Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 2 AL 1550/98
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 53/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 106/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage wann der Inhalt des Bewerbungsschreibens eines Arbeitslosen einer Nichtbewerbung gleichgestellt werden kann.
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 7. Februar 2002 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Eintritts einer Sperrzeit vom 5. Juni bis 27. August 1997 und die damit verbundene Aufhebung der Arbeitslosenhilfe (Alhi) für diesen Zeitraum.
Die Beklagte bot dem Kläger, der im Bezug von Alhi stand, am 15. Mai 1997 eine Beschäftigung als Reisender bzw Vertreter bei der Firma WE:GE GmbH an und forderte ihn auf, sich dort umgehend schriftlich zu bewerben. Das Unternehmen teilte der Beklagten am 27. Mai 1997 mit, der Kläger habe sich weder persönlich vorgestellt noch telefonisch gemeldet oder schriftlich beworben. Im Rahmen einer Vorsprache bei der Beklagten erklärte der Kläger am 4. Juni 1997 auf Befragen, er habe sich schriftlich beworben, spätestens am 18. Mai 1997. Eine Antwort der Arbeitgeberin stehe noch aus. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlung von Alhi mit Ablauf des 4. Juni 1997 ein. Mit Bescheid vom 26. Juni 1997 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 5. Juni bis 27. August 1997 fest und hob die Bewilligung von Alhi für diesen Zeitraum gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen das Zustandekommen eines vom Arbeitsamt vermittelten Beschäftigungsverhältnisses mit der WE:GE dadurch vereitelt, dass er sich nicht vorgestellt habe.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei lediglich aufgefordert worden, sich schriftlich zu bewerben. Dies habe er am 17. Mai 1997 auch getan. Auf seine schriftliche Bewerbung habe er von der Firma WE:GE keine Nachricht erhalten. Eine Bekannte habe seinerzeit sein Bewerbungsschreiben auf mögliche Rechtschreibfehler durchgesehen. Eine andere Bekannte habe es aus Gefälligkeit auf ihrem Weg zum Postamt mitgenommen und in einen Briefkasten der Hauptpost in B. geworfen. Sollte seine Bewerbung auf dem Postweg abhanden gekommen sein, so sei er dafür nicht verantwortlich. Er legte eine Kopie seines Bewerbungsschreibens vom 17. Mai 1997 vor, das wie folgt lautete:
"Hiermit möchte ich mich für die o.g. Position bewerben.
Die beschriebene Aufgabe interessiert mich trotz fehlender Branchenkenntnisse sehr, und ich glaube, die entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen, wie Sie aus meinen beigefügten Bewerbungsunterlagen ersehen können.
Leider bin ich seit dem Oktober 1989 arbeitslos. Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn für diese Tätigkeit die lange Zeit der Arbeitslosigkeit und mein Alter von 55 Jahre jung, nicht als negativ angesehen werden. Verfügbar wäre ich sofort.
Sie können von mir u.a. erwarten: Flexibilität, Belastbarkeit, Leistungs- und Lernfähigkeit sowie teamorientiertes Denken und Handeln, ein gepflegtes Äußeres und Freude am Umgang mit Menschen und den Willen zum Arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen"
Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 29. September 1998). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. In seinem Urteil vom 7. April 2000 hat es ausgeführt, der Kläger habe die ihm angebotene Arbeit nicht angenommen. Dabei könne es dahinstehen, ob er das in Kopie vorgelegte Bewerbungsschreiben abgesandt oder ob er sich mit dem Arbeitgeber überhaupt nicht in Verbindung gesetzt habe. Denn auch wenn man zu seinen Gunsten eine Absendung unterstelle, liege eine Vereitelung des Zustandekommens des Arbeitsverhältnisses vor, weil er den Brief so abgefasst habe, dass ein potenzieller Arbeitgeber von vornherein abgeschreckt worden wäre. Der Kläger weise sogleich in den ersten Absätzen seines Schreibens nur auf negative Aspekte in seiner Person (fehlende Branchenkenntnisse, lange Arbeitslosigkeit, hohes Lebensalter) hin, was völlig unüblich sei. Hinzu komme, dass die Angaben bezüglich der Dauer seiner Arbeitslosigkeit unzutreffend gewesen seien, weil der Kläger erst seit April 1993 arbeitslos gewesen sei und mithin seine Arbeitslosigkeit nicht seit acht, sondern seit vier Jahren bestanden habe. Auf Grund des persönlichen Eindrucks des Klägers sei die Kammer davon überzeugt, dass diesem die Wirkung seines Bewerbungsschreibens auch bewusst gewesen sei.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 7. Februar 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Alhi habe wegen des Eintritts einer Sperrzeit von zwölf Wochen geruht, da der Kläger trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die ihm von der Beklagten angebotene Beschäftigung bei der Firma WE:GE ohne wichtigen Grund nicht angenommen habe. Insbesondere sei die Sperrzeit unabhängig davon eingetreten, ob der Kläger sein Bewerbungsschreiben tatsächlich abgesandt habe. Habe er es nicht abgesandt, so liege in diesem Verhalten allein schon die Ablehnung der Beschäftigung. Habe er es abgesandt, so gelte - auch wenn es seinen Adressaten nicht erreicht habe - wegen seines Inhalts nichts anderes. Mit dem SG sei der Senat der Auffassung, dass in dem Bewerbungsschreiben der Wille des Klägers zum Ausdruck komme, die angebotene Beschäftigung nicht anzunehmen. Auch die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben gegenüber einem potenziellen Arbeitgeber verpflichte einen Bewerber nicht dazu, unvorteilhafte, möglicherweise gegen seine Einstellung sprechende Gesichtspunkte schon in der schriftlichen Bewerbung anzuführen. Es sei vielmehr angemessen und üblich, sich im Bewerbungsschreiben auf die Darstellung tatsächlich vorhandener positiver Gesichtspunkte zu beschränken und auf diese Weise für sich zu "werben". Der Senat sei überzeugt, dass dies dem Kläger bekannt sei und dass der ungewöhnliche und unangemessene Inhalt seines Bewerbungsschreibens nicht auf dessen Unwissenheit oder Unerfahrenheit zurückgeführt werden könne. Vielmehr sei bemerkenswert, dass der Kläger an anderer Stelle in seinem Bewerbungsschreiben die von ihm betonte Wahrheitspflicht Zweckmäßigkeitserwägungen untergeordnet habe. So habe er zur Rechtfertigung seiner unzutreffenden Angaben über die Dauer seiner Arbeitslosigkeit - er sei nicht durchgehend seit Oktober 1989, sondern vielmehr nach einer freiberuflichen Erwerbstätigkeit von April bis September 1992 und einer anschließenden Beschäftigung als Verkäufer im Außendienst erst seit dem 1. April 1993 arbeitslos - ausgeführt, es würde nicht gut ausgesehen haben, dass er innerhalb eines Jahres zwei Jobs gehabt hätte. Anders als das SG sei der Senat allerdings nicht der Auffassung, dass der Kläger durch dieses Bewerbungsschreiben das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit der Firma WE:GE vereitelt habe. Ein Tatbestand der Vereitelung sei nur dann gegeben, wenn der Arbeitslose das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses gezielt (aktiv) vereitele, er also arglistig die Rücknahme des Arbeitsangebots tatsächlich bewirke und dies mit Wissen und Wollen geschehe. Eine Vereitelung in diesem Sinn liege hier nicht vor, denn die den Willen zur Ablehnung der Beschäftigung verkörpernde Bewerbung habe den Arbeitgeber nicht erreicht. Ursächlich für das Scheitern des Vermittlungsvorschlags sei nicht das Bewerbungsschreiben des Klägers, sondern gerade die Tatsache, dass es den Adressaten nicht erreicht habe. Gleichwohl habe der Kläger mit der Absendung des Bewerbungsschreibens und der darin liegenden Äußerung seines Ablehnungswillens Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben, denn er habe damit die von der Beklagten angebotene Beschäftigung nicht angenommen. Sein Verhalten stehe dem des Arbeitslosen gleich, der sich überhaupt nicht bewerbe. Die Absendung einer erkennbar nicht ernst gemeinten Bewerbung - zugespitzt formuliert: einer Nichtbewerbung - verkörpere denselben Willen wie das bewusste Unterlassen einer Bewerbung und könne deshalb, was den Eintritt einer Sperrzeit angehe, auch keine anderen rechtlichen Konsequenzen haben.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung des § 119 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Das LSG begründe das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift damit, dass sich aus seinem Bewerbungsschreiben ein Ablehnungswille ergeben habe. Dieser Ablehnungswille sei Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit, weil er damit die von der Beklagten angebotene Beschäftigung nicht angenommen habe. Hiermit werde der klare Wortlaut der Vorschrift des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG missachtet. Von einer Nichtannahme eines Arbeitsangebots könne nur dann ausgegangen werden, wenn die Eingehung eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses abgelehnt worden sei. Die Ablehnung sei eine Erklärung, die sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen könne. Diese Erklärung bedürfe aber eines Adressaten, wobei dieser das Arbeitsamt oder der potenzielle Arbeitgeber sein könne. Dem potenziellen Arbeitgeber gegenüber habe er aber eine Erklärung nicht abgegeben, weil sein Schreiben den Arbeitgeber nicht erreicht habe. Der Beklagten gegenüber habe er ebenfalls keine entsprechende Erklärung abgegeben. Dafür, dass das Bewerbungsschreiben bei dem potenziellen Arbeitgeber nicht angekommen sei, sei ihm - dem Kläger - kein Vorwurf gemacht worden. Insoweit könne darin auch keine konkludente Nichtannahmeerklärung gesehen werden. Da sein Bewerbungsschreiben nicht angekommen sei, habe er auch keine Erklärung abgegeben und damit fehle es am Tatbestand der Nichtannahme einer angebotenen Arbeit iS des § 119 Abs 1 Nr 2 AFG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 7. Februar 2002 und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. April 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das LSG sei in seinem Urteil völlig zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger allein mit der Absendung seines Bewerbungsschreibens und der darin liegenden Äußerung seines Ablehnungswillens die ihm angebotene Beschäftigung nicht angenommen habe (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Dieses Verhalten stehe letztlich dem eines Arbeitslosen gleich, der sich überhaupt nicht bewerbe.
II
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz) begründet. Entgegen der Rechtsansicht des LSG kann das Bewerbungsschreiben des Klägers einer unterbliebenen Bewerbung nicht gleichgestellt werden. Von daher hätte das LSG nicht offen lassen dürfen, ob der Kläger das Schreiben tatsächlich abgesandt hat. Nur wenn er das Schreiben nicht abgesandt hat, kann eine Sperrzeit gemäß § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG eingetreten sein.
Ob für den streitigen Zeitraum eine Sperrzeit eingetreten ist, beurteilt sich nach §§ 119, 119a AFG (idF, die § 119 durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997, BGBl I 594, und idF, die § 119a durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1994 vom 26. Juli 1994, BGBl I 1786, erhalten hat). Danach tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ua dann ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG).
Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG vorliegt. Nichtannahme einer (ordnungsgemäß) angebotenen Beschäftigung bedeutet die Ablehnung, die angebotene Beschäftigung einzugehen. Diese Ablehnung kann sowohl gegenüber dem Arbeitsamt als auch gegenüber dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht werden, und zwar ausdrücklich oder konkludent (vgl hierzu BSG, Urteil vom 20. März 1980 - 7 RAr 4/79 -, DBlR Nr 2530 zu § 119 AFG). Das LSG hat hierzu festgestellt, dass das Bewerbungsschreiben den Arbeitgeber nicht erreicht hat. Ob der Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG schon deshalb nicht vorliegt, weil kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Arbeitslosen und der Verlängerung der Dauer der Arbeitslosigkeit gegeben ist (so wohl die bisherige Rechtsprechung des BSG, vgl hierzu BSGE 49, 197, 200 = SozR 4100 § 119 Nr 11; Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 12 RdNr 319 f; Henke in Hennig, SGB III, Stand August 2003, § 144 SGB III RdNr 206 ff; Winkler in Gagel, SGB III, Stand März 2001, RdNr 153 zu § 144 SGB III; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 144 RdNr 118 ff, Stand VI/03), kann offen bleiben. An der danach gebotenen kausalen Verknüpfung zwischen dem Verhalten des Klägers und der Verlängerung der Arbeitslosigkeit fehlt es hier schon deshalb, weil sein Schreiben - was auch das LSG festgestellt hat - keinen Adressaten erreichte. Es konnte mithin nicht ursächlich werden für ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen eines Arbeitgebers oder des Arbeitsamts, das dann seinerseits zu einer Verlängerung der Arbeitslosigkeit geführt hätte.
Der Auffassung des LSG, auf Grund des besonderen Inhalts des Bewerbungsschreibens könne dieses einer Arbeitsablehnung gleichgestellt werden, ohne dass es auf das Erfordernis einer naturwissenschaftlichen Kausalität im Sinne tatsächlicher Geschehensabläufe ankäme, ist im Ergebnis nicht beizupflichten. Das LSG geht davon aus, dass das Bewerbungsschreiben des Klägers so eindeutig negativ abgefasst war, dass es, obwohl es seinen Adressaten nicht erreicht hat, einer Nichtbewerbung im Sinne eines Nichtabsendens des Schreibens gleichgestellt werden kann. Dies lässt sich allenfalls mit der Überlegung rechtfertigen, dass den Arbeitslosen die Obliegenheit trifft, jede zumutbare Maßnahme zu ergreifen, um die Arbeitslosigkeit so schnell wie möglich zu beenden (grundlegend BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 14; kritisch hierzu Eicher in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 1 RdNr 39). Diese Obliegenheit könnte auch durch das Abfassen und Absenden eines Bewerbungsschreibens verletzt werden, aus dem die fehlende Eignung des Arbeitslosen für die angebotene Beschäftigung aus der Sicht eines objektiven Empfängers zu entnehmen ist, ohne dass für eine derartige Darstellung ein sachlicher Grund besteht. Der Senat lässt offen, ob diesem Gedanken beizutreten ist (vgl zu den Obliegenheitsverletzungen im Sperrzeitenrecht zuletzt auch das Urteil des Senats vom 27. Mai 2003 - B 7 AL 4/02 R -, SozR 4-4300 § 144 Nr 3 mwN). Der vom LSG hervorgehobene Gesichtspunkt kann jedenfalls nur dann eingreifen, wenn Inhalt und Form des Bewerbungsschreibens bzw das konkludente Verhalten des Klägers tatsächlich wie eine "Nichtbewerbung" zu bewerten wären, was hier nicht zutrifft.
Der Senat ist dabei hinsichtlich der rechtlichen Bewertung des Bewerbungsschreibens des Klägers nicht an die Auslegung bzw Bewertung des LSG gebunden. Insofern handelt es sich nicht um die Feststellung des tatsächlichen Inhalts einer Willenserklärung (vgl hierzu BSGE 77, 48 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9; Urteil des Senats vom 4. September 2001 - B 7 AL 64/00 R - DBlR Nr 4724 zu § 128 AFG), sondern um die Rechtsfrage, inwieweit in dem Schreiben des Klägers ein Vereiteln iS des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG zu sehen ist. Zwar ist dem LSG zuzugeben, dass der Kläger gewisse negative Elemente seines bisherigen Lebenslaufs in den Vordergrund gerückt hat. Auch hatte er die Dauer seiner bisherigen Arbeitslosigkeit in wohl unzutreffender Weise dargestellt. Andererseits hat er für die Nichtangabe seiner zwei Zwischenbeschäftigungen im Jahre 1993 nachvollziehbare Gründe angegeben, da es auch nicht unbedingt für einen Bewerber spricht, wenn er binnen Jahresfrist zwei Beschäftigungen aufgeben musste. Dem Schreiben kann - trotz eines leicht ironischen Untertons (55 Jahre jung etc) - insgesamt nicht eine so eindeutige Tendenz entnommen werden, wie sie das LSG unterstellt. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Arbeitgeber auf Grund dieses Bewerbungsschreibens allein wegen seines objektiven Inhalts eine Bewerbung von vornherein als unbeachtlich oder offensichtlich unernst gemeint behandelt hätte. Das Schreiben enthält insgesamt keinen Gesichtspunkt oder Inhalt, der so abschreckend oder widersprüchlich wäre, dass der Bewerber schon allein wegen des Schreibens aus der Auswahl für den Arbeitgeber ausscheiden müsste. Es kann dem Arbeitslosen nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich auf eine weitgehend wahrheitsgemäße Darstellung seiner Berufsbiographie beschränkt. Dem LSG kann insofern auch nicht beigepflichtet werden, dass ein Arbeitsloser verpflichtet wäre, ausschließlich positive Gesichtspunkte in dem Schreiben zu erwähnen und sich in einem so positiven Lichte darzustellen, ohne dass diese Selbstdarstellung in einem anschließenden Gespräch durchgehalten werden könnte, weil dem Arbeitgeber auf Grund seines Fragerecht (hierzu Erfurter Kommentar (ErfK/Preis), § 611 RdNr 330 ff, 4. Aufl 2004) die Wahrheit ohnehin bekannt würde.
Gerade die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zum Informationsrecht des Arbeitgebers macht deutlich, dass dem Kläger hier eine Obliegenheitsverletzung nicht vorgeworfen werden kann. So ist es einem Bewerber etwa erlaubt, Vorstrafen zu verschweigen, wenn sie nicht mehr in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen bzw für den konkreten Arbeitsplatz irrelevant sind (vgl ErfK/Preis, aaO RdNr 341). Würde ein Arbeitsloser entgegen seinem Recht, Vorstrafen im Bewerbungsschreiben zu verschweigen, demonstrativ und offensiv auf bisherige strafrechtliche Verurteilungen hinweisen, so könnte hieraus durchaus der Schluss gezogen werden, der Arbeitslose lege es darauf an, das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zu verhindern. So lagen die Verhältnisse hier jedoch gerade nicht. Dem objektiven Inhalt des Schreibens kann eine so "abschreckende Wirkung", wie sie etwa von der ungefragten Mitteilung von Vorstrafen oder ansteckenden Krankheiten ausgehen könnte, nicht entnommen werden. Dies spricht dagegen, im vorliegenden Fall von einer Obliegenheitsverletzung des Klägers auszugehen und sein Schreiben dem Nichtabsenden einer Bewerbung gleichzustellen, unabhängig davon, ob § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG eine solche hypothetische Prüfung überhaupt zulässt.
Von daher kann die Sperrzeitentscheidung der Beklagten sich nur dann rechtfertigen, wenn der Kläger sich tatsächlich auf die Aufforderung der Beklagten vom 15. Mai 1997 hin überhaupt nicht beworben hat. Das LSG wird daher zu ermitteln haben, ob der Kläger das Schreiben abgesandt hat und ggf die von ihm hierzu benannten Zeuginnen hören müssen. Kommt das LSG zu der richterlichen Überzeugung, dass der Kläger den Brief nicht aufgegeben und sich damit überhaupt nicht beworben hat, so liegt hierin bereits die Nichtannahme einer angebotenen Arbeit iS des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG. In diesem Fall ist dann ein weiterer "hypothetischer" Nachweis, dass der Arbeitgeber den Kläger auch eingestellt hätte, wenn der Brief bei ihm eingegangen wäre, nicht erforderlich (vgl BSGE 49, 197, 200 = SozR 4100 § 119 Nr 11; Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, RdNr 320; Valgolio in Hauck/Noftz, K § 144 RdNr 120, Stand VI/03; kritisch hierzu Winkler in Gagel, RdNr 154 zu § 144 SGB III). Hat der Kläger hingegen den Brief zur Post gebracht, so kann es ihm - wie ausgeführt - nicht zum Nachteil gereichen, dass er nicht beim Arbeitgeber angekommen ist, weil der Text des Schreibens für sich genommen nicht den Eintritt einer Sperrzeit rechtfertigt.
Dahinstehen kann damit vorerst weiterhin, dass gemäß § 119 Abs 1 Satz 2 AFG die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis beginnt, das die Sperrzeit begründet. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, inwiefern die Sperrzeit gerade am 5. Juni 1997 beginnen musste (vgl hierzu im Einzelnen Ledge, Beginn und Ablauf von Sperrzeiten, SGb 2003, 617, 619). Hierfür hätte das die Sperrzeit auslösende Ereignis auf den 4. Juni 1997 fallen müssen. Insofern wird das LSG ggf auch zu entscheiden haben, welches Ereignis die Sperrzeit begründet hat. Ist festzustellen, dass der Kläger das Bewerbungsschreiben zu keinem Zeitpunkt abgesandt hat, so müsste als Zeitpunkt des Nichthandelns (Ereignis, das die Sperrzeit auslöst) jedenfalls ein Zeitpunkt deutlich vor dem 5. Juni 1997 festgestellt werden. Bei Prüfung des Sperrzeittatbestands wird das LSG im Übrigen zunächst auch das Arbeitsangebot der Beklagten vom 15. Mai 1997 zu überprüfen haben (hierzu Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 12 RdNr 310).
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Eintritts einer Sperrzeit vom 5. Juni bis 27. August 1997 und die damit verbundene Aufhebung der Arbeitslosenhilfe (Alhi) für diesen Zeitraum.
Die Beklagte bot dem Kläger, der im Bezug von Alhi stand, am 15. Mai 1997 eine Beschäftigung als Reisender bzw Vertreter bei der Firma WE:GE GmbH an und forderte ihn auf, sich dort umgehend schriftlich zu bewerben. Das Unternehmen teilte der Beklagten am 27. Mai 1997 mit, der Kläger habe sich weder persönlich vorgestellt noch telefonisch gemeldet oder schriftlich beworben. Im Rahmen einer Vorsprache bei der Beklagten erklärte der Kläger am 4. Juni 1997 auf Befragen, er habe sich schriftlich beworben, spätestens am 18. Mai 1997. Eine Antwort der Arbeitgeberin stehe noch aus. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlung von Alhi mit Ablauf des 4. Juni 1997 ein. Mit Bescheid vom 26. Juni 1997 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 5. Juni bis 27. August 1997 fest und hob die Bewilligung von Alhi für diesen Zeitraum gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen das Zustandekommen eines vom Arbeitsamt vermittelten Beschäftigungsverhältnisses mit der WE:GE dadurch vereitelt, dass er sich nicht vorgestellt habe.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei lediglich aufgefordert worden, sich schriftlich zu bewerben. Dies habe er am 17. Mai 1997 auch getan. Auf seine schriftliche Bewerbung habe er von der Firma WE:GE keine Nachricht erhalten. Eine Bekannte habe seinerzeit sein Bewerbungsschreiben auf mögliche Rechtschreibfehler durchgesehen. Eine andere Bekannte habe es aus Gefälligkeit auf ihrem Weg zum Postamt mitgenommen und in einen Briefkasten der Hauptpost in B. geworfen. Sollte seine Bewerbung auf dem Postweg abhanden gekommen sein, so sei er dafür nicht verantwortlich. Er legte eine Kopie seines Bewerbungsschreibens vom 17. Mai 1997 vor, das wie folgt lautete:
"Hiermit möchte ich mich für die o.g. Position bewerben.
Die beschriebene Aufgabe interessiert mich trotz fehlender Branchenkenntnisse sehr, und ich glaube, die entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen, wie Sie aus meinen beigefügten Bewerbungsunterlagen ersehen können.
Leider bin ich seit dem Oktober 1989 arbeitslos. Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn für diese Tätigkeit die lange Zeit der Arbeitslosigkeit und mein Alter von 55 Jahre jung, nicht als negativ angesehen werden. Verfügbar wäre ich sofort.
Sie können von mir u.a. erwarten: Flexibilität, Belastbarkeit, Leistungs- und Lernfähigkeit sowie teamorientiertes Denken und Handeln, ein gepflegtes Äußeres und Freude am Umgang mit Menschen und den Willen zum Arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen"
Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 29. September 1998). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. In seinem Urteil vom 7. April 2000 hat es ausgeführt, der Kläger habe die ihm angebotene Arbeit nicht angenommen. Dabei könne es dahinstehen, ob er das in Kopie vorgelegte Bewerbungsschreiben abgesandt oder ob er sich mit dem Arbeitgeber überhaupt nicht in Verbindung gesetzt habe. Denn auch wenn man zu seinen Gunsten eine Absendung unterstelle, liege eine Vereitelung des Zustandekommens des Arbeitsverhältnisses vor, weil er den Brief so abgefasst habe, dass ein potenzieller Arbeitgeber von vornherein abgeschreckt worden wäre. Der Kläger weise sogleich in den ersten Absätzen seines Schreibens nur auf negative Aspekte in seiner Person (fehlende Branchenkenntnisse, lange Arbeitslosigkeit, hohes Lebensalter) hin, was völlig unüblich sei. Hinzu komme, dass die Angaben bezüglich der Dauer seiner Arbeitslosigkeit unzutreffend gewesen seien, weil der Kläger erst seit April 1993 arbeitslos gewesen sei und mithin seine Arbeitslosigkeit nicht seit acht, sondern seit vier Jahren bestanden habe. Auf Grund des persönlichen Eindrucks des Klägers sei die Kammer davon überzeugt, dass diesem die Wirkung seines Bewerbungsschreibens auch bewusst gewesen sei.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 7. Februar 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Alhi habe wegen des Eintritts einer Sperrzeit von zwölf Wochen geruht, da der Kläger trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die ihm von der Beklagten angebotene Beschäftigung bei der Firma WE:GE ohne wichtigen Grund nicht angenommen habe. Insbesondere sei die Sperrzeit unabhängig davon eingetreten, ob der Kläger sein Bewerbungsschreiben tatsächlich abgesandt habe. Habe er es nicht abgesandt, so liege in diesem Verhalten allein schon die Ablehnung der Beschäftigung. Habe er es abgesandt, so gelte - auch wenn es seinen Adressaten nicht erreicht habe - wegen seines Inhalts nichts anderes. Mit dem SG sei der Senat der Auffassung, dass in dem Bewerbungsschreiben der Wille des Klägers zum Ausdruck komme, die angebotene Beschäftigung nicht anzunehmen. Auch die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben gegenüber einem potenziellen Arbeitgeber verpflichte einen Bewerber nicht dazu, unvorteilhafte, möglicherweise gegen seine Einstellung sprechende Gesichtspunkte schon in der schriftlichen Bewerbung anzuführen. Es sei vielmehr angemessen und üblich, sich im Bewerbungsschreiben auf die Darstellung tatsächlich vorhandener positiver Gesichtspunkte zu beschränken und auf diese Weise für sich zu "werben". Der Senat sei überzeugt, dass dies dem Kläger bekannt sei und dass der ungewöhnliche und unangemessene Inhalt seines Bewerbungsschreibens nicht auf dessen Unwissenheit oder Unerfahrenheit zurückgeführt werden könne. Vielmehr sei bemerkenswert, dass der Kläger an anderer Stelle in seinem Bewerbungsschreiben die von ihm betonte Wahrheitspflicht Zweckmäßigkeitserwägungen untergeordnet habe. So habe er zur Rechtfertigung seiner unzutreffenden Angaben über die Dauer seiner Arbeitslosigkeit - er sei nicht durchgehend seit Oktober 1989, sondern vielmehr nach einer freiberuflichen Erwerbstätigkeit von April bis September 1992 und einer anschließenden Beschäftigung als Verkäufer im Außendienst erst seit dem 1. April 1993 arbeitslos - ausgeführt, es würde nicht gut ausgesehen haben, dass er innerhalb eines Jahres zwei Jobs gehabt hätte. Anders als das SG sei der Senat allerdings nicht der Auffassung, dass der Kläger durch dieses Bewerbungsschreiben das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit der Firma WE:GE vereitelt habe. Ein Tatbestand der Vereitelung sei nur dann gegeben, wenn der Arbeitslose das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses gezielt (aktiv) vereitele, er also arglistig die Rücknahme des Arbeitsangebots tatsächlich bewirke und dies mit Wissen und Wollen geschehe. Eine Vereitelung in diesem Sinn liege hier nicht vor, denn die den Willen zur Ablehnung der Beschäftigung verkörpernde Bewerbung habe den Arbeitgeber nicht erreicht. Ursächlich für das Scheitern des Vermittlungsvorschlags sei nicht das Bewerbungsschreiben des Klägers, sondern gerade die Tatsache, dass es den Adressaten nicht erreicht habe. Gleichwohl habe der Kläger mit der Absendung des Bewerbungsschreibens und der darin liegenden Äußerung seines Ablehnungswillens Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben, denn er habe damit die von der Beklagten angebotene Beschäftigung nicht angenommen. Sein Verhalten stehe dem des Arbeitslosen gleich, der sich überhaupt nicht bewerbe. Die Absendung einer erkennbar nicht ernst gemeinten Bewerbung - zugespitzt formuliert: einer Nichtbewerbung - verkörpere denselben Willen wie das bewusste Unterlassen einer Bewerbung und könne deshalb, was den Eintritt einer Sperrzeit angehe, auch keine anderen rechtlichen Konsequenzen haben.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung des § 119 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Das LSG begründe das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift damit, dass sich aus seinem Bewerbungsschreiben ein Ablehnungswille ergeben habe. Dieser Ablehnungswille sei Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit, weil er damit die von der Beklagten angebotene Beschäftigung nicht angenommen habe. Hiermit werde der klare Wortlaut der Vorschrift des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG missachtet. Von einer Nichtannahme eines Arbeitsangebots könne nur dann ausgegangen werden, wenn die Eingehung eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses abgelehnt worden sei. Die Ablehnung sei eine Erklärung, die sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen könne. Diese Erklärung bedürfe aber eines Adressaten, wobei dieser das Arbeitsamt oder der potenzielle Arbeitgeber sein könne. Dem potenziellen Arbeitgeber gegenüber habe er aber eine Erklärung nicht abgegeben, weil sein Schreiben den Arbeitgeber nicht erreicht habe. Der Beklagten gegenüber habe er ebenfalls keine entsprechende Erklärung abgegeben. Dafür, dass das Bewerbungsschreiben bei dem potenziellen Arbeitgeber nicht angekommen sei, sei ihm - dem Kläger - kein Vorwurf gemacht worden. Insoweit könne darin auch keine konkludente Nichtannahmeerklärung gesehen werden. Da sein Bewerbungsschreiben nicht angekommen sei, habe er auch keine Erklärung abgegeben und damit fehle es am Tatbestand der Nichtannahme einer angebotenen Arbeit iS des § 119 Abs 1 Nr 2 AFG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 7. Februar 2002 und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. April 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das LSG sei in seinem Urteil völlig zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger allein mit der Absendung seines Bewerbungsschreibens und der darin liegenden Äußerung seines Ablehnungswillens die ihm angebotene Beschäftigung nicht angenommen habe (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Dieses Verhalten stehe letztlich dem eines Arbeitslosen gleich, der sich überhaupt nicht bewerbe.
II
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz) begründet. Entgegen der Rechtsansicht des LSG kann das Bewerbungsschreiben des Klägers einer unterbliebenen Bewerbung nicht gleichgestellt werden. Von daher hätte das LSG nicht offen lassen dürfen, ob der Kläger das Schreiben tatsächlich abgesandt hat. Nur wenn er das Schreiben nicht abgesandt hat, kann eine Sperrzeit gemäß § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG eingetreten sein.
Ob für den streitigen Zeitraum eine Sperrzeit eingetreten ist, beurteilt sich nach §§ 119, 119a AFG (idF, die § 119 durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997, BGBl I 594, und idF, die § 119a durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1994 vom 26. Juli 1994, BGBl I 1786, erhalten hat). Danach tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ua dann ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG).
Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG vorliegt. Nichtannahme einer (ordnungsgemäß) angebotenen Beschäftigung bedeutet die Ablehnung, die angebotene Beschäftigung einzugehen. Diese Ablehnung kann sowohl gegenüber dem Arbeitsamt als auch gegenüber dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht werden, und zwar ausdrücklich oder konkludent (vgl hierzu BSG, Urteil vom 20. März 1980 - 7 RAr 4/79 -, DBlR Nr 2530 zu § 119 AFG). Das LSG hat hierzu festgestellt, dass das Bewerbungsschreiben den Arbeitgeber nicht erreicht hat. Ob der Sperrzeittatbestand des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG schon deshalb nicht vorliegt, weil kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Arbeitslosen und der Verlängerung der Dauer der Arbeitslosigkeit gegeben ist (so wohl die bisherige Rechtsprechung des BSG, vgl hierzu BSGE 49, 197, 200 = SozR 4100 § 119 Nr 11; Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 12 RdNr 319 f; Henke in Hennig, SGB III, Stand August 2003, § 144 SGB III RdNr 206 ff; Winkler in Gagel, SGB III, Stand März 2001, RdNr 153 zu § 144 SGB III; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 144 RdNr 118 ff, Stand VI/03), kann offen bleiben. An der danach gebotenen kausalen Verknüpfung zwischen dem Verhalten des Klägers und der Verlängerung der Arbeitslosigkeit fehlt es hier schon deshalb, weil sein Schreiben - was auch das LSG festgestellt hat - keinen Adressaten erreichte. Es konnte mithin nicht ursächlich werden für ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen eines Arbeitgebers oder des Arbeitsamts, das dann seinerseits zu einer Verlängerung der Arbeitslosigkeit geführt hätte.
Der Auffassung des LSG, auf Grund des besonderen Inhalts des Bewerbungsschreibens könne dieses einer Arbeitsablehnung gleichgestellt werden, ohne dass es auf das Erfordernis einer naturwissenschaftlichen Kausalität im Sinne tatsächlicher Geschehensabläufe ankäme, ist im Ergebnis nicht beizupflichten. Das LSG geht davon aus, dass das Bewerbungsschreiben des Klägers so eindeutig negativ abgefasst war, dass es, obwohl es seinen Adressaten nicht erreicht hat, einer Nichtbewerbung im Sinne eines Nichtabsendens des Schreibens gleichgestellt werden kann. Dies lässt sich allenfalls mit der Überlegung rechtfertigen, dass den Arbeitslosen die Obliegenheit trifft, jede zumutbare Maßnahme zu ergreifen, um die Arbeitslosigkeit so schnell wie möglich zu beenden (grundlegend BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 14; kritisch hierzu Eicher in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 1 RdNr 39). Diese Obliegenheit könnte auch durch das Abfassen und Absenden eines Bewerbungsschreibens verletzt werden, aus dem die fehlende Eignung des Arbeitslosen für die angebotene Beschäftigung aus der Sicht eines objektiven Empfängers zu entnehmen ist, ohne dass für eine derartige Darstellung ein sachlicher Grund besteht. Der Senat lässt offen, ob diesem Gedanken beizutreten ist (vgl zu den Obliegenheitsverletzungen im Sperrzeitenrecht zuletzt auch das Urteil des Senats vom 27. Mai 2003 - B 7 AL 4/02 R -, SozR 4-4300 § 144 Nr 3 mwN). Der vom LSG hervorgehobene Gesichtspunkt kann jedenfalls nur dann eingreifen, wenn Inhalt und Form des Bewerbungsschreibens bzw das konkludente Verhalten des Klägers tatsächlich wie eine "Nichtbewerbung" zu bewerten wären, was hier nicht zutrifft.
Der Senat ist dabei hinsichtlich der rechtlichen Bewertung des Bewerbungsschreibens des Klägers nicht an die Auslegung bzw Bewertung des LSG gebunden. Insofern handelt es sich nicht um die Feststellung des tatsächlichen Inhalts einer Willenserklärung (vgl hierzu BSGE 77, 48 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9; Urteil des Senats vom 4. September 2001 - B 7 AL 64/00 R - DBlR Nr 4724 zu § 128 AFG), sondern um die Rechtsfrage, inwieweit in dem Schreiben des Klägers ein Vereiteln iS des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG zu sehen ist. Zwar ist dem LSG zuzugeben, dass der Kläger gewisse negative Elemente seines bisherigen Lebenslaufs in den Vordergrund gerückt hat. Auch hatte er die Dauer seiner bisherigen Arbeitslosigkeit in wohl unzutreffender Weise dargestellt. Andererseits hat er für die Nichtangabe seiner zwei Zwischenbeschäftigungen im Jahre 1993 nachvollziehbare Gründe angegeben, da es auch nicht unbedingt für einen Bewerber spricht, wenn er binnen Jahresfrist zwei Beschäftigungen aufgeben musste. Dem Schreiben kann - trotz eines leicht ironischen Untertons (55 Jahre jung etc) - insgesamt nicht eine so eindeutige Tendenz entnommen werden, wie sie das LSG unterstellt. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Arbeitgeber auf Grund dieses Bewerbungsschreibens allein wegen seines objektiven Inhalts eine Bewerbung von vornherein als unbeachtlich oder offensichtlich unernst gemeint behandelt hätte. Das Schreiben enthält insgesamt keinen Gesichtspunkt oder Inhalt, der so abschreckend oder widersprüchlich wäre, dass der Bewerber schon allein wegen des Schreibens aus der Auswahl für den Arbeitgeber ausscheiden müsste. Es kann dem Arbeitslosen nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich auf eine weitgehend wahrheitsgemäße Darstellung seiner Berufsbiographie beschränkt. Dem LSG kann insofern auch nicht beigepflichtet werden, dass ein Arbeitsloser verpflichtet wäre, ausschließlich positive Gesichtspunkte in dem Schreiben zu erwähnen und sich in einem so positiven Lichte darzustellen, ohne dass diese Selbstdarstellung in einem anschließenden Gespräch durchgehalten werden könnte, weil dem Arbeitgeber auf Grund seines Fragerecht (hierzu Erfurter Kommentar (ErfK/Preis), § 611 RdNr 330 ff, 4. Aufl 2004) die Wahrheit ohnehin bekannt würde.
Gerade die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zum Informationsrecht des Arbeitgebers macht deutlich, dass dem Kläger hier eine Obliegenheitsverletzung nicht vorgeworfen werden kann. So ist es einem Bewerber etwa erlaubt, Vorstrafen zu verschweigen, wenn sie nicht mehr in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen bzw für den konkreten Arbeitsplatz irrelevant sind (vgl ErfK/Preis, aaO RdNr 341). Würde ein Arbeitsloser entgegen seinem Recht, Vorstrafen im Bewerbungsschreiben zu verschweigen, demonstrativ und offensiv auf bisherige strafrechtliche Verurteilungen hinweisen, so könnte hieraus durchaus der Schluss gezogen werden, der Arbeitslose lege es darauf an, das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zu verhindern. So lagen die Verhältnisse hier jedoch gerade nicht. Dem objektiven Inhalt des Schreibens kann eine so "abschreckende Wirkung", wie sie etwa von der ungefragten Mitteilung von Vorstrafen oder ansteckenden Krankheiten ausgehen könnte, nicht entnommen werden. Dies spricht dagegen, im vorliegenden Fall von einer Obliegenheitsverletzung des Klägers auszugehen und sein Schreiben dem Nichtabsenden einer Bewerbung gleichzustellen, unabhängig davon, ob § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG eine solche hypothetische Prüfung überhaupt zulässt.
Von daher kann die Sperrzeitentscheidung der Beklagten sich nur dann rechtfertigen, wenn der Kläger sich tatsächlich auf die Aufforderung der Beklagten vom 15. Mai 1997 hin überhaupt nicht beworben hat. Das LSG wird daher zu ermitteln haben, ob der Kläger das Schreiben abgesandt hat und ggf die von ihm hierzu benannten Zeuginnen hören müssen. Kommt das LSG zu der richterlichen Überzeugung, dass der Kläger den Brief nicht aufgegeben und sich damit überhaupt nicht beworben hat, so liegt hierin bereits die Nichtannahme einer angebotenen Arbeit iS des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG. In diesem Fall ist dann ein weiterer "hypothetischer" Nachweis, dass der Arbeitgeber den Kläger auch eingestellt hätte, wenn der Brief bei ihm eingegangen wäre, nicht erforderlich (vgl BSGE 49, 197, 200 = SozR 4100 § 119 Nr 11; Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, RdNr 320; Valgolio in Hauck/Noftz, K § 144 RdNr 120, Stand VI/03; kritisch hierzu Winkler in Gagel, RdNr 154 zu § 144 SGB III). Hat der Kläger hingegen den Brief zur Post gebracht, so kann es ihm - wie ausgeführt - nicht zum Nachteil gereichen, dass er nicht beim Arbeitgeber angekommen ist, weil der Text des Schreibens für sich genommen nicht den Eintritt einer Sperrzeit rechtfertigt.
Dahinstehen kann damit vorerst weiterhin, dass gemäß § 119 Abs 1 Satz 2 AFG die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis beginnt, das die Sperrzeit begründet. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, inwiefern die Sperrzeit gerade am 5. Juni 1997 beginnen musste (vgl hierzu im Einzelnen Ledge, Beginn und Ablauf von Sperrzeiten, SGb 2003, 617, 619). Hierfür hätte das die Sperrzeit auslösende Ereignis auf den 4. Juni 1997 fallen müssen. Insofern wird das LSG ggf auch zu entscheiden haben, welches Ereignis die Sperrzeit begründet hat. Ist festzustellen, dass der Kläger das Bewerbungsschreiben zu keinem Zeitpunkt abgesandt hat, so müsste als Zeitpunkt des Nichthandelns (Ereignis, das die Sperrzeit auslöst) jedenfalls ein Zeitpunkt deutlich vor dem 5. Juni 1997 festgestellt werden. Bei Prüfung des Sperrzeittatbestands wird das LSG im Übrigen zunächst auch das Arbeitsangebot der Beklagten vom 15. Mai 1997 zu überprüfen haben (hierzu Voelzke in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 12 RdNr 310).
Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
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