L 5 R 220/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 810/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 220/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04.12.2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf 11.515,77 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 11.515,77 EUR für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) und zu 2), die diese in der Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 für die Klägerin erbracht haben.

Die Klägerin ist ein in der Baubranche tätiges Unternehmen. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die B. GmbH, die ihrerseits vertreten wird durch die Geschäftsführer H. B. und A. B ... Die Beigeladenen zu 1) und 2) sind polnische Handwerker, die mit drei weiteren Personen eine A. gegründet hatten, deren Betriebszweck darin bestand, für die Klägerin Dienstleistungen zu erbringen. In den von der A. gestellten Rechnungen waren die einzelnen Mitglieder jeweils namentlich mit Arbeitsstunden und Stundensatz aufgeführt.

Aufgrund eines Hinweises durch das Finanzamt U. führte die Beklagte eine Sonderprüfung nach (dem bis 31.12.2007 geltenden) § 107 Sozialgesetzbuch (SGB) IV i.V.m. § 28p SGB IV bei der Klägerin durch. Im Rahmen dieser Sonderprüfung erfolgte eine Auswertung des Lohnsteuerprüfberichts des Finanzamts U. vom 02.09.2005 sowie der sonstigen vom Finanzamt überlassenen Unterlagen (diverse Rechnungen, Verträge, Notizzettel bzw. Aushänge, amtliche Unterlagen und Auftragsbestätigungen, Abnahmeprotokolle bzw. Regieberichte, Rapporte und Stundenzettel).

Mit Schreiben vom 20.07.2006 wurde die Klägerin zu der beabsichtigten Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von 11.515,77 EUR angehört. In der Nachforderung seien Säumniszuschläge in Höhe von 1.501,50 EUR enthalten.

Mit Bescheid vom 30.10.2006 forderte die Beklagte dementsprechend Beiträge in Höhe von insgesamt 11.515,77 EUR nach. Die Beitragsnachforderung begründete sie damit, dass bei der Klägerin in dem maßgeblichen Zeitraum polnische Handwerker - die sich in einer sogenannten A. zusammengeschlossen hätten - tätig gewesen seien. Diese Handwerker seien nach Ansicht der Beklagten trotz des Zusammenschlusses in der A. nicht als Selbstständige zu qualifizieren und mithin der Sozialversicherungspflicht unterworfen.

Hiergegen legte die Klägerin am 07.11.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung die Rechtsgepflogenheiten in der Bauwirtschaft nicht ausreichend berücksichtigt habe. Es sei durchweg üblich, dass sich mehrere Unternehmen zur Realisierung eines Projekts in einer A., als einer Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, zusammenschließen würden. Eine solche Arbeitsgemeinschaft sei stets projektbezogen und beinhalte auch eine gewisse Aufgabenteilung. Dieser Umstand könne nicht zur Begründung einer unselbstständigen Tätigkeit herangezogen werden. Die Vereinbarung eines Konkurrenzverbots sei üblich. Der Einsatz eigener Maschinen oder Werkzeuge sei nicht entscheidungserheblich und würde zudem den werkvertraglichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) widersprechen. Soweit Regiestunden im Rahmen der gegenständlichen Werkverträge ausgefüllt worden seien, entspreche dies den Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B). Nach § 15 VOB/B seien Stundenlohnabrechnungen alsbald nach Abschluss der Stundenlohnarbeiten vorzulegen. Die Stundenlohnarbeiten seien auch grundsätzlich vom Auftraggeber zu beaufsichtigen. Außerdem sei bei der Abwicklung von Werkverträgen die Abrechnungen auf Stundenbasis durchaus üblich. Darüber hinaus sei der Auftraggeber nach § 4 VOB/B dazu berechtigt, die Tätigkeiten zu überwachen. Des Weiteren sei aus den Ermittlungsakten nicht ersichtlich, dass die Arbeitsgemeinschaftsmitglieder keine unternehmerische Kalkulation vorgenommen und keinen Einsatz von eigenem Kapital bei der Leistungserbringung erbracht hätten. Vielmehr hätten die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft ihr eigenes Kleinwerkzeug, ihre eigenen Fahrzeuge, Schutzkleider etc. verwendet. Damit sei eigenes Kapital zum Einsatz gekommen. Zudem sei das Ergebnis der Lohnsteueraußenprüfung nicht eindeutig. Im Übrigen seien bezüglich des Zeitraums vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 keinerlei Unterlagen vorhanden, die auf eine durchgehende Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und der Arbeitsgemeinschaft hindeute. Es sei auch nicht ersichtlich, ob alle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Leistungen zugunsten der Klägerin erbracht hätten oder nur einige der Mitglieder. Darüber hinaus sei die Berechnung der Sozialabgaben nicht nachvollziehbar.

Am 07.02.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 30.10.2006. Die Beklagte gab dem Antrag bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens - in welchem weitere Ermittlungsergebnisse des Finanzamtes sowie der Staatsanwaltschaft abgewartet werden sollten - statt (Bescheid vom 12.02.2007).

Die Ermittlungen des Hauptzollamtes U. gegen H. B. und A. B. wegen des Verdachtes des Vorenthaltungsverhaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266 Strafgesetzbuch) führten während des Widerspruchsverfahrens zu einer Strafanzeige. Das Strafverfahren wurde auf die Berufung der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft durch Beschluss des Landgerichts U. vom 20.06.2011 gemäß § 153a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) sodann jedoch eingestellt ( ... Ns 3 ... Js 6 .../07).

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die von der Klägerin vorgetragenen Rechtsgepflogenheiten der Bauwirtschaft seien nicht geeignet, die Abgrenzungskriterien zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit zu entkräften. Die unverzügliche Vorlage der Stundenlohnabrechnungen und das ständige Überwachen der Tätigkeit würden für abhängige Beschäftigungsverhältnisse sprechen. Darüber hinaus sei es auch für abhängig Beschäftigte durchaus üblich, mit Privatfahrzeugen zur Arbeitsstelle zu fahren und gegebenenfalls eigene Schutzkleidung zu verwenden. Die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO durch das Landgericht U. bedeute nicht, dass keine abhängige Beschäftigung vorgelegen habe.

Hiergegen richtete sich die am 08.03.2012 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Die Klägerin trug vor, dass die A. für sie im Rahmen eines Werkvertrages tätig geworden sei. Das Strafverfahren sei gemäß § 153a StPO endgültig eingestellt worden. Die Einstellung spreche gegen die Annahme eines Scheinwerkvertrages. Die Einstellung beinhalte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Übrigen eine Unschuldsvermutung. Nach der Rechtsprechung des BGH sei darauf hinzuweisen, dass die Einbeziehung der VOB stets für die Übernahme der Gewährleistung und selbstständige Vertragserbringung spreche. Auch die Erbringung der Stundenlohnarbeiten sei im Werkvertragsverhältnis üblich und möglich. Es sei in § 15 VOB/B explizit geregelt. Nach der VOB/B sei die Auftraggeberseite bei einem Bauvertrag stets berechtigt, leistungsbezogene Weisungen an den Subunternehmer zu erteilen. Diese Weisungen könnten bei Gefahr in Verzug an jeden der Mitarbeiter der Baustelle gerichtet werden. Des Weiteren sei es im Rahmen der A. gerade üblich, dass die A.-Mitglieder ihre eigenen Betriebsmittel verwenden würden. So sei das auch in diesem Fall gewesen. Die Gesellschafter hätten ihre eigenen Fahrzeuge, Schutzkleider und Werkzeuge eingesetzt und in die A. eingebracht. Damit liege ein erheblicher Kapitaleinsatz der A. vor, der bei der Verrichtung des Werkvertrags eingesetzt worden sei. Inzwischen sei auch festzuhalten, dass eine rechtlich verbindliche Feststellung hinsichtlich der Lohnsteuer nicht vorliege. Es sei keineswegs verbindlich festgestellt worden, dass Lohnsteuer abzuführen sei. Nach alldem sei nicht von einem Beschäftigungsverhältnis auszugehen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Klägerin habe mit der A. Subunternehmerverträge mit dem Inhalt der "Erbringung von Baudienstleistungen" abgeschlossen. Eine Steuernummer habe das Finanzamt E. an die A. nicht vergeben, da es sich nicht um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt habe. Die Tätigkeit sei allein durch Mitglieder der A. erbracht worden, Erfüllungsgehilfen seien nicht eingesetzt worden. Nach dem Subunternehmervertrag sei auch nicht die Stellung eines bestimmten Werkes vereinbart worden, sondern die Bereitstellung von Baudienstleistungen. Die Personen hätten insoweit ausschließlich ihre eigene Arbeitskraft für verschiedene Tätigkeiten zur Verfügung gestellt. Eine freie Bestimmung von Ort, Art und Weise habe nicht vorgelegen. Die Abrechnung sei auf Stundenlohnbasis erfolgt. Die Handwerker seien im Namen der Klägerin aufgetreten. Nur in geringfügigem Umfang seien eigene Betriebsmittel eingebracht worden. Dies ergebe sich aus den vom Hauptzollamt U. sichergestellten Unterlagen und Zeugenaussagen. Die Klägerin habe zudem keine Unterlagen vorgelegt, die eine abweichende rechtliche Würdigung begründen würden.

Mit Beschluss vom 22.10.2014 wurden die Beigeladenen zu 1) bis 5) zum Verfahren beigeladen.

Mit Urteil vom 04.12.2014 wies das SG die Klage ab. Rechtsgrundlage des Bescheides vom 30.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2012 sei § 28p Abs. 1 SGB IV. Die Beklagte sei damit zur Betriebsprüfung und für die Feststellung zuständig, ob die Gewerbetreibenden im streitgegenständlichen Zeitraum gegen Arbeitsentgelt bei der Klägerin beschäftigt und somit in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig gewesen seien. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sei Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Vorliegend sprächen mehr Gründe für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung als gegen sie. Entscheidendes Gewicht komme dabei dem Umstand zu, dass die polnischen Handwerker kein unternehmerisches Risiko getragen hätten. Die polnischen Handwerker seien ausweislich der vorliegenden Rechnungen auf Stundenlohnbasis mit einem Stundensatz von 12,50 EUR entlohnt worden. Darüber hinaus hätten die polnischen Handwerker auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht über eigene Betriebsmittel im wesentlichen Umfang verfügt. Es sei lediglich Kleinwerkzeug und der private PKW als Anfahrt zur Arbeitsstätte verwendet worden. Ein solcher Einsatz von eigenem Kapital sei aber auch im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses durchaus üblich. Als weiteres Indiz sei zu berücksichtigen, dass eine eigene Betriebsstätte der polnischen Handwerker bzw. der A. nicht existiert habe. Auch sei eine unternehmerische Tätigkeit am Markt nicht ersichtlich. Schließlich habe auch eine persönliche Abhängigkeit der polnischen Handwerker von der Klägerin bestanden. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass die Ausführungen der Arbeiten auf der Baustelle kontrolliert worden seien. Die von der Klägerin behauptete "Branchenüblichkeit" rechtfertige selbst bei ihrem unterstellten Vorliegen keine abweichende Einschätzung. Auch aus der Einstellung des Strafverfahrens gegen die Geschäftsführer der Klägerin nach § 153a StPO lasse sich nichts anderes herleiten.

Das Urteil wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 19.12.2014 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 19.01.2015 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung. Die A. habe die Erbringung der Bauleistungen in Form von Lohnleistungen durch einen Werkvertrag erbracht. Auch bei dem Werkvertrag würden die Produktionsmittel vom Besteller gestellt. Entscheidend komme es auf die Übernahme der Gewährleistung und die erfolgsbezogene Leistungserbringung an. Diese Faktoren könnten dem vorliegenden Vertragsverhältnis nicht abgesprochen werden. Wenn ein Bauvertrag von einer A. erbracht werde, sei in der Regel der Sitz der A. auch der Leistungsort. Da es sich um einen Zusammenschluss von selbstständigen Unternehmern zum Zweck der Erbringung einer konkreten und neuvertraglichen Leistung handele, sei es auch naheliegend, dass der Betriebssitz der Klägerin durchaus als Orientierungsort für die A. diene. Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, dass die Unschuldsvermutung durch die Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO nicht beseitigt worden sei. Mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein unternehmerisches Risiko gerade die Gewährleistungsübernahme für die selbstständige Leistungserbringung. Eine darüber hinausgehende Risikoverteilung zu Ungunsten der Klägerin sei aus der Akte nicht ersichtlich.

Die Klägerin beantragt - sachdienlich gefasst -,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 04.12.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 30.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Berufungserwiderung führt die Beklagte aus, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) gemeinsam mit drei weiteren Personen mit Arbeitsgemeinschaftsvertrag vom 05.08.2004 die A. Dach Bauleistung gegründet hätten, deren einziger Betriebszweck darin bestanden habe, der Klägerin die Arbeitsleistung der in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Personen zu überlassen. Die Vergütung habe sich - zumindest für die Beigeladenen im Prüfzeitraum - nach einem Stundenlohn von 12,50 EUR gerichtet. Die in dem Arbeitsgemeinschaftsvertrag angegebenen Anschriften der Mitglieder hätten dem Betriebssitz der Klägerin entsprochen. Versicherungsnummer der Beigeladenen zu 1) und 2) seien nicht bekannt gewesen, weshalb auch keine Anschrift zu ermitteln gewesen sei und keine Beteiligung im Verwaltungsverfahren habe erfolgen können. Soweit in der Berufungsbegründung erneut vorgetragen werde, dass Werkverträge geschlossen worden seien und die Mitglieder der A. Dach Bauleistungen ein eigenes Unternehmerrisiko getragen hätten, sei dieser Vortrag bereits hinreichend durch die streitgegenständlichen Bescheide und das Urteil des SG gewürdigt worden. Eine abweichende rechtliche Würdigung ergebe sich hieraus nicht.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beteiligten sind vom Berichterstatter mit Schreiben vom 20.11.2015 darauf hingewiesen worden, dass der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die Akten der Beklagten und des SG zum Verfahren S 6 R 810/12 und S 6 R 2182/12 ER Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten gehört. Das Schreiben des Vertreters der Klägerin vom 20.01.2016 hat dem Senat keine Veranlassung gegeben, von dieser Verfahrensweise abzuweichen.

Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ohne Zulassung durch das SG statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem streitigen Nachforderungsbetrag von 11.515,77 EUR überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die angefochtenen Bescheide beruhen auf § 28p Abs. 1 SGB IV. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Die Beklagte hat insbesondere zutreffend angenommen, dass die Beigeladenen zu 1) und zu 2) bei der Klägerin in der streitigen Zeit eine zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 SGB IV) ausgeübt haben.

Gem. § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlung und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Im Rahmen der Prüfung erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV; vgl. dazu zur Zuständigkeit für den Erlass von Nachforderungsbescheiden auch LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.07.2010, - L 11 R 2595/10 ER-B -, in juris).

Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung besteht für gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III), wobei die Pflicht des Arbeitgebers zur anteiligen Tragung der Beiträge aus § 249 Abs. 1 SGB V, § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB XI und § 346 Abs. 1 Satz 1 SGB III folgt. Der Arbeitgeber muss die Beiträge als Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlen (§ 28d Satz 1 i. V. m. 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV und § 253 SGB V, § 174 Abs. 1 SGB VI, § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI, § 348 Abs. 2 SGB III).

Grundvoraussetzung für die Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen ist das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Dafür ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl. etwa BSG, Urt. v. 29.08.2012, - B 12 KR 25/10 R -, in juris). Das Unternehmerrisiko besteht (regelmäßig) in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Das für eine selbstständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung indessen nicht wesentlich bestimmen (BSG, Beschl. v. 16.08.2010, - B 12 KR 100/09 B -, in juris). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urt. v. 25.04.2012, - B 12 KR 24/10 R -, in juris).

Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urt. v. 29.08.2012, - B 12 KR 25/10 R -, in juris).

Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert nach der Rechtsprechung des BSG eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, d. h. für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht (ebenso die Behörde) insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (so BSG, Urt. v. 24.05.2012, - B 12 KR 14/10 R - und - B 12 KR 24/10 R -, beide in juris).

Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend ist die Tätigkeit, die der Beigeladene zu 1) und der Beigeladene zu 2) während der streitigen Zeit für die Klägerin ausgeübt haben, nach ihrem Gesamtbild nicht als selbstständige Erwerbstätigkeit, sondern als abhängige Beschäftigung einzustufen. Der Senat nimmt auf die Ausführungen des SG gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich auch aus der Berufungsbegründung nicht ergibt, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) ein Unternehmerrisiko getragen haben. Eigene Betriebsmittel oder eigenes (Wagnis-)Kapital in nennenswertem Umfang haben sie nicht eingesetzt. Die Nutzung von Kleinwerkzeugen oder eines privaten PKW genügt hierfür nicht (ständige Rechtsprechung des Senats vgl. etwa Urteil vom 23.09.2015, - L 5 R 224/14 -, n.v.). Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben - nicht wesentlich anders als festangestellte Arbeitnehmer der Klägerin - ihre Arbeitskraft für die Klägerin eingesetzt, wobei ihnen eine ins Gewicht fallende unternehmerisch nutzbare Freiheit in der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft nicht eröffnet gewesen ist (dazu: BSG, Urteil vom 25.04.2012, - B 12 KR 24/10 R -, in juris). Auch die Vergütung zu einem arbeitnehmertypischen Stundensatz von 12,50 EUR spricht für eine abhängige Beschäftigung. Eine Preiskalkulation durch die Beigeladenen zu 1) und 2) fand nicht statt. Darüber hinaus hat der Senat zu berücksichtigen, dass auch das Arbeitsmaterial von der Klägerin zur Verfügung gestellt wurde.

Zur Überzeugung des Senats waren die Beigeladenen zu 1) und 2) auch in den Betriebsablauf der Klägerin eingegliedert. Die Klägerin gibt selbst an, dass sie den Beigeladenen Weisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Durchführung der Arbeiten vorgegeben hat. Dies war zur Überzeugung des Senats auch notwendig, da zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) und 2) auch keine projektspezifische Vertragsgestaltung erfolgt war und daher eine Konkretisierung der zu erbringenden Leistungen fortlaufend durch die Klägerin erfolgen musste. Die Beigeladenen zu 1) und 2) sind auch nicht als Unternehmer am Markt aufgetreten. Weder wurde Werbung betrieben noch verwendetes Arbeitsmaterial von Dritten bezogen. Einen eigenen Kreis von Auftraggebern oder Kunden hatten die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht. Auch haben sie sich nicht ersichtlich um den Aufbau eines Kundenstammes bemüht. Schließlich haben sie auch keine eigene Betriebsstätte unterhalten.

Zutreffend hat im Übrigen auch das SG darauf hingewiesen, dass der pauschale Einwand der Klägerin, die Beklagte habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, vorliegend nicht nachvollziehbar ist. Die Beklagte hat zur Beurteilung der streitgegenständlichen Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1) und 2) auf den Inhalt der von der Klägerin mit den Betroffenen geschlossenen Verträge sowie der von dem Finanzamt U. und E. sowie des Hauptzollamts U. vorgelegten Unterlagen abgestellt.

Bedenken gegen die Rechnung der Beitragsforderung im Übrigen wurden als solche weder substantiiert vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

Die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 24 Abs. 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Die Erhebung von Säumniszuschlägen scheidet nicht wegen § 24 Abs. 2 SGB IV aus. Danach ist ein auf eine durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellte Beitragsforderung entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Das Verschulden beurteilt sich entsprechend § 276 BGB und umfasst damit neben Vorsatz auch die Fahrlässigkeit. Ein Arbeitgeber hat sich dabei im Zweifel sorgfältig über die Rechtslage zu informieren und ggf. kundigen Rat einzuholen und im Zweifel eine Einzugsstelle einzuschalten (vgl Segebrecht in jurisPK-SGB IV, § 24 RdNr 34), sodass jedenfalls keine unverschuldete Unkenntnis vorgelegen hat (LSG BW, Urteil vom 01.10.2014, - L 5 R 4331/13 -, Urteil vom 10.07.2013, - L 5 R 701/13 -, beide veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Die Klägerin hatte im Übrigen 12 fest angestellte Mitarbeiter beschäftigt. Ihr musste daher klar sein (und war nach Auffassung des Senats auch klar), dass die im Kern gleichartige Tätigkeit der Beigeladenen der Sozialversicherungspflicht unterlag. Berechnungsfehler sind auch bei der Festsetzung der Säumniszuschläge nicht erkennbar und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3, 47 Gerichtskostengesetz (GKG); maßgeblich ist der im streitgegenständlichen Bescheid festgesetzte Nachforderungsbetrag.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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