Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AL 175/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 45/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 30/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Endet das Dienstverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers durch Fristablauf so ist der Dienstherr von der Erstattung des Arbeitslosengeldes jedenfalls dann frei wenn die gesetzlichen Voraussetzungen einer Kündigung des Dienstverhältnisses gewahrt sind (Fortführung von BSG vom 15.12.1999
B 11 AL 33/99 R = BSGE 85 224 = SozR 3-4100 § 128 Nr 7).
B 11 AL 33/99 R = BSGE 85 224 = SozR 3-4100 § 128 Nr 7).
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und Sozialversicherungsbeiträgen, welche die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) für den früheren Geschäftsführer der Klägerin O. (B.) vom 1. Juli 1996 bis 30. Juni 1997 geleistet hat.
Der am 10. August 1935 geborene B. war seit 1977 bei der klagenden GmbH als Geschäftsführer beschäftigt. Der Dienstvertrag war befristet und verlängerte sich ohne weiteres, wenn er nicht von einer der Vertragsparteien gekündigt wurde. Am 30. April 1990 schloss die Klägerin mit B. einen Dienst- und Geschäftsführervertrag für die Dauer vom 1. April 1990 bis 31. März 1995, der zu diesem Zeitpunkt auch ohne Kündigung enden sollte. Über eine Verlängerung der Beschäftigung sollte sechs Monate vor Ablauf des Vertrags verhandelt werden. Dem entsprachen die Vertragsparteien und vereinbarten am 8. März 1995, dass der Vertrag bis zum 30. September 1995 verlängert werden und anschließend ohne Kündigung enden solle. Für die Zeit vom 1. Oktober 1995 bis 30. Juni 1996 vereinbarten sie eine Beratertätigkeit von B., die 100 Tage nicht übersteigen dürfe (für diese Tätigkeit erhielt B. die Hälfte der zuvor vereinbarten Bezüge).
Am 6. Mai 1996 meldete sich B. zum 1. Juli 1996 arbeitslos und erhielt Alg für die Dauer von 832 Tagen nach einem Bemessungsentgelt von 1.870,00 DM wöchentlich. Der Anspruch war am 26. Februar 1999 erschöpft. Seit dem 1. März 1999 bezieht B. Altersrente für langjährig Versicherte von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA).
Die BA erließ nach Anhörung der Klägerin zunächst einen Grundlagenbescheid vom 25. August 1997 über die Erstattung von Alg sowie Beiträgen zur Sozialversicherung ab 1. Juli 1996 für längstens 624 Tage. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie ihre Erstattungspflicht verneinte. Während des Widerspruchsverfahrens forderte die BA zunächst mit drei Bescheiden vom 22. April 1999 die Erstattung von insgesamt 104.595,80 DM für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 2. Juni 1998. Nachdem sie durch Anfrage bei der BfA erfahren hatte, dass B. ab 1. Juli 1997 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erfüllt hatte, beschränkte sie mit zwei Änderungsbescheiden vom 17. August 1999 den Erstattungszeitraum auf die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 30. Juni 1997 und machte nur noch einen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 27.395,88 EUR (53.581,67 DM) geltend. Zur Begründung führte sie aus, nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes könne ein befristeter Vertrag nicht einer Kündigung gleichgestellt werden. Andernfalls könnten Arbeitgeber dazu übergehen, älteren Mitarbeitern zu kündigen und im Anschluss daran mit diesen nur noch befristete Arbeitsverträge abzuschließen. Derartigen Manipulationen wolle der Gesetzgeber vorbeugen.
Das Sozialgericht hat die Bescheide vom 22. April 1999 idF der Änderungsbescheide vom 17. August 1999 und des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1999 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 16. Januar 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in verfassungskonformer Auslegung sei der Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auf Geschäftsführer in einer Organstellung anzuwenden, obwohl nach § 14 Abs 1 Nr 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) der allgemeine Kündigungsschutz für sie nicht gelte. Aus dem Zweck der Befreiungstatbestände ließen sich keine Gründe dafür herleiten, den Befreiungstatbestand nicht auch für diesen Personenkreis heranzuziehen. Der Wortlaut des Gesetzes erkläre sich aus dem Umstand, dass befristete Arbeitsverhältnisse die Ausnahme bildeten und in der Regel Arbeitsverhältnisse durch Kündigung beendet würden. Die entsprechende Anwendung sei gerade deshalb geboten, weil GmbH-Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft ihre Stellung jederzeit durch den Widerruf der Geschäftsführerbestellung verlieren könnten. Die besondere Vertrauensstellung mache es unbedenklich, den Anstellungsvertrag und das Organverhältnis zu koppeln und im Wege der Befristung einer Überprüfung durch den Arbeitgeber zu unterziehen. Den Besonderheiten solcher Arbeitsverhältnisse sei im Rahmen der Erstattung durch verfassungskonforme Anwendung Rechnung zu tragen, indem der Befreiungstatbestand eingreife, wenn die gesetzlichen Kündigungsfristen gewahrt seien, die ohne Befristung bestanden hätten. Im Falle von B. sei die Frist des § 622 Abs 2 Satz 1 Nr 6 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) jedenfalls eingehalten. Auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sehe in der Fassung des Befreiungstatbestands ein Indiz für die Grenzen des "Verantwortungsbereiches des Arbeitgebers".
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA die Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG. Dieser Befreiungstatbestand könne nach der Beendigung des Dienstverhältnisses von GmbH-Geschäftsführern nicht eingreifen, weil das Kündigungsschutzrecht auf diesen Personenkreis nach § 14 Abs 1 Nr 1 KSchG nicht anzuwenden sei. Diese am Wortlaut orientierte Rechtsauslegung decke sich mit dem Willen des Gesetzgebers. Einer erweiternden verfassungskonformen Auslegung, wie sie das LSG vorgenommen habe, sei die Vorschrift nicht zugänglich. Die Entscheidung des BSG vom 15. Dezember 1999 (SozR 3-4100 § 128 Nr 7) sei nicht einschlägig. Sie beziehe sich auf einen leitenden Angestellten, auf den das KSchG Anwendung finde. Es handele sich nicht um einen vergleichbaren Sachverhalt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. Januar 2001 sowie das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt aus, die Rechtsansicht der Beklagten überzeuge nicht. Andernfalls hätte auch die Entscheidung des BSG vom 15. Dezember 1999 nicht ergehen dürfen, denn das Arbeitsverhältnis habe auch in jenem Fall durch Befristung geendet. Die verfassungskonforme Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG berücksichtige die Verantwortung des Arbeitgebers für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit älteren Arbeitnehmern angemessen.
II
Die Revision ist nicht begründet, denn die Entscheidung des LSG beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung. Dagegen unterliegt die Annahme der Erstattungspflicht der Klägerin nach dem Ausscheiden ihres früheren Geschäftsführers B. verfassungsrechtlichen Bedenken, denen das LSG durch eine verfassungskonforme Auslegung des Befreiungstatbestands zutreffend Rechnung getragen hat.
Auf das Erstattungsverhältnis zwischen den Beteiligten ist § 128 AFG nach den Übergangsvorschriften des § 242x Abs 6 iVm Abs 3 AFG anzuwenden. Die Erstattungsvorschrift betrifft Arbeitgeber, die Arbeitsverhältnisse mit älteren, langjährigen Mitarbeitern beenden. Sie ist auch auf das Dienstverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers anzuwenden, wenn dieser - wie hier - zugleich versicherungspflichtig beschäftigt war und deshalb Anspruch auf Alg hatte. Ein solches Verständnis entspricht dem Zweck der Erstattungsvorschrift, die Arbeitgeber veranlassen soll, ihre älteren langjährig beschäftigten Mitarbeiter bis zur flexiblen Altersgrenze zu beschäftigen und nicht in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. Die gegenteilige Betriebspraxis führt wegen der erschwerten Vermittelbarkeit älterer Arbeitsuchender zu erheblichen Belastungen der Solidargemeinschaft, denen die Erstattung von Leistungen und Beitragszahlungen entgegenwirken soll (BVerfGE 81, 156, 189 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; BSGE 81, 259, 267 = SozR 3-4100 § 128 Nr 5). Dies trifft auch für den hier zu beurteilenden Personenkreis zu. Die Erstattungsvorschrift ist auch anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch Fristablauf geendet hat (BSGE 85, 224, 228 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 7).
Die Erstattungsvoraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 1 AFG, über deren Vorliegen die Beteiligten nicht streiten, bedürfen keiner Erörterung, denn die Klägerin ist auf Grund verfassungskonformer Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG von der allein noch streitigen Erstattung von Leistungen und Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 30. Juni 1997 frei.
Nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG tritt eine Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Dem Wortlaut nach ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, denn die Klägerin hat B. nicht gekündigt, vielmehr ist das Dienstverhältnis und die Bestellung als Geschäftsführer durch Fristablauf beendet. Die Befreiungstatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG sind jedoch nicht als abschließende Regelungen zu verstehen, weil andernfalls Erstattungspflichten in einem über die Lenkungsfunktion der Erstattung hinausgehenden Umfang unvermeidbar wären, die in nicht von dem Gesetzeszweck gebotenen Maß und damit unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit von Arbeitgebern eingriffen (BVerfGE 81, 156, 194 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; BSGE 85, 224, 228 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 7). Dem Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG (jetzt: § 147a Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch: Arbeitsförderung) ist im Hinblick auf die Berufsfreiheit von Arbeitgebern und das sich daraus ergebende Übermaßverbot der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, dass dem Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für die Beschäftigung älterer langjährig beschäftigter Mitarbeiter nur im Rahmen des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes (§ 1 Abs 2 KSchG) zukommt. Ein solcher Schutz besteht aber bei Organmitgliedern einer GmbH nicht (§ 14 Abs 1 Nr 1 KSchG). Ausdrücklich hat das Bundesverfassungsgericht ferner hervorgehoben, die in § 128 AFG enthaltenen Ausnahmeregelungen bedürften unter dem Aspekt des Übermaßverbots einer weiten Auslegung (aaO 203). Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot wäre gegeben, wenn eine Erstattungspflicht des Arbeitgebers (Dienstherrn) bei der Beendigung von Dienstverhältnissen nur deshalb einträte, weil eine sozial gerechtfertigte Kündigung für Geschäftsführer mit Organstellung nach § 14 Abs 1 Nr 1 KSchG nicht in Betracht kommt. Der Arbeitgeber (Dienstherr) kann bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses nach den für dieses geltenden rechtlichen Regelungen nicht schlechter gestellt werden, als der Arbeitgeber, der eine sozial gerechtfertigte Kündigung ausspricht.
Der Senat hat für Arbeitsverhältnisse bereits entschieden, dass die Erstattungspflicht nicht eintritt, wenn bei einem wirksam befristeten Arbeitsvertrag der Arbeitgeber bei Ende des Arbeitsverhältnisses zur sozialgerechtfertigten Kündigung berechtigt gewesen wäre (BSGE 85, 224, 228 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 7). Manipulationen durch Befristungen von Arbeitsverträgen begegnet der Senat mit dem Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Befristung (BSG aaO). Ein solcher liegt vor, wenn der Dienstvertrag mit der jeder Zeit widerruflichen Bestellung als Geschäftsführer einer GmbH (§ 38 Abs 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)) verbunden ist.
Ob die Kündigungsfrist, die ohne die Befristung zu wahren gewesen wäre (§ 621 BGB), auch in Fällen des § 38 Abs 1 GmbHG einzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Dazu hat das LSG ausgeführt, dass hier sogar die Frist von sechs Monaten (§ 622 Abs 2 Nr 6 BGB) gewahrt ist. Nach dem Ende des für die Zeit vom 1. April 1990 bis 31. März 1995 laufenden Geschäftsführervertrags haben sich die Vertragsparteien am 8. März 1995 dahin geeinigt, den bestehenden Zeitvertrag bis zum 30. September 1995 zu verlängern. B. sollte im Übrigen in der Zeit vom 1. Oktober 1995 bis 30. Juni 1996 an 100 Tagen für Beratertätigkeiten zur Verfügung stehen und dafür die Hälfte seiner bisherigen Bezüge erhalten. Eine besondere Verantwortung der Klägerin für die Arbeitslosigkeit ab 1. Juli 1996, die einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne soziale Rechtfertigung iS des § 1 KSchG gleich käme, ist danach nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe:
I
Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und Sozialversicherungsbeiträgen, welche die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) für den früheren Geschäftsführer der Klägerin O. (B.) vom 1. Juli 1996 bis 30. Juni 1997 geleistet hat.
Der am 10. August 1935 geborene B. war seit 1977 bei der klagenden GmbH als Geschäftsführer beschäftigt. Der Dienstvertrag war befristet und verlängerte sich ohne weiteres, wenn er nicht von einer der Vertragsparteien gekündigt wurde. Am 30. April 1990 schloss die Klägerin mit B. einen Dienst- und Geschäftsführervertrag für die Dauer vom 1. April 1990 bis 31. März 1995, der zu diesem Zeitpunkt auch ohne Kündigung enden sollte. Über eine Verlängerung der Beschäftigung sollte sechs Monate vor Ablauf des Vertrags verhandelt werden. Dem entsprachen die Vertragsparteien und vereinbarten am 8. März 1995, dass der Vertrag bis zum 30. September 1995 verlängert werden und anschließend ohne Kündigung enden solle. Für die Zeit vom 1. Oktober 1995 bis 30. Juni 1996 vereinbarten sie eine Beratertätigkeit von B., die 100 Tage nicht übersteigen dürfe (für diese Tätigkeit erhielt B. die Hälfte der zuvor vereinbarten Bezüge).
Am 6. Mai 1996 meldete sich B. zum 1. Juli 1996 arbeitslos und erhielt Alg für die Dauer von 832 Tagen nach einem Bemessungsentgelt von 1.870,00 DM wöchentlich. Der Anspruch war am 26. Februar 1999 erschöpft. Seit dem 1. März 1999 bezieht B. Altersrente für langjährig Versicherte von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA).
Die BA erließ nach Anhörung der Klägerin zunächst einen Grundlagenbescheid vom 25. August 1997 über die Erstattung von Alg sowie Beiträgen zur Sozialversicherung ab 1. Juli 1996 für längstens 624 Tage. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie ihre Erstattungspflicht verneinte. Während des Widerspruchsverfahrens forderte die BA zunächst mit drei Bescheiden vom 22. April 1999 die Erstattung von insgesamt 104.595,80 DM für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 2. Juni 1998. Nachdem sie durch Anfrage bei der BfA erfahren hatte, dass B. ab 1. Juli 1997 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erfüllt hatte, beschränkte sie mit zwei Änderungsbescheiden vom 17. August 1999 den Erstattungszeitraum auf die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 30. Juni 1997 und machte nur noch einen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 27.395,88 EUR (53.581,67 DM) geltend. Zur Begründung führte sie aus, nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes könne ein befristeter Vertrag nicht einer Kündigung gleichgestellt werden. Andernfalls könnten Arbeitgeber dazu übergehen, älteren Mitarbeitern zu kündigen und im Anschluss daran mit diesen nur noch befristete Arbeitsverträge abzuschließen. Derartigen Manipulationen wolle der Gesetzgeber vorbeugen.
Das Sozialgericht hat die Bescheide vom 22. April 1999 idF der Änderungsbescheide vom 17. August 1999 und des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1999 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 16. Januar 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in verfassungskonformer Auslegung sei der Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auf Geschäftsführer in einer Organstellung anzuwenden, obwohl nach § 14 Abs 1 Nr 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) der allgemeine Kündigungsschutz für sie nicht gelte. Aus dem Zweck der Befreiungstatbestände ließen sich keine Gründe dafür herleiten, den Befreiungstatbestand nicht auch für diesen Personenkreis heranzuziehen. Der Wortlaut des Gesetzes erkläre sich aus dem Umstand, dass befristete Arbeitsverhältnisse die Ausnahme bildeten und in der Regel Arbeitsverhältnisse durch Kündigung beendet würden. Die entsprechende Anwendung sei gerade deshalb geboten, weil GmbH-Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft ihre Stellung jederzeit durch den Widerruf der Geschäftsführerbestellung verlieren könnten. Die besondere Vertrauensstellung mache es unbedenklich, den Anstellungsvertrag und das Organverhältnis zu koppeln und im Wege der Befristung einer Überprüfung durch den Arbeitgeber zu unterziehen. Den Besonderheiten solcher Arbeitsverhältnisse sei im Rahmen der Erstattung durch verfassungskonforme Anwendung Rechnung zu tragen, indem der Befreiungstatbestand eingreife, wenn die gesetzlichen Kündigungsfristen gewahrt seien, die ohne Befristung bestanden hätten. Im Falle von B. sei die Frist des § 622 Abs 2 Satz 1 Nr 6 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) jedenfalls eingehalten. Auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sehe in der Fassung des Befreiungstatbestands ein Indiz für die Grenzen des "Verantwortungsbereiches des Arbeitgebers".
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA die Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG. Dieser Befreiungstatbestand könne nach der Beendigung des Dienstverhältnisses von GmbH-Geschäftsführern nicht eingreifen, weil das Kündigungsschutzrecht auf diesen Personenkreis nach § 14 Abs 1 Nr 1 KSchG nicht anzuwenden sei. Diese am Wortlaut orientierte Rechtsauslegung decke sich mit dem Willen des Gesetzgebers. Einer erweiternden verfassungskonformen Auslegung, wie sie das LSG vorgenommen habe, sei die Vorschrift nicht zugänglich. Die Entscheidung des BSG vom 15. Dezember 1999 (SozR 3-4100 § 128 Nr 7) sei nicht einschlägig. Sie beziehe sich auf einen leitenden Angestellten, auf den das KSchG Anwendung finde. Es handele sich nicht um einen vergleichbaren Sachverhalt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. Januar 2001 sowie das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Januar 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt aus, die Rechtsansicht der Beklagten überzeuge nicht. Andernfalls hätte auch die Entscheidung des BSG vom 15. Dezember 1999 nicht ergehen dürfen, denn das Arbeitsverhältnis habe auch in jenem Fall durch Befristung geendet. Die verfassungskonforme Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG berücksichtige die Verantwortung des Arbeitgebers für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit älteren Arbeitnehmern angemessen.
II
Die Revision ist nicht begründet, denn die Entscheidung des LSG beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung. Dagegen unterliegt die Annahme der Erstattungspflicht der Klägerin nach dem Ausscheiden ihres früheren Geschäftsführers B. verfassungsrechtlichen Bedenken, denen das LSG durch eine verfassungskonforme Auslegung des Befreiungstatbestands zutreffend Rechnung getragen hat.
Auf das Erstattungsverhältnis zwischen den Beteiligten ist § 128 AFG nach den Übergangsvorschriften des § 242x Abs 6 iVm Abs 3 AFG anzuwenden. Die Erstattungsvorschrift betrifft Arbeitgeber, die Arbeitsverhältnisse mit älteren, langjährigen Mitarbeitern beenden. Sie ist auch auf das Dienstverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers anzuwenden, wenn dieser - wie hier - zugleich versicherungspflichtig beschäftigt war und deshalb Anspruch auf Alg hatte. Ein solches Verständnis entspricht dem Zweck der Erstattungsvorschrift, die Arbeitgeber veranlassen soll, ihre älteren langjährig beschäftigten Mitarbeiter bis zur flexiblen Altersgrenze zu beschäftigen und nicht in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. Die gegenteilige Betriebspraxis führt wegen der erschwerten Vermittelbarkeit älterer Arbeitsuchender zu erheblichen Belastungen der Solidargemeinschaft, denen die Erstattung von Leistungen und Beitragszahlungen entgegenwirken soll (BVerfGE 81, 156, 189 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; BSGE 81, 259, 267 = SozR 3-4100 § 128 Nr 5). Dies trifft auch für den hier zu beurteilenden Personenkreis zu. Die Erstattungsvorschrift ist auch anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch Fristablauf geendet hat (BSGE 85, 224, 228 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 7).
Die Erstattungsvoraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 1 AFG, über deren Vorliegen die Beteiligten nicht streiten, bedürfen keiner Erörterung, denn die Klägerin ist auf Grund verfassungskonformer Anwendung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG von der allein noch streitigen Erstattung von Leistungen und Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 30. Juni 1997 frei.
Nach § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG tritt eine Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Dem Wortlaut nach ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, denn die Klägerin hat B. nicht gekündigt, vielmehr ist das Dienstverhältnis und die Bestellung als Geschäftsführer durch Fristablauf beendet. Die Befreiungstatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG sind jedoch nicht als abschließende Regelungen zu verstehen, weil andernfalls Erstattungspflichten in einem über die Lenkungsfunktion der Erstattung hinausgehenden Umfang unvermeidbar wären, die in nicht von dem Gesetzeszweck gebotenen Maß und damit unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit von Arbeitgebern eingriffen (BVerfGE 81, 156, 194 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; BSGE 85, 224, 228 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 7). Dem Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG (jetzt: § 147a Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch: Arbeitsförderung) ist im Hinblick auf die Berufsfreiheit von Arbeitgebern und das sich daraus ergebende Übermaßverbot der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, dass dem Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für die Beschäftigung älterer langjährig beschäftigter Mitarbeiter nur im Rahmen des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes (§ 1 Abs 2 KSchG) zukommt. Ein solcher Schutz besteht aber bei Organmitgliedern einer GmbH nicht (§ 14 Abs 1 Nr 1 KSchG). Ausdrücklich hat das Bundesverfassungsgericht ferner hervorgehoben, die in § 128 AFG enthaltenen Ausnahmeregelungen bedürften unter dem Aspekt des Übermaßverbots einer weiten Auslegung (aaO 203). Ein Verstoß gegen das Übermaßverbot wäre gegeben, wenn eine Erstattungspflicht des Arbeitgebers (Dienstherrn) bei der Beendigung von Dienstverhältnissen nur deshalb einträte, weil eine sozial gerechtfertigte Kündigung für Geschäftsführer mit Organstellung nach § 14 Abs 1 Nr 1 KSchG nicht in Betracht kommt. Der Arbeitgeber (Dienstherr) kann bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses nach den für dieses geltenden rechtlichen Regelungen nicht schlechter gestellt werden, als der Arbeitgeber, der eine sozial gerechtfertigte Kündigung ausspricht.
Der Senat hat für Arbeitsverhältnisse bereits entschieden, dass die Erstattungspflicht nicht eintritt, wenn bei einem wirksam befristeten Arbeitsvertrag der Arbeitgeber bei Ende des Arbeitsverhältnisses zur sozialgerechtfertigten Kündigung berechtigt gewesen wäre (BSGE 85, 224, 228 ff = SozR 3-4100 § 128 Nr 7). Manipulationen durch Befristungen von Arbeitsverträgen begegnet der Senat mit dem Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Befristung (BSG aaO). Ein solcher liegt vor, wenn der Dienstvertrag mit der jeder Zeit widerruflichen Bestellung als Geschäftsführer einer GmbH (§ 38 Abs 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)) verbunden ist.
Ob die Kündigungsfrist, die ohne die Befristung zu wahren gewesen wäre (§ 621 BGB), auch in Fällen des § 38 Abs 1 GmbHG einzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Dazu hat das LSG ausgeführt, dass hier sogar die Frist von sechs Monaten (§ 622 Abs 2 Nr 6 BGB) gewahrt ist. Nach dem Ende des für die Zeit vom 1. April 1990 bis 31. März 1995 laufenden Geschäftsführervertrags haben sich die Vertragsparteien am 8. März 1995 dahin geeinigt, den bestehenden Zeitvertrag bis zum 30. September 1995 zu verlängern. B. sollte im Übrigen in der Zeit vom 1. Oktober 1995 bis 30. Juni 1996 an 100 Tagen für Beratertätigkeiten zur Verfügung stehen und dafür die Hälfte seiner bisherigen Bezüge erhalten. Eine besondere Verantwortung der Klägerin für die Arbeitslosigkeit ab 1. Juli 1996, die einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne soziale Rechtfertigung iS des § 1 KSchG gleich käme, ist danach nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.
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