L 8 SB 3333/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 1285/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3333/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.06.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Erst-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; mehr als 20 statt bisherigen 20) seit 27.06.2012 zusteht.

Der 1965 geborene Kläger, türkischer Staatsangehöriger mit Aufenthaltsberechtigung in der Bundesrepublik Deutschland (Blatt 1 und 52 der Beklagtenakte), beantragte nach zuvor erfolglosen Anträgen vom 06.10.2003, 22.11.2004 und 07.11.2005 (Blatt 1/5, 10/15 und 28/37 der Beklagtenakte; vgl. dazu auch die Bescheide vom 16.10.2003, 18.04.2005 und 23.02.2006, Blatt 7/8, 25/26 und 49/50 der Beklagtenakte) am 27.06.2012 (Blatt 52/61 der Beklagtenakte) beim Landratsamt K. (LRA) die (Erst-)Feststellung des GdB. Zu seinem Antrag verwies er auf ein Innenohrschwerhörigkeit, eine Lumboischialgie, einen Ulcus duodenie, Diabetes mellitus Typ IIb sowie eine Fettleber und legte ärztliche Berichte vor (Blatt 54/59 der Beklagtenakte).

Das LRA zog Befundangaben und ärztliche Berichte vom Facharzt für Allgemeinmedizin E. (zu dessen Auskunft vom 07.07.2012 vgl. Blatt 64/66 der Beklagtenakte) und vom HNO-Arzt Dr. Hü. (zu dessen Auskunft vom 14.08.2012 vgl. Blatt 70/73 der Beklagtenakte) bei.

Der Versorgungsarzt Dr. B. schätze in seiner Stellungnahme vom 14.09.2012 (Blatt 74/75 der Beklagtenakte) den GdB auf 10 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Knorpelschäden am linken Kniegelenk, operiert: Einzel-GdB 10; degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule: Einzel-GdB 10; Schwerhörigkeit: Einzel-GdB 10), woraufhin das LRA mit Bescheid vom 20.09.2012 (Blatt 76/77 der Beklagtenakte) die Feststellung eines GdB ablehnte.

Mit Widerspruch vom 17.10.2012 (Blatt 78 der Beklagtenakte) machte der Kläger geltend, er habe derzeit eine Lungenentzündung, sein Körper sei derzeit allergisch und jucke unheimlich. Er fühle sich müde und sehr schwach. Physisch fühle er sich deprimiert.

Nach Beiziehung weiterer Unterlagen und einer Auskunft vom Facharzt für Allgemeinmedizin E. (zu seiner Auskunft vom 12.11.201 vgl. Blatt 83/84 der Beklagtenakte) schätzte der Versorgungsarzt Dr. Schw. in seiner Stellungnahme vom 28.12.2012 (Blatt 85/86 der Beklagtenakte) den GdB auf 20 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Knorpelschäden am linken Kniegelenk, operiert: Einzel-GdB 10; degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule: Einzel-GdB 10; Schwerhörigkeit: Einzel-GdB 10; Depression: Einzel-GdB 20; chronische Bronchitis, Allergie: Einzel-GdB 10).

Mit Abhilfebescheid vom 08.03.2013 (Blatt 87/88 der Beklagtenakte) stellte das LRA beim Kläger einen GdB von 20 seit 27.06.2012 fest. Den durch vorsorglichen Widerspruch gegen diesen Bescheid aufrecht erhaltenen Widerspruch (Blatt 90 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.04.2013, Blatt 92/94 der Beklagtenakte).

Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe am 08.04.2013 (Az.: S 6 SB 1285/13) und am 15.05.2013 (Az.:S 6 SB 1747/13) Klage erhoben; letztere Klage hat der Kläger mit Schreiben vom 19.08.2013 (Blatt 20 der SG-Akte zum Verfahren S 6 SB 1747/13) wieder zurückgenommen.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger u.a. ausgeführt (Blatt 19/20 = 21/22 der SG-Akte), weder im Abhilfebescheid noch im Widerspruchsbescheid sei dargelegt, wie der festgestellte GdB von 20 ermittelt worden sei. Es sei insgesamt ein höherer GdB festzustellen. Er leide aufgrund der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule unter einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit andauernden Beschwerden. Aufgrund der Allergien habe er Beschwerden und starkes Jucken am ganzen Körper. Die Depression führe neben den physischen Beeinträchtigungen zu einer permanenten Müdigkeit und Erschöpfung.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzten als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 29/5, 36/37 und 46/51 der SG-Akte Bezug genommen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin E. hat dem SG unter dem 13.07.013 geschrieben, die Depression sei unterbewertet und mit einer MdE von ca. 30 bis 40 % zu bewerten. Den Gesamt-GdB hat er auf 40 bis 50% geschätzt. Es bestehe auch eine chronische Gastritis mit HP-Bakterien vorübergehend leichten Grades. Der HNO-Arzt Dr. Hü. hat dem SG in seiner Antwort vom 29.07.2013 geschrieben, der Hörverlust betrage rechts 15 % und links 10 %. Eine Hörgeräteversorgung sei beidseits gerechtfertigt. Den GdB auf seinem Fachgebiet hat er auf 10 geschätzt. Dr. Hü. hat auch das Tonaudiogramm vom 28.10.2013 vorgelegt (Blatt 54 der SG-Akte). Der Chirurg Dr. Sche. hat dem SG am 28.10.2013 geschrieben, die Gesundheitsstörungen bezüglich der HWS seien als schwer, bezüglich der BWS und der LWS als mittel, bezüglich der Kniegelenke als mittel und bezüglich des Sprunggelenks als leicht anzusehen. Er teile die Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes.

Das SG hat des weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. D ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 08.02.2014 (Blatt 59/85 der SG-Akte) aus nervenärztlicher Sicht eine undifferenzierte Somatisierungsstörung angegeben, die ein leichte Behinderung i.S.e. leichteren psychovegetativen Störung darstelle und diese mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er auf 20 geschätzt.

Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 22.04.2014 (Blatt 90/91 = 92/93 der SG-Akte) geäußert und u.a. angegeben, es seien weitere Ermittlungen notwendig, da die Auskunft von Dr. Sche. nicht schlüssig sei. Es sei davon auszugehen, dass sich der Zustand verschlechtert habe. Auch sei eine schwerwiegende Nierenerkrankung festgestellt worden.

Mit Urteil vom 23.06.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Den Gesamt-GdB bewerte die Kammer mit 20, ausgehend von Einzel-GdB von jeweils 10 für den Knorpelschaden am linken Kniegelenk, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, die Schwerhörigkeit und die chronische Bronchitis sowie von 20 für die Somatisierungsstörung. Die Nierenerkrankung habe noch keine sechs Monate angedauert, weshalb diese nicht zu bewerten gewesen sei.

Gegen das seiner Bevollmächtigten am 10.07.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.08.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Das SG habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Seine Beeinträchtigungen lägen im Wesentlichen auf neurologisch-psychiatrischen und orthopädischem Gebiet. Unberücksichtigt geblieben sei auch, dass auch dann, wenn die vorliegenden Behinderungen für sich alleine genommen nicht so schwergradig wären, dass ein GdB von mehr als 20 gerechtfertigt wäre, er jedoch durch das Zusammenwirken der Erkrankungen und Beeinträchtigungen in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so erheblich beeinträchtigt sei, dass die Feststellung eines höheren Gesamt-GdB gerechtfertigt sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23.06.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 20.09.2012 in der Fassung des Abhilfebescheids vom 08.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2013 zu verurteilen, bei ihm ab Antragstellung am 27.06.2012 einen GdB von mehr als 20 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Hu ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 30.03.2015 (Blatt 23/47 der Senatsakte) beim Kläger ein Cervicalsyndrom bei Fehlhaltung und diskreten degenerativen Umbauvorgängen, ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen sowie ein Lumbalsyndrom mit leichten Muskelspannungsstörungen, ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen mit einem GdB von unter 10, einen Zustand nach Innenmeniskusteilresektion linkes Kniegelenk, ohne höhergradige degenerative Umbauvorgänge mit einem GdB von unter 10 bewertet und Senk-Spreiz-Füße angegeben. Den Gesamt-GdB hat er mit 20 bewertet.

In einem nichtöffentlichen Termin am 30.04.2015 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Termins wird auf Blatt 52/54 der Senatsakte Bezug genommen.

Der Kläger hat den Bericht einer arthroskopischen Operation des linken Kniegelenks vom 14.10.2003 (Blatt 59 der Senatsakte) vorgelegt.

Der Senat hat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie H. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner Antwort vom 22.05.2015 (Blatt 60/61 der Senatsakte) mitgeteilt, beim Kläger bestünden eine depressive Verstimmung und Schafstörungen. Der Kläger sei vergesslich, nervös und werde zitterlich.

Der Beklagte hat zur Beweisaufnahme ausgeführt (Schreiben vom 09.06.2015, Blatt 62/63 der Senastakte), der OP-Bericht zur arthroskopischen Operation vom 14.10.2003 sei nicht geeignet, eine Verschlimmerung ab 2012 darzulegen. Abgesehen davon liege nach dem Gutachten vom 30.03.2015 beim Kläger auf diesem Fachgebiet keine GdB-relevante Beeinträchtigung vor. Aus dem Bericht des Psychiaters und Neurologen H. ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Höherbewertung des bisherigen GdB von 20 für die Depression rechtfertigen würden.

Nachdem der Senat mit den Beteiligten zugestelltem Schreiben vom 22.06.2015 (Blatt 64, 64a, 65, 65a der Senatsakte) darauf hingewiesen hatte, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen, hat der Kläger (Schreiben vom 28.08.2015 Blatt 68 = 69 der Senatsakte) ausgeführt, er sei mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bzw. durch Gerichtsbescheid einverstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss zurückweisen, nachdem kein Fall des § 105 SGG vorliegt, die Beteiligten gehört wurden, die Berufung einstimmig für unbegründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten wird.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des LRA vom 20.09.2012 in der Fassung des Abhilfebescheids vom 08.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 18.04.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 20.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3 a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen, sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.

Die Bemessung des Gesamt GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die Funktionsbehinderungen, die im Allgemeinen in den einzelnen Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) bewertet werden, in ihrer Gesamtschau beim Kläger seit 27.06.2012 einen Gesamt-GdB von allenfalls 20 rechtfertigen.

Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, war ein Einzel-GdB von allenfalls 10 anzunehmen. Dr. Hu. konnte bei seiner Begutachtung des Klägers lediglich leichte Funktionsbeeinträchtigungen an der Wirbelsäule feststellen. So hat Dr. Hu. ein Cervicalsyndrom bei Fehlhaltung und diskreten degenerativen Umbauvorgängen, ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder - ausfallserscheinungen und ein Lumbalsyndrom mit leichten Muskelspannungsstörungen, ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen mitteilen können. An der HWS fand er eine minimale Differenz in der Beweglichkeit, in der Seitneigung und Rotation nach links gegenüber rechts, jedoch keine eigentliche Einschränkung und lediglich eine minimale Tonuserhöhung der rechtsseitigen Trapeziusmuskulatur. Röntgenologisch besteht eine Höhenminderung im Segment C6/7. Hier wurde kernspintomographisch auch eine Bandscheibenschädigung festgestellt. Sowohl in der Tomographie wurde eine Myelon- oder Nervenwurzelkompression verneint als auch der neurologische Gutachter Dr. D. sah hier keine Schädigung. Auch bei der Untersuchung bei Dr. Hu. bestand weder eine erkennbare noch eine provozierbare Nervenwurzelreiz- oder- ausfallserscheinung. An der LWS hat Dr. Hu. eine freie Beweglichkeit sowohl bei der gezielten Untersuchung wie auch bei Spontanbewegungen festgestellt, es hatten sich bei seiner Untersuchung allenfalls mäßige Muskelspannungsstörungen gezeigt. Röntgenologisch fanden sich keine dem Alter vorauseilenden Verschleißerscheinungen, jedoch sich degenerative Veränderungen der Bandscheibe in der Schichtbildgebung. Dr. Hu. hat auch hier keine Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen feststellen können. Er hat folgende Bewegungsausmaße mitgeteilt: Normalwerte Dr. Hu. Blatt 32/33 der Senatsakte = Seite 10/11 des Gutachtens Untersuchungsdatum 24.03.2015 HWS Drehung rechts/links 60/80-0-60/80 70/0/60 Seitwärtsneigung rechts/links 45-0-45 40/0/30 Vorneigen/Rückneigen Kinn-Jugulum-Abstand 2/15 cm BWS/LWS Ott 30/33 cm 30/33 cm FBA 0 cm 5 cm Schober 10/14 cm 10/15,5 cm Seitneigung rechts/links um 1 cm rechts und um 4 cm links eingeschränkt Rückneigen 35 30 Rumpfdrehen 30/0/30 Lasègue bds. negativ (Blatt 36 der Senatsakte = Seite 14 des Gutachtens)

Dr. Hu. konnte bei seiner Untersuchung keine radikulär bedingte Minderung der groben Kraft in den unteren Extremitäten feststellen, ebenso wenig motorische oder sensible Nervenwurzelreizerscheinungen. Dr. Sche. hatte in seiner Aussage gegenüber dem SG keinerlei funktionelle Befunde mitgeteilt; solche ergeben sich auch nicht aus den von ihm vorgelegten Arztbriefen. Damit konnte der Senat lediglich feststellen, dass beim Kläger allenfalls Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen bestehen. Mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem oder mehreren Wirbelsäulenabschnitten wie es ein GdB von mindestens 20 voraussetzt, konnte der Senat nicht feststellen. Insoweit hatte auch der behandelnde Orthopäde Dr. Sche. der ihm überlassenen versorgungsärztlichen Einschätzung des GdB mit 10 zugestimmt. Der Senat sieht vor diesem Hintergrund keinen Anlass, von dieser Bewertung zugunsten eines höheren Einzel-GdB in diesem Funktionssystem abzuweichen. Auch hatte der Kläger über Schmerzen hinaus im Erörterungstermin insoweit keine Anhaltspunkte geben können, die eine höhere Bewertung rechtfertigen könnten.

Im Funktionssystem der Beine hat hinsichtlich der Hüften weder der Kläger Gesundheitsstörungen angegeben noch waren solche von Dr. Sche. oder Dr. Hu. mitgeteilt worden. Hinsichtlich der Kniegelenke konnte Dr. Hu. bei normalen Bewegungsausmaßen (rechts/links: jeweils 140/0/0, Blatt 35 der Senatsakte = Seite 13 des Gutachtens), auch wenn am linken Kniegelenk drei Eingriffe erfolgt waren, keine Funktionsbeeinträchtigungen mitteilen. Anhaltende Reizzustände hat er weder rechts noch links gefunden. Auch hier hatte sich bei der Untersuchung durch Dr. Hu. keine Beeinträchtigung gezeigt. Vielmehr hat er die Knorpelschäden als gering bezeichnet. Damit war der vom LRA und dem Beklagten angenommene Einzel-GdB von 10 für die Knie jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers zu niedrig. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Senk- und Spreizfüße ohne statische Auswirkungen verblieben sind und einen höheren Einzel-GdB nicht rechtfertigen. Dr. Sche. hat auch insoweit die versorgungsärztliche Beurteilung geteilt, sodass der Senat sich von ihm bestätigt sieht.

Die vom Kläger vor dem SG zuletzt angegebene Nierenerkrankung begründet keinen Einzel-GdB. Der Verlust, ein Ausfall oder das Fehlen einer Niere konnte der Senat nicht feststellen, auch hat der Kläger dies nicht angegeben. Aber auch eine relevante Einschränkung der Nierenfunktion hat der Senat nicht feststellen können. Weder hat der Kläger in seiner Berufung noch im Erörterungstermin hierzu mitteilen können, dass und wie die Nierenfunktion eingeschränkt ist, noch hat er die Einnahme von Medikamenten oder eine ärztliche Behandlung mitgeteilt. So hat er auch gegenüber Dr. Hu. , der ausdrücklich nach ärztlichen Behandlungen und Medikationen gefragt hat (Blatt 29 der Senatsakte = Seite 7 des Gutachtens), lediglich auf die allgemeinärztliche und orthopädische Behandlung sowie eine Medikation mit Ibuprofen, Oxazepam und gelegentlich Schlaftabletten verwiesen. Auch Beschwerden der Niere hat er nicht angegeben. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat funktionell relevante Einschränkungen der Nierenfunktion nicht feststellen, weshalb ein Einzel-GdB nicht festzusetzen war.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche besteht beim Kläger eine undifferenzierte Somatisierungsstörung. Das konnte der Senat auf Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. Dr. D. feststellen. Soweit Dr. H. zuletzt eine ängstlich-depressive Symptomatik mit verminderter Belastbarkeit angegeben hat, beschreibt er mit anderen Worten in der Sache dieselbe Erkrankung, wie sie auch Prof. Dr. Dr. D. angenommen hat. Diese war jedoch lediglich mit einem Einzel-GdB von allenfalls 20 zu bewerten. Zutreffend hat das SG diesen Einzel-GdB angenommen. Der Senat konnte eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit i.S.v. B Nr. 3.7 VG, die den GdB-Rahmen von 30 bis 40 eröffnen würde, nicht feststellen. So hat der Kläger dem Gutachter Dr. Hu. mitgeteilt, einmal in der Woche schwimmen zu gehen und Fahrrad zu fahren. Er ist in Vollschicht im Drei-Schicht-Betrieb abhängig beschäftigt. Einen wesentlichen sozialen Rückzug konnte der Senat auf Basis der Angaben des Klägers im SG- als auch im Berufungsverfahren aber auch gegenüber den Gutachtern und seinen Ärzten nicht feststellen. Die Konzentrationsfähigkeit ist etwas reduziert (Blatt 80 der SG-Akte = Seite 22 des Gutachtens von Prof. Dr. Dr. D. ). Die affektive Schwingungsfähigkeit war nicht beeinträchtigt, die Stimmungslage leicht gedrückt (a.a.O.). Prof. Dr. Dr. D. hat jedoch Tendenzen für eine Aggravation und Simulation beschrieben (Blatt 82 der SG-Akte = Seite 24 des Gutachtens). Insgesamt konnte der Senat daher allenfalls einen Einzel-GdB von 20 annehmen. Einen höheren Einzel-GdB konnte der Senat nicht feststellen.

Anhaltspunkte dafür, dass im Funktionssystem der Ohren ein höherer Einzel-GdB als 10 anzusetzen war, ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers und der Auskunft von Dr. Hü. nicht. Auch die vom Beklagten mit einem Einzel-GdB von 10 bewertete chronische Bronchitis und Allergie konnte der Senat nicht mit einem höheren Einzel-GdB bewerten. Der Kläger hatte insoweit lediglich eine Hausstauballergie und eine Allergie gegen Katzenhaare angegeben (Blatt 29 der Senatsakte = Seite 7 des Gutachtens Dr. Hu. ), und Herr E. hat lediglich einmalig eine "Bronchits, nicht als akut oder chronisch bezeichnet" (Blatt 30 der SG-Akte = Seite 1 seines Karteiauszuges) und einmalig ein "Asthma bronchiale" am 26.04.2013 (Blatt 31 der SG-Akte = Seite 2 des Karteiauszugs) angegeben. Dies begründet noch keinen höheren Einzel-GdB. Die vom Allgemeinmediziner E. angegebene chronische Gastritis hat er selbst als leichtgradig beschrieben, weshalb nach B Nr. 10.2.1 VG der GdB am unteren Rand des Bewertungsrahmens von 0 bis 10, mithin bei 0, anzusetzen war. Auch ein Ulcus duodenie, einen Diabetes mellitus Typ IIb sowie eine Fettleber konnte der Senat nicht feststellen. So hat der Allgemeinmediziner E. diese Erkrankungen weder gegenüber dem LRA noch gegenüber dem SG bestätigt. Auch konnte der Senat diese Erkrankungen aus den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. Daher war insoweit ein GdB nicht anzusetzen.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Rumpfes, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Beine, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Ohren und - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Lunge. Nachdem beim Kläger vorliegend von einem zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 20 auszugehen ist und sich insbesondere die schmerzhaften Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und die im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche berücksichtigten Schmerzen wesentlich überlagern, konnte der Senat einen Gesamt-GdB i.S.d. § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX i.H.v. 20 feststellen. Denn unter Berücksichtigung eines Vergleichs der beim Kläger insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG die Schwerbehinderteneigenschaft, mithin einen GdB von 50, vorsehen andererseits, konnte der Senat den Kläger nicht als einem Schwerbehinderten vergleichbar schwer funktionell beeinträchtigt ansehen. Genauso wenig konnte der Senat den Kläger als einer Person mit einer Funktionsbehinderung, die die VG mit 30 bewerten, gleichgestellt ansehen. Insoweit ist gerade von Bedeutung, dass beim Kläger lediglich leicht- und geringgradige Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Damit konnte der Senat lediglich einen Gesamt-GdB von 20 annehmen. Diese Bewertung musste der Senat für den aktuellen Zustand der Funktionsbehinderungen treffen, er besteht aber seit 27.06.2012 durchgehend. Damit war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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