Bewegungseinschränkung im Bereich des linken oberen Sprunggelenks und an beiden unteren Sprunggelenken sowie beidseits diskrete Spreizfüße festgestellt. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule sei in allen Ebenen endgradig eingeschränkt gewesen und als schmerzhaft angegeben worden, während die der Brust- und Lendenwirbelsäule, bei regelrechter Entfaltung der Dornfortsätze, in allen Ebenen altersentsprechend frei gewesen sei. Die kernspintomographischen Aufnahmen der Halswirbelsäule zeigten eine erhebliche Einengung des knöchernen Rückenmarkskanals in Höhe C 5/6 mit degenerativen Veränderungen, einer Bandscheibenvorwölbung sowie einer Einengung der knöchernen Nervenaustrittskanäle in der genannten Höhe beidseits. Zusätzlich fänden sich Zeichen einer zervikalen Myelopathie. Das MRT der Lendenwirbelsäule weise Bandscheibenvorwölbungen ohne auffällige Nervenwurzelkompression auf. Die von Dr. E. in ihrem Gutachten angegebene Spinalkanalstenose, also die Einengung des knöchernen Rückenmarkskanals, im Lendenwirbelsäulenbereich könne er nicht bestätigen. Im Bereich der oberen Extremitäten finde sich eine endgradige, linksbetonte Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit. Am äußeren Oberarmknorren links habe der Kläger einen Druckschmerz angegeben. Betreffend die Unterarmstreckmuskulatur sei kein Provokationsschmerz vorhanden gewesen. Im Bereich der Langfinger-Mittelgelenke 3 und 4 rechts sowie 2 und 3 links bestehe ein endgradiges Streckdefizit. Die Röntgenaufnahmen der Hände zeigten keine wesentlichen degenerativen Veränderungen. Den von ihm festgestellten Gesundheitszustand nehme er seit 2010 an, mit dem klinischen Nachweis einer zervikalen Myelopathie. Bei den von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet handele es sich um solche mit Dauercharakter. Wegstrecken von etwa 500 m könnten bei einem Zeitaufwand von maximal 20 min zu Fuß zurückgelegt werden.

Weiter hat das SG Karlsruhe aus dem Rentenverfahren das auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. V. beigezogen. Nach einer klinischen und radiologischen Untersuchung am 16. Juli 2013 hat dieser eine zervikale Myelopathie bei Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6 sowie Bandscheibenvorwölbungen in den Bereichen C 3/4 und C 4/5, eine verschleißbedingte Enge der Nervenaustrittspunkte im Bereich C 5/6 beidseits, eine Bandscheibenprotrusion im Segment C 3/4 und im letzten Bandscheibensegment bei Übergangsstörung lumbosakral, unspezifische Schultergelenksschmerzen bei radiologisch nachgewiesenem Kalkdepot am Tuberculum majus rechts, eine gering ausgeprägte beidseitige Hüftdysplasie sowie beidseits milde Spreizfüße diagnostiziert. Zur Untersuchung selbst hat er ausgeführt, zur Anmeldung seien vom Kläger 62 Treppenstufen vom zweiten Stock bis zum Untergeschoß mühelos bewältigt worden. Zum Teil habe dieser ohne Zuhilfenahme des Geländers sowohl die Treppen hinab- als auch hinaufsteigen können. Die Untersuchung sei trotz Angabe von Platzangst komplikationslos erfolgt, wobei zur Erleichterung des Klägers am Gerät ein Spiegel befestigt worden sei, um ihm den Blick nach draußen zu ermöglichen. Nach der Untersuchung sei der Treppenaufstieg etwas verlangsamt vorgenommen worden. Vom Kläger sei vermehrt das Treppengeländer beziehungsweise die Wand zu Hilfe genommen worden. Es sei aufgefallen, dass der Kläger gehäuft habe Ein- und Ausatmen müssen, jedoch ohne Dyspnoe oder vegetative Erschöpfungssymptomatik. Hier habe er deutlich zur Aggravation geneigt. Während des Abstreifens des T-Shirts im Untersuchungszimmer sei dem Kläger die Brille zu Boden gefallen. Er habe sie mühelos aufgehoben. Orthopädische Hilfsmittel würden im Sinne einer Schuheinlage rechts mit Erhöhung um 1 cm getragen. Eine Aircast-Schiene links mit Luftkissenpolsterung und eine Sockenanziehhilfe seien vom Kläger mitgeführt worden. Derzeit verwende er sie jedoch nicht. Auf ebener Strecke habe der Kläger ein flüssiges und harmonisches Gangbild ohne zu Hinken demonstriert. Die Abrollbewegungen der Füße seien physiologisch und die Schrittlänge seitengleich gewesen. Beim Treppenauf- und -absteigen sei eine beidseitige physiologische Beinschwingung aufgefallen. Der Fersen- beziehungsweise Zehenstand beidseits sei nur unter Abstützung an der Zimmerwand möglich gewesen. Beim Versuch, die differenzierten Gangarten ohne Abstützung durchzuführen, habe der Kläger ein unsicheres, wechselseitiges Treten auf der Stelle demonstriert. Beim Anlaufen mit geschlossenen Augen seien die ersten drei Schritte vorgeführt und im Anschluss ein unsicheres breitbeiniges Gangbild demonstriert worden. Der Kläger neige zu Aggravation. Der Kläger sei aufgefordert worden, aus dem Sitzen mit der Fußspitze die Ecken eines gleichschenkligen Dreiecks mit einer Schenkellänge von 30 cm schnellstmöglich abzufahren. In zehn Sekunden sei das Dreieck mit dem rechten Fuß dreimal nachgezeichnet worden, links sogar viermal. Die Bewegungen seien zielgerichtet und koordiniert vorgenommen worden. Klinisch schwere, manifeste Myelopathiezeichen mit Gangataxie und Koordinationsstörungen hätten nicht festgestellt werden können. Die Handgelenke seien frei beweglich gewesen. Die Ellenbogengelenksbeweglichkeit habe nach der Neutral-0-Methode für Streckung/Beugung mit 150-0-0° beidseitig und die Unterarmdrehung auswärts/einwärts mit 90/0/90° beidseitig festgestellt werden können. Die Werte hätten für die Beweglichkeit des Schultergelenks seitwärts/körperwärts 90-0-10° rechts und 100-0-20° links, Arm rückwärts/vorwärts 35-0-105° rechts und 50-0-90° links, Arm auswärts/einwärts drehen (Oberarm anliegend) 60-0-45° rechts und 60-0-55° links sowie Arm auswärts/einwärts drehen (Oberarm 90° seitwärts abgehoben) 70/0/45° beidseitig betragen. Bei der Beweglichkeit beider Schultergelenke seien massive Schmerzen angegeben worden. Hierbei habe der Kläger den Oberkörper nach vorne und von ihm weggeneigt. Dieser habe wohl deswegen schmerzbedingt vermehrt gehustet. Bei einem Zeitaufwand von maximal 20 min könnten Strecken von etwa 500 m zu Fuß zurückgelegt werden. Der von ihm festgestellte Gesundheitszustand liege seit Juni 2010 vor. Zu diesem Zeitpunkt seien durch Dr. R. zusätzlich zu den bekannten radiologischen noch klinische Zeichen einer Myelopathie festgestellt worden. Bei den von ihm objektivierten Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet handele es sich um solche mit Dauercharakter.

Im Rentenverfahren hat wiederum Dr. Sch., vormals Dr. Sch.-M., gemäß § 109 SGG nach einer Untersuchung des Klägers am 6. Dezember 2013 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten erstattet, welches das SG Karlsruhe ebenfalls beigezogen hat. Auf ihren Fachgebieten hat sie nun eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41) und eine zervikale Myelopathie bei Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6 (ICD-10 M50.0, G92.2) diagnostiziert. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Es könnten Strecken von 500 m in maximal 20 min zu Fuß viermal am Tag zurückgelegt werden.

In dem diesem Berufungsverfahren vorausgegangenen Schwerbehindertenverfahren des SG Karlsruhe hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K. auf Antrag nach § 109 SGG ein Gutachten erstattet. Nach einer klinischen Untersuchung des Klägers am 4. April 2014 hat er ausgeführt, es bestünden keine wesentlichen Unterschiede zu den in den orthopädischen Vorgutachten erhobenen Befunden und Einschätzungen. Anders als nach der versorgungsärztlichen Einschätzung von Dr. St. in ihrer Stellungnahme von März 2012 könne einzig noch die Fingergelenksarthrose (Polyarthrose) als gesichert gelten. Diese bedinge jedoch keinen GdB im messbaren Bereich. Der Gesamt-GdB sei seines Erachtens mit 50 korrekt bewertet. Hinsichtlich des Merkzeichens "G" fänden sich keinerlei objektivierbaren Untersuchungsbefunde, welche eine erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit begründeten.

Weiter hat Dr. N. gemäß § 109 SGG nach ambulante Untersuchungen des Klägers am 28. und 31. Juli 2014 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten erstattet. Aufgrund seiner aktuellen Untersuchungsbefunde und des Sachverhaltes, wie er sich aus den Akten ergebe, gehe er von folgenden Diagnosen aus: Zervikale Myelopathie (ICD-10 G99.2) bei Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6 (ICD-10 M48.09), chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41), Karpaltunnelsyndrom links (ICD-10 G56.0), Lumboischialgie links (ICD-10 M54.4), Schluckstörungen ohne Hinweise auf eine zentral nervöse Ursache (ICD-10 R13.0) sowie Tinnitus und Hörminderung beidseits (ICD-10 H93.1 und H91.9). Im Vordergrund des Beschwerdebildes stehe nach wie vor ein mittlerweile chronifiziertes Schmerzsyndrom bei einem seit Jahren vorhandenen chronischen Zervikobrachialsyndrom und nachgewiesener zervikaler Myelopathie bei Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6. Bei der aktuellen Untersuchung stünden die sensiblen Störungen im Handbereich ganz im Vordergrund. Der Kläger habe regelmäßig darauf hingewiesen. Es hätten sich Hinweise auf das Vorliegen einer somatoformen Störung im Sinne einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren ergeben. Bei einer solchen litten die Betroffenen unter anhaltenden körperlichen Beschwerden, die primär auf eine somatische Ursache zurückzuführen seien, dabei aber den psychischen Faktoren die maßgebliche, wenn auch nicht die ursächliche Rolle für Schweregrad, Exazerbation und Aufrechterhaltung zukomme. Unter Berücksichtigung der gesamten Aktenlage sei von einer psychischen Überlagerung im Sinne der angeführten chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren auszugehen. Hinweise auf eine komorbide anderweitige psychische Störung hätten sich nicht ergeben. Bei den subjektiven Angaben der Stimmungsschwankungen handele es sich eher um Befindlichkeitsstörungen ohne Krankheitswert. Dies zeige sich auch bei der relativ gut erhaltenen Alltagsbewältigung, indem der Kläger regelmäßig aufstehe, Hausarbeiten übernehme, zahlreiche Aktivitäten schildere und hier ein aktives Verhalten beschreibe. In therapeutischer Hinsicht würden neurologische, schmerztherapeutische und orthopädische Behandlungen wahrgenommen. Zudem werde eine medikamentöse Schmerztherapie mit dem mittelpotenten Opiat-Agonisten Palexia und dem neuropathisch wirksamen Medikament Gabapentin wahrgenommen. Als weitere Komorbidität finde sich im Bereich der linken unteren Extremität nach den Angaben des Klägers eine anhaltende Schmerzsymptomatik, die am ehesten einer Lumboischialgie entspreche, wobei sich keine Hinweise auf eine radikuläre Reizung ergeben hätten. Die sensible Störung sei keinem Dermatom zuzuordnen gewesen, sondern habe die gesamte linke untere Extremität umfasst. Schließlich seien subjektiv Schluckstörungen angegeben worden, die nach der Aktenlage im Rahmen einer HNO-ärztlichen Abklärung im März 2014 als extreme pharyngeale Hypersensitivität mit Kehlkopfhochstand bei einer operationswürdigen Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6 beschrieben worden seien. Als weitere Komorbidität bestehe nach den Angaben des Klägers ein seit eineinhalb Jahren anhaltendes Ohrgeräusch in Form eines Pfeifens und eine HNO-ärztlich nachgewiesene linksbetonte Hörminderung. Im Rahmen der aktuellen gutachtlichen Untersuchung hätten sich jedoch keine wesentlichen Einschränkungen bei der Alltagsbewältigung und beim Kommunikationsverhalten, bei dem der Kläger umgangssprachlich keine Minderungen gezeigt habe, ergeben. Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass der Kläger vornehmlich durch die im Vordergrund stehenden subjektiven sensiblen Störungen im Bereich der oberen, teilweise auch der unteren Extremität in seiner Erlebnisfähigkeit eingeschränkt sei. Hieraus resultiere jedoch keine wesentliche Einschränkung der Aktivitäten. Zudem zeigten sich psychisch keine Hinweise auf eine depressive Störung oder Angststörung. Im Rahmen der Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung hätten sich allerdings Hinweise auf eine Beschwerdeverdeutlichung gezeigt beziehungsweise fielen Diskrepanzen bezüglich der Beschwerden und des Untersuchungsverhaltens auf. Unter Berücksichtigung der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) und Anwendung des Mini-ICF-Ratings für psychische Störungen hätten sich lediglich teilweise und nur leichtgradige Einschränkungen der Flexibilität und Umstellungsfähigkeit aufgrund der chronischen Schmerzen gezeigt. Sicherlich sei der Kläger in seinem bisherigen Beruf als Schreiner eingeschränkt. Ansonsten ließen sich jedoch keine wesentlichen Fähigkeitsstörungen erfassen. Im Ergebnis sei er der Auffassung, dass der Kläger in psychischer Hinsicht durch die chronische Schmerzstörung nur leichtgradig in seiner Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit eingeschränkt sei. Die chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, bei zervikaler Myelopathie und Spinalkanalstenose, bewerte er mit einem Teil-GdB von 50. Für die Lumboischialgie sei ein Teil-GdB von 10 anzusetzen. Die anderen Erkrankungen bedingten keinen GdB in messbarem Grad. Die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sei beim Kläger nicht erheblich beeinträchtigt. So seien wesentliche Einschränkungen bei der Wahrnehmung von Terminen außer Haus oder solche des Gehvermögens bei Spaziergängen nicht nachzuweisen gewesen. Auch lägen keine Hinweise auf das Vorliegen von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit vor. Demnach könne der Kläger noch übliche Wegstrecken im Ortsverkehr ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere zurücklegen. Eine Wegstrecke von 2 km in etwa einer halben Stunde könne der Kläger zumutbar bewältigen. Insgesamt schließe er sich den Vorgutachten an, zumal auch die behandelnden Fachärzte des Klägers, Dr. F. und Dr. R., die Einschätzung des Gesamt-GdB und die Verneinung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" teilten.

Das Gesuch des Klägers, Dr. N. mangels Durchführung einer quantitativen sensorischen Testung ("QST-Untersuchung") wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat das SG Karlsruhe mit Beschluss vom 29. Dezember 2014 mit der Begründung zurückgewiesen, die vom Kläger vorgetragenen Aspekte erschöpften sich in einer inhaltlichen Kritik des Gutachtens. Diese Einwendungen seien im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Einen zureichenden Grund für ein Befangenheitsgesuch bildeten sie hingegen nicht.

Der Kläger hat des Weiteren beantragt, nach § 109 SGG bei N. M. in Ulm ein anästhesiologisches Gutachten einzuholen, welches sich auch auf eine quantitative sensorische Testung stützt.

Das SG Karlsruhe hat die Klage nach vorangegangener Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 30. Dezember 2014 abgewiesen. Die medizinischen Befundunterlagen stützten weder die Annahme eines höheren Gesamt-GdB als 50 noch lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" vor. Soweit beantragt worden sei, nach § 109 SGG ein anästhesiologisches Gutachten bei N. M. einzuholen, sei dem nicht weiter nachzugehen gewesen. Bereits mit gerichtlicher Verfügung vom 24. Januar 2014 sei für die Benennung eines Arztes nach § 109 SGG eine Frist bis 19. Februar 2014 gesetzt worden. Daraufhin habe der Kläger lediglich beantragt, bei Dr. K. und Dr. N. Sachverständigengutachten einzuholen. Dem sei das Gericht nachgekommen. Erst mit Schriftsatz vom 23. September 2014 habe der Kläger den Antrag nach § 109 SGG auf Einholung eines dritten Gutachtens gestellt. Vor diesem Hintergrund sei er als verspätet anzusehen gewesen. Darüber hinaus sei der Sachverständigen- ebenso wie der Zeugenbeweis durch die Benennung des Sachverständigen oder Zeugen und die Bezeichnung der Tatsache, über welche die Vernehmung stattfinden solle, anzutreten. Es sei zweifelhaft, ob der Kläger diesen Anforderungen überhaupt nachgekommen sei. Beweisausforschungsanträge seien ohnehin abzulehnen.

Gegen den dem vormaligen Bevollmächtigten des Klägers am 8. Januar 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 5. Februar 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der bei ihm vorliegende Schmerzzustand sei mit erheblichen Einschränkungen verbunden, die bislang nicht hinreichend gewürdigt worden seien. Diese bedingten einen Gesamt-GdB von wenigstens 70 und führten auch zur Einschränkung seiner Gehfähigkeit. Er müsse sich nach etwa zehn Minuten Gehzeit hinsetzen. Die bislang eingeholten Gutachten auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet nach § 109 SGG seien jeweils ohne eine quantitative sensorische Testung vorgenommen worden. Speziell diese Untersuchungsmethode sei ausschließlich beziehungsweise allein geeignet, den Umfang des bei ihm ärztlicherseits bereits festgestellten Schmerzzustandes und der damit verbundenen Einschränkungen abschließend zu klären. Der beim SG nach § 109 SGG gestellte Antrag, N. M. gutachterlich zu hören, sei weder in Verschleppungsabsicht noch aus grober Nachlässigkeit verzögert gestellt worden. Erst nach Vorliegen der Gutachten von Dr. K. und Dr. N. sei die Antragstellung gerechtfertigt gewesen. Weiter spreche auch die Prozessökonomie dafür, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen. Andernfalls würde er dies außergerichtlich verfolgen und sodann im Rahmen eines Antrags nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dem Beklagten zur Prüfung vorlegen, was möglicherweise zu einem weiteren Rechtsstreit führe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Dezember 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2012 aufzuheben und diesen unter Abänderung des Bescheides vom 16. Februar 2010 zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 70 und die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" ab 5. März 2012 festzustellen, hilfsweise N. M., 89081 Ulm nach § 109 Sozialgerichtsgesetz gutachterlich dazu zu hören, dass sein Schmerzzustand zu Funktionseinschränkungen geführt hat, die einen Gesamt-GdB von mindestens 70 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" stützen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, es sei weder ein höherer Gesamt-GdB als 50 noch die Annahme der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" begründbar.

Der Berichterstatter hat den klägerischen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 29. April und 26. Juni 2015 auf die Unzulässigkeit des Hilfsantrages hingewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Akte S 7 SB 144/08 des SG Wiesbaden und auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die im Wege der objektiven Klagehäufung als kombinierte (Teil-)Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Neufeststellung des GdB über die bereits vorgenommene Feststellung eines GdB von 50 hinaus noch einen solchen auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr", also die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind daher rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten.

Gegenstand der Klage ist zunächst ein Anspruch auf Neufeststellung des GdB mit mindestens 70 ab 5. März 2012 aufgrund einer geltend gemachten Verschlimmerung desjenigen Gesundheitszustandes, der dem Bescheid vom 16. Februar 2010 zugrunde lag. Diesem Anspruch steht der Bescheid vom 26. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2012 entgegen.

Grundlage für die beanspruchte teilweise Aufhebung des Bescheides vom 16. Februar 2010 mit Wirkung ab 5. März 2012 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, das sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt (teilweise) aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4). Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34; vgl. auch BSG, Urteil vom 12. November 1996 - 9 RVs 5/95 -, BSGE 79, 223 (225) zum selben Beurteilungszeitpunkt bei der isolierten Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung).

Bei dem Bescheid vom 16. Februar 2010 über die Feststellung des GdB mit 50, der noch während des Verfahrens S 7 SB 144/08 beim SG Wiesbaden erlassen wurde und den Kläger dort, da nicht mehr beschwert, klaglos stellte, handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieses Bescheides vorlagen, ist zwar eine Änderung eingetreten. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich noch keine zervikale Spinalkanalstenose objektivieren lassen. So hatte sich bei der neurologischen Untersuchung durch Dr. G. Ende Mai 2009 zwar elektrophysiologisch ein Hinweis auf eine auch im MRT nachweisbare zervikale Spinalkanalstenose gefunden. Ein hiermit korrelierender klinisch pathologischer Befund konnte allerdings nicht sicher erhoben werden. Die gesicherte Diagnose einer Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6 wurde erstmals im Januar 2011 durch Dr. H. gestellt, der insoweit den Diagnoseschlüssel "M48.0" nach ICD-10 anführte. Die damit einhergehende Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist ob der bereits erheblichen Vorschädigung im Bereich der Halswirbelsäule und den schon zuvor aufgetretenen Funktionsstörungen hingegen nicht wesentlich. Sämtliche behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen rechtfertigen auch über den 4. März 2012 hinaus allenfalls einen Gesamt-GdB von 50. Ein höherer als dieser vom Beklagten mit Bescheid vom 16. Februar 2010 festgestellte GdB ist nicht begründbar.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Danach stellen auf An-trag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellten und fortentwickelten Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig ihrer Ursache, also final, bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regel-mäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 Buchst. c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 Buchst. e). Liegen - wie im Falle des Klägers - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermitteln-den, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer (unbenannten) Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers ab 5. März 2012 keinen höheren als den bereits mit Bescheid vom 16. Februar 2010 festgestellten GdB von 50 begründen.

Das Funktionssystem "Rumpf" hat einen Teil-GdB von 40 zur Folge.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 haben Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Nach diesen Maßstäben sind die dieses Funktionssystem betreffenden Funktionseinschränkungen aktuell, wie im Übrigen auch bereits vor Erlass des Bescheides vom 16. Februar 2010, mit einem Teil-GdB von 40 ausreichend bewertet. Im Bereich der Halswirbelsäule sind allenfalls mittelgradige funktionelle Auswirkungen nachgewiesen, die von intermittierenden Störungen bei vorhandener Spinalkanalstenose begleitet werden. Nach den Ausführungen von U. Z. in ihrem im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten nach einer Untersuchung des Klägers im Juni 2012, einschließlich ihrer hierzu vorgenommenen ergänzenden Stellungnahme, bei der das Ergebnis der neurologisch-psychiatrischen Zusatzbegutachtung durch Dr. E. berücksichtigt worden ist, leidet der Kläger an einem Halswirbelsäulensyndrom mit gar nur leichten funktionellen Einschränkungen ohne aktive Wurzelreizerscheinungen bei röntgenologisch nachgewiesener Spinalkanalstenose im Bereich C 5/6 mit Myelopathiezeichen (ICD-10 M54.2/M48.0). Klinisch schwere, manifeste Myelopathiezeichen mit Gangataxie oder Koordinationsstörungen konnte auch Dr. V. bei seiner Untersuchung im Juli 2013 ausweislich seines im Rentenverfahren beim SG Karlsruhe (Az. S 5 R 3912/12) im Rahmen von § 109 SGG erstatteten Gutachtens, welches als Sachverständigenbeweis verwertet worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411a Zivilprozessordnung - ZPO), nicht feststellen. Nach dem ebenfalls als solches Beweismittel verwerteten Gutachten von Dr. J. hat sich noch eine diskrete Fehlstatik der Wirbelsäule, also eine leichte Verformung, objektivieren lassen. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule hat er als endgradig eingeschränkt festgestellt, wobei der Kläger Schmerzen angegeben habe. Weitergehende funktionelle Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule beschreiben aus orthopädischer, chirurgischer und neurologischer Sicht hingegen weder die den Kläger behandelnden Ärzte Dr. F. und Dr. R. noch U. Z., Dr. E., Dr. J., Dr. V., Dr. Sch., Dr. K. und Dr. N. in ihren jeweiligen Gutachten. Mangels Wurzelkompressionen mit motorischen Ausfallerscheinungen und fehlenden Auswirkungen auf innere Organe haben die danach bestehenden mittelgradigen funktionellen Auswirkungen, einschließlich der intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose, welche zusätzlich zu berücksichtigen sind, im Bereich der Halswirbelsäule einen GdB von 30 zur Folge.

Im Bereich der Lendenwirbelsäule liegt, wie dies bereits U. Z. bei ihrer Untersuchung im Juni 2012 festgestellt hat, ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit leichten funktionellen Einschränkungen bei röntgenologisch nachweisbaren degenerativen Veränderungen ohne Wurzelreizung vor. Auch Dr. J. hat festgestellt, dass das MRT der Lendenwirbelsäule zwar Bandscheibenvorwölbungen zeigt, allerdings ohne auffällige Nervenwurzelkompression. Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ist, wie im Übrigen auch diejenige der Brustwirbelsäule, in allen Ebenen altersentsprechend frei gewesen, bei regelrechter Entfaltung der Dornfortsätze. Die von Dr. F. darüber hinaus im Befundbericht über eine Untersuchung Anfang Februar 2012 ohne Diagnoseschlüssel angeführte Spinalstenose in diesem Wirbelsäulenabschnitt ist hingegen bei keiner der Begutachtungen objektiviert worden. Hierauf weist Dr. J. ausdrücklich hin. Dr. N., dessen Ausführungen nach der Ablehnung des gegen ihn gerichteten Befangenheitsgesuchs durch das SG Karlsruhe als Sachverständigenbeweis herangezogen werden können, bewertet die leichtgradigen Funktionseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule wegen der Lumboischialgie daher nachvollziehbar mit einem GdB von 10. Dieser ist vorliegend nicht geeignet, den Teil-GdB für das Funktionssystem "Rumpf" zu erhöhen.

Wegen der insbesondere von U. Z., Dr. E., Dr. Sch. und Dr. N. diagnostizierten chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41), welche wegen der vorrangig von der Halswirbelsäule ausgehenden Schmerzsymptomatik dem Funktionssystem "Rumpf" zuzuordnen ist, derentwegen nach den Ausführungen von Dr. N. eine medikamentöse Schmerztherapie mit dem mittelpotenten Opiat-Agonisten Palexia und dem neuropathisch wirksamen Medikament Gabapentin wahrgenommen wird, ist dann zwar wegen eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms eine weitere Erhöhung des Teil-GdB auf 40 angemessen, aber auch ausreichend; zumal der Kläger noch über ein ungestörtes Sexualleben verfügt, eine depressive Stimmung von ihm selbst negiert wird und er noch in der Lage ist, regelmäßig, zwei- bis dreimal je Woche, an Zusammenkünften der Zeugen Jehovas teilzunehmen sowie einmal im Monat kurdische Asylsuchende zu unterstützen, was der Senat dem Gutachten von Dr. E. entnimmt und bei einer stärker schmerzbedingten Einschränkung schlechterdings nicht vorstellbar wäre.

Hinsichtlich des Funktionssystems "Atmung" liegen Funktionseinschränkungen vor, die einen Teil-GdB von 20 rechtfertigen. Nach den VG, Teil B, Nr. 7.7 sind Schluckstörungen ohne wesentliche Behinderung der Nahrungsaufnahme je nach Beschwerden mit einem GdB zwischen 0 und 10 zu bewerten. Solche mit erheblicher Behinderung der Nahrungsaufnahme je nach Auswirkung (Einschränkung der Kostform, verlängerte Essdauer) eröffnen einen GdB-Rahmen zwischen 20 und 40. Die sachverständige Zeugin Dr. Sp., die den Kläger zwischen April 2011 und Oktober 2012 mehrfach HNO-ärztlich untersuchte, hat die Schluckstörung als mit einer Einschränkung der Kostaufnahme verbunden beschrieben, die sie als schwerwiegend einordnet. Die Halsschmerzen hat sie demgegenüber unter Bezugnahme auf den behandelnden Orthopäden des Klägers den Veränderungen der Wirbelsäule zugeordnet. Die von Dr. Sp. auf die Schluckstörung zurückgeführte Begleiterscheinung lässt ihre Einschätzung des GdB mit 20 plausibel erscheinen, weshalb der Senat davon überzeugt ist, dass die Funktionsbehinderungen am unteren Ende des GdB-Rahmens zwischen 20 und 40 angemessen, aber auch ausreichend bewertet sind.

Das Funktionssystem "Arme" ist mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend berücksichtigt. Die Beschweren im Bereich der linken Schulter, die von Dr. F. nach dem Befundbericht über eine Untersuchung des Klägers im Februar 2012 ohne Diagnoseschlüssel einer Tendinose und einer Achillessehnen-Tendinitis zugeordnet worden sind, führen nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. J. lediglich zu einer endgradigen Bewegungseinschränkung. Auch die vom Sachverständigen Dr. V. für die Beweglichkeit der Schultergelenke gemessenen Werte nach der Neutral-0-Methode (seitwärts/körperwärts 90-0-10° rechts und 100-0-20° links, Arm rückwärts/vorwärts 35-0-105° rechts und 50-0-90° links, Arm auswärts/einwärts drehen (Oberarm anliegend) 60-0-45° rechts und 60-0-55° links sowie Arm auswärts/einwärts drehen (Oberarm 90° seitwärts abgehoben) 70/0/45° beidseitig) dokumentieren allenfalls endgradige Bewegungseinschränkungen, wenn auch nunmehr zusätzlich rechts. Ein höherer GdB als 10 ist dafür allerdings nach den VG, Teil B, Nr. 18.13 nicht vorgesehen.

Im Bereich der Langfinger-Mittelgelenke 3 und 4 rechts sowie 2 und 3 links bestehen zwar ebenfalls endgradige Streckdefizite, wie Dr. J. festgestellt hat. Zudem hat dieser eine diskrete Dypuytren´sche Kontraktur beider Hohlhände objektiviert. Bei von ihm zudem beschriebenen freier Handgelenksbeweglichkeit ist unter Berücksichtigung der VG, Teil B, Nr. 18.13 eine Erhöhung des GdB von 10 für dieses Funktionssystem dadurch noch nicht gerechtfertigt. Die vom Sachverständigen Dr. K. objektivierte Fingergelenksarthrose führt nicht zu einem GdB im messbaren Bereich, wie dieser überzeugend annimmt. Gleiches gilt nach Überzeugung des Senats für das von Dr. N. diagnostizierte Karpaltunnelsyndrom links.

Das Funktionssystem "Ohr" ist mit keinem höheren Teil-GdB als 10 zu bewerten. Die Einschätzung eines GdB von 15 durch die sachverständige Zeugin Dr. Sp. fußt darauf, dass sich nach dem von ihr erstellten Tonaudiogramm von September 2012 eine beidseitige geringgradige Schwerhörigkeit hat ermitteln lassen. Hingegen ergibt die korrekte Auswertung dieses Tonaudiogramms unter Berücksichtigung der 4-Frequenztabelle nach Röser 1973 (VG, Teil B, Nr. 5.2.2) für das rechte Ohr immer noch eine Normalhörigkeit (2+5+7+5=19), was nach den VG, Teil B, Nr. 5.2.4 hinsichtlich der Hörstörung immer noch einen GdB von 0 zur Folge hat. Dr. N. hat zwar noch einen Tinnitus diagnostiziert. Dieser führt nach seinen überzeugenden Ausführungen hingegen zu keinen wesentlichen Einschränkungen bei der Alltagsbewältigung, insbesondere bei der Kommunikation. Mangels fehlender relevanter Begleiterscheinungen ist daher nach den VG, Teil B, Nr. 5.3 ein maximaler GdB von 10 vorgesehen. Ein solcher kann deshalb vorliegend für das Funktionssystem "Ohr" nicht überschritten werden.

Auch sonst sind keine mit einem höheren GdB als 10 zu bewertende Gesundheitsstörungen nachgewiesen, die überhaupt geeignet wären, den Gesamt-GdB zu erhöhen. Dies gilt insbesondere für die vom Kläger im Antragsformular angegebene chronische Kopfschmerzproblematik, die U. Z. als episodischen Spannungskopfschmerz diagnostiziert hat. Eine mittelgradige Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend), wie sie bei der echten Migräne einen GdB-Rahmen von 20 bis 40 eröffnet (VG, Teil B, Nr. 2.3) wird in keinem der medizinischen Befundunterlagen beschrieben. Der von U. Z. geäußerte Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung hat sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. nicht bestätigt. Bei den Angaben des Klägers in Form von Stimmungsschwankungen handelt es sich um Befindlichkeitsstörungen ohne Krankheitswert. Neben der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren haben sich keine Hinweise auf eine komorbide anderweitige psychische Störung ergeben.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (vgl. VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, wie vorliegend für das Funktionssystem "Arme", nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, ist der Teil-GdB von 40 für das Funktionssystem "Rumpf" wegen des Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem "Atmung" auf 50 zu erhöhen. Einen solchen Gesamt-GdB halten aus orthopädischer, chirurgischer und neurologischer Sicht nicht nur sämtliche Sachverständige, sondern auch die ärztlichen Personen, welche den Kläger behandelt haben und die vom SG Karlsruhe als sachverständige Zeugen gehört worden sind, für ausreichend.

Gegenstand der Klage ist zudem ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr", also die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Auch diesem Anspruch steht der Bescheid vom 26. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2012 entgegen

Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach den Vorschriften des SGB IX, zuletzt geändert durch Art. 1a des am 15. Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7. Januar 2015 (BGBl II S. 15).

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Fest-stellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX) und stellen auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).

Zu diesen Merkmalen gehört die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Menschen mit Schwerbehinderung, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmerinnen oder Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).

Der seit 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 im Interesse einer gleich-mäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP getretenen Anlage zu § 2 VersMedV lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleiches entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für den nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleich "G" unwirksam, da es insoweit zum Erlasszeitpunkt an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung gefehlt hat. Eine solche Ermächtigung hat sich weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30. Juni 2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 1. Juli 2011 noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX gefunden (Urteile des Senats vom 9. Juni 2011 - L 6 SB 6140/09 -, juris und vom 4. November 2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 9. Mai 2011 - L 8 SB 2294/10 - und vom 14. August 2009 - L 8 SB 1691/08 -, jeweils juris, sowie vom 24. September 2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4).

Diesen Mangel hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 7. Januar 2015 beseitigt und mit § 70 Abs. 2 SGB IX eine neue Verordnungsermächtigung unmittelbar im SGB IX eingefügt. Danach wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend und nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Da die VersMedV vom 10. Dezember 2008 einschließlich ihrer Anlage zu § 2 VersMedV nicht auf der Grundlage dieser erst seit 15. Januar 2015 gültigen Verordnungsermächtigung erlassen worden ist, ist nach wie vor deren Anwendung hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Merkzeichens "G" nicht möglich. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch den ebenfalls mit Gesetz vom 7. Januar 2015 neu eingefügten § 159 Abs. 7 SGB IX Rechnung getragen. Danach gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierdurch konnte zwar nicht die bezüglich der in den VG enthaltenen Regelungen zu den Merk-zeichen "G", "B", "aG" und "Gl" teilunwirksame VersMedV neu erlassen oder als Verordnung für anwendbar erklärt werden, da es insoweit schon an der Zuständigkeit des Gesetzgebers hin-sichtlich einer vom BMAS zu erlassenden Verordnung fehlt. Mit noch hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut (vgl. zum rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 3. September 2014 - 1 BvR 3353/13 -, juris) hat der Gesetzgeber jedoch mit der in § 159 Abs. 7 SGB IX getroffenen Regelung zum Ausdruck gebracht, dass er sich den insoweit maßgeblichen Verordnungstext in der Anlage zu § 2 VersMedV, mithin die unter VG, Teil D, Nrn. 1 bis 4 getroffenen Bestimmungen, zu eigen macht und bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX insoweit die VG Gesetzescharakter haben (vgl. BT-Drucks 18/3190, S. 5).

Bei der Prüfung der Frage, ob die in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Voraussetzungen vorliegen, ist nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein, also altersunabhängig von Menschen ohne Behinderung, noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. b). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, etwa bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, etwa chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. d). Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (VG, Teil D, Nr. 1 Buchst. f).

Nach diesen Maßstäben leidet der Kläger nicht an einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Weder liegen bei ihm auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen oder der Lendenwirbelsäule vor, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen, noch sind Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 eingetreten, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Auch sind bei ihm wesentlich einschränkende innere Leiden oder Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht vorhanden.

Die nachgewiesenen Gesundheitsstörungen des Bewegungsapparates schränken die Gehfähigkeit des Klägers zudem nicht erheblich ein. Der Kläger ist in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, also Strecken von etwa zwei Kilometern in etwa einer halben Stunde. Hierfür stützt sich das Gericht auf die nachvollziehbare Bewertung durch den Sachverständigen Dr. K ... Nach seinen Ausführungen haben sich bei seiner Untersuchung im April 2014 keinerlei objektivierbaren Befunde erheben lassen, welche eine erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit stützen. Die Berufung hat der Kläger zwar damit begründet, dass seine Gehfähigkeit eingeschränkt sei, weshalb er sich nach etwa zehn Minuten Gehzeit hinsetzen müsse. Die Übertreibung körperlicher Symptome durch den Kläger hat indes Dr. V. anschaulich beschrieben. Über die von ihm durchgeführte Untersuchung im Juli 2013 hat dieser berichtet, dass der Kläger zur Anmeldung 62 Treppenstufen vom zweiten Stock bis zum Untergeschoß mühelos bewältigen konnte. Zum Teil hatte der Kläger ohne Zuhilfenahme des Geländers sowohl die Treppen hinab- als auch hinaufsteigen können. Nach der Untersuchung wurde der Treppenaufstieg etwas verlangsamt vorgenommen. Vom Kläger wurde vermehrt das Treppengeländer beziehungsweise die Wand zu Hilfe genommen. Es fiel auf, dass der Kläger gehäuft ein- und ausatmete, jedoch ohne Dyspnoe oder vegetative Erschöpfungssymptomatik. Bei Dr. V. zeigte sich deutlich, dass der Kläger zur Aggravation neigt. So ist dem Kläger während des Abstreifens des T-Shirts im Untersuchungszimmer die Brille zu Boden gefallen, die er anschließend mühelos aufheben konnte. Ferner wurde der Kläger aufgefordert, aus dem Sitzen mit der Fußspitze die Ecken eines gleichschenkligen Dreiecks mit einer Schenkellänge von 30 cm schnellstmöglich abzufahren. In zehn Sekunden hatte er das Dreieck mit dem rechten Fuß dreimal nachgezeichnet, links sogar viermal. Die Bewegungen wurden zielgerichtet und koordiniert vorgenommen. Die Einschätzung, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht vorliegen, teilen insbesondere der Sachverständige Dr. N. und der sachverständigen Zeuge Dr. F ... Auch nach den aus dem Rentenverfahren des SG Karlsruhe beigezogenen Gutachten haben sich keine Befunde objektivieren lassen, die es dem Kläger nicht ermöglichte, viermal am Tag Wegstrecken von 500 m in einer Zeit von jeweils unter 20 min zurückzulegen. Dies korrespondiert mit dem Befund über die ganztägige ambulante Rehabilitationsmaßnahme im Januar 2011, wo über einen normalen Gang bei "Demonstration" von Unsicherheit beim Zehen- und Hackengang sowie Einbeinstand berichtet wurde. Ein Hinweis auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr hat sich folglich auch daraus nicht ergeben.

Nach diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts die vorliegend maßgebliche Gesetzesänderung ab ihrem Inkrafttreten mit Wirkung zum 15. Januar 2015 auch die bereits davor bestehenden Rechtsverhältnisse den neuen Regeln unterwerfen will (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 2 U 12/03 R -, SozR 4-2700 § 70 Nr. 1, juris, Rz. 22 m. w. N.), also vorliegend bereits ab Antragstellung am 5. März 2012. Denn die nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" einzig geforderte Einschränkung des Gehvermögens (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, SozR 4-3250 § 146 Nr. 1, Rz. 12) ist, wie dargelegt, nicht nachgewiesen.

Der auf die Einholung eines angesiologischen Gutachtens bei N. M. nach § 109 SGG gestellte Hilfsantrag des Klägers war abzulehnen, da er verbraucht ist. Denn das Antragsrecht nach dieser Norm, welches bereits erstinstanzlich durch Einholung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachtens bei Dr. K. und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei Dr. N. ausgeübt worden ist, steht grundsätzlich nur einmal in beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung (Senatsurteil vom 24. Oktober 2013 - L 6 SB 5267/11 -, juris, Rz. 34 m. w. N.). Es entspricht dem Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG, Urteil vom 15. April 1991 - 5 RJ 32/90 -, juris, Rz. 16; Kolmetz, SGb 2004, S. 83 (86)). Außerdem ist § 109 SGG als Ausnahmevorschrift zu der Regelung des § 103 Satz 2 SGG, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht, eng auszulegen (BSG, Beschluss vom 17. März 2010 - B 3 P 33/09 B -, juris, Rz. 12). Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich daher, auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteile vom 26. Januar 1970 - 7/2 RU 64/69 -, SozR Nr. 37 zu § 109 SGG; vom 6. Mai 1958 - 10 RV 813/56 - SozR Nr. 18 zu § 109 SGG und vom 29. November 1957 - 2 RU 241/56 -, SozR Nr. 14 zu § 109 SGG), nur bei Vorliegen besonderer Umstände. Solche sind zwar in der Literatur anerkannt, wenn für einzelne Gesundheitsstörungen mehrere Facharztgruppen zuständig sind und ein Spezialist auf einem Fachgebiet gehört werden soll, dem die zuerst gehörte sachverständige Person nicht angehört (Senatsurteil vom 24. Oktober 2013, a. a. O., m. w. N.). Dies kann bei eng verwandten Fachgebieten wiederum Einschränkungen unterliegen (vgl. Roller, in Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl. 2012, § 109 Rz. 10). Solche besonderen Umstände sind vorliegend indes nicht gegeben. Soweit der Kläger beanstandet, Dr. K. und Dr. N. hätten es unterlassen, eine quantitative sensorische Testung vorzunehmen, die der Erfassung von Symptomen diene, die auf spezifische neurobiologische Mechanismen von chronischem Schmerz hinwiesen, welche nun N. M. durchführen soll, so ist dies nicht entscheidungserheblich. Für die Bewertung des GdB und der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" kommt es vorliegend allein darauf an, dass beim Kläger behinderungsbedingte Funktionseinschränkungen vorliegen, unabhängig davon welche Symptomatik ihnen zugrunde liegt. Derartige weitere Beeinträchtigungen wären bereits durch den Neurologen Dr. N. festzustellen gewesen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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