L 10 R 541/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 3768/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 541/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 01.02.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1963 geborene Klägerin absolvierte nach eigenen Angaben eine Berufsausbildung zur technischen Zeichnerin und war in diesem Beruf bis zur Geburt ihrer ersten Tochter tätig. Nach der Geburt ihrer zwei Töchter war sie in Teilzeit tätig, zuletzt bis Oktober 2013 in geringfügigem Umfang als technische Sachbearbeiterin. Seither ist sie arbeitslos.

Die Klägerin leidet seit ihrer Geburt an einer Hüft-Dysplasie beidseits, wobei sie im Jahr 2011 links und im Jahr 2013 rechts mit einer Hüft-Totalendoprothese versorgt wurde. Bereits 2004 wurde sie an der Bandscheibe (L4/5) operiert. Nach der letzten Hüft-Operation wurde die Klägerin nach ganztägiger ambulanter Rehabilitation vom Rehazentrum H. für zumindest leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr leistungsfähig erachtet. Häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, häufige Arbeiten in körperlicher Zwangshaltung (kniend, kauernd oder vornübergebeugt) sowie häufiges Ersteigen von Leitern, Treppen oder Gerüsten, häufige Arbeiten mit erhöhter Stand- und Gangsicherheit, achsialer Stoßbelastung oder erhöhter Vibration seien auszuschließen.

Auf den Rentenantrag vom 19.02.2014 veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch die Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L. , die nach Untersuchung der Klägerin im April 2014 einen Zustand nach Hüft-Totalendoprothese beidseits, eine Coxarthrose, einen Zustand nach Nukleotomie L4/5 sowie ein parapatellares Schmerzsyndrom rechts diagnostizierte und die Klägerin für eine leichte körperliche Arbeit drei bis sechs Stunden einsetzbar erachtete. Schweres Heben und Tragen über 10 kg sowie Arbeiten in Zwangshaltung sollten vermieden werden. Im Formular "Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung" kreuzte die Gutachterin die Rubrik einer Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten von drei bis unter sechs Stunden an. Nachdem der Beratungsarzt Dr. S. ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen anhand der objektiven orthopädischen Funktionsbefunde bejaht hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.05.2014 und Widerspruchsbescheid vom 08.10.2014 den Rentenantrag ab.

Das hiergegen am 07.11.2014 angerufene Sozialgericht Heilbronn hat zunächst Dr. L. um Erläuterung der widersprüchlichen Leistungsbeurteilung (drei bis sechs Stunden täglich einerseits, drei bis unter sechs Stunden täglich andererseits) gebeten. Die Gutachterin hat die Leistungsfähigkeit mit drei bis sechs Stunden angegeben. Daraufhin hat das Sozialgericht ein orthopädisches Fachgutachten bei Dr. H. eingeholt. Nach einer Untersuchung im April 2015 hat der Sachverständige u.a. im Rahmen der Anamnese die Angaben der Klägerin dokumentiert, sie würde die Hausarbeit für ihre vierköpfige Familie nach Maßgabe ihrer Beschwerden verrichten (z.B. Probleme mit dem Befüllen oder Leeren von Waschmaschine oder Wäschetrockner, einen Putzeimer mit 10 l würde sie allenfalls halb füllen) und müsste nach rund zwei Stunden Fahrzeit mit dem PKW eine Pause einlegen. Dr. H. hat eine Dysplasiecoxarthrose beidseits, jeweils mit Hüft-Totalendoprothese versorgt, ein Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und degenerativen Veränderungen sowie eine lumbosakrale Übergangsstörung, muskuläre Dysbalancen der unteren Extremitäten, Knick-Spreiz-Plattfüße beidseits sowie Parästhesien beider Hände diagnostiziert und dargelegt, dass bei der Klägerin krampfhafte muskuläre Beschwerden u.a. nach Sitzen von mehr als ein bis zwei Stunden oder beim Autofahren nach mehr als zwei Stunden, aber auch nachts, aufträten. Für eine zeitliche Reduktion der Belastungsfähigkeit fände sich unter Berücksichtigung objektivierbarer Kriterien kein Anhalt. Dabei sei durch die Eingriffe an der Hüfte die Körperstatik geändert worden, sodass muskuläre Beschwerden nachvollziehbar seien. Entsprechend sei ein Positionswechsel aus sitzender Tätigkeit erforderlich. Leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen an einem ergonomischen/bandscheibengerechten Arbeitsplatz mit in etwa einmal stündlich möglichen Bewegungspausen, gelegentliches, aber nicht andauerndes Stehen oder Umhergehen seien mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Zu vermeiden seien häufiges Steigen auf Treppen oder Leitern, Arbeiten unter Kälte-, Nässe- oder Zuglufteinwirkung, Arbeiten in ständig gebückter oder sonstiger statisch ungünstiger Körperhaltung sowie Überkopfarbeiten.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht darüber hinaus ein Gutachten bei Dr. R. , Facharzt für Orthopädie und Leitender Oberarzt in der Sektion Wirbelsäulenchirurgie des B. U., eingeholt. Er hat nach einer Untersuchung der Klägerin im Juli 2015 die Beschwerdeangaben dahingehend dokumentiert, dass ab und zu Schmerzen im LWS-Bereich aufträten, vor allem nach langem Sitzen, bei Zwangshaltungen und beim Laufen. Dr. R. hat ebenfalls einen Zustand nach Implantation beidseitiger Hüftprothesen, eine persistierende Muskelatrophie gluteal beidseits, muskuläre Dysbalancen, Funktionseinschränkungen beider Hüften nach Totalendoprothese, den bekannten Zustand nach Nukleotomie L4/5, beidseitige symptomatische Knicksenkfüße, eine ausgeprägte Genua recurvata beidseits sowie Bandscheibenprotrusionen der Halswirbelsäule (HWS) mit intermittierenden Sensibilitätsstörungen diagnostiziert. Die letzte Tätigkeit sei von überwiegend sitzender Tätigkeit am Schreibtisch geprägt gewesen und könne als leichte Beschäftigung bewertet werden. Diese könne die Klägerin nur noch drei bis unter sechs Stunden durchführen. Grundsätzlich seien der Klägerin leichte Tätigkeiten möglich, zu vermeiden seien Tätigkeiten mit statischen Positionen, Zwangshaltungen, Heben schwerer Lasten, Kälte und Hitze, ebenso Schichtdienst sowie fehlender Stellungswechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen. Die Klägerin solle nicht stundenlang vor dem PC sitzen müssen und solle in wohltemperierter Umgebung zu normalen Dienstzeiten arbeiten. Eine verwaltende, überwachende, organisierende Tätigkeit und Schreibtischtätigkeit wäre somit grundsätzlich möglich, jedoch nur drei bis unter sechs Stunden. Dies liege darin begründet, dass durch die beidseitigen Hüftprothesen die Klägerin nicht lange sitzen könne, da Sitzen seitens der Lendenwirbelsäule zusätzlich Beschwerden bereite und somit über einen gewissen Zeitraum hinaus auch die volle Konzentrationsfähigkeit leide und somit die Arbeitsleistung deutlich sinke.

Dr. H. hat hierzu in einer ergänzenden Stellungnahme dargelegt, dass Dr. R. lediglich eine leichte Kraftabschwächung im Bereich der Glutealmuskulatur beschrieben habe, die aber kompensiert werden könne. Von Seiten der Wirbelsäule bestehe eine leichte Bewegungseinschränkung mit Muskelspannungsstörungen. Übereinstimmung bestehe im Wesentlichen hinsichtlich der qualitativen Einschränkungen, eine zeitliche Leistungseinschränkung liege jedoch nicht vor.

In der Folge hat die Klägerin verschiedene medizinische Unterlagen vorgelegt, u.a. Berichte über die erfolgte Operation eines Carpaltunnelsyndroms beidseits und ein ärztliches Attest von Dr. M. vom Zentrum für Orthopädie, wonach die Klägerin nicht länger als vier bis sechs Stunden sitzend arbeiten könne. In einem Termin zur Erörterung des Sachverhaltes hat die Klägerin bestätigt, maximal eineinhalb bis zwei Stunden sitzen zu können, dann müsse sie gehen oder stehen. Nach demselben Zeitraum von eineinhalb bis zwei Stunden stehen müsse sie sich wieder setzen.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.02.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach Darstellung der rechtlichen Grundlagen für eine Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) hat es ausgeführt, dass die dem orthopädischen Fachgebiet zuzuordnenden Befunde und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit im Vordergrund der Beurteilung stünden. Es hat im Einzelnen die bei der Klägerin vorliegenden Leiden dargestellt und auch, dass die Klägerin deshalb keine körperlich schweren oder mittelschweren Arbeiten mehr verrichten könne. Darüber hinaus könne sie nicht ausschließlich oder lange sitzen, gehen oder stehen, weil bei Arbeiten in gleichbleibender Körperhaltung oder gar Zwangshaltung muskuläre Beschwerden aufträten. Die Klägerin müsse deshalb eine überwiegend sitzende Tätigkeit an einem ergonomisch/bandscheibengerecht eingerichteten Arbeitsplatz nach etwa einer Stunde unterbrechen und vorübergehend eine stehende oder gehende Position einnehmen. Auf Grund der Beschwerden im Bereich der LWS und HWS seien Arbeiten über Kopf, mit ständigem Bücken oder in einer sonstigen statisch ungünstigen Körperhaltung nicht mehr zumutbar. Sie könne auch nicht häufig auf Treppen oder Leitern steigen und sie habe Arbeiten zu vermeiden, bei denen sie ungünstigen Witterungseinflüssen ausgesetzt sei oder die mit dem Heben und Tragen von Lasten über 10 kg verbunden seien. Unter Berücksichtigung dieser Leistungseinschränkungen könne die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten in temperierten Räumen zu ebener Erde vorwiegend im Sitzen verrichten, wobei gelegentlich, spätestens nach ca. einer Stunde, eine Unterbrechung durch Gehen und/oder Stehen erfolgen müsse. Es hat sich insoweit den im Wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen aller Gutachter angeschlossen. In Bezug auf die von Dr. R. diagnostizierten Protrusionen im Bereich der HWS hat es keine weitergehenden Einschränkungen angenommen. Den Abweichungen von Dr. R. gegenüber den Befunden von Dr. H. (deutliche Unterentwicklung der Glutealmuskulatur und pathologisch starke Überstreckbarkeit beider Kniegelenke, weshalb das Gleichgewicht im Stehen kraftaufwendig durch die Muskulatur erfolgen müsse) hat es keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, weil der Klägerin ohnehin weder langes noch längeres Stehen oder Gehen zumutbar sei. Bestätigt werde dies auch durch das von der Klägerin vorgelegte Schreiben der Physiotherapeutin Pauling, die bestätige, dass langanhaltende Körperpositionen Schmerz provoziere. Aus den Carpaltunnelsyndromen, die zwischenzeitlich beidseits operativ behandelt worden seien, ergäben sich keine qualitativen Einschränkungen. Unter Beachtung dieser qualitativen Anforderungen und Einschränkungen sei die Klägerin noch in der Lage, sechs Stunden erwerbstätig zu sein. Es hat sich insoweit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. angeschlossen und diese Beurteilung durch die Leistungsbeschreibung im Entlassungsbericht nach der letzten Rehabilitationsmaßnahme sowie durch den behandelnden Orthopäden Dr. M. (bis sechs Stunden täglich sitzend) bestätigt gesehen, ebenso durch Dr. L. , die auf Nachfrage das Leistungsvermögen auf bis sechs Stunden und gerade nicht auf unter sechs Stunden begrenzt habe. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) stehe der Klägerin schon angesichts ihres Lebensalters nicht zu.

Der Leistungsbeurteilung von Dr. R. ist das Sozialgericht nicht gefolgt. Es hat ausgeführt, der Sachverständige stütze sich darauf, dass langes Sitzen Beschwerden bereite und somit über einen gewissen Zeitraum hinaus die volle Konzentrationsfähigkeit leide und die Arbeitsleistung sinke. Damit knüpfe Dr. R. an die Folgen zunehmender Beschwerden bei langem Sitzen an. Er berücksichtige somit nicht, dass die Klägerin eine Tätigkeit im Sitzen nach ca. einer Stunde unterbrechen und vorübergehend gehen und stehen könne und solle. Dieser Wechsel der Körperhaltung sei geboten, aber auch ausreichend, um der Entwicklung von Beschwerden vorzubeugen, die gegebenenfalls Aufmerksamkeit und Konzentration beeinträchtigen könnten. Auch eine Bürotätigkeit entspreche den qualitativen Einschränkungen bei der Klägerin. Solche Tätigkeiten würden in temperierten Büroräumen zu ebener Erde verrichtet, womit häufiges Steigen auf Treppen oder Leitern oder Arbeiten in Kälte, Nässe oder Zugluft ausgeschlossen seien. Sie erforderten auch keine ständig gebückte oder sonst statisch ungünstige Körperhaltung oder Arbeiten über Kopf. Auch wenn Schichtarbeit auszuschließen wäre, was allerdings nicht nachvollzogen werden könne, ergebe sich hieraus keine unübliche Leistungseinschränkung. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liege nicht vor.

Gegen den ihr am 10.02.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12.02.2016 Berufung eingelegt. Sie beruft sich auf die Beurteilung von Dr. R. und weist darauf hin, dass ein ständiges Herumlaufen im Büro den Betriebsablauf störe. Längere Zeit sitzen könne sie aber nicht. Im weiteren Verlauf hat die Klägerin weitere medizinische Unterlagen vorgelegt, u.a. eine Äußerung der Physiotherapeutin P. (langanhaltende Körperpositionen würden Schmerz provozieren), zunächst einen von Dr. L. handschriftlich ergänzten Auszug des erstatteten Gutachtens ("bis unter 6 Std.") und später ein entsprechendes Attest, ein weiteres Attest von Dr. M. (es sei sinnvoll, dass die Klägerin unter sechs Stunden sitzend arbeite) sowie Berichte über die Abklärung eines Hämangioms.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 01.02.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2014 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI zu gewähren,

hilfsweise Dr. L. zur Erläuterung ihres Gutachtens zu laden und die Frage zu stellen, auf Grund welcher medizinischer Befunde und welcher medizinischer Anknüpfungstatsachen sie zu dem Ergebnis kommt, dass die Klägerin einem Arbeitseinsatz von nur noch unter sechs Stunden täglich gewachsen ist, den gerichtlichen Fachsachverständigen Dr. med. H.-J. R. zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden und die Frage zu stellen, auf Grund welcher medizinischer Befunde und welcher medizinischer Anknüpfungstatsachen er zu dem Ergebnis kommt, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter sechs Stunden eingesetzt werden könne, von Amts wegen ein ärztliches Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet zu der Frage einzuholen, ob die im Gutachten von Dr. R. beschriebenen Diagnosen auf orthopädischem Fachgebiet (Dysplasiecoxarthrose beidseits, jeweils mit Hüftendo-prothese versorgt, Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung und degenerativen Verändungen sowie lumbosakrale Übergangsstörungen, muskuläre Dysbalancen untere Extremitäten, Knick-Spreiz-Plattfüße beidseits, Parästhesien beider Hände/differentialdiagnostisch: Skalenuslückensyndrom oder Carpaltunnelsyndrom beidseits) noch einen dauerhaften Arbeitseinsatz von mindestens sechs Stunden zulassen bzw., falls dies bejaht wird, welche körperlichen Arbeiten die Klägerin noch leisten und in welchem zeitlichen Ausmaß und mit welchen Einschränkungen (wie zusätzlichen Arbeitspausen) sie noch tätig sein kann.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und die Klägerin damit auch nicht in ihren Rechten verletzen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die rechtlichen Grundlagen für die hier in Rede stehenden Renten (§ 43 und § 240 SGB VI) zutreffend dargestellt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt, weil sie noch wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich leichte Arbeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (überwiegend im Sitzen mit einem Haltungswechsel nach etwa einer Stunde zu vorübergehendem Gehen oder Stehen, insgesamt also in wechselnder Körperhaltung, nicht unter Zwangshaltungen, ohne Arbeiten über Kopf, ohne ständiges Bücken, ohne häufiges Steigen auf Treppen oder Leitern, ohne Arbeiten unter ungünstigen Witterungseinflüssen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg) verrichten kann und dass ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit schon am Lebensalter der Klägerin scheitert. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Zu ergänzen bzw. konkretisieren sind die zu beachtenden qualitativen Einschränkungen um die von der Reha-Einrichtung aufgeführten Tätigkeiten im Knieen, kauernd oder vornübergebeugt, mit achsialer Stoßbelastung oder erhöhter Vibration. Zu Recht hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass alle diese Einschränkungen - und auch die von Dr. R. ausgeschlossene Schichtarbeit - auch bei einer Tätigkeit im Bürobereich Beachtung finden und eine sitzende Bürotätigkeit beim Telefonieren, Fotokopieren, Sortieren und Ablegen von Unterlagen im Arbeitsprozess, also ohne das Erfordernis einer Pause, unterbrochen werden kann.

Soweit die Klägerin meint, ein ständiges Herumlaufen im Büro würde den Betriebsablauf stören, verkennt sie, dass das Sozialgericht mit den angenommenen qualitativen Einschränkungen einer Tätigkeit im Wechsel zwischen (überwiegendem) Sitzen und gelegentlichem Stehen oder Gehen auf die arbeitsmarktüblichen Arbeitsbedingungen Bezug genommen hat, die gerade nicht den Betriebsablauf stören. So ist die Klägerin entgegen ihrer Darstellung in der Berufung insbesondere nicht gehalten, "ständig" aufzustehen, "ständig" die Türe aufzumachen und jede Akte einzeln durch das Haus zutragen. Entsprechend den von der Klägerin in dem vom Sozialgericht durchgeführten Termin zur Erörterung des Sachverhaltes selbst eingeräumten Fähigkeiten ist die Klägerin vielmehr in der Lage, wenigstens eine Stunde am Stück zu sitzen. Entsprechend genügt nach dieser Zeitspanne ein Haltungswechsel um - so das Sozialgericht zutreffend - den Schmerzzuständen vorzubeugen. Die Klägerin hat auch eingeräumt, dieselbe Zeitspanne stehen zu können, so dass sich die von Dr. H. angenommenen Einschränkungen auf nur gelegentliches Stehen relativiert. Entsprechend sind der Klägerin Arbeiten sowohl im Sitzen als auch im Stehen von jeweils wenigstens einer Stunde am Stück zuzumuten. Jeweils nach Ablauf dieser Zeitspanne ist ein Wechsel der Körperhaltung erforderlich, wobei auch gelegentliches Gehen in Betracht kommt. Dabei wäre die Klägerin auch nicht gehindert, ihre zuletzt ausgeübte Bildschirmarbeit bei entsprechender Ausstattung des Arbeitsplatzes (z. B. mit einem höhenverstellbaren Arbeitstisch) zeitweise im Stehen auszuüben. Im Übrigen ist die Klägerin auch nicht auf eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin oder überwiegende Bildschirmtätigkeit beschränkt. Sie ist vielmehr auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Soweit die Klägerin in der Berufung rügt, das Sozialgericht habe den Befundbericht der Physiotherapeutin P. nicht berücksichtigt, trifft dies nicht zu. Die entsprechende Bewertung findet sich auf Seite 9 am Ende des vorletzten Absatzes des Urteils. Danach belegen die Ausführungen der Physiotherapeutin P. nur, dass langanhaltende Körperpositionen Schmerz verursachen. Dem wird bei der Klägerin gerade mit der wechselnden Körperhaltung Rechnung getragen.

Aus den von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine weiteren Hinweise auf zusätzliche Leistungseinschränkungen. Die vorgelegten Befundberichte über die Operationen der Carpaltunnelsyndrome links und rechts hat die Klägerin bereits in erster Instanz vorgelegt und diese sind vom Sozialgericht zutreffend bewertet worden. Das zusätzliche Attest des Dr. M. stützt die Überlegungen des Sozialgerichts zum Attest vom 11.12.2015. Denn auch im Attest vom 31.03.2016 hält es dieser Arzt für sinnvoll, dass die Klägerin unter sechs Stunden sitzend arbeitet. Dies entspricht der bisherigen Leistungsbeurteilung von Dr. H. und damit auch den Ausführungen des Sozialgerichts (eben kein dauerhaftes mehrstündiges Sitzen). Die von der Klägerin vorgelegten Befundberichte in Bezug auf das Hämangiom lassen eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht erkennen. Im Entlassungsbericht vom 07.03.2016 ist ausgeführt, dass es sich insoweit um einen Zufallsbefund handle, die Patientin habe keine Schmerzen und die Gehstrecke sei normal, Blasen- oder Mastdarmentleerungsstörungen lägen nicht vor. Die Klägerin hat im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes hierzu eingeräumt, dass keine Leistungseinschränkungen daraus resultieren.

Auch die handschriftliche Ergänzung von Dr. L. in Bezug auf das für die Beklagte erstellte Gutachten und das später vorgelegte Attest führen zu keiner anderen Beurteilung. Bereits der beratende Arzt Dr. S. führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme zum Gutachten aus, dass die objektiven orthopädischen Funktionsbefunde eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht erklärten. Dr. L. hat auch keinerlei Begründung für die nun von ihr vertretene rentenrelevante Leistungseinschränkung geboten. Insbesondere ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Klägerin bei Beachtung der vom Sozialgericht in Übereinstimmung mit Dr. H. , Dr. R. und sogar Dr. L. aufgeführten qualitativen Einschränkungen nicht doch sechs Stunden täglich arbeiten können soll.

Nichts anderes folgt aus dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, sie habe bei einem Bekannten eine Bürotätigkeit im Umfang von vier Stunden an drei Tagen die Woche aufgenommen, diese vier Stunden aber nicht durchgestanden, sondern auf eine Arbeitszeit von drei Stunden reduziert. Abgesehen davon, dass diese Selbstbeurteilung eine medizinische Begründung der behaupteten Leistungseinschränkung nicht ersetzt, steht sie im Widerspruch nicht nur zum Gutachten von Dr. H. , sondern auch zu jenem von Dr. R. , der klar mehr als drei Stunden täglicher Arbeitszeit für zumutbar erachtet hat. Hinzu kommt, dass nach dem Vortrag der Klägerin diese Bürotätigkeit die aufgeführten qualitativen Einschränkungen nicht berücksichtigt. Die Klägerin hat nämlich auch dargelegt, dass der Arbeitgeber angesichts der geringen Größe des Betriebes keinen höhenverstellbaren Schreibtisch für die Tätigkeit zur Verfügung stellt. Soweit die Kläger somit nicht die angeführten regelmäßigen Wechsel in der Körperhaltung durchführen kann, ist dies zwar nicht leidensgerecht, begründet aber keinen Rentenanspruch.

Im Ergebnis ist die Klägerin somit in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes (also im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen oder Gehen) unter Beachtung der o.g. qualitativen Einschränkungen wenigstens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sie ist damit nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Die von der Klägerin gestellten Beweisanträge lehnt der Senat ab.

In Bezug auf den Antrag, Dr. L. zur Erläuterung ihres Gutachtens zu laden, lehnt der Senat dies ab. Das Gutachten von Dr. L. wurde im Verwaltungsverfahren auf Veranlassung der Beklagten erstellt und ist vom Senat lediglich im Urkundenbeweis verwertbar, stellt somit kein Sachverständigengutachten dar. Weil Dr. L. keine gerichtliche Sachverständige ist, kann sie somit gemäß § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. den entsprechenden Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO) auch nicht als Sachverständige zur Erläuterung ihres Gutachtens zur mündlichen Verhandlung geladen werden.

Den Antrag, den Sachverständigen Dr. R. zur Erläuterung seines Gutachtens zur mündlichen Verhandlung zu laden, lehnt der Senat ab. Die Klägerin stützt ihren Antrag ausdrücklich auf § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO und verweist auf Rechtsprechung des BSG. Aus dem u.a. von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 16.01.1986, 4b RV 27/85 in SozR 1750 § 411 Nr. 2 ergibt sich indessen, dass ein Antrag auf Erläuterung eines vom Sozialgericht eingeholten Gutachtens bereits in erster Instanz zu stellen ist. Einen solchen Antrag hat die Klägerin in erster Instanz nicht gestellt und eine Erläuterungsbedürftigkeit des Gutachtens von Dr. R. noch nicht einmal behauptet. Eine mündliche Anhörung erst in der Berufungsinstanz ist daher nicht veranlasst, der in der Berufung erstmals gestellte Antrag ist verspätet.

Darüber hinaus ist das Gutachten von Dr. R. nicht erläuterungsbedürftig, so dass sich insoweit keine Verpflichtung entsprechend dem anderen, von der Klägerin angeführten Urteil des Bundesozialgerichts auf Ladung des Sachverständigen (Urteil vom 12.04.2000, B 9 VS 2/99 R in SozR 3-1750 § 411 Nr. 1) ergibt. Soweit die Klägerin im Rahmen ihres Beweisantrages nach den medizinischen Befunden und Anknüpfungstatsachen fragt, ergibt sich die Antwort hierauf bereits bei Lektüre des Gutachtens. So hat Dr. R. die von ihm erhobenen und seiner Beurteilung zu Grunde gelegten klinischen Befunde auf S. 13 bis 17 seines Gutachtens dargelegt. Die von ihm für relevant erachteten Röntgenbefunde finden sich auf S. 25 bis 30 seines Gutachtens. Aus welchen Gründen Dr. R. zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist, hat er insbesondere auf S. 34 seines Gutachtens dargelegt. Die von ihm angenommene zeitliche Lei-stungseinschränkung sieht er "darin begründet, dass durch die beidseitigen Hüft-Prothesen die Klägerin nicht lange sitzen kann, das Sitzen seitens der Lendenwirbelsäule zusätzlich Beschwerden bereitet und somit über einen gewissen Zeitraum hinaus auch die volle Konzentrationsfähigkeit leidet und somit die Arbeitsleistung deutlich sinkt". Damit ist in aller Deutlichkeit zu entnehmen, dass die vom Sachverständigen angenommene zeitliche Leistungseinschränkung auf die durch die Hüft-Prothesen bzw. die Lendenwirbelsäule verursachten Beschwerden zurückzuführen sein soll.

Soweit die Klägerin die Einholung eines Gutachtens des orthopädischen Fachgebiets von Amts wegen beantragt, lehnt der Senat diesen Antrag ab, weil zwei solcher Gutachten bereits vom So-zialgericht eingeholt worden ist, von denen jenes des Dr. H. nicht nur das Sozialgericht, sondern auch den Senat überzeugt. Damit ist die erforderliche Sachaufklärung durchgeführt. Lediglich am Rande ist darauf hinzuweisen, dass die von der Klägerin in ihrem Beweisantrag aufgeführten Diagnosen nicht von Dr. R. gestellt worden sind, sondern von Dr. H. und der trotz dieser Diagnosen keine rentenrelevante Einschränkung gesehen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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