S 1 U 267/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 267/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger erlitt am 16.02.2002 einen Arbeitsunfall, als er stolperte und auf die rechte Schulter fiel.

Am 06.03.2002 stellte sich der Kläger bei dem Durchgangsarzt Dr. E vor. Diesem gegenüber schilderte der Kläger den Unfallhergang und teilte ihm mit, er habe anschließend weitergearbeitet. Außerdem klagte der Kläger dem Durchgangsarzt gegenüber über eine zunehmende Beschwerdesymptomatik, er könne auch nachts wegen der Schmerzen kaum noch schlafen. Dr. E diagnostizierte den dringenden Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur rechts.

Im Juni 2002 ließ die Beklagte den Kläger durch die Unfallchirurgen Prof. Dr. C1 und Dr. X begutachten. Diese kamen zu dem Ergebnis, es sei hier nicht wahrscheinlich zu machen, dass die zeitlich nach dem Sturz vom 16.02.2002 diagnostizierte Ruptur der Supraspinatussehne der rechten Rotatorenmanchette die wesentliche Folge der äußeren Einwirkung vom 16.02.2002 sei. Nach der Vorstellung, die aus der zugrundezulegenden Hergangsschilderung über den tatsächlichen Schädigungsmechanismus gewonnen werden könne, sei die Supraspinatussehne bei dem Hergang keiner besonderen Zugbeanspruchung ausgesetzt worden. Der konkrete Schädigungsmechanismus einer axialen Stauchung enthalte nach der derzeitigen medizinischen Auffassung keine Wirkungskraft, die eine altersentsprechende Spuraspinatussehne besonders gefähren könne. Bei der ersten durchgangsärztlichen Untersuchung am 06.03.2002 seien die typischen Zeichen einer frischen Ruptur der Supraspinatussehne nicht festgestellt worden. Vielmehr seien hier die klinischen Zeichen eines subacromialen Impingementsyndroms mit eingeschränkter Vorhebung des Armes und schmerzhaften Bogen beim Seitheben beobachtet und beschrieben. Die MRT-Untersuchung der rechten Schulter am 06.03.2002 habe einen Hochstand des Oberarmkopfes ergeben. Die Supraspinatussehne sei im peripheren Ansatz am Tuberculum maius abgerissen, dort hätten sich erhebliche Resorptionsgruben als indirektes Zeichen eines schon über längere Zeit ablaufenden Veschleißvorganges gezeigt. Der Muskelbauch des M. supraspinatus sei schon deutlich retrahiert gewesen. Die kernspintomographischen Phänomene könnten mit einer knapp 3 Wochen alten frisch eingetretenen Ruptur der Supraspinatussehne nicht in Einklang gebracht werden. Sie seien vielmehr dahin zu verwerten, dass im Ansatzbereich der Supraspinatussehne am Tuberculum maius schon über längere Zeit vor dem Ereignis vom 16.02.2002 rückschrittliche Veränderungen im Sehnengewebe mit der Folge einer Zerrüttung des Innengefüges und daraus resultierender erhöhter Rissbereitschaft abgelaufen seien. Das Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung vom 25.03.2002 sei in der Zusammenschau mit dem Ergebnis der MRT-Untersuchung vom 07.03.2002 nur dahin zu verwerten, dass sich die Supraspinatussehne der rechten Rotatorenmanschette zeitlich fortschreitend im Zusammenhang gelöst habe. Beim Abwägen des Für und Wider überwögen die für eine degenerativ bedingte bzw. gegen eine unfallbedingte Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette sprechenden Überlegungen so eindeutig, dass eventuell dagegen sprechende Argumente nicht mehr ins Gewicht fallen könnten. Aus medizinischer Sicht sei davon auszugehen, dass anlässlich des Sturzes vom 16.02.2002 eine degenerativ bedingte schleichende Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette manifest geworden sei, ohne jedoch durch den Unfall wesentlich verursacht worden zu sein.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit Bescheid vom 26.06. 2002 ab.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2002 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 28.10.2002 Klage erhoben.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2002 zu verurteilen, ihm Leistungen aus der gesetzlichen Unfallver- sicherung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu ge- währen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist bei Ihrer Auffassung geblieben, die angefochtene Verwaltungsentscheidung entspreche der Sach- und Rechtslage und sei nicht zu beanstanden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens von dem Unfallchirurgen Dr. C2 sowie von dem Unfallchirurgen Prof. Dr. C3. Auf Inhalt und Ergebnis der am 27.12.2002 bzw. am 07.09.2003 erstatteten Gutachten wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 26.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2002 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig.

Die Beklagte hat die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu Recht abgelehnt.

Nach den §§ 26 ff. des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) gewährt der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Leistungen nach Eintritt eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit). Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist jedoch stets, dass ein Arbeitsunfall auch rechtlich wesentlich einen Körperschaden verursacht haben muss. Daran fehlt es hier im Hinblick auf die bei dem Kläger diagnostizierte Rotatorenmanschettenruptur rechts. Dies steht nach dem Gesamtergebnis der im Verwaltungs- und im Klageverfahren durchgeführten Ermittlungen zur Überzeugung der Kammer fest. Die Kammer gründet ihre Überzeugung im Wesentlichen auf das Gutachten des Unfallchirurgen Prof. Dr. C3. Danach können die bei dem Kläger am rechten Schultergelenk bestehenden Gesundheitsstörungen in erster Linie wegen des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs nicht auf das Ereignis vom 16.02.2002 zurückgeführt werden. Nach den Erfahrungen von Prof. Dr. C3 besteht unmittelbar im Anschluss an eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur ein so starker Schmerz, dass dieser eine Weiterarbeit unmöglich macht und unmittelbar zu einer Vorstellung beim Arzt führt. Spätestens zwei Tage nach der traumatischen Aktivierung der ruhenden Anlage einer fortgeschrittenen Rotatorenmanschettendegeneration ist erfahrungsgemäß auch das Vollbild einer schmerzhaften Schultersteife vorhanden. Der Kläger hat hier jedoch nicht nur am Unfalltag weitergearbeitet, sondern auch noch die folgenden acht Tage. Auch wenn sich der Kläger nach seinen Angaben im Schriftsatz vom 02.10.2003 in dieser Zeit ganz auf organisatorische Arbeiten beschränkt haben will, ändert dies nichts daran, dass die Beschwerden, die nach einer traumatischen Rotatorenmanschettenschädigung auftreten, zur sofortigen Vorstellung bei einem Arzt führen müssen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, er habe am 25.02.2002 bei seinem Hausarzt "auch" über Gliederschmerzen und insbesondere Schmerzen der rechten Schulter geklagt und sei davon ausgegangen, dass er bei dem Sturz Prellungen erlitten hätte, die sich auch wieder geben würden, ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass die Beschwerden unmittelbar nach dem Sturz am 16.02.2002 noch nicht so gravierend waren und erst im Laufe der Zeit zugenommen haben. Auch gegenüber dem Durchgangsarzt Dr. E hat der Kläger über eine zunehmende Beschwerdesymptomatik geklagt hat. Insoweit ist jedoch in Übereinstimmung mit der beratenden Ärztin der Beklagten Frau Dr. I darauf hinzuweisen, dass zunehmende Beschwerden für ein schleichendes, ein fortschreitendes Verschleißleiden sprechen, nicht für ein Unfallgeschehen. Bei einem Unfallgeschehen ist der sich sofort einstellende Schmerz und die sich sofort abzeichnende Funktionsbeeinträchtigung zeitnah zum Unfall am massivsten, um dann mit der Zeit wieder abzunehmen und nicht um anschließend weiter anzusteigen.

Die Kammer hat keine Bedenken, die Feststellungen des Sachverständigen Prof.Dr. C3 der Entscheidung zugrunde zu legen. Der Sachverständige hat die erhobenen Befunde sehr eingehend und sorgfältig ausgewertet und widerspruchsfreie und nachvollziehbare Überlegungen zur Zusammenhangsfrage angestellt. Darüber hinaus stimmen die Feststellungen von Prof. Dr. C3 auch mit denen des im Verwaltungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. X überein, der der Kammer ebenfalls aus zahlreichen Verfahren als kompetenter Sachverständiger bekannt ist. Um einen kompetenten Sachverständigen handelt es sich nach Auffassung der Kammer auch bei Dr. C2. Dennoch vermochte ihm die Kammer in diesem Fall nicht zu folgen, da sie seine Auffassung aufgrund der Feststellungen von Prof. Dr. C3 für widerlegt hält. Dies gilt insbesondere für seine Auffassung, entscheidend sei hier die histologische Beurteilung, die für einen Unfallzusammenhang spreche. Nach Auffassung von Prof. Dr. C3 ist der kernspintomographische Befund jedoch sehr viel aussagekräftiger als der histologische, weil sich durch ihn ein Überblick über die gesamt Supraspinatussehne ergibt, auch noch über die Strukturen der Umgebung. Nach der Kernspintomographie lag bei dem Kläger jedoch bereits eine fortgeschrittene Degeneration der Supraspinatussehne mit einer wohl auf dieser Basis eingetretenen Zusammenhangstrennung vor.

Die Klage konnte nach alldem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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