Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2302/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1614/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 6. März 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Die im Jahr 1955 geborene Klägerin ist, nachdem ihr zweiter Ehemann 2004 als Bürgermeister nicht wiedergewählt wurde, nach acht Jahren Familienpause (Betreuung von vier Kindern, davon drei eigene) wieder als Gymnasiallehrerin mit den Fächern Deutsch, Englisch und Kunst in Ü. tätig, seit Herbst 2011 nach einer stufenweisen Wiedereingliederung mit einem Deputat von 19 Wochenstunden. Im Frühjahr 2009 hatte sie sich eine Glassplitterverletzung am rechten Zeigefinger auf Höhe des Zeigefingerendgliedes zugezogen und im September 2010 einen Sturz aus einem Bus beim Anfahren erlitten. Ihre zwei jüngsten Kinder befinden sich noch in Schul- oder Universitätsausbildung, ihr Ehemann ist im Landtag in Baden-Württemberg tätig.
In einem Bericht des HNO-Arztes Dr. P. vom 14. Mai 2010 wurde aufgeführt, dass bei der Klägerin eine diskrete Schwerhörigkeit im Hochtonbereich bestehe. Wegen des Verdachtes auf Morbus Menière sei eine Infusionstherapie durchgeführt worden. Es bestehe eine erhebliche psychovegetative Überlagerung. In einem Bericht des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. M. vom 10. August 2010 wurden chronische rezidivierende Lumboischialgie, ein chronisches zervikozephales Syndrom, Dysfunktion im kraniozervikalen Übergang mit rezidivierenden Schwindelanfällen und Kopfschmerzen, Gonarthrose rechtes Kniegelenk, Bursitis trochanterica beidseits, ilitibiales Syndrom rechts, Ganglion linker Fuß, dekompensierter Pes planovalgus beidseits, Metartarsalgie rechts und Epicondylitis radialis rechts diagnostiziert. Der Handchirurg Prof. Dr. K. hat in dem Befundbericht vom 10. September 2010 bezüglich der Verletzung des rechten Zeigefingers geschildert, dass eine Kälteempfindlichkeit, eine deutlich verfrühte Ermüdbarkeit, Hyposensibilität und eine Ermüdungsreaktion bestünden.
In der Zeit vom 27. September 2010 bis 22. Januar 2011 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung im Sigma-Zentrum, einem Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Im Entlassungsbericht wurden eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome und eine posttraumatische Belastungsstörung sowie daneben Morbus Menière, Tinnitus rechts und ein Lendenwirbelsäulen-(LWS-)Syndrom diagnostiziert. Eine ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung sei erforderlich. Die Klägerin sei zur stufenweisen beruflichen Wiedereingliederung an einer neuen Schule entlassen worden.
Während des Klinikaufenthaltes stellte die Klägerin am 29. Oktober 2010 beim Beklagten einen Erstantrag auf Feststellung ihrer Behinderungen. Als Gesundheitsstörungen führte sie Morbus Menière, Bandscheibenvorfälle, Funktionseinschränkungen in der rechten Hand/Finger, Depression und chronische Kopfschmerzen an.
Mit Bescheid vom 24. März 2011 wurde der Klägerin ein GdB von 30 seit 29. Oktober 2010 zuerkannt. Dem lag die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. E. zugrunde, wonach für seelische Störung und Ohrgeräusche (Tinnitus) ein Einzel-GdB von 30 und für Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden und Kopfschmerzsyndrom ein Einzel-GdB von 10 gegeben seien. Der Gesamt-GdB betrage 30.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, dass eine Behinderung durch einen Morbus Menière mit regelmäßigen Schwindelanfällen einhergehe, eine Funktionsbeeinträchtigung der Hüftgelenke nicht berücksichtigt und die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Es komme zu häufig rezidivierenden und andauernden ausgeprägten Wirbelsäulensyndromen mit Blockierungen. Hierfür sei ein Teil-GdB von mindestens 20 anzunehmen. Sie sei schwerbehindert.
Hierzu führte der Versorgungsarzt Kö. aus, alle Behinderungen seien angemessen und ausreichend bewertet. Ein Morbus Menière in GdB-bedingendem Maß finde keine Bestätigung. Die Wirbelsäulenveränderungen überschritten das altersübliche Maß mäßig. Der Hüftgelenksbefund sei altersgemäß. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Kläger am 22. August 2011 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben Das SG hat zunächst schriftliche sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Orthopäde Dr. M. hat am 4. Oktober 2011 mitgeteilt, die letzte Konsultation habe Ende September 2010 stattgefunden, und mit Schreiben vom 26. Februar 2013, die Klägerin befinde sich seit 16. Januar 2013 wieder in seiner Behandlung. Er schätze für den Zustand nach Schädelprellung und Verstauchungsverletzung der Wirbelsäule einen GdB von 30. Für die Hüftgelenke, für das rechte Kniegelenk und den linken Fuß liege ein GdB unter 10 vor. Die Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. Sch. hat mit Schreiben vom 29. September 2011 angegeben, bei der Klägerin liege eine reaktive Depression in Bezug auf Schwierigkeiten der Lebensbewältigung, eine schwere depressive Episode und ein Verdacht auf Somatisierungsstörung vor. Die Symptome hätten sich zunächst gebessert, nach dem Sturz aus dem Bus habe sich jedoch der seelische Zustand verschlechtert. Die Klägerin könne die Inhalte der Psychotherapie gut umsetzen. Sie, die Ärztin, könne zur Zeit keine langfristige Behinderung oder Funktionseinschränkung im seelischen Bereich erkennen. Der Arzt für Hand- und Fußchirurgie Prof. Dr. K. hat mit Schreiben vom 1. Oktober 2011 mitgeteilt, die Klägerin habe ihn wegen einer Verletzung des Fingers aufgesucht. Er schätze den GdB auf unter 5. Die Diagnosen Schwerhörigkeit und Neuropathie vestibularis (Funktionsstörung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr) hat der HNO-Arzt Dr. P. mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 berichtet. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Pa. hat mit Schreiben vom 25. Januar 2012 die Ansicht vertreten, bei der Klägerin liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Sie leide vordergründig an Kopfschmerzen, die durch geringe Belastung getriggert würden. Weiter bestehe eine Depression mit Somatisierungsstörungen. Er schätze den Teil-GdB auf 40 für das Kopfschmerzsyndrom und für die Depression von 30 bis 40.
Das Gericht hat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag der Klägerin ein nervenärztliches Fachgutachten bei Prof. Dr. Dr. W. vom 15. Juli 2013 eingeholt. Dieser hat auf neurologischem Fachgebiet, überdeckend mit dem chirurgisch-orthopädischen Fachgebiet, zervikale und lumbale Nervenwurzelreizerscheinungen bei erheblichen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sowie zusätzlich eine Schmerzsymptomatik des ersten Trigeminusastes rechts, möglicherweise als Folge der unfallbedingten Schädelprellung im Herbst 2010, festgestellt. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestünden Angst und Depression gemischt mit auch rezidivierenden schweren depressiven Episoden auf dem Boden einer primär zwanghaft, ängstlichen Persönlichkeit. Schwer zu beurteilen seien die geklagten Schwindelerscheinungen. Differenzialdiagnostisch liege ein gutartiger Lagerungsschwindel vor, wobei derzeit im Vordergrund ein phobischer Schwindel stehe, der im Rahmen der psychischen Problematik zu subsumieren sei. Für das Wirbelsäulenleiden sehe er einen GdB von 30 als gerechtfertigt. Im Hinblick auf die psychische Problematik liege bei der Klägerin eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor. Es lägen mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten vor, weshalb er einen GdB von 40 für gerechtfertigt halte. Aufgrund der ausgeprägten Überschneidung schätze er einen GdB von 50 ab 2010.
Der Beklagte hat dazu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wo. vorgelegt, wonach für die seelische Störung ein GdB von 40, wie von Prof. Dr. Dr. W. angenommen, nicht zu begründen sei. Es werde keine laufende psychiatrische bzw. psychotherapeutische Therapie einschließlich einer medikamentösen Behandlung durchgeführt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass bei einem entsprechend ausgeprägten Leidensdruck, welcher einen GdB von 40 auf psychischem Gebiet bedinge, eine fachärztliche Behandlung in Anspruch genommen werde. Für seelische Störung, Ohrgeräusche (Tinnitus) liege ein Einzel-GdB von 30, für Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Kopfschmerzsyndrom, ein Einzel-GdB von 20 vor. Der Gesamt-GdB betrage 40.
Ferner hat das Gericht, nachdem die Klägerin das Vergleichsangebot des Beklagten mit einem GdB von 40 nicht angenommen hat, von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten bei Dr. Kn. vom 25.11.2013 eingeholt. Dieser hat ein chronisch rezidivierendes zervikocephales und zervikobrachiales Wirbelsäulensyndrom bei fortgeschrittener Osteochondrose und Spondylarthrose der Wirbelsäule C3 bis C7 relative Spinalkanalstenose, ein chronifiziertes Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen sowie ein Dorsolumbalsyndrom bei Rundrückenbildung, eine Osteochondrose, eine Spondylarthrose der Brust- und Lendenwirbelsäule, eine lumbosakrale Assimilationsstörung, eine Trochanterperiostose rechts bei Präarthrosis coxae sowie nach Fremdkörper-(Glassplitter-) Inkorporation im Bereich der Fingerbeere des Zeigefingerendgliedes rechts, Gefühlsstörung im Bereich der Zeigefingerbeere, Kälteempfindlichkeit sowie Missempfindung radialseitig im Zeigefingerendgliedbereich rechts festgestellt. Wegen der Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Kopfschmerzsyndrom hat er den GdB auf 20 geschätzt. Er hat im Abschnitt der Halswirbelsäule (HWS) schwerwiegende Einschränkungen bezüglich der Seitneigung von rechts/links 20/0/20° bei durchschnittlichem Bewegungsausschlag von 40/0/45° Grad sowie eine mittelgradige Einschränkung der Rotation rechts/links 40/0/60° bei durchschnittlichem Bewegungsausschlag von 70/0/70° festgestellt. Bei Extension und Flexion fänden sich leichte bis mittelgradige Einschränkungen. Unter Einbeziehung der ausgeprägten myofascialen Schmerzsymptomatik mit Nachweis ausgeprägter, rechtsbetonter myofascialer Triggerpunkte, der relativen Spinalkanalstenose C3 bis C7 sowie dem radiologischen Nachweis einer hochgradigen erosiven Osteochondrose und bei Berücksichtigung des chronisch rezidivierenden Schmerzsyndroms sei insgesamt von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen im Abschnitt der HWS auszugehen. Bei zusätzlicher Wertung des Kopfschmerzsyndroms bestehe ein Einzel-GdB von 20. Die Verletzungsfolgen nach Glassplitterverletzung im Bereich des rechten Zeigefingers rechtfertigten keinen messbaren GdB. Er bewerte unter Einbeziehung der psychischen Folgen den Gesamt-GdB mit 40.
In der Folge hat das SG mit Urteil vom 6. März 2014, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 17. März 2014, den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zur Anerkennung eines GdB von 40 ab dem 29. Oktober 2010 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass bei der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet für seelische Störung, Ohrgeräusche (Tinnitus) ein Teil-GdB von 30 vorliege. Die Klägerin leide an einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die mit einem Einzel-GdB von 30 angemessen bewertet sei. Hierin eingeschlossen seien die Ohrgeräusche und der Schwindel. Dieser werde von Prof. Dr. Dr. W. als im Wesentlichen phobischer Schwindel angesehen. Ein Einzel-GdB von 40 sei nicht anzunehmen gewesen, da dieser der Ausschöpfung des oberen Spielraums des GdB-Rahmens für eine stärker behindernde Störung entspreche. Jedoch müsse hierbei beachtet werden, dass die Klägerin die Behandlung bei Dr. Sch. aufgegeben habe und derzeit weder eine psychiatrische oder psychotherapeutische noch medikamentöse Behandlung stattfinde. Die Klägerin nehme auch keine Schmerzmittel. Sie übe ihren Beruf als Lehrerin in Teilzeit weiter aus. Ferner könne für die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Kopfschmerzsyndrom ein Einzel-GdB von 20 berücksichtigt werden. Der Orthopäde Dr. Kn. habe mittelgradige funktionelle Auswirkungen im Abschnitt der HWS, nicht jedoch in der Brustwirbelsäule - BWS - und der LWS gefunden. Insoweit seien die Funktionsbeeinträchtigungen zurzeit leichtgradig. Unter Einbeziehung des Kopfschmerzsyndroms schätze er zu Recht einen Einzel-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden. Ein messbarer GdB bestehe für die Fingerverletzung nicht. Dies gelte auch für die Insertionstendopathie der hüftübergreifenden Muskulatur. Insgesamt liege ein Gesamt-GdB von 40 ab Antragstellung vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 9. April 2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt, dass zwar richtig sei, dass sie sich aktuell nicht in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung befinde, sie habe diese aber im Jahr 2009 (gemeint wohl: 2010) sogar vier Monate lang stationär durchgeführt. Die anschließende ambulante Psychotherapie habe sie abgebrochen. Sie erlebe eine zunehmende Einschränkung in ihren Hobbys Gartenarbeit und Lesen. Dr. Kn. habe in seinem Gutachten nicht berücksichtigt, dass sie an neurologischen Ausfallerscheinungen in Form von Gefühlsstörungen an den Oberschenkeln in Form von "Bitzeln" leide. Auch seien ihre Kopfschmerzen bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Fingerverletzung müsse einen GdB von 20 nach sich ziehen. Manchmal sei der Finger ohne Gefühl, dann wieder hypersensibel.
Die Klägerin hat ein Schreiben vom HNO-Arzt Dr. Kl. vom 10. September 2014 vorgelegt, wonach sie unter einem Hörverlust des rechten und linken Ohres von jeweils 45 % leide, was einer MdE von 15 bis 20 entspreche. Weiter hat sie einen Arztbrief der Augenärztin Dr. B.-Hu. vom 24. Juli 2014 zu den Akten gereicht, worin von einer epiretinalen Gliose (Membran auf der Netzhautoberfläche) mit Netzhautfältelung im linken Auge berichtet worden ist. Die Klägerin habe am linken Auge ein Sehvermögen von 1,0 und am rechten von 0,8.
Der Senat hat sachverständige Zeugenaussagen bei den behandelnden Ärzten eingeholt. Prof. Dr. K. hat am 31. Oktober 2014 über die letzte Behandlung im Juni 2014 berichtet, dass sich bei der klinischen Untersuchung hinsichtlich der Beugung und der Streckung keine gravierenden Einschränkungen im Bereich des rechten Zeigefingers gezeigt hätten. Die grobe Kraft habe sich auf 50 % herabgesetzt gezeigt. Die Funktionseinschränkung des rechten Zeigefingers schätze er aktuell als geringfügig ein. Der Internist Dr. Schä. hat am 21. Oktober 2014 angegeben, dass eine internistische Erkrankung nicht im Vordergrund der Gesamtproblematik stehe. Im Hinblick auf die von der Klägerin angegebene Insomnie (Schlafstörung) habe eine relevante schlafbezogene Störung ausgeschlossen werden können. Die Polysomnographie (Schlafmessung) habe lediglich eine geringe rückenlagenbetonte, obstruktive Komponente darstellen können. Der Allgemeinmediziner Dr. Pf. hat am 13. November 2014 berichtet, dass er die Klägerin mit Akupunktur und Homöopathie behandele. Er habe sich dabei auf den Kopfschmerz, Tinnitus, Vertigo, Rückenschmerzen sowie die psychischen Beschwerden konzentriert. Die Untersuchung habe eine subdepressive Verstimmung bei erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit ergeben. Die Klägerin habe über eine geringe emotionale Belastbarkeit und verminderte Konzentration berichtet. Er habe die Diagnosen des Verdachts auf einen psychophysischen Erschöpfungszustand, eine Angststörung, chronisch rezidivierende Kopfschmerzen, Hörminderung mit Tinnitus und Linseneintrübung gestellt. Bei der Klägerin bestehe ein komplexes und mit naturheilkundlichen Methoden schwer zu therapierendes Beschwerdebild.
Am 25. August 2015 ist ein Erörterungstermin beim LSG durchgeführt worden. Die Klägerin hat darin angegeben, dass sie auf der Warteliste für Psychotherapie stehe. Wegen ihrer Psyche sei sie bei einer Heilpraktikerin in Behandlung.
Weiter sind Ton- und Sprachaudiogramme vom 27. April und 24. September 2015 sowie ein Attest des HNO-Arztes Dr. Me. vom 8. März 2016 vorgelegt worden. Nach dem Attest sei der Hörverlust der Klägerin besonders schwerwiegend, weil vor allem eine Hör- und Verständnisminderung bei Hintergrundgeräuschen bestehe, welche die schlechte Sprachverständigung am Arbeitsplatz erkläre.
Die Klägerin hat zuletzt angegeben, dass bislang keine Hörgeräteversorgung bei ihr erfolgt sei. Sie sei vor allem bei Umgebungsgeräuschen gestört. Dem Senat fehle die Sachkunde zu beurteilen, welche Höranforderungen ihr Beruf als Lehrerin stelle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 6. März 2014 sowie den Bescheid vom 24. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2011 teilweise abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr einen GdB von mindestens 50 ab 29. Oktober 2010 festzustellen, hilfsweise sie von Amts wegen zur Schwerhörigkeit bei Umgebungsgeräuschen bei einem dazu eingerichteten Institut zu begutachten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Der Beklagte führt an, dass der Leidensdruck durch die psychische Beeinträchtigung offenbar nicht so gravierend sei, als dass eine Fortsetzung der abgebrochenen Psychotherapie oder der medikamentösen Therapie mit einem Alternativmedikament für nötig erachtet worden sei. Die Gefühlsstörung im Finger stelle keine GdB-relevante Beeinträchtigung dar. Die geringfügigen Funktionseinschränkungen des rechten Zeigefingers bedingten keine Erweiterung des GdB, da ein Teil-GdB von 10 bereits dem Verlust eines Fingers entspräche. Bei der von Dr. Pa. mitgeteilten subdepressiven Verstimmung bei erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit und geringer emotionaler Belastbarkeit und verminderter Konzentration sei ein höherer Teil-GdB als 30 nicht vertretbar. Das vorgelegte Sprachaudiogramm sei nicht für die GdB-Bewertung von Hörstörungen auswertbar, da ein Hörverlust für Zahlen und die Verständnisquoten bei 60, 80 und 100 dB nicht vollständig eingetragen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zulässige Klage zu Recht abgewiesen, soweit mit ihr die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB mit 50 verfolgt worden ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, wie er vom SG ausgeurteilt worden ist. Daher ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung insoweit rechtmäßig und verletzt jene nicht in ihren Rechten, als die Feststellung eines höheren GdB als 40 abgelehnt worden ist.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 69 Abs. 1, 3 und 4 SGB IX. Danach stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Menschen sind nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gem. § 69 Abs. 1 S. 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011 § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) erlassen, um u.a. die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellten und fortentwickelten, Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR. 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (also final) bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und alten Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, d. h. für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, d. h. Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (z. B. "Altersdiabetes", "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen - wie im Falle des Klägers - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und in wieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktions-beeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein: Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung kann die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber auch nicht verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern auf Grund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigen-Gutachten in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R - juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind (st. Rspr., vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B - juris). Bei dem auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- bzw. Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen.
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer (unbenannten) Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Gesundheitsschäden der Klägerin jedenfalls keinen höheren GdB als 40 rechtfertigen.
Die im Vordergrund stehende Funktionseinschränkung der Klägerin besteht auf nervenärztlichem Fachgebiet. Der Senat hält den hier von Seiten des SG angesetzten Teil-GdB von 30 für befundadäquat im Hinblick auf die hierfür nach den VG erforderlichen Voraussetzungen.
Die seelische Störung ist nach VG, Teil B, Nr. 3.7 zu bewerten. Danach sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 zu bewerten.
Die Klägerin leidet unter einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die mit einem Einzel-GdB von 30 angemessen bewertet ist. Hierin eingeschlossen sind die Ohrgeräusche und der Schwindel, welcher von Prof. Dr. Dr. W. nachvollziehbar als im Wesentlichen phobischer Schwindel gewertet wird. Bei der Klägerin bestehen Angst und Depression, gemischt, mit auch rezidivierenden schwereren depressiven Episoden auf dem Boden einer primär zwanghaft-ängstlichen Persönlichkeit. Die Klägerin hat bei Prof. Dr. Dr. W. eine deutliche Antriebsstörung gezeigt und hat mit zahlreichen Körpersymptomen auf die seelische Problematik reagiert. Der Senat kann sich jedoch – in Übereinstimmung mit dem SG – nicht der Einschätzung von Prof. Dr. Dr. W. anschließen, wonach der Ermessenspielraum bei dieser stärker behindernden Störung bis zu einem Einzel-GdB von 40 auszuschöpfen ist. Die Klägerin befindet sich seit Abbruch ihrer psychotherapeutischen Behandlung im Jahr 2011 nicht mehr in nervenfachärztlicher Betreuung. Sie wird weder psychiatrisch noch psychotherapeutisch oder medikamentös behandelt. Sie nimmt auch keine Schmerzmittel ein. Sie greift wegen ihrer psychischen Probleme ärztlich aktuell alleine auf Akupunktur und Homöopathie durch den Allgemeinmediziner Dr. Pa. zurück. Unter Berücksichtigung der Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W., dass die fehlende Behandlung den Ausdruck des Versuchs der Aufrechterhaltung einer Fassade darstellt, kann in Übereinstimmung mit dem Beklagten zwar von einer stärker behindernden seelischen Störung, die einen GdB von 30 begründen, angenommen werden, nicht aber im oberen Ermessensbereich. Bei einem ausgeprägteren Leidensdruck, welcher einen GdB von 40 bedingen würde, wäre zu erwarten, dass eine fachärztliche Behandlung in Anspruch genommen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, so zuletzt Urteil des Senats vom 21. April 2016 - L 6 SB 461/15 -; vgl. hierzu auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10 – juris). Die von Dr. Pa. mitgeteilte subdepressive Verstimmung bei erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit und geringer emotionaler Belastbarkeit und verminderter Konzentration (Schreiben vom 13. Januar 2014) vermittelt eine zwar nicht unerhebliche, jedoch noch nicht gravierendere seelische Störung. Dr. Pa. rät auch nicht dringend zu einer Aufnahme einer fachärztlichen Behandlung, sondern sieht allenfalls in der Fortsetzung der vor Jahren begonnenen Psychotherapie eine Möglichkeit, die Verarbeitung der körperlichen und seelischen Symptome zu erleichtern. Auch bei der Untersuchung durch Dr. Kn. hat sie sich nur als depressiv verstimmt, aber nicht eigentlich depressiv gezeigt. Hierbei ist auch nicht unberücksichtigt zu lassen, dass die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit nach einer stufenweisen Wiedereingliederung nach dem stationären Psychiatrieaufenthalt seit 2011 wieder mit einem Stundendeputat von 19 ausübt und in der Familie oder der Freizeit keine psychosozialen Belastungen ersichtlich sind. Die Klägerin geht gerne Arbeiten und die berufliche Tätigkeit hilft nach ihren Angaben der Psyche (Gutachten Dr. Kn. vom 25. November 2013). In ihrer Freizeit ist sie gerne im Garten tätig, schwimmt und fährt Fahrrad (Gutachten Prof. Dr. Dr. W.). Die Klägerin hatte bei der Untersuchung zudem angegeben, dass sie von ihrer Familie so diszipliniert worden sei, Erkrankungen nicht nach außen zu tragen. Insofern versucht sie, die Dinge mit sich selbst auszutragen und hat die antidepressive Behandlung beendet. Dies verdeutlicht aber auch, dass die Klägerin ihre Probleme als nicht so gravierend beurteilt, als dass sie diese nicht selbst und ohne Facharzt bewältigen kann.
Im Funktionssystem Rumpf rechtfertigen die Gesundheitsstörungen der Klägerin einen Teil-GdB von 20. Nach VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme bestimmt, wobei sich das Funktionsausmaß der Gelenke nach der Neutral-Null-Methode bemisst. Auch bei Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem sogenannten Postdiskotomiesyndrom) ergibt sich nach VG, Teil B, Nr. 18.9 der GdB primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Dementsprechend beträgt bei Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität der GdB 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernde auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40.
Nach der von Dr. Kn. vorgenommenen Bewegungsprüfung der Wirbelsäule bestehen im Bereich der HWS beim Vor- und Rückneigen Bewegungsgrade von 45/0/35°, beim Seitneigen von 20/0/20° (normal jeweils: 45/0/45°) und bei der Drehbewegung rechts/links 40/0/60° (normal: 80/0/80°). Das Seitneigen rechts/links der BWS und LWS beträgt 30/0/30° (normal: 35/0/35°), Drehen im Sitzen 20/0/20° (normal: 30/0/30°), der Fingerspitzen-Bodenabstand 36 cm das Ott´sche Maß 30/31,5 cm und das Schober´sche Zeichen 10/14 cm. Die funktionellen Einschränkungen wurden vom behandelnden Orthopäden Dr. M. in ähnlicher Weise festgestellt (Drehung LWS: 50/0/60°; Seitneigung LWS: 30/0/30°). Während die Funktionseinschränkungen der HWS gerade bei der Seitneigefähigkeit unter Berücksichtigung der durch die zervikozephale und zervikobrachiale Wirbelsäulensymptomatik hervorgerufenen Schmerzen, die Steilstellung der HWS bei fortgeschrittener Osteochondrose und Spondylarthrose C3-7 und unter Beachtung des chronisch rezidivierenden Schmerzsyndroms insgesamt als mittelgradig eingestuft werden können, sind die Beeinträchtigungen an der BWS und LWS noch nicht derart gravierend. Es bestehen ein lokales myofasciales thorakales Syndrom und ein pseudoradikuläres unteres lumbales Wirbelsäulensyndrom. Die angegebene Schmerzausstrahlung in beide Beine wird dabei berücksichtigt. Im Bereich der BWS lässt sich eine mittelgradige funktionelle Einschränkung bei einem Ott’schen Maß von 30/31,5 cm (altersgerechte Norm: 30/33 cm) feststellen. Die LWS ist hingegen mit dem gemessenen Schober’schen Zeichen im Normalbereich. Die Seitneigefähigkeit im BWS- und LWS-Bereich ist leichtgradig eingeschränkt. Weder können die Beeinträchtigungen der Klägerin mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt noch mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten gleichgesetzt werden. Dies wird dadurch bestätigt, dass Dr. Kn. keine Probleme der Klägerin beim An- und Entkleiden festgestellt hat und ihr Gang sicher war. Ein höherer Teil-GdB als 20 ist daher in Übereinstimmung mit dem orthopädischen Gutachter von Dr. Kn. auch unter Einbeziehung des (Kopf-) Schmerzsyndroms im Funktionssystem Rumpf nicht gerechtfertigt. Soweit Prof. Dr. Dr. W. – fachfremd – zu einem GdB von 30 kommt, folgt dem der Senat nicht. Das von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgebrachte "Bitzeln" in den Oberschenkeln, was sie schon als "Einschlafen" im Bereich der Oberschenkel gegenüber Dr. Kn. erwähnt hatte (vgl. Gutachten Dr. Kn. vom 25. November 2013), führt zu keinen funktionellen Einschränkungen, so dass sich der GdB dadurch nicht erhöht.
Für das Funktionssystem Ohren ist ein Einzel-GdB von maximal 20 zu vergeben. Maßgebend für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen ist nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 5 die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Dr. Kl. stellte einen Hörverlust des rechten und linken Ohres von 45 % fest (Schreiben vom 10. September 2014), was einer (unteren) mittelgradigen Schwerhörigkeit entspräche. Das mitarbeitsabhängige und erst nach dem gerichtlichen Erörterungstermin erstellte Tonaudiogramm von Dr. Me. vom 24. September 2015 dokumentiert nach der 4-Frequenztabelle nach Röser 1973 gemäß VG, Teil B, Nr. 5.2.2 einen prozentualen Hörverlust von 66 % (rechtes Ohr) bzw. 63 % (linkes Ohr), was eine mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit beschreibt. Das Sprachaudiogramm dokumentiert einen Diskriminationsverlust (fehlende Sprachverständlichkeit) von 30 % für das rechte und 20 % für das linke Ohr. Allerdings sind die Verständnisquoten bei 60, 80 und 100 dB nicht vollständig eingetragen, so dass der prozentuale Hörverlust nach VG, Teil B, Nr. 5.2.1 nicht errechnet werden kann. Gegen eine ausgeprägte Hörstörung spricht, dass bei den gutachterlichen Untersuchungen durch Dr. Kn. und Prof. Dr. Dr. W. sowie beim gerichtlichen Erörterungstermin keine Kommunikationsschwierigkeiten dokumentiert sind, und dass die Klägerin trotz ihrer Schwerhörigkeit und unter Berücksichtigung ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung, als Lehrerin, einem kommunikativ anspruchsvollen Beruf, nicht zumindest teilweise Hörgeräte benutzt. Wieso Richtern, die naturgemäß alle die Schule besucht, die Sachkunde fehlen soll, die Lärmbelästigung am Arbeitsplatz als Lehrer einschätzen zu können, erschließt sich dem Senat nicht, zumal in der Hilfsmittelversorgung mit digitalen Hörgeräten oft die Prüfung der beruflichen Betroffenheit ansteht, die im Regelfall ohne Einholung eines speziellen Gutachtens erfolgt. Im Übrigen kann dies aber im konkreten Einzelfall dahingestellt sein, weil die Klägerin - ohne Fehlzeiten - diesem Beruf tatsächlich nachzugehen vermag und solche tatsächlichen Momente immer einen stärkeren Beweiswert als eine gutachterliche Einschätzung haben, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Tätigkeit nicht auf Kosten der Gesundheit ausgeübt wird (BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 zur Rente wegen Erwerbsunfähigkeit), wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen und auch nicht vorgetragen wurden. Eine wesentliche Hörstörung ist deshalb nicht zu berücksichtigen, so dass hierfür ein GdB von allenfalls 20 vergeben werden kann, was einer gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit entspricht. Auch der HNO-Arzt Dr. Kl. hat nur eine MdE von 15 bis 20 angenommen, wobei bezüglich der Übernahme der MdE-Werte als GdB insoweit aufgrund der identischen Bewertungskriterien keinen Bedenken bestehen (Bayerisches LSG, Urteil vom 2. Juli 2013 - L 15 SB 119/10 - juris). Die Ohrgeräusche (Tinnitus) und die Schwindelproblematik, für die eine Verdachtsdiagnose des Morbus Menière gestellt (vgl. Arztbrief Dr. P. vom 14. Mai 2010) und von Prof. Dr. Dr. W. eher einem phobischen Schwindel zugeordnet wurde, sind bei der psychischen Beeinträchtigung bereits berücksichtigt und führen nicht zu einem eigenständigen GdB.
Die von der Klägerin angeführte Fingerverletzung hat hingegen keinen messbaren GdB zur Folge. Der GdB bei Gliedmaßenschäden ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.11 aus dem Vergleich mit dem GdB für entsprechende Gliedverluste. Der Verlust des Zeigefingers, Mittelfingers, Ringfingers oder Kleinfingers, auch mit Teilen des dazugehörigen Mittelhandknochens führt zu einem GdB von 10 (VG, Teil B, Nr. 18.13). Bei der letzten Vorstellung bei Prof. Dr. K. am 4. Juni 2014 hatte die Klägerin über ein herabgesetztes Sensibilitätsgefühl, vermehrte Kälteempfindlichkeit und Störung der Feinmechanik geklagt. Funktionell hatten sich bei der klinischen Untersuchung hinsichtlich Beugung und Streckung keine gravierenden Einschränkungen gezeigt. Operative Korrekturmaßnahmen sind nicht geplant. Die grobe Kraft, gemessen mit dem Pinch-Meter, hatte sich zwar auf 50 % herabgesetzt gezeigt. Dennoch sind die Funktionseinschränkung des rechten Zeigefingers nach Prof. Dr. K. insgesamt gering (vgl. Auskunft vom 31. Oktober 2014). Danach kommt kein GdB von 10 und mehr in Betracht, da ein GdB von 10 bereits dem - auch funktionell deutlich schwerwiegenderen - Verlust des Zeigefingers entspricht. Der Gefühlsstörung der Fingerbeere des rechten Zeigefingers ist bei allenfalls geringfügiger Einschränkung der Beweglichkeit kein Einzel-GdB zugeordnet. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Sachverständigen Dr. Kn. an.
Weiterer Ermittlungsbedarf von Amts wegen besteht bei dieser Sachlage nicht (§ 103 SGG), der Senat hat deswegen den Hilfsbeweisantrag der Klägerin abgelehnt.
Liegen, wie im Falle der Klägerin, mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden (vgl. hierzu und zum Folgenden VG, Teil A Nr. 3 a bis d). Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsstörung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn paarige Gliedmaßen oder Organe betroffen sind. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss deren Auswirkungen aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R - juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B - juris). Bei der Prüfung eines Gesamt-GdB von 50 verbietet es sich nicht, einen Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern vorzunehmen (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - juris). Vielmehr sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 10).
Gemessen an diesen Voraussetzungen begründen der Teil-GdB von 30 für die seelische Störung einschließlich Ohrgeräusche und Schwindel und die beiden Teil-GdB von 20 für die Wirbelsäulenschäden und die Hörstörung, wobei der Senat insoweit berücksichtigt hat, dass die Hörminderung nur bei wohlwollender Betrachtung einen Einzel-GdB von knapp 20 nach sich zieht, einen Gesamt-GdB von 40. Die mit lediglich 10 oder weniger bewerteten Behinderungen sind demgegenüber zu vernachlässigen. Ein GdB von 50 kommt wegen der nicht unerheblichen Überschneidungen der Gesundheitsstörungen (Ohrgeräusche, Schmerzchronifizierung) nicht in Betracht. Die Richtigkeit dieser Beurteilung zeigt sich im Vergleich mit anderen Behinderungen, die von vorneherein mit einem feststehenden GdB von 50 bewertetet werden. So wird bei seelischen Störungen erst bei schweren Störungen (z.B. schweren Zwangskrankheiten) ein GdB von 50 bis 70 angenommen (vgl. VG, Teil B, Nr. 3.7). Mit einem solchen Zustand sind die Behinderungen der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Wirbelsäulenschäden und der Hörstörung nicht zu vergleichen, zumal in der führenden Erkrankung - der seelischen Störung - seit Herbst 2011 nach Abschluss des stationären psychiatrischen Aufenthalts, der vorzeitigen Beendigung der ambulanten Psychotherapie und der gelungenen Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit eine Stabilisierung eingetreten ist.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Die im Jahr 1955 geborene Klägerin ist, nachdem ihr zweiter Ehemann 2004 als Bürgermeister nicht wiedergewählt wurde, nach acht Jahren Familienpause (Betreuung von vier Kindern, davon drei eigene) wieder als Gymnasiallehrerin mit den Fächern Deutsch, Englisch und Kunst in Ü. tätig, seit Herbst 2011 nach einer stufenweisen Wiedereingliederung mit einem Deputat von 19 Wochenstunden. Im Frühjahr 2009 hatte sie sich eine Glassplitterverletzung am rechten Zeigefinger auf Höhe des Zeigefingerendgliedes zugezogen und im September 2010 einen Sturz aus einem Bus beim Anfahren erlitten. Ihre zwei jüngsten Kinder befinden sich noch in Schul- oder Universitätsausbildung, ihr Ehemann ist im Landtag in Baden-Württemberg tätig.
In einem Bericht des HNO-Arztes Dr. P. vom 14. Mai 2010 wurde aufgeführt, dass bei der Klägerin eine diskrete Schwerhörigkeit im Hochtonbereich bestehe. Wegen des Verdachtes auf Morbus Menière sei eine Infusionstherapie durchgeführt worden. Es bestehe eine erhebliche psychovegetative Überlagerung. In einem Bericht des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. M. vom 10. August 2010 wurden chronische rezidivierende Lumboischialgie, ein chronisches zervikozephales Syndrom, Dysfunktion im kraniozervikalen Übergang mit rezidivierenden Schwindelanfällen und Kopfschmerzen, Gonarthrose rechtes Kniegelenk, Bursitis trochanterica beidseits, ilitibiales Syndrom rechts, Ganglion linker Fuß, dekompensierter Pes planovalgus beidseits, Metartarsalgie rechts und Epicondylitis radialis rechts diagnostiziert. Der Handchirurg Prof. Dr. K. hat in dem Befundbericht vom 10. September 2010 bezüglich der Verletzung des rechten Zeigefingers geschildert, dass eine Kälteempfindlichkeit, eine deutlich verfrühte Ermüdbarkeit, Hyposensibilität und eine Ermüdungsreaktion bestünden.
In der Zeit vom 27. September 2010 bis 22. Januar 2011 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung im Sigma-Zentrum, einem Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Im Entlassungsbericht wurden eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome und eine posttraumatische Belastungsstörung sowie daneben Morbus Menière, Tinnitus rechts und ein Lendenwirbelsäulen-(LWS-)Syndrom diagnostiziert. Eine ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung sei erforderlich. Die Klägerin sei zur stufenweisen beruflichen Wiedereingliederung an einer neuen Schule entlassen worden.
Während des Klinikaufenthaltes stellte die Klägerin am 29. Oktober 2010 beim Beklagten einen Erstantrag auf Feststellung ihrer Behinderungen. Als Gesundheitsstörungen führte sie Morbus Menière, Bandscheibenvorfälle, Funktionseinschränkungen in der rechten Hand/Finger, Depression und chronische Kopfschmerzen an.
Mit Bescheid vom 24. März 2011 wurde der Klägerin ein GdB von 30 seit 29. Oktober 2010 zuerkannt. Dem lag die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. E. zugrunde, wonach für seelische Störung und Ohrgeräusche (Tinnitus) ein Einzel-GdB von 30 und für Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden und Kopfschmerzsyndrom ein Einzel-GdB von 10 gegeben seien. Der Gesamt-GdB betrage 30.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, dass eine Behinderung durch einen Morbus Menière mit regelmäßigen Schwindelanfällen einhergehe, eine Funktionsbeeinträchtigung der Hüftgelenke nicht berücksichtigt und die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Es komme zu häufig rezidivierenden und andauernden ausgeprägten Wirbelsäulensyndromen mit Blockierungen. Hierfür sei ein Teil-GdB von mindestens 20 anzunehmen. Sie sei schwerbehindert.
Hierzu führte der Versorgungsarzt Kö. aus, alle Behinderungen seien angemessen und ausreichend bewertet. Ein Morbus Menière in GdB-bedingendem Maß finde keine Bestätigung. Die Wirbelsäulenveränderungen überschritten das altersübliche Maß mäßig. Der Hüftgelenksbefund sei altersgemäß. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Kläger am 22. August 2011 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben Das SG hat zunächst schriftliche sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Orthopäde Dr. M. hat am 4. Oktober 2011 mitgeteilt, die letzte Konsultation habe Ende September 2010 stattgefunden, und mit Schreiben vom 26. Februar 2013, die Klägerin befinde sich seit 16. Januar 2013 wieder in seiner Behandlung. Er schätze für den Zustand nach Schädelprellung und Verstauchungsverletzung der Wirbelsäule einen GdB von 30. Für die Hüftgelenke, für das rechte Kniegelenk und den linken Fuß liege ein GdB unter 10 vor. Die Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. Sch. hat mit Schreiben vom 29. September 2011 angegeben, bei der Klägerin liege eine reaktive Depression in Bezug auf Schwierigkeiten der Lebensbewältigung, eine schwere depressive Episode und ein Verdacht auf Somatisierungsstörung vor. Die Symptome hätten sich zunächst gebessert, nach dem Sturz aus dem Bus habe sich jedoch der seelische Zustand verschlechtert. Die Klägerin könne die Inhalte der Psychotherapie gut umsetzen. Sie, die Ärztin, könne zur Zeit keine langfristige Behinderung oder Funktionseinschränkung im seelischen Bereich erkennen. Der Arzt für Hand- und Fußchirurgie Prof. Dr. K. hat mit Schreiben vom 1. Oktober 2011 mitgeteilt, die Klägerin habe ihn wegen einer Verletzung des Fingers aufgesucht. Er schätze den GdB auf unter 5. Die Diagnosen Schwerhörigkeit und Neuropathie vestibularis (Funktionsstörung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr) hat der HNO-Arzt Dr. P. mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 berichtet. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Pa. hat mit Schreiben vom 25. Januar 2012 die Ansicht vertreten, bei der Klägerin liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Sie leide vordergründig an Kopfschmerzen, die durch geringe Belastung getriggert würden. Weiter bestehe eine Depression mit Somatisierungsstörungen. Er schätze den Teil-GdB auf 40 für das Kopfschmerzsyndrom und für die Depression von 30 bis 40.
Das Gericht hat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag der Klägerin ein nervenärztliches Fachgutachten bei Prof. Dr. Dr. W. vom 15. Juli 2013 eingeholt. Dieser hat auf neurologischem Fachgebiet, überdeckend mit dem chirurgisch-orthopädischen Fachgebiet, zervikale und lumbale Nervenwurzelreizerscheinungen bei erheblichen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sowie zusätzlich eine Schmerzsymptomatik des ersten Trigeminusastes rechts, möglicherweise als Folge der unfallbedingten Schädelprellung im Herbst 2010, festgestellt. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestünden Angst und Depression gemischt mit auch rezidivierenden schweren depressiven Episoden auf dem Boden einer primär zwanghaft, ängstlichen Persönlichkeit. Schwer zu beurteilen seien die geklagten Schwindelerscheinungen. Differenzialdiagnostisch liege ein gutartiger Lagerungsschwindel vor, wobei derzeit im Vordergrund ein phobischer Schwindel stehe, der im Rahmen der psychischen Problematik zu subsumieren sei. Für das Wirbelsäulenleiden sehe er einen GdB von 30 als gerechtfertigt. Im Hinblick auf die psychische Problematik liege bei der Klägerin eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor. Es lägen mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten vor, weshalb er einen GdB von 40 für gerechtfertigt halte. Aufgrund der ausgeprägten Überschneidung schätze er einen GdB von 50 ab 2010.
Der Beklagte hat dazu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wo. vorgelegt, wonach für die seelische Störung ein GdB von 40, wie von Prof. Dr. Dr. W. angenommen, nicht zu begründen sei. Es werde keine laufende psychiatrische bzw. psychotherapeutische Therapie einschließlich einer medikamentösen Behandlung durchgeführt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass bei einem entsprechend ausgeprägten Leidensdruck, welcher einen GdB von 40 auf psychischem Gebiet bedinge, eine fachärztliche Behandlung in Anspruch genommen werde. Für seelische Störung, Ohrgeräusche (Tinnitus) liege ein Einzel-GdB von 30, für Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Kopfschmerzsyndrom, ein Einzel-GdB von 20 vor. Der Gesamt-GdB betrage 40.
Ferner hat das Gericht, nachdem die Klägerin das Vergleichsangebot des Beklagten mit einem GdB von 40 nicht angenommen hat, von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten bei Dr. Kn. vom 25.11.2013 eingeholt. Dieser hat ein chronisch rezidivierendes zervikocephales und zervikobrachiales Wirbelsäulensyndrom bei fortgeschrittener Osteochondrose und Spondylarthrose der Wirbelsäule C3 bis C7 relative Spinalkanalstenose, ein chronifiziertes Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen sowie ein Dorsolumbalsyndrom bei Rundrückenbildung, eine Osteochondrose, eine Spondylarthrose der Brust- und Lendenwirbelsäule, eine lumbosakrale Assimilationsstörung, eine Trochanterperiostose rechts bei Präarthrosis coxae sowie nach Fremdkörper-(Glassplitter-) Inkorporation im Bereich der Fingerbeere des Zeigefingerendgliedes rechts, Gefühlsstörung im Bereich der Zeigefingerbeere, Kälteempfindlichkeit sowie Missempfindung radialseitig im Zeigefingerendgliedbereich rechts festgestellt. Wegen der Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Kopfschmerzsyndrom hat er den GdB auf 20 geschätzt. Er hat im Abschnitt der Halswirbelsäule (HWS) schwerwiegende Einschränkungen bezüglich der Seitneigung von rechts/links 20/0/20° bei durchschnittlichem Bewegungsausschlag von 40/0/45° Grad sowie eine mittelgradige Einschränkung der Rotation rechts/links 40/0/60° bei durchschnittlichem Bewegungsausschlag von 70/0/70° festgestellt. Bei Extension und Flexion fänden sich leichte bis mittelgradige Einschränkungen. Unter Einbeziehung der ausgeprägten myofascialen Schmerzsymptomatik mit Nachweis ausgeprägter, rechtsbetonter myofascialer Triggerpunkte, der relativen Spinalkanalstenose C3 bis C7 sowie dem radiologischen Nachweis einer hochgradigen erosiven Osteochondrose und bei Berücksichtigung des chronisch rezidivierenden Schmerzsyndroms sei insgesamt von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen im Abschnitt der HWS auszugehen. Bei zusätzlicher Wertung des Kopfschmerzsyndroms bestehe ein Einzel-GdB von 20. Die Verletzungsfolgen nach Glassplitterverletzung im Bereich des rechten Zeigefingers rechtfertigten keinen messbaren GdB. Er bewerte unter Einbeziehung der psychischen Folgen den Gesamt-GdB mit 40.
In der Folge hat das SG mit Urteil vom 6. März 2014, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 17. März 2014, den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zur Anerkennung eines GdB von 40 ab dem 29. Oktober 2010 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass bei der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet für seelische Störung, Ohrgeräusche (Tinnitus) ein Teil-GdB von 30 vorliege. Die Klägerin leide an einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die mit einem Einzel-GdB von 30 angemessen bewertet sei. Hierin eingeschlossen seien die Ohrgeräusche und der Schwindel. Dieser werde von Prof. Dr. Dr. W. als im Wesentlichen phobischer Schwindel angesehen. Ein Einzel-GdB von 40 sei nicht anzunehmen gewesen, da dieser der Ausschöpfung des oberen Spielraums des GdB-Rahmens für eine stärker behindernde Störung entspreche. Jedoch müsse hierbei beachtet werden, dass die Klägerin die Behandlung bei Dr. Sch. aufgegeben habe und derzeit weder eine psychiatrische oder psychotherapeutische noch medikamentöse Behandlung stattfinde. Die Klägerin nehme auch keine Schmerzmittel. Sie übe ihren Beruf als Lehrerin in Teilzeit weiter aus. Ferner könne für die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Kopfschmerzsyndrom ein Einzel-GdB von 20 berücksichtigt werden. Der Orthopäde Dr. Kn. habe mittelgradige funktionelle Auswirkungen im Abschnitt der HWS, nicht jedoch in der Brustwirbelsäule - BWS - und der LWS gefunden. Insoweit seien die Funktionsbeeinträchtigungen zurzeit leichtgradig. Unter Einbeziehung des Kopfschmerzsyndroms schätze er zu Recht einen Einzel-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden. Ein messbarer GdB bestehe für die Fingerverletzung nicht. Dies gelte auch für die Insertionstendopathie der hüftübergreifenden Muskulatur. Insgesamt liege ein Gesamt-GdB von 40 ab Antragstellung vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 9. April 2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt, dass zwar richtig sei, dass sie sich aktuell nicht in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung befinde, sie habe diese aber im Jahr 2009 (gemeint wohl: 2010) sogar vier Monate lang stationär durchgeführt. Die anschließende ambulante Psychotherapie habe sie abgebrochen. Sie erlebe eine zunehmende Einschränkung in ihren Hobbys Gartenarbeit und Lesen. Dr. Kn. habe in seinem Gutachten nicht berücksichtigt, dass sie an neurologischen Ausfallerscheinungen in Form von Gefühlsstörungen an den Oberschenkeln in Form von "Bitzeln" leide. Auch seien ihre Kopfschmerzen bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Fingerverletzung müsse einen GdB von 20 nach sich ziehen. Manchmal sei der Finger ohne Gefühl, dann wieder hypersensibel.
Die Klägerin hat ein Schreiben vom HNO-Arzt Dr. Kl. vom 10. September 2014 vorgelegt, wonach sie unter einem Hörverlust des rechten und linken Ohres von jeweils 45 % leide, was einer MdE von 15 bis 20 entspreche. Weiter hat sie einen Arztbrief der Augenärztin Dr. B.-Hu. vom 24. Juli 2014 zu den Akten gereicht, worin von einer epiretinalen Gliose (Membran auf der Netzhautoberfläche) mit Netzhautfältelung im linken Auge berichtet worden ist. Die Klägerin habe am linken Auge ein Sehvermögen von 1,0 und am rechten von 0,8.
Der Senat hat sachverständige Zeugenaussagen bei den behandelnden Ärzten eingeholt. Prof. Dr. K. hat am 31. Oktober 2014 über die letzte Behandlung im Juni 2014 berichtet, dass sich bei der klinischen Untersuchung hinsichtlich der Beugung und der Streckung keine gravierenden Einschränkungen im Bereich des rechten Zeigefingers gezeigt hätten. Die grobe Kraft habe sich auf 50 % herabgesetzt gezeigt. Die Funktionseinschränkung des rechten Zeigefingers schätze er aktuell als geringfügig ein. Der Internist Dr. Schä. hat am 21. Oktober 2014 angegeben, dass eine internistische Erkrankung nicht im Vordergrund der Gesamtproblematik stehe. Im Hinblick auf die von der Klägerin angegebene Insomnie (Schlafstörung) habe eine relevante schlafbezogene Störung ausgeschlossen werden können. Die Polysomnographie (Schlafmessung) habe lediglich eine geringe rückenlagenbetonte, obstruktive Komponente darstellen können. Der Allgemeinmediziner Dr. Pf. hat am 13. November 2014 berichtet, dass er die Klägerin mit Akupunktur und Homöopathie behandele. Er habe sich dabei auf den Kopfschmerz, Tinnitus, Vertigo, Rückenschmerzen sowie die psychischen Beschwerden konzentriert. Die Untersuchung habe eine subdepressive Verstimmung bei erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit ergeben. Die Klägerin habe über eine geringe emotionale Belastbarkeit und verminderte Konzentration berichtet. Er habe die Diagnosen des Verdachts auf einen psychophysischen Erschöpfungszustand, eine Angststörung, chronisch rezidivierende Kopfschmerzen, Hörminderung mit Tinnitus und Linseneintrübung gestellt. Bei der Klägerin bestehe ein komplexes und mit naturheilkundlichen Methoden schwer zu therapierendes Beschwerdebild.
Am 25. August 2015 ist ein Erörterungstermin beim LSG durchgeführt worden. Die Klägerin hat darin angegeben, dass sie auf der Warteliste für Psychotherapie stehe. Wegen ihrer Psyche sei sie bei einer Heilpraktikerin in Behandlung.
Weiter sind Ton- und Sprachaudiogramme vom 27. April und 24. September 2015 sowie ein Attest des HNO-Arztes Dr. Me. vom 8. März 2016 vorgelegt worden. Nach dem Attest sei der Hörverlust der Klägerin besonders schwerwiegend, weil vor allem eine Hör- und Verständnisminderung bei Hintergrundgeräuschen bestehe, welche die schlechte Sprachverständigung am Arbeitsplatz erkläre.
Die Klägerin hat zuletzt angegeben, dass bislang keine Hörgeräteversorgung bei ihr erfolgt sei. Sie sei vor allem bei Umgebungsgeräuschen gestört. Dem Senat fehle die Sachkunde zu beurteilen, welche Höranforderungen ihr Beruf als Lehrerin stelle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 6. März 2014 sowie den Bescheid vom 24. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2011 teilweise abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr einen GdB von mindestens 50 ab 29. Oktober 2010 festzustellen, hilfsweise sie von Amts wegen zur Schwerhörigkeit bei Umgebungsgeräuschen bei einem dazu eingerichteten Institut zu begutachten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Der Beklagte führt an, dass der Leidensdruck durch die psychische Beeinträchtigung offenbar nicht so gravierend sei, als dass eine Fortsetzung der abgebrochenen Psychotherapie oder der medikamentösen Therapie mit einem Alternativmedikament für nötig erachtet worden sei. Die Gefühlsstörung im Finger stelle keine GdB-relevante Beeinträchtigung dar. Die geringfügigen Funktionseinschränkungen des rechten Zeigefingers bedingten keine Erweiterung des GdB, da ein Teil-GdB von 10 bereits dem Verlust eines Fingers entspräche. Bei der von Dr. Pa. mitgeteilten subdepressiven Verstimmung bei erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit und geringer emotionaler Belastbarkeit und verminderter Konzentration sei ein höherer Teil-GdB als 30 nicht vertretbar. Das vorgelegte Sprachaudiogramm sei nicht für die GdB-Bewertung von Hörstörungen auswertbar, da ein Hörverlust für Zahlen und die Verständnisquoten bei 60, 80 und 100 dB nicht vollständig eingetragen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zulässige Klage zu Recht abgewiesen, soweit mit ihr die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines GdB mit 50 verfolgt worden ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, wie er vom SG ausgeurteilt worden ist. Daher ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung insoweit rechtmäßig und verletzt jene nicht in ihren Rechten, als die Feststellung eines höheren GdB als 40 abgelehnt worden ist.
Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 69 Abs. 1, 3 und 4 SGB IX. Danach stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Menschen sind nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gem. § 69 Abs. 1 S. 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011 § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) erlassen, um u.a. die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellten und fortentwickelten, Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR. 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (also final) bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und alten Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, d. h. für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, d. h. Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (z. B. "Altersdiabetes", "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen - wie im Falle des Klägers - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und in wieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktions-beeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein: Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung kann die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber auch nicht verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern auf Grund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigen-Gutachten in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R - juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind (st. Rspr., vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B - juris). Bei dem auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- bzw. Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen.
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer (unbenannten) Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Gesundheitsschäden der Klägerin jedenfalls keinen höheren GdB als 40 rechtfertigen.
Die im Vordergrund stehende Funktionseinschränkung der Klägerin besteht auf nervenärztlichem Fachgebiet. Der Senat hält den hier von Seiten des SG angesetzten Teil-GdB von 30 für befundadäquat im Hinblick auf die hierfür nach den VG erforderlichen Voraussetzungen.
Die seelische Störung ist nach VG, Teil B, Nr. 3.7 zu bewerten. Danach sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 zu bewerten.
Die Klägerin leidet unter einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die mit einem Einzel-GdB von 30 angemessen bewertet ist. Hierin eingeschlossen sind die Ohrgeräusche und der Schwindel, welcher von Prof. Dr. Dr. W. nachvollziehbar als im Wesentlichen phobischer Schwindel gewertet wird. Bei der Klägerin bestehen Angst und Depression, gemischt, mit auch rezidivierenden schwereren depressiven Episoden auf dem Boden einer primär zwanghaft-ängstlichen Persönlichkeit. Die Klägerin hat bei Prof. Dr. Dr. W. eine deutliche Antriebsstörung gezeigt und hat mit zahlreichen Körpersymptomen auf die seelische Problematik reagiert. Der Senat kann sich jedoch – in Übereinstimmung mit dem SG – nicht der Einschätzung von Prof. Dr. Dr. W. anschließen, wonach der Ermessenspielraum bei dieser stärker behindernden Störung bis zu einem Einzel-GdB von 40 auszuschöpfen ist. Die Klägerin befindet sich seit Abbruch ihrer psychotherapeutischen Behandlung im Jahr 2011 nicht mehr in nervenfachärztlicher Betreuung. Sie wird weder psychiatrisch noch psychotherapeutisch oder medikamentös behandelt. Sie nimmt auch keine Schmerzmittel ein. Sie greift wegen ihrer psychischen Probleme ärztlich aktuell alleine auf Akupunktur und Homöopathie durch den Allgemeinmediziner Dr. Pa. zurück. Unter Berücksichtigung der Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W., dass die fehlende Behandlung den Ausdruck des Versuchs der Aufrechterhaltung einer Fassade darstellt, kann in Übereinstimmung mit dem Beklagten zwar von einer stärker behindernden seelischen Störung, die einen GdB von 30 begründen, angenommen werden, nicht aber im oberen Ermessensbereich. Bei einem ausgeprägteren Leidensdruck, welcher einen GdB von 40 bedingen würde, wäre zu erwarten, dass eine fachärztliche Behandlung in Anspruch genommen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, so zuletzt Urteil des Senats vom 21. April 2016 - L 6 SB 461/15 -; vgl. hierzu auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10 – juris). Die von Dr. Pa. mitgeteilte subdepressive Verstimmung bei erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit und geringer emotionaler Belastbarkeit und verminderter Konzentration (Schreiben vom 13. Januar 2014) vermittelt eine zwar nicht unerhebliche, jedoch noch nicht gravierendere seelische Störung. Dr. Pa. rät auch nicht dringend zu einer Aufnahme einer fachärztlichen Behandlung, sondern sieht allenfalls in der Fortsetzung der vor Jahren begonnenen Psychotherapie eine Möglichkeit, die Verarbeitung der körperlichen und seelischen Symptome zu erleichtern. Auch bei der Untersuchung durch Dr. Kn. hat sie sich nur als depressiv verstimmt, aber nicht eigentlich depressiv gezeigt. Hierbei ist auch nicht unberücksichtigt zu lassen, dass die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit nach einer stufenweisen Wiedereingliederung nach dem stationären Psychiatrieaufenthalt seit 2011 wieder mit einem Stundendeputat von 19 ausübt und in der Familie oder der Freizeit keine psychosozialen Belastungen ersichtlich sind. Die Klägerin geht gerne Arbeiten und die berufliche Tätigkeit hilft nach ihren Angaben der Psyche (Gutachten Dr. Kn. vom 25. November 2013). In ihrer Freizeit ist sie gerne im Garten tätig, schwimmt und fährt Fahrrad (Gutachten Prof. Dr. Dr. W.). Die Klägerin hatte bei der Untersuchung zudem angegeben, dass sie von ihrer Familie so diszipliniert worden sei, Erkrankungen nicht nach außen zu tragen. Insofern versucht sie, die Dinge mit sich selbst auszutragen und hat die antidepressive Behandlung beendet. Dies verdeutlicht aber auch, dass die Klägerin ihre Probleme als nicht so gravierend beurteilt, als dass sie diese nicht selbst und ohne Facharzt bewältigen kann.
Im Funktionssystem Rumpf rechtfertigen die Gesundheitsstörungen der Klägerin einen Teil-GdB von 20. Nach VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme bestimmt, wobei sich das Funktionsausmaß der Gelenke nach der Neutral-Null-Methode bemisst. Auch bei Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem sogenannten Postdiskotomiesyndrom) ergibt sich nach VG, Teil B, Nr. 18.9 der GdB primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Dementsprechend beträgt bei Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität der GdB 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernde auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40.
Nach der von Dr. Kn. vorgenommenen Bewegungsprüfung der Wirbelsäule bestehen im Bereich der HWS beim Vor- und Rückneigen Bewegungsgrade von 45/0/35°, beim Seitneigen von 20/0/20° (normal jeweils: 45/0/45°) und bei der Drehbewegung rechts/links 40/0/60° (normal: 80/0/80°). Das Seitneigen rechts/links der BWS und LWS beträgt 30/0/30° (normal: 35/0/35°), Drehen im Sitzen 20/0/20° (normal: 30/0/30°), der Fingerspitzen-Bodenabstand 36 cm das Ott´sche Maß 30/31,5 cm und das Schober´sche Zeichen 10/14 cm. Die funktionellen Einschränkungen wurden vom behandelnden Orthopäden Dr. M. in ähnlicher Weise festgestellt (Drehung LWS: 50/0/60°; Seitneigung LWS: 30/0/30°). Während die Funktionseinschränkungen der HWS gerade bei der Seitneigefähigkeit unter Berücksichtigung der durch die zervikozephale und zervikobrachiale Wirbelsäulensymptomatik hervorgerufenen Schmerzen, die Steilstellung der HWS bei fortgeschrittener Osteochondrose und Spondylarthrose C3-7 und unter Beachtung des chronisch rezidivierenden Schmerzsyndroms insgesamt als mittelgradig eingestuft werden können, sind die Beeinträchtigungen an der BWS und LWS noch nicht derart gravierend. Es bestehen ein lokales myofasciales thorakales Syndrom und ein pseudoradikuläres unteres lumbales Wirbelsäulensyndrom. Die angegebene Schmerzausstrahlung in beide Beine wird dabei berücksichtigt. Im Bereich der BWS lässt sich eine mittelgradige funktionelle Einschränkung bei einem Ott’schen Maß von 30/31,5 cm (altersgerechte Norm: 30/33 cm) feststellen. Die LWS ist hingegen mit dem gemessenen Schober’schen Zeichen im Normalbereich. Die Seitneigefähigkeit im BWS- und LWS-Bereich ist leichtgradig eingeschränkt. Weder können die Beeinträchtigungen der Klägerin mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt noch mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten gleichgesetzt werden. Dies wird dadurch bestätigt, dass Dr. Kn. keine Probleme der Klägerin beim An- und Entkleiden festgestellt hat und ihr Gang sicher war. Ein höherer Teil-GdB als 20 ist daher in Übereinstimmung mit dem orthopädischen Gutachter von Dr. Kn. auch unter Einbeziehung des (Kopf-) Schmerzsyndroms im Funktionssystem Rumpf nicht gerechtfertigt. Soweit Prof. Dr. Dr. W. – fachfremd – zu einem GdB von 30 kommt, folgt dem der Senat nicht. Das von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgebrachte "Bitzeln" in den Oberschenkeln, was sie schon als "Einschlafen" im Bereich der Oberschenkel gegenüber Dr. Kn. erwähnt hatte (vgl. Gutachten Dr. Kn. vom 25. November 2013), führt zu keinen funktionellen Einschränkungen, so dass sich der GdB dadurch nicht erhöht.
Für das Funktionssystem Ohren ist ein Einzel-GdB von maximal 20 zu vergeben. Maßgebend für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen ist nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 5 die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Dr. Kl. stellte einen Hörverlust des rechten und linken Ohres von 45 % fest (Schreiben vom 10. September 2014), was einer (unteren) mittelgradigen Schwerhörigkeit entspräche. Das mitarbeitsabhängige und erst nach dem gerichtlichen Erörterungstermin erstellte Tonaudiogramm von Dr. Me. vom 24. September 2015 dokumentiert nach der 4-Frequenztabelle nach Röser 1973 gemäß VG, Teil B, Nr. 5.2.2 einen prozentualen Hörverlust von 66 % (rechtes Ohr) bzw. 63 % (linkes Ohr), was eine mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit beschreibt. Das Sprachaudiogramm dokumentiert einen Diskriminationsverlust (fehlende Sprachverständlichkeit) von 30 % für das rechte und 20 % für das linke Ohr. Allerdings sind die Verständnisquoten bei 60, 80 und 100 dB nicht vollständig eingetragen, so dass der prozentuale Hörverlust nach VG, Teil B, Nr. 5.2.1 nicht errechnet werden kann. Gegen eine ausgeprägte Hörstörung spricht, dass bei den gutachterlichen Untersuchungen durch Dr. Kn. und Prof. Dr. Dr. W. sowie beim gerichtlichen Erörterungstermin keine Kommunikationsschwierigkeiten dokumentiert sind, und dass die Klägerin trotz ihrer Schwerhörigkeit und unter Berücksichtigung ihres Vortrags in der mündlichen Verhandlung, als Lehrerin, einem kommunikativ anspruchsvollen Beruf, nicht zumindest teilweise Hörgeräte benutzt. Wieso Richtern, die naturgemäß alle die Schule besucht, die Sachkunde fehlen soll, die Lärmbelästigung am Arbeitsplatz als Lehrer einschätzen zu können, erschließt sich dem Senat nicht, zumal in der Hilfsmittelversorgung mit digitalen Hörgeräten oft die Prüfung der beruflichen Betroffenheit ansteht, die im Regelfall ohne Einholung eines speziellen Gutachtens erfolgt. Im Übrigen kann dies aber im konkreten Einzelfall dahingestellt sein, weil die Klägerin - ohne Fehlzeiten - diesem Beruf tatsächlich nachzugehen vermag und solche tatsächlichen Momente immer einen stärkeren Beweiswert als eine gutachterliche Einschätzung haben, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Tätigkeit nicht auf Kosten der Gesundheit ausgeübt wird (BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 zur Rente wegen Erwerbsunfähigkeit), wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen und auch nicht vorgetragen wurden. Eine wesentliche Hörstörung ist deshalb nicht zu berücksichtigen, so dass hierfür ein GdB von allenfalls 20 vergeben werden kann, was einer gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit entspricht. Auch der HNO-Arzt Dr. Kl. hat nur eine MdE von 15 bis 20 angenommen, wobei bezüglich der Übernahme der MdE-Werte als GdB insoweit aufgrund der identischen Bewertungskriterien keinen Bedenken bestehen (Bayerisches LSG, Urteil vom 2. Juli 2013 - L 15 SB 119/10 - juris). Die Ohrgeräusche (Tinnitus) und die Schwindelproblematik, für die eine Verdachtsdiagnose des Morbus Menière gestellt (vgl. Arztbrief Dr. P. vom 14. Mai 2010) und von Prof. Dr. Dr. W. eher einem phobischen Schwindel zugeordnet wurde, sind bei der psychischen Beeinträchtigung bereits berücksichtigt und führen nicht zu einem eigenständigen GdB.
Die von der Klägerin angeführte Fingerverletzung hat hingegen keinen messbaren GdB zur Folge. Der GdB bei Gliedmaßenschäden ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.11 aus dem Vergleich mit dem GdB für entsprechende Gliedverluste. Der Verlust des Zeigefingers, Mittelfingers, Ringfingers oder Kleinfingers, auch mit Teilen des dazugehörigen Mittelhandknochens führt zu einem GdB von 10 (VG, Teil B, Nr. 18.13). Bei der letzten Vorstellung bei Prof. Dr. K. am 4. Juni 2014 hatte die Klägerin über ein herabgesetztes Sensibilitätsgefühl, vermehrte Kälteempfindlichkeit und Störung der Feinmechanik geklagt. Funktionell hatten sich bei der klinischen Untersuchung hinsichtlich Beugung und Streckung keine gravierenden Einschränkungen gezeigt. Operative Korrekturmaßnahmen sind nicht geplant. Die grobe Kraft, gemessen mit dem Pinch-Meter, hatte sich zwar auf 50 % herabgesetzt gezeigt. Dennoch sind die Funktionseinschränkung des rechten Zeigefingers nach Prof. Dr. K. insgesamt gering (vgl. Auskunft vom 31. Oktober 2014). Danach kommt kein GdB von 10 und mehr in Betracht, da ein GdB von 10 bereits dem - auch funktionell deutlich schwerwiegenderen - Verlust des Zeigefingers entspricht. Der Gefühlsstörung der Fingerbeere des rechten Zeigefingers ist bei allenfalls geringfügiger Einschränkung der Beweglichkeit kein Einzel-GdB zugeordnet. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Sachverständigen Dr. Kn. an.
Weiterer Ermittlungsbedarf von Amts wegen besteht bei dieser Sachlage nicht (§ 103 SGG), der Senat hat deswegen den Hilfsbeweisantrag der Klägerin abgelehnt.
Liegen, wie im Falle der Klägerin, mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden (vgl. hierzu und zum Folgenden VG, Teil A Nr. 3 a bis d). Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsstörung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn paarige Gliedmaßen oder Organe betroffen sind. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss deren Auswirkungen aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R - juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B - juris). Bei der Prüfung eines Gesamt-GdB von 50 verbietet es sich nicht, einen Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern vorzunehmen (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - juris). Vielmehr sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 10).
Gemessen an diesen Voraussetzungen begründen der Teil-GdB von 30 für die seelische Störung einschließlich Ohrgeräusche und Schwindel und die beiden Teil-GdB von 20 für die Wirbelsäulenschäden und die Hörstörung, wobei der Senat insoweit berücksichtigt hat, dass die Hörminderung nur bei wohlwollender Betrachtung einen Einzel-GdB von knapp 20 nach sich zieht, einen Gesamt-GdB von 40. Die mit lediglich 10 oder weniger bewerteten Behinderungen sind demgegenüber zu vernachlässigen. Ein GdB von 50 kommt wegen der nicht unerheblichen Überschneidungen der Gesundheitsstörungen (Ohrgeräusche, Schmerzchronifizierung) nicht in Betracht. Die Richtigkeit dieser Beurteilung zeigt sich im Vergleich mit anderen Behinderungen, die von vorneherein mit einem feststehenden GdB von 50 bewertetet werden. So wird bei seelischen Störungen erst bei schweren Störungen (z.B. schweren Zwangskrankheiten) ein GdB von 50 bis 70 angenommen (vgl. VG, Teil B, Nr. 3.7). Mit einem solchen Zustand sind die Behinderungen der Klägerin auch unter Berücksichtigung der Wirbelsäulenschäden und der Hörstörung nicht zu vergleichen, zumal in der führenden Erkrankung - der seelischen Störung - seit Herbst 2011 nach Abschluss des stationären psychiatrischen Aufenthalts, der vorzeitigen Beendigung der ambulanten Psychotherapie und der gelungenen Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit eine Stabilisierung eingetreten ist.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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