L 7 P 22/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 P 60/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 22/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. April 2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.09.2000 bis 28.03.2001 Leistungen in beihilfekonformer Höhe unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen nach der Pflegestufe I nach der Pflegestufe II zu erbringen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen der privaten Pflegeversicherung nach Pflegestufe II für die 1928 geborene und am 28.03.2001 verstorbene Ehefrau des Klägers, die an einer amyotrophen Lateralsklerose gelitten hatte, ab 01.09.2000 streitig.

Am 25.08.2000 beantragte der Kläger für seine Ehefrau Leistungen aus der Pflegeversicherung, woraufhin die Beklagte den Medizinischen Dienst der privaten Pflegepflichtversicherung zur Erstellung eines Gutachtens beauftragte. Im Gutachten vom 20.09.2000 kam die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass bei der Ehefrau des Klägers seit Dezember 1998 Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe I vorliege, woraufhin mit Schreiben vom 23.10.2000 dementsprechend Leistungen gewährt wurden.

Dieser Einstufung widersprach der Kläger, woraufhin die Beklagte erneut ihren Medizinischen Dienst mit der Erstellung eines so genannten Obergutachtens beauftragte. In seinem Obergutachten vom 26.01.2001 bestätigte der Sachverständige die Pflegestufe I. Den Feststellungen des Obergutachters vermochte sich der Kläger nicht anzuschließen und schlüsselte im Einzelnen den aus seiner Sicht bestehenden Hilfebedarf auf, woraufhin die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme vom Obergutachter einholte. Dieser legte in seiner Stellungnahme vom 10.03.2001 im Einzelnen dar, dass sich selbst bei dem vom Kläger genannten Zeitbedarf keine andere Pflegestufe ergebe. Mit Schreiben vom 28.03.2001 teilte die Beklagte dem Kläger diesen Sachverhalt mit und wies ihn auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten hin.

Zur Begründung seiner dagegen zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, dass er seine verstorbene Ehefrau wesentlich umfassender gepflegt habe, als von der Beklagten angenommen. Neben dem schweren Hauptleiden der amyotrophen Lateralsklerose habe bei seiner Ehefrau eine Kraftlosigkeit sowie ein Muskelschwund bestanden, verbunden mit einer Hypertonie, Tachycardie, Hypercholesterinämie und Osteoporose. Alle diese Krankheitsbilder seien mit starken und vor allem schmerzhaften Bewegungseinschränkungen verbunden gewesen und hätten zur Hilflosigkeit geführt. Das Erstgutachten vom 20.09.2000 vom Medizinischen Dienst der privaten Pflegeversicherung (M.) sei zu Zeitberechnungen gekommen, die so nicht stimmen könnten (Zeitbedarf für Körperpflege täglich höchstens 55 Minuten, Zeitbedarf für Ernährung täglich höchstens 9 Minuten, Zeitbedarf für Mobilität täglich höchstens 27 Minuten, Zeitbedarf für Grundpflege täglich höchstens 91 Minuten und Zeitbedarf für hauswirtschaftliche Versorgung täglich höchstens 45 Minuten). Dies ergäbe einen Gesamtzeitaufwand von täglich höchstens 136 Minuten. Aufgrund eines von ihm geführten Pflegeprotokolls ergäben sich tatsächlich andere Zeitberechnungen (Zeitbedarf für Körperpflege durchschnittlich 71 Minuten pro Tag, Zeitbedarf für Ernährung durchschnittlich 9 Minuten pro Tag, Zeitbedarf für Mobilität durchschnittlich 52 Minuten pro Tag, Zeitbedarf für Grundpflege mindestens 192 Minuten pro Tag und Zeitbedarf für hauswirtschaftliche Versorgung 126 Minuten pro Tag). Zu rügen sei auch, dass die von der Beklagten veranlassten Untersuchungen nicht von entsprechend ausgebildeten Fachkräften vorgenommen worden seien, sondern von Allgemeinärzten, denen die insofern dringend anzuempfehlenden fachlichen Kenntnisse zwangsläufig gefehlt hätten. Die Erkrankung seiner Ehefrau sei keine allgemein bekannte Erkrankung. Vielmehr handle es sich um ein neurologisches Problem, welches lange Zeit unerkannt geblieben sei, sich dann als letztendlich nicht mehr behandelbar erwiesen habe, so dass es darum ging, seiner Ehefrau wenigstens das Leben halbwegs erträglich zu gestalten. Er habe auch wenig Verständnis dafür, dass eine kurze Untersuchung in der Wohnung ein gewichtigeres Ergebnis haben sollte, als tagelange stationäre Untersuchungen in anerkannten Universitätskliniken mit den entsprechenden Fachärzten.

Nach Beiziehung von Befundberichten des Universitätsklini- kums U., von Dr.N. des F.-Instituts, von Dr.A. , der Schwerbehindertenakte des Versorgungsamtes Augsburg und den detaillierten Ausführungen des Klägers hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage von der Pflegefachkraft H. R ... Zunächst hat Herr R. in seinem Gutachten vom 27.12.2001 darauf hingewiesen, dass die amyotrophe Lateralsklerose eine selten auftretende neurologische Erkrankung sei. Die ersten Krankheitssymptome seien Muskelschwäche, zumeist an den Händen, Muskelschwund und Muskelzuckungen, später Lähmungen und Muskelkrämpfe. Im weiteren Verlauf würden sich eine verwaschene Sprache, Schluck- und Atemstörungen einstellen. Die Krankheit sei meist rasch fortschreitend. Desweiteren hat der Sachverständige ausgeführt, in Kenntnis des vorliegenden Krankheitsbildes würden ihm die von den M. Gutachtern festgelegten Zeiten für den Hilfebedarf als eher zu knapp bemessen erscheinen. In den Pflegebereichen der Körperpflege, der Ernährung sowie der Mobilität könne die Festsetzung der Pflegezeit nicht immer eindeutig nachvollzogen werden. Zutreffend sei die Feststellung im Obergutachten vom 26.01.2001 betreffend den Stütz- und Bewegungsapparat, wonach eine Bewegungseinschränkung der oberen Extremitäten zu verzeichnen gewesen sei. Für einen Rechtshänder dürfte es schwierig sein, ohne die Faust schließen zu können, mit feinem Besteck wie Messer, Gabel, Löffel, evtl. auch Zahnbürste, umzugehen. Aufgrund der Schluckstörungen könnte eine Mithilfe bei der Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsaufnahme erforderlich gewesen sein. Zudem sei eine Affektinkontinenz im Bereich der Blasen- und Darmentleerung nicht berücksichtigt worden. Auch unberücksichtigt geblieben sei die Abnahme des Körpergewichts von etwa 13 kg, vermutlich von Januar bis August 2000. Der im Pflegegutachten vom 20.09.2000 als mäßig bezeichnete Allgemeinzustand dürfte sich bis zum Obergutachten am 26.01.2001 eher nicht gebessert haben. Aufgrund der amyotrophen Lateralsklerose mit Muskelschwäche sei davon auszugehen, dass Bewegungseinschränkungen der unteren und vor allem oberen Extremitäten sowie der Atemmuskulatur vorgelegen hätten. Die Muskelschwäche habe sicherlich zugenommen, womit auch die Einschränkungen im Bereich der Bewegung und Atmung verbunden seien. Es sei zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Zeitangaben des Klägers berücksichtigt worden seien, es sei jedoch anzunehmen, dass gezieltes Nachfragen zum Beispiel in den Bereichen der Blasen- und Darmentleerung bzw. Nahrungsaufnahme unterblieben sei. Der erforderliche Hilfebedarf habe mehrfach täglich in den Bereichen der Körperpflege, der Ernährung und Mobilität bestanden und er habe im Tagesdurchschnitt deutlich über 45 Minuten betragen. Ebenso habe die hauswirtschaftliche Versorgung mehrfach wöchentlich übernommen werden müssen. Vermutlich sei aber das Schwerebild der Erkrankung noch nicht so ausgeprägt gewesen, da der Kläger seine Ehefrau noch bis zum 20.03.2001 zu Arztbesuchen außer Haus begleitet habe.

Der Kläger hat dazu erneut vorgetragen, dass die von der Beklagten beauftragten Gutachter sich weder mit dem Krankheitsbild seiner Ehefrau vertraut gemacht noch von diesem überhaupt Kenntnis genommen hätten. Nicht umsonst sei seiner Ehefrau ein Heimbeatmungsgerät verordnet worden und schließlich zeige auch die Tatsache, dass seine Ehefrau am 28.03.2001 verstorben sei, wie schlecht es ihr gegangen und wie ernst ihr Zustand gewesen sei. Dieser Zustand sei durch seine detaillierten und umfangreichen Aufstellungen dokumentiert.

Mit Urteil vom 18.04.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.08.2001 - B 3 P 21/00 R - damit begründet, dass die Bewilligung von Leistungen nach der Pflegestufe I durch die Beklagte nicht offensichtlich falsch im Sinne von § 64 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sei. Eine solche offensichtliche Unrichtigkeit oder ein Versagen des Gutachterverfahrens habe weder der gerichtlich bestellte Sachverständige Herr R. noch das Gericht feststellen können. Wenn im Übrigen einzelne Zeiten, vor allem im Bereich der Mobilitätshilfen zweifelhaft erscheinen würden, gehe dieser Umstand zu Lasten des Klägers. Denn als Rechtsnachfolger nach seiner verstorbenen Ehefrau handle es sich insoweit um ein Parteivorbringen.

Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger im Wesentlichen aus, das angefochtene Urteil werde dem wirklichen Sachverhalt in keinster Weise gerecht. Er habe dem Gericht genaue Aufzeichnungen vorgelegt, auf die im Urteil nicht eingegangen worden sei. An diesen Aufzeichnungen hätten sich auch die beiden Gutachter der Beklagten nicht orientiert. Der sodann bestellte gerichtliche Sachverständige sei kein Mediziner, sondern allenfalls ein Pflegeversicherungsfachmann. Dieser habe in merkwürdiger Eile ein Gutachten erstellt, das lediglich auf Aktenunterlagen beruht habe und insbesondere die umfangreiche Zusammenstellung und die tabellarischen Aufstellungen nicht berücksichtigt habe. Denn wenn die Einstufung seiner Ehefrau in die Pflegestufe I bei Beginn der Erkrankung gerade noch hinnehmbar gewesen sei, sei spätestens ab September 2000 eine Verschlechterung des Zustands eingetreten, dass eine Einstufung nur unter der Pflegestufe II vertretbar sei. Wenn das Gutachten von M. vom 20.09.2000 behaupte, Pflegeleistungen würden durch den ambulanten Pflegedienst erbracht, so sei dies erwiesenermaßen falsch. Von der C. sei lediglich eine Zugehfrau zur Wohnungsreinigung einmal wöchentlich drei Stunden geschickt worden, was aber bereits vor der Erkrankung schon der Fall gewesen sei. Diese Auslegung sei symptomatisch für die gesamte Gutachtenserstellung. Auch sei in keiner Weise die Hilfestellung bei der Benutzung des Beatmungsgerätes während der Nacht berücksichtigt worden. Auf diese Tätigkeit sei kein Gutachter überhaupt nur eingegangen. Seine Ehefrau habe wegen des fortschreitenden Muskelschwunds und der daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen mit der rechten Hand so gut wie nichts mehr tun können und sei beispielsweise nicht einmal mehr in der Lage gewesen, Toilettenpapier zu halten und sich nach der Toilettenbenutzung zu reinigen. Insbesondere sei auch im Hygienebereich seine große Mithilfe erforderlich gewesen, da sich seine Ehefrau nicht mehr habe selbst waschen können bzw. duschen und baden, was schon aus hygienischen Gründen dringend angezeigt gewesen sei. Was die mundgerechte Vorbereitung und die Nahrungsaufnahme angehe, so sei festzuhalten, dass er gezwungen gewesen sei, sowohl die Vorbereitungsarbeiten als auch die Durchführung der Nahrungsaufnahme manuell vorzunehmen, weil seine Ehefrau aufgrund ihres Zustands hierzu nicht mehr in der Lage gewesen sei. Richtig sei zwar, dass seine Ehefrau zum Teil die Arztpraxis von Herrn Dr. T. aufgesucht habe, wenn ihr dies möglich gewesen sei. Das Aufsuchen der Arztpraxis lasse nun aber keineswegs den Schluss zu, dass seine Ehefrau "recht gut" zu Fuß gewesen sei. Dabei sei nämlich zu berücksichtigen, dass sich ihre Wohnung im vierten Stockwerk eines Hochhauses mit der Wohnungstür direkt neben dem Aufzug befinde. Dieser könne auch mit Rollstuhlhilfe mit wenigen Schritten erreicht werden. Der Pkw stehe in der Tiefgarage, könne unmittelbar an den Aufzug herangefahren werden, so dass seine Ehefrau ohne weiteres mit seiner Hilfe in den Pkw habe verbracht werden können. Bei der Arztpraxis könne mit dem Pkw direkt zum Aufzug gefahren werden, der im ersten Stock genau beim Praxiseingang ankomme. Die Wegstrecke, die seine Ehefrau von der Wohnung zur Arztpraxis und zurückzulegen gehabt habe, sei nur wenige Meter gewesen, die mit seiner Hilfe und Unterstützung auch durch hilfsbereite andere Personen jederzeit zu bewältigen gewesen sei. Auch folge aus dem Befundbericht von Dr. T., dass sich seit September 2000 der Gesundheitszustand seiner Ehefrau erheblich und rapide verschlechtert habe. Dieser sei der Hausarzt seiner Ehefrau gewesen und zudem ein umfangreich ausgebildeter hochqualifizierter Arzt, der sowohl Kardiologe wie Internist wie Allgemeinarzt sei und sich deshalb durchaus ein Bild vom Zustand habe machen können, dies insbesondere in Verbindung mit den von anderen Ärzten festgestellten typischen Krankheitserscheinungen der selten Krankheit, an der seine Ehefrau schließlich verstorben sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 18.04.2002 zu verurteilen, ihm Leistungen nach der Pflegestufe II ab 01.09.2000 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt weiterhin im Wesentlichen die Auffassung, dass die von ihr eingeholten Gutachten vom 20.09.2000 und 26.01.2001 nicht zu beanstanden seien. Zu Recht weise das sozialgerichtliche Urteil darauf hin, dass nach dem für das Verfahren maßgeblichen § 64 VVG ein vom Versicherer beauftragtes Sachverständigengutachten für die Parteien Bindungswirkung entfalte, sofern es nicht offensichtlich unrichtig sei und eine gerichtliche Feststellung erst in einem solchen Ausnahmefall veranlasst sei. Von einer ganz offensichtlichen Unrichtigkeit sei hier jedoch nicht auszugehen. Die erfolgte Einstufung der Ehefrau des Klägers in Pflegestufe I sei vielmehr deren Gesundheitszustand entsprechend gewesen. Die Befundberichte von Dr. T. seien nicht geeignet, die Pflegestufe II ab September 2000 zu begründen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetztes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als begründet. Denn das Urteil des SG Augsburg vom 13.04.2002 entspricht nicht der Sach- und Rechtslage und war daher aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen. Denn bei der verstorbenen Ehefrau des Klägers lagen ab 01.09.2000 die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach Pflegestufe II vor, da die von der Beklagten eingeholten M.-Gutachten vom 20.09.2000 und 26.01.2001 offensichtlich unrichtig im Sinne von § 64 VVG waren.

Leistungen der privaten Pflegepflichtversicherung entsprechen gemäß § 23 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) denjenigen der gesetzlichen Pflegeversicherung, wobei im Bereich verbeamteter Versicherter und deren Angehöriger nur Leistungen in beihilfekonformer Höhe erbracht werden.

Nach § 15 Abs.1 Nr.2 sind Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Nach § 15 Abs.3 Nr.2 SGB XI muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegefachkraft ausbildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen, in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen.

Dass bei der verstorbenen Ehefrau des Klägers die Voraussetzungen für Pflegestufe II vorlagen, ist aus den tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen H. R. in seinem Aktenlagegutachten vom 27.12.2001 sowie den detaillierten und ausführlichen Aufstellungen des Klägers und den Angaben des die Ehefrau behandelnden Hausarztes Dr. A. zu folgern. So hat Herr R. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihm die von den M.-Gutachtern festgelegten Zeiten für den Hilfebedarf als eher zu knapp bemessen erscheinen und er in den Pflegebereichen der Körperpflege, der Ernährung sowie der Mobilität die Festsetzung der Pflegezeiten nicht nachvollziehen könne. Auch hat er darauf hingewiesen, dass bezüglich der Einschränkungen, inbesondere der oberen Extremitäten es für einen Rechtshänder schwierig sein dürfte, ohne die Faust schließen zu können, mit feinem Besteck wie Messer, Gabel, Löffel und evtl. auch Zahnbürste umzugehen. Darüber hinaus hat er darauf hingewiesen, dass aufgrund der bei der Ehefrau des Klägers vorliegenden Schluckstörungen eine Mithilfe bei der Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsaufnahme erforderlich gewesen sei. Ausdrücklich machte er auch geltend, dass eine Affektinkontinenz im Bereich der Blasen- und Darmentleerung nicht berücksichtigt worden sei. Hinzu käme auch die Nichtberücksichtigung der Abnahme des Körpergewichts um etwa 13 kg. Auch wies er darauf hin, dass der im Gutachten vom 20.09.2000 als mäßig bezeichnete Allgemeinzustand sich bis zum Obergutachten am 26.06.2001 "eher nicht gebessert" habe. Des Weiteren führte er aus, dass die Muskelschwäche sicherlich zugenommen habe und damit auch die Einschränkungen im Bereich der Bewegung und Atmung. Überdiens vertrat er die Auffassung, dass in den Bereichen der Körperpflege, der Ernährung und Mobilität, in denen mehrfach täglich ein Hilfebedarf bestand, im Tagesdurchschnitt deutlich über 45 Minuten gelegen habe und zudem die hauswirtschaftliche Versorgung mehrfach wöchentlich habe übernommen werden müssen. Hinzu kommen die Ausführungen von Dr. A. in dessen Befundbericht vom 10.12. 2001. Auch dieser bestätigt, dass sich der Zustand der Ehefrau des Klägers seit September 2000 von Woche zu Woche deutlich verschlechtert habe. So sei in allen Bereichen eine umfangreiche Hilfestellung durch den Kläger erforderlich gewesen. Vor allem sei die Ehefrau des Klägers ständig kurzatmiger geworden, wodurch eine Sauerstoffgeräteversorgung für mehrere Stunden am Tag angefallen sei.

Unter Zugrundelegung der bezeichneten Feststellungen und den Ausführungen des Klägers ergibt sich ingesamt im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von 135 Minuten täglich und für den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 Minuten täglich, also insgesamt 180 Minuten pro Tag. Dieser Gesamtzeitbedarf errechnet sich aus der von Herrn R. zu Recht gerügten Nichtberücksichtigung einzelner Hilfeleistungen und den detaillierten Aufstellungen des Klägers, so für das Wasserlassen viermal täglich 2 bis 3 Minuten (also mindestens 8 Minuten täglich), für den Stuhlgang zweimal täglich 3 bis 5 Minuten (also mindestens 8 Minuten täglich), das Richten der Kleider nach diesen Verrichtungen von sechsmal 2 Minuten (also mindestens 12 Minuten täglich), die Hilfe für die Nahrungs- und Getränkeaufnahme, die mit 9 Minuten täglich zu gering bewertet waren, von jeweils 6 Minuten zusätzlich.

Somit war das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.04.2002 aufzuheben.

Die Entscheidung konnte gemäß § 124 Abs.2 SGG ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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