L 4 KR 217/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 179/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 217/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. November 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenübernahme für Unterkieferimplantate und implantatgestützten Zahnersatz.

Die 1939 geborene und bei der Beklagten familienversicherte Klägerin befand sich seit November 1998 in Behandlung des Zahnarztes Dr.D. wegen einer eitrigen Entzündung des Unterkiefers. Im Januar und Februar 1999 wurden sämtliche Zähne im Unterkiefer gezogen. Sie ließ sich am 11.05.1999 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK, Dr.S.) über Zahnersatz und Implantate beraten. Der Arzt verneinte eine Ausnahmeindikation für Implantate.

Am 23.06.1999 wurde von Dr.D. eine Unterkieferprothese eingegliedert, die nach Angaben der Klägerin für das Kauen nicht geeignet war. Sie suchte daraufhin die Kieferchirurgen Dres.R. und M. auf, die in der Zeit vom 20.07.1999 bis 22.11.1999 vier Implantate als Stützpfeiler zur Befestigung einer Prothese einsetzten. Am 14.11.1999 beantragte sie einen Zuschuss für die Implantierung einer Zahnprothese. Sie ließ sich in der Zeit vom 22.10.1999 bis 21.12.1999 vom Zahnarzt Dr. D. mit Vollkronen und einer Teilprothese sowie einer Prothese ohne Brücke versorgen; die Eingliederung erfolgte am 21.12.1999.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.12.1999 die Kostenübernahme für die privatzahnärztlich durchgeführte Implantatbehandlung einschließlich eines implantatgestützten Zahnersatzes ab; Ausnahmeindikationen seien nicht gegeben.

Die Klägerin beantragte am 28.02.2000 unter Vorlage der Rechnung von Dr.D. wieder die Gewährung eines Zuschusses für die Behandlung. Mit der Rechnung vom 09.02.2000 hatte Dr.D. für den Zahnersatz einschließlich Fremdlabor 6.313,38 DM gefordert und mit der Rechnung vom 08.03.2000 forderten Dres.R. und M. für die implantologischen Leistungen 6.540,87 DM; die Klägerin legte die Rechnung der Beklagten am 15.03.2000 vor.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.03.2000 nach nochmaliger Prüfung einen Kostenzuschuss zur Implantatbehandlung wieder ab; hiergegen legte die Klägerin erneut Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 19.04.2000 erfolgte eine weitere Ablehnung der Kostenübernahme der Implantatbehandlung; auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte lehnte auch mit dem Widerspruchsbescheid vom 10.08.2000 die Kostenübernahme für die Versorgung mit vier Implantaten und implantatgestützten Zahnersatz ab. Implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion dürften von den Krankenkassen nicht bezuschusst werden, es sei denn, es lägen seltene vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Nach der gutachterlichen Stellungnahme des MDK vom 11.05.1999 liege eine Ausnahmeindikation im Sinne dieser Richtlinien nicht vor. Eine andere Entscheidung könne auch nicht nach der ab 01.01.2000 geltenden Neufassung der gesetzlichen Regelung erfolgen.

Die Klägerin hat hiergegen am 08.09.2000 Klage beim Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Da die zunächst eingegliederte konventionelle Unterkieferprothese für Kau- und Beißvorgänge aufgrund des krankheitsbedingt deformierten Unterkiefers ungeeignet gewesen sei, habe die einzige Möglichkeit, gebrauchsfähigen Zahnersatz zu erhalten, darin bestanden, im Unterkiefer Stützpfeiler zu implantieren und darauf eine neue festsitzende Prothese dauerhaft zu befestigen. Nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen liege eine Ausnahmeindikation für implantologische Leistungen vor unter anderem bei Entzündungen des Kiefers, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich und das Prothesenlager nicht belastbar sei.

Das SG hat Befundberichte von Dr.R. und Dr.D. sowie ein Sachverständigengutachten des Arztes für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie Prof.Dr.Dr.P. eingeholt. Der Sachverständige ist im Gutachten vom 12.01.2001 zu dem Ergebnis gelangt, unmittelbar vor der operativen Versorgung des zahnlosen Unterkiefers hätten keine der vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen aufgestellten Ausnahmeindikationen vorgelegen, insbesondere nicht ein größerer Kieferdefekt, der seine Ursache in Entzündungen des Kiefers hatte. Es habe sich vielmehr um örtlich begrenzte Entzündungen im Kiefer gehandelt; diese lokalen Entzündungen würden in der Regel nach Beseitigung ihrer Ursachen vollständig abheilen, ohne größere Defekte zu hinterlassen.

Das SG hat mit Urteil vom 14.11.2001 die Klage abgewiesen. Implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion würden nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehören, es sei denn es lägen Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor. Der Sachverständige Prof.Dr.Dr.P. habe festgestellt, dass nach Entfernung der Zähne im Unterkiefer bei der Klägerin kein größerer Kieferdefekt aufgrund einer Entzündung entstanden sei, der für sie eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate ausgeschlossen hätte.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 14.12.2001. Zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, dass bei ihr keine größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekte vorhanden gewesen seien. Nach den Befundberichten der behandelnden Ärzte sei eine andere als die durchgeführte Behandlung nicht möglich gewesen. Es sei für sie eine unzumutbare Härte, ohne funktionstüchtigen Zahnersatz zu leben. Sie sei mit einer konventionellen Prothese nicht in der Lage gewesen, Nahrung zu sich zu nehmen. Erst durch die implantatgestützte Prothese sei es ihr wieder möglich, normal zu essen, und auch die Folgeerkrankung im Magen-Darmbereich sei ausgeheilt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.11.01 sowie die Bescheide vom 06.12.99, 22.03.00 und 19.04.00 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Versorgung mit Unterkieferimplantaten und implantatgestützten Zahnersatz 12.854,25 DM (entsprechend in Euro) an Zahnarztkosten zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebenden Betrag von 1.000,00 DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.).

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung bzw. Bezuschussung der Kosten für die Versorgung mit Implantaten einschließlich der Suprakonstruktion. Anspruchsgrundlage hierfür ist § 13 Abs.3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Im vorliegenden Fall lässt sich die Unaufschiebbarkeit der streitigen zahnärztlichen Versorgung nicht annehmen, da die Klägerin auf Kosten der Beklagten mit einer Prothese versorgt und damit im Besitz von Zahnersatz war und außerdem zwischen der Extraktion der Zähne im Unterkiefer und dem Beginn der Versorgung mit Implantaten ein Zeitraum von mehr als fünf Monaten liegt, der gegen die Unaufschiebbarkeit der Behandlung spricht.

Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden die Versorgung mit den Implantaten auch zu Recht abgelehnt. Nach dem Akteninhalt hat es die Klägerin offensichtlich versäumt, vor dem Beginn der Behandlung am 20.07.1999 die Entscheidung der Beklagten über die weitere Versorgung mit Zahnersatz abzuwarten. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs.3 SGB V voraus, dass der Versicherte durch die Ablehnung der Krankenkasse veranlasst wird, sich die Behandlung auf eigene Kosten zu beschaffen. Wurde die Behandlung ohne Einschaltung der Kasse begonnen, so scheidet eine Erstattung auch für nachfolgende Leistungen aus, wenn sich die Ablehnung auf den weitere Behandlungsverlauf nicht mehr auswirken konnte (Bundessozialgericht vom 19.06.2001 SozR 3 - 2500 § 28 Nr.6 mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung). Bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen wird nach dem BSG die ablehnende Entscheidung der Kasse im allgemeinen als Unterbrechnung gesehen und die Kostenerstattung nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden. Das kann nach der oben genannten Entscheidung des BSG nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. War mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehndenen Bescheid liegt (BSG a.a.O.; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125; BSG vom 24.02.2000 SozR 3 - 2200 § 567 Nr.3). Nach diesen Maßstäben stellt sich die Versorgung mit implantatgestütztem Zahnersatz als einheitlicher Behandlungsvorgang dar, der sich hinsichtlich der Leistungsbewilligung nicht aufspalten läßt. Die operative Einpflanzung der Implantate in den Kiefer hat den einzigen Sinn, eine Stütze für den späteren Zahnersatz zu schaffen; sind die Implantate vorhanden, ist die Versorgung mit einer Suprakonstruktion unerläßlich. Für die Entstehung weiterer Kosten durch die Anfertigung und Eingliederung der implantatgestützten Prothese ist die nachträglich getroffene Entscheidung nicht mehr ursächlich.

Bei der Klägerin wurde mit der Implantatbehandlung am 20.07.1999 durch die Kieferchirurgen Dres.R. und M. begonnen und vor Abschluss dieser Behandlung am 22.11.1999 setzte bereits am 22.10.1999 die Behandlung durch Dr.D. ein. Der Zahnersatz wurde am 21.12.1999 eingegliedert. Als Ende der Behandlung wurde von Dr.D. der 05.01.2000 angegeben, jedoch sind in der Rechnung keine Leistungen an diesem Tag erbracht worden. Der schriftliche Leistungsantrag wurde von der Klägerin am 14.11.1999 gestellt und die Beklagte hat darauf mit Bescheid vom 06.12.1999 den Antrag abgelehnt, zu einem Zeitpunkt, als der erste Behandlungsabschnitt beendet war und der zweite schon begonnen hat. Die Klägerin beruft sich zwar im Antrag vom 14.11.1999 auf eine mündliche Ablehnung der Beklagten, die Kassenakte enthält jedoch keine Notiz über ein Telefongespräch oder eine Vorsprache der Klägerin in dieser Angelegenheit. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass sie sich an eine mündliche oder fernmündliche Ablehnung ihres Antrags durch die Beklagte nicht erinnern kann und hat den Bescheid vom 19.04.2000 vorgelegt. Die Informationen des MDK vom 11.05.1999 sind der Beklagten nicht zuzurechnen, sie sind keine Entscheidung der Verwaltung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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