Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 4580/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1593/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.03.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Grad der Behinderung (GdB) die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bewerten sind.
Bei der 1948 geborenen Klägerin war durch das Landratsamt M.-T. K. – Versorgungsamt – (LRA) ein GdB von 20 seit 16.02.2006 [Bescheid vom 03.04.2006, Bl. 16/17 der Verwaltungsakten (VA)] für eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten (Teil-GdB 20) und eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10) festgestellt.
Am 16.04.2011 beantragte die Klägerin die Erhöhung des GdB unter Berufung auf einen Z.n. Spondylodese L4/L5 und L5/S1 2005, Instabilität L3/L4 und Spinalkanalstenose C5/C6. Sie legte den Bericht des D. Krankenhauses K. D. vom 15.09.2005 (Diagnose: Lumbale Instabilität L3-S1 beidseits, Bl. 30/32), den Bericht des Orthopäden R. vom 06.03.2008 (Diagnose: Spondylodese L4 auf S1, interspinöses U, Bl. 33 VA), den Bericht des Radiologen Schn. vom 30.06.2009 (Beurteilung: Mehrere ossär bedingte neuroforaminale Stenosen mit möglichen Nevenwurzelkompressionserscheinungen, degenerative Veränderungen, erhebliche Spondylose mit subtotaler Spinalkanalstenose im Segment C5/C6 und Kompression des Myolon, Bl. 34/35 VA), den Bericht des Orthopäden Dr. J. vom 14.03.2010 (Diagnose: Rezidivierende Lumbalgien, Zustand nach Spondylodese L4-S1 08.09.2005, Verdacht auf Lockerung der präsacralen Pedikelschraube links, Bl. 36/37 VA) und den Bericht des Orthopäden Dr. D. vom 21.06.2010 (Diagnose: Gesichert Instabilität L3/4, gesichert Z.n. DTF L4-S1 mit Cofleximplantation L3/4, Bl. 38/39 VA) vor.
Das LRA holte die Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom 03.05.2011 (Bl. 41/42 VA) ein, die die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt bewertete: - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten, Instabilität (Teil-GdB 30), - Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10). Den Gesamt-GdB schlug sie mit 30 vor.
Mit Bescheid vom 05.05.2011 (Bl. 43/44 VA) stellte das LRA bei der Klägerin einen GdB von 30 seit 16.04.2011 fest.
Am 24.05.2011 legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass schwere funktionelle Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden im Bereich von HWS und LWS, somit in zwei Wirbelsäulenabschnitten bestünden, die mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten seien. Darüber hinaus machte sie eine Harninkontinenzproblematik nach Total-OP sowie eine zumindest massive Erschöpfung, aufgrund derer sie mit Hormonen behandelt werde, geltend. Für die vorliegende zumindest fortgeschrittene psychovegetative Erschöpfung sei ein Teil-GdB von 20 angezeigt. Darüber hinaus sei aufgrund der starken Knorpelschäden im Bereich der Kniegelenke, welche auch zu Reizerscheinungen und Ergüssen führten, ein Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen. Insgesamt sei die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt. Sie legte eine ärztliche Bescheinigung des Gynäkologen Dr. M.-W. vom 23.08.2011 (Diagnose: Stress-Harninkontinenz I-II Grades mit Urinverlust bei geringer Belastungssituation, Bl. 61 VA) vor.
Die Versorgungsärztin Dr. B. bewertete in der Stellungnahme vom 13.10.2011 (Bl. 63/64 VA) nunmehr die Funktionsbehinderung beider Kniegelenke mit einem Teil-GdB von 20 und zusätzlich eine Stress-Harninkontinenz mit einem Teil-GdB von 20 und schlug den Gesamt GdB mit 40 vor.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 18.10.2011 (Bl. 66/68 VA) stellte der Beklagte einen GdB von 40 seit 16.04.2011 fest. Im Übrigen wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2011 (Bl. 75/77 VA) zurück.
Am 22.12.2011 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Die Beklagte habe im gynäkologischen Bereich die bei der Klägerin erforderliche Hormonsubstitutionstherapie, die aufgrund von Hormonstörungen nach einer Gebärmutterentfernung nach wie vor erforderlich sei, nicht berücksichtigt. Für die Erkrankung im Hormonstoffwechsel sei ein weiterer Teil-GdB von 20 gerechtfertigt. Darüber hinaus liege eine deutliche psychische depressive Veränderung, die teilweise auch bereits psychiatrisch und mit Antidepressiva behandelt worden sei, vor. Der Gesamtkomplex der Wirbelsäulenerkrankung sei mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.
Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. F. führte unter dem 09.03.2012 (Bl. 26/27 SG-Akte) aus, in der versorgungsärztliche Stellungnahme vom 02.09.2011 seien eine schwergradige Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke und eine erhebliche depressive Verstimmung nicht erfasst. Der GdB sei ihres Erachtens mit mindestens 50 anzusetzen.
Der Gynäkologe M.-W. stufte im Schreiben vom 12.03.2012 (Bl. 28/29 SG-Akte) die Harninkontinenz als mittelschwer ein und stimmte der Bewertung durch die Versorgungsärztin Dr. B. zu.
Die Fachärztin für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie Dr. T.-L. gab unter dem 15.03.2012 (Bl. 30 SG-Akte) an, bezüglich der Feststellungen und Bewertungen der Wirbelsäule stimme sie mit der versorgungsärztlichen Einschätzung überein.
Der Orthopäde Dr. J. stimmte mit Schreiben vom 24.03.2012 (Bl. 31/33 SG-Akte) der versorgungsärztliche Stellungnahme vom 02.09.2011 zu. Unter dem 18.12.2012 (Bl. 68/69 SG-Akte) nahm Dr. J. ergänzend Stellung. Er legte seine Befundberichte vom 19.03.2012, 18.08.2011 und 14.03.2010 (Bl. 34/35, 36, 37/38 SG-Akte), den Bericht des Radiologen Dr. He. vom 12.03.2012 (Bl. 39 SG-Akte), den Bericht des Dr. D. vom 21.06.2010 (Bl. 40/41 SG-Akte) und den Bericht des Orthopäden Dr. K. vom 22.01.2010 (Bl. 42 SG-Akte) vor.
Der Orthopäde Dr. D. schlug im Schreiben vom 30.04.2012 (Bl. 45/46 SG-Akte) einen Teil-GdB von 40 für die Beschwerden von HWS und LWS und einen Gesamt-GdB von 50 vor, da die mit einem Teil-GdB von 20 bewertete Funktionsbehinderung der Kniegelenke durch die Gesamtsituation der LWS bzw. der von dort ausstrahlenden Beschwerden negativ beeinflusst werde.
Die Klägerin legte den physiotherapeutischen Befundbericht des Therapeuten M. vom 20.02.2012 (Bl. 50/53 SG-Akte), den Bericht des Chirurgen Dr. K. vom 25.04.2012 (Bl. 54 SG-Akte), den Bericht des Krankenhauses W. vom 09.03.2012 (Diagnose: Z.n. Varikektomie links, Z.n. nach beidseitiger Meniskus-OP vor 20 Jahren, Seitenastvarikosis beidseits, Naevus bzw. Cornu cutaneum, Bl. 57 SG-Akte), den Bericht der Internistin Dr. S. vom 16.04.2012 (Beurteilung: Unauffälliger Herz-Lungen-Befund, Bl. 59 SG-Akte) sowie Informationsschreiben zu geplanten Operationen (Bl. 55/56, 58, 60/61 SG-Akten) vor.
Das SG hat das orthopädische Gutachten des Dr. H. vom 16.05.2013 (Bl. 75/99 SG-Akte) eingeholt. Nach Untersuchung der Klägerin am 17.04.2013 stellte der Gutachter folgende Diagnosen: 1. degeneratives Lumbalsyndrom, Zustand nach Spondylodese L4 bis S1, dynamischer Stabilisierung L3/4, Anschlussinstabilität, 2. Cervicalsyndrom bei erheblichen degenerativen Veränderungen, ohne Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen, 3. Impingementsyndrom beider Schultergelenke mit Bewegungsdefizit, 4. Chondromalazie beide Kniegelenke medial betont mit diskretem Beugedefizit. Im Bereich der Wirbelsäule bestünden mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die der Gutachter mit einem GdB von 40 bewertete. Die Bewegungseinschränkung der Schultergelenke sei mit einem GdB von 20 korrekt eingeschätzt. Die Gesundheitsstörungen der Kniegelenke bewertete der Gutachter mit einem Teil-GdB von 10. Den Gesamt-GdB schätze er mit 50 ein. Unter dem 23.01.2015 nahm der Gutachter ergänzend Stellung und führte insbesondere aus, dass nach Hinweis des SG auf das Urteil des Senats vom 14.01.2014 – L 8 SB 2497/11 die Wirbelsäulenschäden mit einem Teil-GdB von 30 und der Gesamt-GdB für die orthopädischen Gesundheitsstörungen mit 40 zu bewerten wären.
Die Klägerin legte die Berichte des Dr. M.-W. vom 08.08.2011 (Diagnose: Stress-Harninkontinenz I.-II. Grades, Bl. 107, 108 SG-Akte) und die Berichte des C.-Krankenhauses B. M. vom 01.02.2014 (Urologische Diagnosen: Fornixruptur rechts, Nierenruptur rechts mit konsekutiver Hydronephrose rechts, Bl. 114/116 der SG-Akte) und vom 17.04.2014 (urologische Diagnosen: Urolithiasis rechts, DJ- Schiene rechts seit 01.02.2014 bei Z.n. Fornixruptur rechts infolge einer Harnstauungsniere rechts bei prävesikalem Ureterstein rechts, Bl. 120/122 SG-Akte) vor.
Der Beklagte legte die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. R. vom 20.08.2013 (Bl. 103/104 SG-Akte), des Dr. C. vom 09.12.2013 (Bl. 111 SG-Akte), des Dr. G. vom 16.10.2014 (Bl. 130/131 SG-Akte) und des Dr. W. vom 11.02.2015 (Bl. 146/147 SG-Akte) vor, die den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 bewerteten.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.03.2015 wies das SG die Klage ab, wobei es die Gesundheitsstörungen im Funktionssystem des Rumpfes mit einem Teil-GdB von 30, die Stressharninkontinenz und das Nierensteinleiden mit einem Teil-GdB von 20 sowie die Gesundheitsstörungen im Funktionssystem Arme und Beine mit Teil-GdB von jeweils 10 und den Gesamt-GdB mit 40 bewertete.
Am 21.04.2015 legte die Klägerin gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 01.04.2015 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein. Der Gutachter habe bereits alleine für die Lendenwirbelsäule entsprechend schwerer funktioneller Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt einen Teil-GdB von 30 angesetzt. Unter Berücksichtigung der hinzutretenden mittelgradigen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule sei es angemessen, diesen Einzel-GdB auf 40 zu erhöhen. Das SG habe auch nicht berücksichtigt, dass bei der Klägerin im Zusammenhang mit den Wirbelsäulenbeschwerden ein chronisches Schmerzsyndrom diagnostiziert worden sei, was ebenfalls für eine Bewertung des Funktionsbereichs Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 40 spreche. Hinsichtlich der Einschätzung des Funktionsbereichs der Arme sei dem Gutachter, der die Einschränkungen der Klägerin mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet habe, zu folgen, da dieser die Einschränkung der Klägerin aufgrund der unmittelbaren Wahrnehmung des Bewegungsablaufs in der Untersuchungssituation weit besser einzuschätzen in der Lage sei, als das SG, welches sich lediglich an den gemessenen Bewegungsausmaßen für die Anhebung der Arme orientiere. Gänzlich unberücksichtigt sei geblieben, dass die Klägerin an einer beidseitigen Ober- und Unterschenkelvaricosis leide. Nach dem ärztlichen Bericht des Dr. K. vom 25.04.2012 habe die Klägerin eine ausgesprochene Neigung zur Ausbildung von Rezidivvarizen und es sei eine engmaschige Sklerosierungsbehandlung erforderlich. Es seien immer wieder Verödungsbehandlungen erforderlich. Der Funktionsbereich der Psyche sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.03.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides des Landratsamtes M.-T.-K. vom 05.05.2011 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 18.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 22.11.2011 zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit dem 14.04.2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. Schn. vom 19.01.2016 (Bl. 36/70 der Senatsakten) eingeholt. Nach Untersuchung der Klägerin am 12.01.2016 hat der Gutachter eine depressive Verstimmung reaktiver Genese bei orthopädischen Leiden diagnostiziert und keinen Anhalt für eine Erkrankung des neurologischen Fachgebiets festgestellt. Den Gesamt-GdB bewertete der Gutachter mit 40.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.
Gegenüber dem der GdB-Feststellung zuletzt zugrundeliegenden Bescheid vom 03.04.2006, mit dem das LRA bei der Klägerin einen GdB von 20 festgestellt hatte, ist eine rechtserhebliche wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X nur insoweit eingetreten, als die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 40 ab 16.04.2011 zu bewerten sind. Der angefochtene Bescheid des LRA vom 05.05.2011 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 18.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 22.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat daher zu Recht die Klage abgewiesen.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96, BSGE 81, 50). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3 a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.
Das Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), ist bei der Klägerin durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule gekennzeichnet, die entgegen der Auffassung der Klägerin nur mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten ist. Nach Teil B Nr. 18.9 VG bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30. Bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ist ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Die Obergrenze des GdB 40 ist dabei erst erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil vom 24.01.2014 – L 8 SB 2497/11, juris). Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z. B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen. Bei der Klägerin sind allenfalls in zwei Wirbelsäulenabschnitten mittelgradige und schwere funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden festzustellen, welche nach den dargestellten Kriterien einen Teil-GdB von 30 bedingen.
Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehen bei der Klägerin ein Zustand nach Spondylodese L4 bis S1, eine dynamische Stabilisierung L3/4 und eine Anschlussinstabilität sowie ein degeneratives Lumbalsyndrom. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem Gutachten des Dr. H. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen sind schwere funktionelle Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule festzustellen. Nach dem Gutachten des Dr. H. ist bei einem Zeichen nach Schober von 10/11,5 cm die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule mehr als mittelgradig eingeschränkt. Die Seitneigefähigkeit beschreibt Dr. H. bei einem Fingerspitzen-Kniegelenksabstand von 20 cm auf 8 cm rechts und 11 cm links als deutlich reduziert. Die Rotationsbeweglichkeit ist mit Bewegungsmaßen für Drehen rechts/links von 20/0/10° mittelgradig eingeschränkt, wobei allerdings die Lendenwirbelsäule selbst immobil verbleibt. Der Finger-Boden-Abstand betrug 55 cm. Dr. Schn. hat mit 35 cm einen verbesserten Finger-Boden-Abstand erhoben. Neurologische oder motorische Ausfallerscheinungen bestehen nicht. Der Gutachter Dr. H. hat bestehende oder provozierbare ischialgieforme Schmerzen nicht erhoben. Er hat weder eine radikuläre bedingte Minderung der groben Kraft noch sensible Ausfälle festgestellt. Der Gutachter Dr. Schn. hat keinen Nervendehnungszeichen und ein intaktes Berührungs-, Schmerz-, Lage- und Vibrationsempfinden festgestellt. Paresen an den Extremitäten bestanden nicht. Schwerwiegendere neurologische Befunde sind auch den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht zu entnehmen. So wurden nach dem Bericht des Dr. D. vom 21.06.2010 kein Taubheitsgefühl oder Lähmungserscheinungen festgestellt. Neurologische Defizite fanden sich nicht.
Im Bereich der Halswirbelsäule bestehen bei der Klägerin erhebliche degenerativen Veränderungen, was der Senat dem Gutachten des Dr. H. entnimmt. Mehr als mittelgradige funktionelle Auswirkungen sind aufgrund der Wirbelsäulenschäden im Bereich der Halswirbelsäule nicht festzustellen. Der Gutachter Dr. H. hat eine Beweglichkeit der Halswirbelsäule für Rotation rechts/links 50/0/40°, Seitneigung rechts/links 40/0/20° und einen Kinn-Jugelum-Abstand von 2/15 cm erhoben. Die Beweglichkeit ist danach weniger als mittelgradig eingeschränkt. Nach dem Gutachten des Dr. Schn. bestand nur eine endgradige Bewegungseinschränkung der Kopfbeweglichkeit nach rechts. Neurologische Ausfallerscheinungen sind von beiden Gutachtern nicht erhoben worden. Dr. H. hat keine bestehenden oder provozierbar radikulären Ausstrahlungen in die Arme und Hände festgestellt. Eine radikulär bedingte Minderung der groben Kraft und sensible Ausfälle bestanden nicht. Dr. Schn. hat keine manifesten Paresen an den oberen Extremitäten festgestellt. Eine Minderung der groben Kraft der rechten Hand im Vergleich zu links ist nach dem Gutachten des Dr. Schn. bedingt durch Schulterbeschwerden. Für ein manifestes Engpass-Syndrom an den oberen Extremitäten hat der Gutachter klinisch keinen Anhalt gefunden. Auch in den sonstigen vorliegenden medizinischen Unterlagen finden sich keine Hinweise auf höhergradige Bewegungseinschränkungen und relevante neurologische Defizite. Dr. D. hat lediglich angegeben, dass die Klägerin über HWS-Beschwerden geklagt habe, die er als leicht- bis mittelgradig einschätzte. Nach dem Bericht des Prof. Dr. Kr. vom 01.12.2015 (Bl. 70 der Senatsakte) bestand eine deutlich eingeschränkte HWS-Rotation nach rechts. Ein sensomotorisches Defizit der oberen Extremitäten bestand nicht. Mehr als mittelgradige funktionelle Auswirkungen sind damit nicht herzuleiten.
Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom, welches über rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome im Sinne mittelgradiger Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule und über länger andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome im Bereich der Lendenwirbelsäule hinausgeht, kann der Senat nicht feststellen. Schmerzen wurden von der Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Dr. H. bei der betastenden Untersuchung im Bereich der Dornfortsätze und beidseits im Bereich der Wirbelverbindungsgelenke in den Etagen L2 bis S1 sowie eine Schmerzausstrahlung über die Rami dorsalis in beide Flanken angegeben. Während der etwa 30-minütigen Befragung im Rahmen der Begutachtung durch Dr. H. saß die Klägerin auf dem Stuhl, ohne sich anzulehnen, wobei teilweise der Oberkörper zur Entlastung mehr nach vorne gebeugt wurde. Beim Aus- und Anziehen wurden von der Klägerin Bück- und Drehbewegungen der Lendenwirbelsäule vermieden. Zu ihren Beschwerden hat die Klägerin angegeben, an der Lendenwirbelsäule bereits nachts Schmerzen zu haben. Die Schmerzen würden in die Flanken und Leisten ausstrahlen und hoch bis zur Brustwirbelsäule. Tagsüber verstärkten sich die Schmerzen beim Bücken. Im Bereich der HWS bestand Druckschmerz über den Facettengelenken C3 bis C6 beidseits der Wirbelsäule und eine vermehrt tonisierte Trapezius- und tiefe Nackenstreck- wie auch Skalenusmuskulatur. Die Muskelansätze an beiden Hinterhauptschuppen wie auch an beiden Schulterblattgräten waren druckschmerzhaft. Nach Angabe der Klägerin gegenüber Dr. H. besteht ein Dauerschmerz bei längerer einseitiger Haltung sowie eine schmerzhafte Einschränkung bei Drehbewegungen. Dr. Schn. hat sowohl im Bereich der Lendenwirbelsäule als auch im Bereich der Halswirbelsäule eine Druckschmerzhaftigkeit bei der Untersuchung der Klägerin festgestellt. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme von Wirbelsäulensyndromen im Sinne schwerer funktioneller Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden im Lendenwirbelsäulenbereich und im Sinne mittelgradiger Auswirkungen im Halswirbelsäulenbereich passend zum Ausmaß der bestehenden Bewegungseinschränkungen nachvollziehbar. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom besteht jedoch nicht. Zwar teilte die Klägerin im Rahmen ihrer Beschwerdeangaben dem Gutachter Dr. Schn. mit, gegenwärtig vor allem unter Schmerzen an der Halswirbelsäule, der rechten Hals-Nacken-Region und am rechten Arm zu leiden, wobei sie die aktuelle Schmerzintensität auf einer visuellen Analogskala von 0 bis 10 mit 8 angab. Das Bestehen nahezu unerträglicher Schmerzen war nach dem Eindruck in der Gutachtenssituation für den Gutachter allerdings nicht nachvollziehbar. Das Bestehen einer eine spezielle ärztliche Behandlung erfordernden Schmerzhaftigkeit hat der Gutachter verneint. Zudem sind die Therapiemöglichkeiten des orthopädischen bzw. schmerztherapeutischen Fachgebiets nach den Ausführungen von Dr. Schn. noch nicht ausgeschöpft. Auch für den Senat ist das Bestehen derart schwerer Schmerzen nicht plausibel. Insbesondere ist dem Gutachten des Dr. Schn. kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Klägerin etwa schmerzgeplagt gewirkt hätte. Vielmehr waren Auffassung und Konzentration nicht gestört, der Antrieb war angemessen, das formale Denken nicht verlangsamt. Zudem hat die Klägerin bei der Begutachtung angegeben, sich freuen zu können, z.B. über ihre Familie. Ferner hat sie gute soziale Kontakte und trifft sich mit Freunden, nimmt Kontakte war. Ihren Ehemann begleitet sie in seiner Funktion als Ortsvorsteher. Am Wochenende werden von der Klägerin Einladungen wahrgenommen, sie geht auf Veranstaltungen. Abends sieht sie fern oder liest. Die Klägerin erledigt den Haushalt, wobei ihr ihr Ehemann helfe. Zudem hat sie die Verrichtung leichter Gartenarbeiten angegeben. Auch zählt die Klägerin Kinobesuche zu ihren Aktivitäten. Im Jahr 2015 war sie nach Südafrika geflogen. Diese Aktivitäten entsprechen nicht denjenigen eines von außergewöhnlichen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule geplagten Menschen. Insbesondere sind gerade Kinobesuche mit längerem, gerade die Lendenwirbelsäule belastenden Sitzen verbunden. Dass die Klägerin gegenüber Dr. Schn. angegeben hat, während des Fluges bei ihrer Reise nach Südafrika erhebliche Beschwerden gehabt zu haben, spricht nicht für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms, da es sich bei einem derart langen Flug – beispielsweise dauert ein Flug von Frankfurt am Main nach Johannesburg ohne Zwischenstopp etwa 10,5 Stunden (recherchiert unter www.Lufthansa.com) – nicht um eine Alltagsbelastung handelt, und das Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden auch bei sonst nicht gesundheitlich beeinträchtigten Menschen nicht ungewöhnlich ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin in schmerztherapeutischer Behandlung befindet, was gegen einen entsprechenden Leidensdruck und das Vorliegen außergewöhnlicher Schmerzen spricht. Die Fachärztin für spezielle Schmerztherapie Dr. T. L. hat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage eine Behandlung der Klägerin lediglich für einen Zeitraum von einem Monat Anfang des Jahres 2011 angegeben. Zudem ging die sachverständige Zeugin von einem mittleren bis schweren Schweregrad der Schmerzen aus, was letztendlich der Annahme mittelgradiger und schwerer Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden entspricht. Entsprechend hat die sachverständige Zeugin der Bewertung der Wirbelsäulenschäden mit einem Teil-GdB von 30 zugestimmt.
Die Bewertung der Wirbelsäulenschäden mit einem Teil-GdB von 30 entspricht im Übrigen auch der Einschätzung des sachverständigen Zeugen Dr. J ... Soweit der sachverständige Zeuge Dr. D. ausgeführt hat, die auch nach seiner Einschätzung als leicht- bis mittelgradig einzuschätzenden HWS-Beschwerden rechtfertigten insgesamt einen Teil-GdB von 40 für das Wirbelsäulenleiden, so ist bei dieser Einschätzung nicht berücksichtigt, dass ein GdB von 40 erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten gerechtfertigt ist, die nach seinen Angaben gerade nicht gegeben sind.
Die Beeinträchtigungen im Bereich der Schultergelenke bedingen keinen höheren GdB als 10. Insoweit besteht ein Impingementsyndrom, was der Senat dem Gutachten des Dr. H. entnimmt. Nach Teil B Nr. 18.13 VG, wonach die Bewertung von Schäden der oberen Gliedmaßen erfolgt, bedingt eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) einen GdB von 10, wenn der Arm nur bis zu 120° zu heben ist und eine entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit besteht, und einen GdB von 20, wenn der Arm nur bis zu 90° zu heben ist und eine entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit besteht. Nach der Befunderhebung des Dr. H. ist die Armhebung rechts bis 130° und links bis 150° möglich. Zwar ist die Spreizfähigkeit rechts auf 90° und links auf 110° und die Drehfähigkeit geringfügig eingeschränkt, dies begründet jedoch entgegen der Annahme des Dr. H. nicht die Annahme eines Teil-GdB von 20. Denn für die Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung der Schulter kommt es nach den dargestellten Grundsätzen der VG maßgeblich auf die eingeschränkte Armhebung an, welche bei der Klägerin jedoch nicht relevant eingeschränkt ist. Dr. Schn. hat sogar insgesamt nur eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit nur im Bereich des rechten Schultergelenks festgestellt. Soweit die sachverständige Zeugin Dr. F. über schwergradige Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke berichtet hat, sind solche nicht objektiviert. Dr. F. hat keine konkreten Bewegungsmaße angegeben und auch nicht auf Fremdbefunde Bezug genommen, so dass ihre Einschätzung nicht nachvollziehbar ist. Im Übrigen ergeben sich höhergradige Einschränkungen aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht. Ein höherer Teil-GdB als 10 lässt sich vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht rechtfertigen.
Die Gesundheitsstörungen der Kniegelenke bedingen keinen höheren GdB als 10. Im Bereich der Kniegelenke liegt bei der Klägerin beidseitig eine Chondromalazie vor, was der Senat insbesondere dem Gutachten des Dr. H. entnimmt. Nach den VG ist erst für eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 0-0-90) bei einseitigem Vorliegen ein GdB von bis zu 10 und bei beidseitigen Vorliegen ein GdB von 10 bis 20 vorgesehen. Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z. B. Chondromalacia patellae Stadium II - IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen, einseitig bedingen ohne Bewegungseinschränkung einen GdB von 10 bis 30, mit Bewegungseinschränkung von 20 bis 40. Eine GdB-relevante Bewegungseinschränkung wird durch die Chondromalazie nicht bedingt. Vielmehr hat Dr. H. eine Beweglichkeit für Streckung/Beugung von beidseits 0/0/120° erhoben. Gleichzeitig hat er nur diskrete Reizerscheinungen festgestellt. So fand sich sowohl am rechten als auch am linken Kniegelenk eine verdickte Gelenkkapsel im oberen Rezessus oberhalb der Kniescheibe und leichte Schmerzen am inneren und äußeren Kniescheibenrand. Beim Zohlen-Test fand sich rechts ein leicht retropatellar krepitierendes Geräusch und links eine leichte Schmerzverstärkung bei Bewegung unter Kompression. Im Bereich des innen- mehr als des außenseitigen Gelenkspalts bestanden rechts diskrete Druckschmerzen; links bestand Druckschmerz über dem innenseitigen Gelenkspalt. Der Bandapparat war beidseits stabil. Es fand sich kein Anhalt für ausgeprägtere intraartikuläre Flüssigkeitsansammlungen in den Kniegelenken. Schwerwiegendere Einschränkungen sind auch sonst nicht ersichtlich. Im Bericht des Dr. J. vom 19.03.2012 wird lediglich ein rezidivierender belastungsabhängiger Knieschmerz links beschrieben. Bei den damit festzustellenden nur leichten Reizerscheinungen ist eine höhere GdB-Bewertung als mit 10 nicht gerechtfertigt.
Eine seelische Störung, die einen GdB von wenigstens 10 bedingt, liegt bei der Klägerin nicht vor. Der Gutachter Dr. Schn. hat keine Erkrankung auf nervenfachärztlichem Gebiet festgestellt. Das eingeschränkte psychische Befinden bzw. die nervlichen Beschwerden sind nach seinen nachvollziehbaren Ausführungen reaktiv durch die orthopädischen Leiden bedingt und in deren Bewertung mit erfasst. Soweit die sachverständige Zeugin Dr. Fi. einen erheblichen depressiven Verstimmungszustand der Klägerin angegeben hat, rechtfertigt dies nicht eine GdB-Bewertung für eine seelischen Störung. Befunde hat die sachverständige Zeugin insoweit nicht mitgeteilt. Dagegen hat Dr. Schn. in seinem Gutachten nachvollziehbar dargestellt, dass die nervlichen Beschwerden der Klägerin nicht das Bild einer psychiatrischen Gesundheitsstörungen erfüllen. Psychiatrische Gesundheitsstörungen wurden bei der Klägerin auch im Übrigen nach den medizinischen Unterlagen nicht diagnostiziert.
Für ein Krampfaderleiden der Klägerin ist jedenfalls kein höherer GdB als 10 zu berücksichtigen. Nach Teil B Nr. 9.2.3 VG bedingen unkomplizierte Krampfadern keinen GdB. Eine chronisch-venöse Insuffizienz (z.B. bei Krampfadern), ein postthrombotisches Syndrom ein- oder beidseitig mit geringem belastungsabhängigem Ödem, nicht ulzerösen Hautveränderungen, ohne wesentliche Stauungsbeschwerden bedingt einen GdB von bis zu 10. Der Gutachter Dr. Schn. hat eine erhebliche Ödembildung, die einen GdB von 20 bis 30 bedingen könnte, nicht festgestellt. Auch hat er keine Anhaltspunkte für häufig rezidivierende Entzündungen gesehen. Aus dem Bericht des Dr. K. vom 25.04.2012, wonach die Klägerin eine ausgesprochene Neigung zur Ausbildung von Rezidivvarizen habe, die eine engmaschige Sklerosierungsbehandlung erfordere, um weitere operative Maßnahmen zu vermeiden, ergibt sich nicht das Vorliegen von für die Bewertung mit einem GdB relevanten Funktionsbeeinträchtigungen. Vielmehr wurde nach dem Bericht des Krankenhauses W. vom 09.03.2012 eine venöse Ursache der Beschwerden, wegen der sich die Klägerin vorgestellt hatte, ausgeschlossen. Das tiefe Beinvenensystem zeigte sich beidseits intakt, ein Anhalt für eine Thrombose bestand nicht. Eine erhebliche Ödembildung oder häufig rezidivierende Entzündungen als Voraussetzung für einen GdB von wenigstens 20 sind auch sonst in den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht dokumentiert.
Im Funktionssystem der Harnorgane ist kein höherer Einzel-GdB als 20 festzustellen. Die Harn-inkontinenz bedingt keinen höheren GdB als 20. Nach Teil B Nr. 12.2.4 VG führt eine relative Harninkontinenz mit leichtem Harnabgang bei Belastung (z.B. Stressinkontinenz Grad I) zu einem GdB von bis zu 10, bei Harnabgang tags und nachts (z.B. Stressinkontinenz Grad II-III) zu einem GdB von 20 bis 40. Der sachverständige Zeuge Dr. M.-W. hat das Bestehen einer Stressharninkontinenz bestätigt. Nach dem Bericht vom 08.08.2011 hat er diese mit einem Grad von I. bis II. eingeschätzt. Anhaltspunkte für eine höhergradige Inkontinenz bestehen nicht, so dass ein höherer Teil-GdB als 20 nicht zu berücksichtigen ist. Der Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem der Harnorgane wird auch nicht durch das erstmals im April 2014 aufgetretene Nierensteinleiden der Klägerin erhöht. Eine zumindest leichtgradige Einschränkung der Nierenfunktion, die nach Teil B Nr. 12.1.3 VG einen Teil-GdB von wenigstens 20 bedingen könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich aus dem Bericht des C.-Krankenhauses B. M. vom 17.04.2014 keine erhöhten Kreatininwerte. Im Übrigen hat die Klägerin im Berufungsverfahren insoweit auch keine Beeinträchtigungen geltend gemacht.
Der Verlust der Gebärmutter hat nach Teil B Nr. 14.2 VG keinen GdB zur Folge. Die Erforderlichkeit einer Hormonsubstitution, welche nach den Angaben der Klägerin gegenüber Dr. Schn. nicht mehr fortgesetzt wird, stellt keine GdB-relevante Beeinträchtigung dar.
Weitere – bisher nicht berücksichtigte – GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Insbesondere die Erforderlichkeit eines weiteren orthopädischen Gutachtens liegt – entgegen der Anregung von Dr. Schn. – nicht vor. Anhaltspunkte für einer Verschlimmerung, insbesondere der funktionellen Auswirkungen der HWS-Schäden, mit Auswirkung auf den GdB hat der Senat nicht. Vielmehr bestätigen die von Dr. Schn. erhobenen Befunde die erfolgte Bewertung. Der Sachverhalt ist damit vollständig aufgeklärt. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, juris).
Hiernach wird ausgehend von einem Einzel-GdB von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes der Gesamt-GdB durch die mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Harnorgane auf 40 erhöht. Die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertenden Gesundheitsstörungen der Klägerin erhöhen den Gesamt-GdB von 40 nicht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Grad der Behinderung (GdB) die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bewerten sind.
Bei der 1948 geborenen Klägerin war durch das Landratsamt M.-T. K. – Versorgungsamt – (LRA) ein GdB von 20 seit 16.02.2006 [Bescheid vom 03.04.2006, Bl. 16/17 der Verwaltungsakten (VA)] für eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten (Teil-GdB 20) und eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10) festgestellt.
Am 16.04.2011 beantragte die Klägerin die Erhöhung des GdB unter Berufung auf einen Z.n. Spondylodese L4/L5 und L5/S1 2005, Instabilität L3/L4 und Spinalkanalstenose C5/C6. Sie legte den Bericht des D. Krankenhauses K. D. vom 15.09.2005 (Diagnose: Lumbale Instabilität L3-S1 beidseits, Bl. 30/32), den Bericht des Orthopäden R. vom 06.03.2008 (Diagnose: Spondylodese L4 auf S1, interspinöses U, Bl. 33 VA), den Bericht des Radiologen Schn. vom 30.06.2009 (Beurteilung: Mehrere ossär bedingte neuroforaminale Stenosen mit möglichen Nevenwurzelkompressionserscheinungen, degenerative Veränderungen, erhebliche Spondylose mit subtotaler Spinalkanalstenose im Segment C5/C6 und Kompression des Myolon, Bl. 34/35 VA), den Bericht des Orthopäden Dr. J. vom 14.03.2010 (Diagnose: Rezidivierende Lumbalgien, Zustand nach Spondylodese L4-S1 08.09.2005, Verdacht auf Lockerung der präsacralen Pedikelschraube links, Bl. 36/37 VA) und den Bericht des Orthopäden Dr. D. vom 21.06.2010 (Diagnose: Gesichert Instabilität L3/4, gesichert Z.n. DTF L4-S1 mit Cofleximplantation L3/4, Bl. 38/39 VA) vor.
Das LRA holte die Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom 03.05.2011 (Bl. 41/42 VA) ein, die die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt bewertete: - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten, Instabilität (Teil-GdB 30), - Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 10). Den Gesamt-GdB schlug sie mit 30 vor.
Mit Bescheid vom 05.05.2011 (Bl. 43/44 VA) stellte das LRA bei der Klägerin einen GdB von 30 seit 16.04.2011 fest.
Am 24.05.2011 legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass schwere funktionelle Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden im Bereich von HWS und LWS, somit in zwei Wirbelsäulenabschnitten bestünden, die mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten seien. Darüber hinaus machte sie eine Harninkontinenzproblematik nach Total-OP sowie eine zumindest massive Erschöpfung, aufgrund derer sie mit Hormonen behandelt werde, geltend. Für die vorliegende zumindest fortgeschrittene psychovegetative Erschöpfung sei ein Teil-GdB von 20 angezeigt. Darüber hinaus sei aufgrund der starken Knorpelschäden im Bereich der Kniegelenke, welche auch zu Reizerscheinungen und Ergüssen führten, ein Teil-GdB von 20 zu berücksichtigen. Insgesamt sei die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt. Sie legte eine ärztliche Bescheinigung des Gynäkologen Dr. M.-W. vom 23.08.2011 (Diagnose: Stress-Harninkontinenz I-II Grades mit Urinverlust bei geringer Belastungssituation, Bl. 61 VA) vor.
Die Versorgungsärztin Dr. B. bewertete in der Stellungnahme vom 13.10.2011 (Bl. 63/64 VA) nunmehr die Funktionsbehinderung beider Kniegelenke mit einem Teil-GdB von 20 und zusätzlich eine Stress-Harninkontinenz mit einem Teil-GdB von 20 und schlug den Gesamt GdB mit 40 vor.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 18.10.2011 (Bl. 66/68 VA) stellte der Beklagte einen GdB von 40 seit 16.04.2011 fest. Im Übrigen wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2011 (Bl. 75/77 VA) zurück.
Am 22.12.2011 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Die Beklagte habe im gynäkologischen Bereich die bei der Klägerin erforderliche Hormonsubstitutionstherapie, die aufgrund von Hormonstörungen nach einer Gebärmutterentfernung nach wie vor erforderlich sei, nicht berücksichtigt. Für die Erkrankung im Hormonstoffwechsel sei ein weiterer Teil-GdB von 20 gerechtfertigt. Darüber hinaus liege eine deutliche psychische depressive Veränderung, die teilweise auch bereits psychiatrisch und mit Antidepressiva behandelt worden sei, vor. Der Gesamtkomplex der Wirbelsäulenerkrankung sei mit einem Teil-GdB von 40 zu bewerten.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.
Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. F. führte unter dem 09.03.2012 (Bl. 26/27 SG-Akte) aus, in der versorgungsärztliche Stellungnahme vom 02.09.2011 seien eine schwergradige Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke und eine erhebliche depressive Verstimmung nicht erfasst. Der GdB sei ihres Erachtens mit mindestens 50 anzusetzen.
Der Gynäkologe M.-W. stufte im Schreiben vom 12.03.2012 (Bl. 28/29 SG-Akte) die Harninkontinenz als mittelschwer ein und stimmte der Bewertung durch die Versorgungsärztin Dr. B. zu.
Die Fachärztin für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie Dr. T.-L. gab unter dem 15.03.2012 (Bl. 30 SG-Akte) an, bezüglich der Feststellungen und Bewertungen der Wirbelsäule stimme sie mit der versorgungsärztlichen Einschätzung überein.
Der Orthopäde Dr. J. stimmte mit Schreiben vom 24.03.2012 (Bl. 31/33 SG-Akte) der versorgungsärztliche Stellungnahme vom 02.09.2011 zu. Unter dem 18.12.2012 (Bl. 68/69 SG-Akte) nahm Dr. J. ergänzend Stellung. Er legte seine Befundberichte vom 19.03.2012, 18.08.2011 und 14.03.2010 (Bl. 34/35, 36, 37/38 SG-Akte), den Bericht des Radiologen Dr. He. vom 12.03.2012 (Bl. 39 SG-Akte), den Bericht des Dr. D. vom 21.06.2010 (Bl. 40/41 SG-Akte) und den Bericht des Orthopäden Dr. K. vom 22.01.2010 (Bl. 42 SG-Akte) vor.
Der Orthopäde Dr. D. schlug im Schreiben vom 30.04.2012 (Bl. 45/46 SG-Akte) einen Teil-GdB von 40 für die Beschwerden von HWS und LWS und einen Gesamt-GdB von 50 vor, da die mit einem Teil-GdB von 20 bewertete Funktionsbehinderung der Kniegelenke durch die Gesamtsituation der LWS bzw. der von dort ausstrahlenden Beschwerden negativ beeinflusst werde.
Die Klägerin legte den physiotherapeutischen Befundbericht des Therapeuten M. vom 20.02.2012 (Bl. 50/53 SG-Akte), den Bericht des Chirurgen Dr. K. vom 25.04.2012 (Bl. 54 SG-Akte), den Bericht des Krankenhauses W. vom 09.03.2012 (Diagnose: Z.n. Varikektomie links, Z.n. nach beidseitiger Meniskus-OP vor 20 Jahren, Seitenastvarikosis beidseits, Naevus bzw. Cornu cutaneum, Bl. 57 SG-Akte), den Bericht der Internistin Dr. S. vom 16.04.2012 (Beurteilung: Unauffälliger Herz-Lungen-Befund, Bl. 59 SG-Akte) sowie Informationsschreiben zu geplanten Operationen (Bl. 55/56, 58, 60/61 SG-Akten) vor.
Das SG hat das orthopädische Gutachten des Dr. H. vom 16.05.2013 (Bl. 75/99 SG-Akte) eingeholt. Nach Untersuchung der Klägerin am 17.04.2013 stellte der Gutachter folgende Diagnosen: 1. degeneratives Lumbalsyndrom, Zustand nach Spondylodese L4 bis S1, dynamischer Stabilisierung L3/4, Anschlussinstabilität, 2. Cervicalsyndrom bei erheblichen degenerativen Veränderungen, ohne Nervenwurzelreiz- oder -ausfallerscheinungen, 3. Impingementsyndrom beider Schultergelenke mit Bewegungsdefizit, 4. Chondromalazie beide Kniegelenke medial betont mit diskretem Beugedefizit. Im Bereich der Wirbelsäule bestünden mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die der Gutachter mit einem GdB von 40 bewertete. Die Bewegungseinschränkung der Schultergelenke sei mit einem GdB von 20 korrekt eingeschätzt. Die Gesundheitsstörungen der Kniegelenke bewertete der Gutachter mit einem Teil-GdB von 10. Den Gesamt-GdB schätze er mit 50 ein. Unter dem 23.01.2015 nahm der Gutachter ergänzend Stellung und führte insbesondere aus, dass nach Hinweis des SG auf das Urteil des Senats vom 14.01.2014 – L 8 SB 2497/11 die Wirbelsäulenschäden mit einem Teil-GdB von 30 und der Gesamt-GdB für die orthopädischen Gesundheitsstörungen mit 40 zu bewerten wären.
Die Klägerin legte die Berichte des Dr. M.-W. vom 08.08.2011 (Diagnose: Stress-Harninkontinenz I.-II. Grades, Bl. 107, 108 SG-Akte) und die Berichte des C.-Krankenhauses B. M. vom 01.02.2014 (Urologische Diagnosen: Fornixruptur rechts, Nierenruptur rechts mit konsekutiver Hydronephrose rechts, Bl. 114/116 der SG-Akte) und vom 17.04.2014 (urologische Diagnosen: Urolithiasis rechts, DJ- Schiene rechts seit 01.02.2014 bei Z.n. Fornixruptur rechts infolge einer Harnstauungsniere rechts bei prävesikalem Ureterstein rechts, Bl. 120/122 SG-Akte) vor.
Der Beklagte legte die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. R. vom 20.08.2013 (Bl. 103/104 SG-Akte), des Dr. C. vom 09.12.2013 (Bl. 111 SG-Akte), des Dr. G. vom 16.10.2014 (Bl. 130/131 SG-Akte) und des Dr. W. vom 11.02.2015 (Bl. 146/147 SG-Akte) vor, die den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 bewerteten.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.03.2015 wies das SG die Klage ab, wobei es die Gesundheitsstörungen im Funktionssystem des Rumpfes mit einem Teil-GdB von 30, die Stressharninkontinenz und das Nierensteinleiden mit einem Teil-GdB von 20 sowie die Gesundheitsstörungen im Funktionssystem Arme und Beine mit Teil-GdB von jeweils 10 und den Gesamt-GdB mit 40 bewertete.
Am 21.04.2015 legte die Klägerin gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 01.04.2015 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) ein. Der Gutachter habe bereits alleine für die Lendenwirbelsäule entsprechend schwerer funktioneller Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt einen Teil-GdB von 30 angesetzt. Unter Berücksichtigung der hinzutretenden mittelgradigen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule sei es angemessen, diesen Einzel-GdB auf 40 zu erhöhen. Das SG habe auch nicht berücksichtigt, dass bei der Klägerin im Zusammenhang mit den Wirbelsäulenbeschwerden ein chronisches Schmerzsyndrom diagnostiziert worden sei, was ebenfalls für eine Bewertung des Funktionsbereichs Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 40 spreche. Hinsichtlich der Einschätzung des Funktionsbereichs der Arme sei dem Gutachter, der die Einschränkungen der Klägerin mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet habe, zu folgen, da dieser die Einschränkung der Klägerin aufgrund der unmittelbaren Wahrnehmung des Bewegungsablaufs in der Untersuchungssituation weit besser einzuschätzen in der Lage sei, als das SG, welches sich lediglich an den gemessenen Bewegungsausmaßen für die Anhebung der Arme orientiere. Gänzlich unberücksichtigt sei geblieben, dass die Klägerin an einer beidseitigen Ober- und Unterschenkelvaricosis leide. Nach dem ärztlichen Bericht des Dr. K. vom 25.04.2012 habe die Klägerin eine ausgesprochene Neigung zur Ausbildung von Rezidivvarizen und es sei eine engmaschige Sklerosierungsbehandlung erforderlich. Es seien immer wieder Verödungsbehandlungen erforderlich. Der Funktionsbereich der Psyche sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.03.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides des Landratsamtes M.-T.-K. vom 05.05.2011 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 18.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 22.11.2011 zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit dem 14.04.2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. Schn. vom 19.01.2016 (Bl. 36/70 der Senatsakten) eingeholt. Nach Untersuchung der Klägerin am 12.01.2016 hat der Gutachter eine depressive Verstimmung reaktiver Genese bei orthopädischen Leiden diagnostiziert und keinen Anhalt für eine Erkrankung des neurologischen Fachgebiets festgestellt. Den Gesamt-GdB bewertete der Gutachter mit 40.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.
Gegenüber dem der GdB-Feststellung zuletzt zugrundeliegenden Bescheid vom 03.04.2006, mit dem das LRA bei der Klägerin einen GdB von 20 festgestellt hatte, ist eine rechtserhebliche wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X nur insoweit eingetreten, als die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 40 ab 16.04.2011 zu bewerten sind. Der angefochtene Bescheid des LRA vom 05.05.2011 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 18.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 22.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat daher zu Recht die Klage abgewiesen.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96, BSGE 81, 50). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3 a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.
Das Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), ist bei der Klägerin durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule gekennzeichnet, die entgegen der Auffassung der Klägerin nur mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten ist. Nach Teil B Nr. 18.9 VG bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30. Bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ist ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Die Obergrenze des GdB 40 ist dabei erst erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil vom 24.01.2014 – L 8 SB 2497/11, juris). Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z. B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen. Bei der Klägerin sind allenfalls in zwei Wirbelsäulenabschnitten mittelgradige und schwere funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden festzustellen, welche nach den dargestellten Kriterien einen Teil-GdB von 30 bedingen.
Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehen bei der Klägerin ein Zustand nach Spondylodese L4 bis S1, eine dynamische Stabilisierung L3/4 und eine Anschlussinstabilität sowie ein degeneratives Lumbalsyndrom. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem Gutachten des Dr. H. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen sind schwere funktionelle Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule festzustellen. Nach dem Gutachten des Dr. H. ist bei einem Zeichen nach Schober von 10/11,5 cm die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule mehr als mittelgradig eingeschränkt. Die Seitneigefähigkeit beschreibt Dr. H. bei einem Fingerspitzen-Kniegelenksabstand von 20 cm auf 8 cm rechts und 11 cm links als deutlich reduziert. Die Rotationsbeweglichkeit ist mit Bewegungsmaßen für Drehen rechts/links von 20/0/10° mittelgradig eingeschränkt, wobei allerdings die Lendenwirbelsäule selbst immobil verbleibt. Der Finger-Boden-Abstand betrug 55 cm. Dr. Schn. hat mit 35 cm einen verbesserten Finger-Boden-Abstand erhoben. Neurologische oder motorische Ausfallerscheinungen bestehen nicht. Der Gutachter Dr. H. hat bestehende oder provozierbare ischialgieforme Schmerzen nicht erhoben. Er hat weder eine radikuläre bedingte Minderung der groben Kraft noch sensible Ausfälle festgestellt. Der Gutachter Dr. Schn. hat keinen Nervendehnungszeichen und ein intaktes Berührungs-, Schmerz-, Lage- und Vibrationsempfinden festgestellt. Paresen an den Extremitäten bestanden nicht. Schwerwiegendere neurologische Befunde sind auch den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht zu entnehmen. So wurden nach dem Bericht des Dr. D. vom 21.06.2010 kein Taubheitsgefühl oder Lähmungserscheinungen festgestellt. Neurologische Defizite fanden sich nicht.
Im Bereich der Halswirbelsäule bestehen bei der Klägerin erhebliche degenerativen Veränderungen, was der Senat dem Gutachten des Dr. H. entnimmt. Mehr als mittelgradige funktionelle Auswirkungen sind aufgrund der Wirbelsäulenschäden im Bereich der Halswirbelsäule nicht festzustellen. Der Gutachter Dr. H. hat eine Beweglichkeit der Halswirbelsäule für Rotation rechts/links 50/0/40°, Seitneigung rechts/links 40/0/20° und einen Kinn-Jugelum-Abstand von 2/15 cm erhoben. Die Beweglichkeit ist danach weniger als mittelgradig eingeschränkt. Nach dem Gutachten des Dr. Schn. bestand nur eine endgradige Bewegungseinschränkung der Kopfbeweglichkeit nach rechts. Neurologische Ausfallerscheinungen sind von beiden Gutachtern nicht erhoben worden. Dr. H. hat keine bestehenden oder provozierbar radikulären Ausstrahlungen in die Arme und Hände festgestellt. Eine radikulär bedingte Minderung der groben Kraft und sensible Ausfälle bestanden nicht. Dr. Schn. hat keine manifesten Paresen an den oberen Extremitäten festgestellt. Eine Minderung der groben Kraft der rechten Hand im Vergleich zu links ist nach dem Gutachten des Dr. Schn. bedingt durch Schulterbeschwerden. Für ein manifestes Engpass-Syndrom an den oberen Extremitäten hat der Gutachter klinisch keinen Anhalt gefunden. Auch in den sonstigen vorliegenden medizinischen Unterlagen finden sich keine Hinweise auf höhergradige Bewegungseinschränkungen und relevante neurologische Defizite. Dr. D. hat lediglich angegeben, dass die Klägerin über HWS-Beschwerden geklagt habe, die er als leicht- bis mittelgradig einschätzte. Nach dem Bericht des Prof. Dr. Kr. vom 01.12.2015 (Bl. 70 der Senatsakte) bestand eine deutlich eingeschränkte HWS-Rotation nach rechts. Ein sensomotorisches Defizit der oberen Extremitäten bestand nicht. Mehr als mittelgradige funktionelle Auswirkungen sind damit nicht herzuleiten.
Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom, welches über rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome im Sinne mittelgradiger Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule und über länger andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome im Bereich der Lendenwirbelsäule hinausgeht, kann der Senat nicht feststellen. Schmerzen wurden von der Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Dr. H. bei der betastenden Untersuchung im Bereich der Dornfortsätze und beidseits im Bereich der Wirbelverbindungsgelenke in den Etagen L2 bis S1 sowie eine Schmerzausstrahlung über die Rami dorsalis in beide Flanken angegeben. Während der etwa 30-minütigen Befragung im Rahmen der Begutachtung durch Dr. H. saß die Klägerin auf dem Stuhl, ohne sich anzulehnen, wobei teilweise der Oberkörper zur Entlastung mehr nach vorne gebeugt wurde. Beim Aus- und Anziehen wurden von der Klägerin Bück- und Drehbewegungen der Lendenwirbelsäule vermieden. Zu ihren Beschwerden hat die Klägerin angegeben, an der Lendenwirbelsäule bereits nachts Schmerzen zu haben. Die Schmerzen würden in die Flanken und Leisten ausstrahlen und hoch bis zur Brustwirbelsäule. Tagsüber verstärkten sich die Schmerzen beim Bücken. Im Bereich der HWS bestand Druckschmerz über den Facettengelenken C3 bis C6 beidseits der Wirbelsäule und eine vermehrt tonisierte Trapezius- und tiefe Nackenstreck- wie auch Skalenusmuskulatur. Die Muskelansätze an beiden Hinterhauptschuppen wie auch an beiden Schulterblattgräten waren druckschmerzhaft. Nach Angabe der Klägerin gegenüber Dr. H. besteht ein Dauerschmerz bei längerer einseitiger Haltung sowie eine schmerzhafte Einschränkung bei Drehbewegungen. Dr. Schn. hat sowohl im Bereich der Lendenwirbelsäule als auch im Bereich der Halswirbelsäule eine Druckschmerzhaftigkeit bei der Untersuchung der Klägerin festgestellt. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme von Wirbelsäulensyndromen im Sinne schwerer funktioneller Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden im Lendenwirbelsäulenbereich und im Sinne mittelgradiger Auswirkungen im Halswirbelsäulenbereich passend zum Ausmaß der bestehenden Bewegungseinschränkungen nachvollziehbar. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom besteht jedoch nicht. Zwar teilte die Klägerin im Rahmen ihrer Beschwerdeangaben dem Gutachter Dr. Schn. mit, gegenwärtig vor allem unter Schmerzen an der Halswirbelsäule, der rechten Hals-Nacken-Region und am rechten Arm zu leiden, wobei sie die aktuelle Schmerzintensität auf einer visuellen Analogskala von 0 bis 10 mit 8 angab. Das Bestehen nahezu unerträglicher Schmerzen war nach dem Eindruck in der Gutachtenssituation für den Gutachter allerdings nicht nachvollziehbar. Das Bestehen einer eine spezielle ärztliche Behandlung erfordernden Schmerzhaftigkeit hat der Gutachter verneint. Zudem sind die Therapiemöglichkeiten des orthopädischen bzw. schmerztherapeutischen Fachgebiets nach den Ausführungen von Dr. Schn. noch nicht ausgeschöpft. Auch für den Senat ist das Bestehen derart schwerer Schmerzen nicht plausibel. Insbesondere ist dem Gutachten des Dr. Schn. kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Klägerin etwa schmerzgeplagt gewirkt hätte. Vielmehr waren Auffassung und Konzentration nicht gestört, der Antrieb war angemessen, das formale Denken nicht verlangsamt. Zudem hat die Klägerin bei der Begutachtung angegeben, sich freuen zu können, z.B. über ihre Familie. Ferner hat sie gute soziale Kontakte und trifft sich mit Freunden, nimmt Kontakte war. Ihren Ehemann begleitet sie in seiner Funktion als Ortsvorsteher. Am Wochenende werden von der Klägerin Einladungen wahrgenommen, sie geht auf Veranstaltungen. Abends sieht sie fern oder liest. Die Klägerin erledigt den Haushalt, wobei ihr ihr Ehemann helfe. Zudem hat sie die Verrichtung leichter Gartenarbeiten angegeben. Auch zählt die Klägerin Kinobesuche zu ihren Aktivitäten. Im Jahr 2015 war sie nach Südafrika geflogen. Diese Aktivitäten entsprechen nicht denjenigen eines von außergewöhnlichen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule geplagten Menschen. Insbesondere sind gerade Kinobesuche mit längerem, gerade die Lendenwirbelsäule belastenden Sitzen verbunden. Dass die Klägerin gegenüber Dr. Schn. angegeben hat, während des Fluges bei ihrer Reise nach Südafrika erhebliche Beschwerden gehabt zu haben, spricht nicht für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms, da es sich bei einem derart langen Flug – beispielsweise dauert ein Flug von Frankfurt am Main nach Johannesburg ohne Zwischenstopp etwa 10,5 Stunden (recherchiert unter www.Lufthansa.com) – nicht um eine Alltagsbelastung handelt, und das Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden auch bei sonst nicht gesundheitlich beeinträchtigten Menschen nicht ungewöhnlich ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin in schmerztherapeutischer Behandlung befindet, was gegen einen entsprechenden Leidensdruck und das Vorliegen außergewöhnlicher Schmerzen spricht. Die Fachärztin für spezielle Schmerztherapie Dr. T. L. hat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage eine Behandlung der Klägerin lediglich für einen Zeitraum von einem Monat Anfang des Jahres 2011 angegeben. Zudem ging die sachverständige Zeugin von einem mittleren bis schweren Schweregrad der Schmerzen aus, was letztendlich der Annahme mittelgradiger und schwerer Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden entspricht. Entsprechend hat die sachverständige Zeugin der Bewertung der Wirbelsäulenschäden mit einem Teil-GdB von 30 zugestimmt.
Die Bewertung der Wirbelsäulenschäden mit einem Teil-GdB von 30 entspricht im Übrigen auch der Einschätzung des sachverständigen Zeugen Dr. J ... Soweit der sachverständige Zeuge Dr. D. ausgeführt hat, die auch nach seiner Einschätzung als leicht- bis mittelgradig einzuschätzenden HWS-Beschwerden rechtfertigten insgesamt einen Teil-GdB von 40 für das Wirbelsäulenleiden, so ist bei dieser Einschätzung nicht berücksichtigt, dass ein GdB von 40 erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten gerechtfertigt ist, die nach seinen Angaben gerade nicht gegeben sind.
Die Beeinträchtigungen im Bereich der Schultergelenke bedingen keinen höheren GdB als 10. Insoweit besteht ein Impingementsyndrom, was der Senat dem Gutachten des Dr. H. entnimmt. Nach Teil B Nr. 18.13 VG, wonach die Bewertung von Schäden der oberen Gliedmaßen erfolgt, bedingt eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) einen GdB von 10, wenn der Arm nur bis zu 120° zu heben ist und eine entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit besteht, und einen GdB von 20, wenn der Arm nur bis zu 90° zu heben ist und eine entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit besteht. Nach der Befunderhebung des Dr. H. ist die Armhebung rechts bis 130° und links bis 150° möglich. Zwar ist die Spreizfähigkeit rechts auf 90° und links auf 110° und die Drehfähigkeit geringfügig eingeschränkt, dies begründet jedoch entgegen der Annahme des Dr. H. nicht die Annahme eines Teil-GdB von 20. Denn für die Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung der Schulter kommt es nach den dargestellten Grundsätzen der VG maßgeblich auf die eingeschränkte Armhebung an, welche bei der Klägerin jedoch nicht relevant eingeschränkt ist. Dr. Schn. hat sogar insgesamt nur eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit nur im Bereich des rechten Schultergelenks festgestellt. Soweit die sachverständige Zeugin Dr. F. über schwergradige Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke berichtet hat, sind solche nicht objektiviert. Dr. F. hat keine konkreten Bewegungsmaße angegeben und auch nicht auf Fremdbefunde Bezug genommen, so dass ihre Einschätzung nicht nachvollziehbar ist. Im Übrigen ergeben sich höhergradige Einschränkungen aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht. Ein höherer Teil-GdB als 10 lässt sich vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht rechtfertigen.
Die Gesundheitsstörungen der Kniegelenke bedingen keinen höheren GdB als 10. Im Bereich der Kniegelenke liegt bei der Klägerin beidseitig eine Chondromalazie vor, was der Senat insbesondere dem Gutachten des Dr. H. entnimmt. Nach den VG ist erst für eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 0-0-90) bei einseitigem Vorliegen ein GdB von bis zu 10 und bei beidseitigen Vorliegen ein GdB von 10 bis 20 vorgesehen. Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z. B. Chondromalacia patellae Stadium II - IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen, einseitig bedingen ohne Bewegungseinschränkung einen GdB von 10 bis 30, mit Bewegungseinschränkung von 20 bis 40. Eine GdB-relevante Bewegungseinschränkung wird durch die Chondromalazie nicht bedingt. Vielmehr hat Dr. H. eine Beweglichkeit für Streckung/Beugung von beidseits 0/0/120° erhoben. Gleichzeitig hat er nur diskrete Reizerscheinungen festgestellt. So fand sich sowohl am rechten als auch am linken Kniegelenk eine verdickte Gelenkkapsel im oberen Rezessus oberhalb der Kniescheibe und leichte Schmerzen am inneren und äußeren Kniescheibenrand. Beim Zohlen-Test fand sich rechts ein leicht retropatellar krepitierendes Geräusch und links eine leichte Schmerzverstärkung bei Bewegung unter Kompression. Im Bereich des innen- mehr als des außenseitigen Gelenkspalts bestanden rechts diskrete Druckschmerzen; links bestand Druckschmerz über dem innenseitigen Gelenkspalt. Der Bandapparat war beidseits stabil. Es fand sich kein Anhalt für ausgeprägtere intraartikuläre Flüssigkeitsansammlungen in den Kniegelenken. Schwerwiegendere Einschränkungen sind auch sonst nicht ersichtlich. Im Bericht des Dr. J. vom 19.03.2012 wird lediglich ein rezidivierender belastungsabhängiger Knieschmerz links beschrieben. Bei den damit festzustellenden nur leichten Reizerscheinungen ist eine höhere GdB-Bewertung als mit 10 nicht gerechtfertigt.
Eine seelische Störung, die einen GdB von wenigstens 10 bedingt, liegt bei der Klägerin nicht vor. Der Gutachter Dr. Schn. hat keine Erkrankung auf nervenfachärztlichem Gebiet festgestellt. Das eingeschränkte psychische Befinden bzw. die nervlichen Beschwerden sind nach seinen nachvollziehbaren Ausführungen reaktiv durch die orthopädischen Leiden bedingt und in deren Bewertung mit erfasst. Soweit die sachverständige Zeugin Dr. Fi. einen erheblichen depressiven Verstimmungszustand der Klägerin angegeben hat, rechtfertigt dies nicht eine GdB-Bewertung für eine seelischen Störung. Befunde hat die sachverständige Zeugin insoweit nicht mitgeteilt. Dagegen hat Dr. Schn. in seinem Gutachten nachvollziehbar dargestellt, dass die nervlichen Beschwerden der Klägerin nicht das Bild einer psychiatrischen Gesundheitsstörungen erfüllen. Psychiatrische Gesundheitsstörungen wurden bei der Klägerin auch im Übrigen nach den medizinischen Unterlagen nicht diagnostiziert.
Für ein Krampfaderleiden der Klägerin ist jedenfalls kein höherer GdB als 10 zu berücksichtigen. Nach Teil B Nr. 9.2.3 VG bedingen unkomplizierte Krampfadern keinen GdB. Eine chronisch-venöse Insuffizienz (z.B. bei Krampfadern), ein postthrombotisches Syndrom ein- oder beidseitig mit geringem belastungsabhängigem Ödem, nicht ulzerösen Hautveränderungen, ohne wesentliche Stauungsbeschwerden bedingt einen GdB von bis zu 10. Der Gutachter Dr. Schn. hat eine erhebliche Ödembildung, die einen GdB von 20 bis 30 bedingen könnte, nicht festgestellt. Auch hat er keine Anhaltspunkte für häufig rezidivierende Entzündungen gesehen. Aus dem Bericht des Dr. K. vom 25.04.2012, wonach die Klägerin eine ausgesprochene Neigung zur Ausbildung von Rezidivvarizen habe, die eine engmaschige Sklerosierungsbehandlung erfordere, um weitere operative Maßnahmen zu vermeiden, ergibt sich nicht das Vorliegen von für die Bewertung mit einem GdB relevanten Funktionsbeeinträchtigungen. Vielmehr wurde nach dem Bericht des Krankenhauses W. vom 09.03.2012 eine venöse Ursache der Beschwerden, wegen der sich die Klägerin vorgestellt hatte, ausgeschlossen. Das tiefe Beinvenensystem zeigte sich beidseits intakt, ein Anhalt für eine Thrombose bestand nicht. Eine erhebliche Ödembildung oder häufig rezidivierende Entzündungen als Voraussetzung für einen GdB von wenigstens 20 sind auch sonst in den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht dokumentiert.
Im Funktionssystem der Harnorgane ist kein höherer Einzel-GdB als 20 festzustellen. Die Harn-inkontinenz bedingt keinen höheren GdB als 20. Nach Teil B Nr. 12.2.4 VG führt eine relative Harninkontinenz mit leichtem Harnabgang bei Belastung (z.B. Stressinkontinenz Grad I) zu einem GdB von bis zu 10, bei Harnabgang tags und nachts (z.B. Stressinkontinenz Grad II-III) zu einem GdB von 20 bis 40. Der sachverständige Zeuge Dr. M.-W. hat das Bestehen einer Stressharninkontinenz bestätigt. Nach dem Bericht vom 08.08.2011 hat er diese mit einem Grad von I. bis II. eingeschätzt. Anhaltspunkte für eine höhergradige Inkontinenz bestehen nicht, so dass ein höherer Teil-GdB als 20 nicht zu berücksichtigen ist. Der Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem der Harnorgane wird auch nicht durch das erstmals im April 2014 aufgetretene Nierensteinleiden der Klägerin erhöht. Eine zumindest leichtgradige Einschränkung der Nierenfunktion, die nach Teil B Nr. 12.1.3 VG einen Teil-GdB von wenigstens 20 bedingen könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich aus dem Bericht des C.-Krankenhauses B. M. vom 17.04.2014 keine erhöhten Kreatininwerte. Im Übrigen hat die Klägerin im Berufungsverfahren insoweit auch keine Beeinträchtigungen geltend gemacht.
Der Verlust der Gebärmutter hat nach Teil B Nr. 14.2 VG keinen GdB zur Folge. Die Erforderlichkeit einer Hormonsubstitution, welche nach den Angaben der Klägerin gegenüber Dr. Schn. nicht mehr fortgesetzt wird, stellt keine GdB-relevante Beeinträchtigung dar.
Weitere – bisher nicht berücksichtigte – GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Insbesondere die Erforderlichkeit eines weiteren orthopädischen Gutachtens liegt – entgegen der Anregung von Dr. Schn. – nicht vor. Anhaltspunkte für einer Verschlimmerung, insbesondere der funktionellen Auswirkungen der HWS-Schäden, mit Auswirkung auf den GdB hat der Senat nicht. Vielmehr bestätigen die von Dr. Schn. erhobenen Befunde die erfolgte Bewertung. Der Sachverhalt ist damit vollständig aufgeklärt. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, juris).
Hiernach wird ausgehend von einem Einzel-GdB von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes der Gesamt-GdB durch die mit einem Einzel-GdB von 20 zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Harnorgane auf 40 erhöht. Die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertenden Gesundheitsstörungen der Klägerin erhöhen den Gesamt-GdB von 40 nicht.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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