L 15 SB 87/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 SB 328/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 87/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 13.08.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 60 nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) bzw. seit dem 01.07.2001 nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zusteht.

Bei dem 1927 geborenen Kläger hatte der Beklagte mit (Abhilfe-)Bescheid vom 12.07.1985 nach §§ 45, 48 Abs.3 SGB X wie bisher eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichens "G" festgestellt aufgrund folgender Behinderungen:

1. Lumbalgie bei beginnender präsakraler Osteochondrose
2. Patellatrümmerfraktur rechts mit endgradiger Streck- und Beugehemmung und verbildenden Gelenkveränderungen.

Zur Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, bei der Überprüfung des Bescheides vom 16.07.1979 sei festgestellt worden, dass die bestehenden Behinderungen tatsächlich nur mit einer Gesamt-MdE um 40 v.H. statt mit einer MdE um 50 v.H. zu beurteilen seien. Im Bescheid vom 16.07.1979 waren damals als Behinderungen festgestellt worden:

1. Verdacht auf rheumatoide Wirbelsäulenerkrankung (Einzel-MdE 40 v.H.)
2. Patellatrümmerfraktur rechts mit erheblicher Fehlstellung (Folge eines Arbeitsunfalls, Einzel-MdE 20 v.H.).

Der als Behinderung Nr. 1 festgestellte Verdacht einer rheumatoiden Wirbelsäulenerkrankung hatte sich jedoch nicht bestätigt. Eine Rücknahme des unrichtigen Bescheids vom 16.07.1979 sei wegen Fristablaufs von mehr als zwei Jahren nicht möglich. Deshalb sei die MdE bei 50 v.H. zu belassen. Künftig eintretende Änderungen könnten nur insoweit zur MdE-Erhöhung führen, als dies ausgehend von einer tatsächlichen MdE um 40 v.H. gerechtfertigt sei. Der Bescheid vom 12.07.1985 wurde mit Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.10.1986 (S 8 Vs 575/85) sowie mit Urteil des Landessozialgerichts vom 14.02.1989 (L 15 Vs 158/86) bestätigt. Im Klageverfahren hatte ein Gutachten des Orthopäden Dr. L. vom 19.08.1986 nach Untersuchung des Klägers sogar ergeben, dass seit Juli 1979 nur eine tatsächliche Gesamt-MdE um 20 v.H. vorliege.

Im November 1999 stellte der Kläger Antrag auf Neufeststellung. Der Beklagte zog daraufhin einen Befundbericht von Dr.S. bei und erließ nach versorgungsärztlicher Stellungnahme durch Dr.S. und einem Prüfvermerk von Dr.K. am 21.02.2000 einen Änderungsbescheid, wonach dem Kläger ab 09.11.1999 ein GdB von 60 sowie das Merkzeichen "G" zuerkannt wurden, und zwar wegen folgender Behinderungen:

1. Lumbalgie bei beginnender präsakraler Osteochondrose, Patellatrümmerfraktur rechts mit endgradiger Streck- und Beugehemmung und verbildenden Gelenkveränderungen sowie Funktionseinschränkungen linkes Kniegelenk (Einzel-GdB 40)
2. Varikosis beider Unterschenkel mit Stauungsdermatitis (Einzel-GdB 20)
3. Herzleistungsminderung bei Bluthochdruckleiden (Einzel-GdB 20)
4. Zuckerkrankheit (Einzel-GdB 10).

Dr.K. vertrat in seinem Prüfvermerk die Auffassung, dass aufgrund des Befundberichts von Dr.S. die im Bescheid vom 12.07.1985 mit GdB von 40 reichlich bewerteten damaligen Behinderungen Nr.1 und 2 nunmehr durch Leidensverschlimmerung tatsächlich mit 40 zu bewerten seien. Durch das Hinzutreten weiterer Behinderungen ergebe sich ein Gesamt-GdB von (allenfalls) 60.

Der vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2000 zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 21.04.2000 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und dabei vor allem einen Bescheid der gesetzlichen Unfallversicherung aus dem Jahre 1956 beanstandet.

Das Sozialgericht hat nochmals einen Befundbericht von Dr. S. beigezogen und ein Gutachten von dem Orthopäden und Neurochirurgen Dr.G. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 29.11.2000 seit November 1999 einen GdB von 60 bestätigt, der sich im Einzelnen aus einem GdB von 20 für die Lumbalgie, einem GdB von 30 für die Patellatrümmerfraktur rechts und die Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks, einem GdB von 20 für die Varikosis beider Unterschenkel, ebenfalls einem GdB von 20 für die Herzleistungsminderung und einem GdB von 10 für die Zuckerkrankheit zusammensetze.

Daraufhin hat das Sozialgericht nach vorheriger Anhörung der Beteiligten am 13.08.2002 einen Gerichtsbescheid erlassen, mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Zur Begründung hat sich das Sozialgericht im Wesentlichen auf das seines Erachtens überzeugende Gutachten von Dr.G. gestützt.

Mit Schriftsatz vom 16.09.2002 hat der Kläger dagegen Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vor allem von seinem Wegeunfall am 24.10.1953 und einer zu niedrigen Invaliden- und Unfallrente berichtet. Auch habe er von der Krankenkasse damals kein Krankengeld erhalten.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 06.11.2002 ist dem Kläger bis 20.12.2002 Gelegenheit gegeben worden, einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu stellen. Es ist auch ein Befundbericht von Dr.S. beigezogen worden, aus dem sich keine Änderung hinsichtlich der orthopädischen Leiden des Klägers in den letzten Jahren ergeben hat. Dies ist dem Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 20.01.2003 mitgeteilt worden. Er ist auch um Mitteilung gebeten worden, ob er zu einem Erörterungstermin erscheinen könne.

Mit Schriftsatz vom 24.01.2003 hat er dies verneint. Er habe ständig Schmerzen in den Knien, im Becken und in der Wirbelsäule. Seine Rente sei ihm zu Unrecht genommen worden. Vor 45 Jahren habe er gegen Unterschrift von der Post in A. Geld erhalten. Er wisse nicht, woher das Geld stammte und wieviel es gewesen sei.

Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Augsburg vom 13.08.2002 und Änderung des Bescheides vom 21.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2000 zu verurteilen, den bei ihm bestehenden GdB ab November 1999 mit 100 festzustellen.

Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 13.08.2002 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogenen Renten- und Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Unfallakte der Süddeutschen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft, die erledigten Klageakten des Sozialgerichts Augsburg (S 11 Vs 419/84, S 8 Vs 575/85) und die erledigte Akte des Bayerischen Landessozialgerichts (L 15 Vs 158/86) sowie die Akte des vorangegangenen Klageverfahrens (S 11 SB 328/00) und die Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), erweist sich jedoch als unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht die Entscheidung des Beklagten bestätigt, wonach dem Kläger kein höherer GdB als 60 zusteht.

Nach § 48 Abs.1 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden.

Im Vergleich zum Bescheid vom 16.07.1979, in dem die Gesamt-MdE mit 50 v.H. eingeschätzt wurde (laut Bescheid vom 12.07.1985 nach § 48 Abs. 3 SGB X an Stelle einer tatsächlich richtigen MdE von 40 v.H.), ist seit dem Antrag des Klägers auf Neufeststellung vom 09.11.1999 eine wesentliche Leidensverschlimmerung eingetreten, der der Beklagte durch eine Erhöhung des GdB auf 60 sowie Zuerkennung des Merkzeichens "G" Rechnung getragen hat. Im einzelnen ging der Beklagte im angefochtenen Bescheid von einem GdB von 40 aufgrund der LWS-Erkrankung des Klägers zusammen mit Funktionseinschränkungen in beiden Kniegelenken aus, ferner von einem GdB von 20 wegen des Krampfaderleidens beidseits, einem GdB von 20 hinsichtlich der Herz-, Kreislauferkrankung und einem GdB von 10 wegen Zuckerkrankheit.

Der Orthopäde Dr.G. hat zwar in seinem im Auftrag des Sozialgerichts Augsburg erstellten Gutachten vom 29.11.2000 einen GdB von 30 für beide Kniegelenke, 20 für die beidseitige Varikosis, 20 für die LWS, 20 für das Herz und 10 für die Zuckerkrankheit angesetzt. Da aber nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP) 1996 Nr.18 Abs.4 für das Funktionssystem "Beine" ein GdB von 40 gebildet werden kann (statt 30 und 20), stimmen die Einzel-GdB-Werte von Dr.G. mit denen des Beklagten überein. Der Gesamt-GdB von 60 erscheint nicht zu niedrig.

Der von Dr.T. für den Beklagten am 18.11.2002 gestellte Frage, ob sich seit dem Gutachten von Dr.G. etwas geändert habe, ist der Senat dadurch nachgegangen, dass er vom behandelnden Allgemeinarzt Dr.S. einen Befundbericht vom 13.01.2003 beigezogen hat. Danach hat sich seit Juli 2000 keine wesentliche Leidensverschlimmerung ergeben; es lagen lediglich akute Beschwerden im Bereich der Haut und der Ohren vor. Eine fachärztliche Behandlung durch einen Orthopäden finde nicht statt.

Aus der beigezogenen Akte der Süddeutschen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft ergibt sich, dass der Kläger seit 1954 wegen der Folgen eines Wegeunfalls, und zwar eines Kniescheibenbruchs rechts, Rente nach einer MdE um 20 v.H. erhält.

Aufgrund der Beweiserhebung durch das Sozialgericht Augsburg ist auch der Senat der Auffassung, dass der GdB von 60 sowie das Merkzeichen "G" ausreichend und keinesfalls zu ungünstig für den Kläger sind. Nachweise für das Vorliegen weiterer Gesundheitsstörungen, die insgesamt einen GdB von 100 bedingen würden, liegen nicht vor.

Aus diesen Gründen war die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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