Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 KR 16/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 KR 12/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Februar 2000 sowie der Bescheid vom 16. Juli 1997 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1997 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Behandlungskosten in Höhe von 2.147,00 DM zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die am ... 1961 geborene Klägerin befand sich im ersten Quartal 1997 in ärztlicher Behandlung bei der Allgemeinpraktikerin T. in O ... Diese gelangte zu der Auffassung, bei der Klägerin liege eine seit mehreren Jahren nachgewiesene Pilzerkrankung vor, bei der trotz antimykotischer Therapie kein befriedigender Erfolg zu verzeichnen gewesen sei. Deshalb seien spezielle Laboruntersuchungen bei Spezialisten notwendig. Frau T. stellte einen Überweisungsschein an eine Candida-Sprechstunde aus, unter dessen Vorlage die Klägerin am 20. Februar 1997 bei der Beklagten beantragte, sie wegen der Pilzerkrankung an den Privatarzt Dr. H. M. in W. zu überweisen, der als Leiter des dortigen V.-S.-Zentrums auf die Behandlung von Hefepilzkrankheiten, Allergien und Immunstörungen spezialisiert sei. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme beim MDK B. ein, für den der Internist Dr. W. am 17. März 1998 darlegte, in den vorliegenden Laborwerten werde im Rachenabstrich vereinzelt Candida albicans nachgewiesen. Es sei festzustellen, dass zurückliegend Antikörper gegen Candida albicans gebildet worden seien, dass dies aber aktuell nicht der Fall sei. Die Befunde bewiesen nicht, dass eine behandlungsbedürftige Infektion mit Candida albicans vorliege. Zum einen gehe aus den vorgelegten Befunden nicht hervor, dass eine antimykotische Therapie geeignet sei, die Beschwerden der Klägerin zu bessern, zum anderen wäre ein solche Therapie auch durch jeden Internisten in B. möglich. Im Übrigen sollte zuvor eine psychosomatische Erkrankung ausgeschlossen werden. Dies teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 25. März 1997 mit, in dem, ohne dass es als Bescheid gekennzeichnet war oder eine Rechtsmittelbelehrung enthielt, die Überweisung abgelehnt wurde ("Nach dem uns vorliegenden Gutachten kann somit keiner Überweisung an das W. V.-S.-Zentrum zugestimmt werden".). Die Klägerin suchte daraufhin als Privatpatientin das V.-S.-Zentrum auf und ließ sich dort untersuchen, wobei in den Abstrichen und im Stuhl Candida albicans gefunden wurde.
Am 08. Juli 1997 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Behandlungskosten durch Dr. S. vom V.-S.-Zentrum, der erfolgten Laboruntersuchungen und Privatrezepte, der Reise- und Übernachtungskosten sowie der weiterfolgenden Behandlungen. Sie legte entsprechende Belege über 4.474,67 DM vor. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 1997 ab.
Auf den Widerspruch der Klägerin hin leitete die Beklagte die beigebrachten Behandlungsunterlagen an den Pneumologen L. vom MDK B. - Facharztzentrale - zur Stellungnahme, der unter dem 18. September 1997 die Auffassung vertrat, die durchgeführten Untersuchungen hätten auch im Rahmen einer vertragsärztlichen Versorgung ohne Weiteres erbracht werden können und wären wahrscheinlich auch erbracht worden, wenn es ernstzunehmende klinische Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Fülle der von der Klägerin vorgetragenen Befindlichkeitsstörungen und einer pathologischen Pilzbesiedelung gegeben hätte. Eine Kostenbeteiligung oder Erstattung für weitere außervertragliche Behandlungen könnten nicht befürwortet werden. Gestützt hierauf wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 1997 zurück.
Hiergegen hat sich die am 22. Dezember 1997 beim Sozialgericht Neuruppin erhobene Klage gerichtet, zu deren Begründung die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen hat, erst die Behandlung durch Dr. S. habe eine deutliche Verbesserung ihres Allgemeinbefindens erbracht - 10 von 18 Allergien seien mittlerweile als geheilt anzusehen - womit auch die Einlassung der Beklagten widerlegt sei, dass die Behandlungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung hätten durchgeführt werden können. Die Beklagte habe der Klägerin keinen Vertragsarzt benannt, der in der Lage gewesen sei, die entsprechenden Behandlungen durchzuführen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juli 1997 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1997 zu verurteilen, ihr Behandlungskosten in Höhe von 4.474,67 DM zu erstatten.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie hat sich hierzu auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid berufen, und ergänzend vorgetragen, eine telefonische Rücksprache mit der behandelnden Allgemeinmedizinerin T. habe ergeben, dass diese den Überweisungs-/ Abrechnungsschein vom 19. Februar 1997 mit der Empfehlung für Dr. W., Poliklinik- Krankenhaus in M. in B. ausgestellt habe. Die Klägerin hat daraufhin erwidert, sie sei von Mai bis Juni 1997 bei Frau Dr. W. in Behandlung gewesen; auch diese Behandlung habe keine Besserung ihrer Leiden erbracht. Das Sozialgericht hat den Pneumologen J. L. um Auskunft darüber gebeten, ob es sich bei den von Dr. S. empfohlenen Therapien um vertragliche oder außervertragliche Leistungen handele, welche schulmedizinischen Behandlungsmethoden zur Verfügung gestanden hätten und welche Ärzte geeignet seien, die von Dr. S. empfohlene Therapie auszuführen. Auf die Antwort dieses Arztes auf Bl. 97 bis 99 der Gerichtsakte wird Bezug genommen. Sodann hat das Sozialgericht einen Befundbericht von Frau Dr. W. beigezogen, aus dem sich ergeben hat, dass diese die Diagnosen Neurasthenie und chronische Sinusitis sowie eine Lumboischialgie links gestellt hatte.
Mit Urteil vom 17. Februar 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) seien nicht erfüllt. Die Versicherten hätten nur die freie Arztwahl unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und andere Ärzte dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden, so dass nur in einem Notfall eine privatärztliche Behandlung erstattungsfähig sei. Dieser liege nicht vor.
Gegen dieses, den Bevollmächtigten der Klägerin am 30. März 2000 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung von Dienstag, dem 02. Mai 2000 (Tag nach dem Maifeiertag). Die Pilzerkrankung der Klägerin sei im Juni 1997 akut gewesen und die Einleitung einer antimykotischen Therapie dringend geboten, so dass ein zwingender Grund für die Inanspruchnahme Dr. S. bestanden habe, nachdem alle anderen Therapieversuche erfolglos gewesen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Februar 2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juli 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1997 zu verurteilen, der Klägerin Behandlungskosten in Höhe von 4.474,67 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Vorgang der Beklagten zur hier streitigen Behandlung der Klägerin verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch nur teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die durch die Inanspruchnahme von Dr. S. bis zum 16. Juli 1997 entstanden sind, so dass die entgegenstehenden Bescheide und das Urteil des Sozialgerichts die Klägerin insoweit in ihren Rechten verletzen.
Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs. 3 SGB V. Diese Norm enthält zwei unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich als erste Alternative, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte und als zweite Alternative, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. In beiden Fällen sind diese Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts, das insbesondere die erste Alternative geprüft und verneint hat, ergibt sich der Leistungsanspruch der Klägerin hier aus § 13 Abs. 3 zweite Alternative SGB V: Die Beklagte hat die von der Klägerin begehrte Leistung zunächst zu Unrecht abgelehnt und dadurch sind dieser Kosten für selbstbeschaffte Leistungen entstanden, die teilweise auch notwendig waren. Anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal ist der Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung und dem eingeschlagenen Beschaffungsweg (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 10). Die Kosten dürfen erst nach Ablehnung durch die Krankenkasse entstanden sein (BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 15) und der Versicherte muss sich vor jeder Therapieentscheidung im zumutbaren Umfang um die Gewährung der Behandlung als Sachleistung bemühen, das heißt, er muss vor Behandlungsbeginn mit der Krankenkasse Kontakt aufgenommen und deren Entscheidung abgewartet haben. Der Abschluss des Widerspruchsverfahrens ist hingegen nicht Voraussetzung. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin, bevor sie die Leistung in Anspruch genommen hat, einen Antrag bei der Beklagten gestellt und diese hat ihn mit dem Schreiben (Bescheid) vom 25. März 1997 unmissverständlich abgelehnt.
Dieser Bescheid war rechtswidrig, da die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Behandlung der bei ihr bestehenden Pilzerkrankung zu Unrecht abgelehnt hat. Die Beklagte war verpflichtet, die Klägerin dahingehend zu beraten, wie sie ihren Anspruch auf Krankenbehandlung im Rahmen des Sachleistungsprinzips des § 2 Abs. 2 SGB V erfüllen kann. Bei der Klägerin hat die behandelnde Praktische Ärztin den Verdacht auf Candida albicans geäußert. Wenn die Klägerin dann unter Darlegung ihrer Symptome und Hinweis auf Literatur zu diesem Hefepilz um eine Überweisung bittet, reicht es nicht aus, wenn die Beklagte in einem Schreiben, das für einen juristischen Laien nicht einmal als Verwaltungsakt erkennbar ist, eine Krankenbehandlung mangels Bestehens einer behandlungsbedürftigen Erkrankung ablehnt und im Übrigen mitteilt, eine antimykotische Therapie wäre auch in Berlin durch jeden Internisten möglich. Dem widerspricht bereits die Stellungnahme des Pneumologen L. vom 18. September 1997, in der dieser fragt, ob sich die Klägerin überhaupt nach einem qualifizierten Mykologen erkundigt habe. Dieser Arzt hat dann in seiner Stellungnahme an das Sozialgericht vom 09. April 1999 wörtlich ausgeführt, "die Behandlung von Pilzerkrankungen gehört vorrangig zu den originären Aufgaben von Hautärzten, hierzu existieren Leitlinien der entsprechenden Fachgesellschaft. Spezialisierte Ärzte können über die deutschsprachige mykologische Gesellschaft erfragt werden (Anlage)."
Der MDK ist nunmehr, im Gegensatz zu den zunächst gemachten Ausführungen und den Ausführungen im Bescheid vom 25. März 1997 selbst der Auffassung, die Behandlung habe durch spezialisierte Hautärzte, Mykologen stattzufinden. Genau dies hatte die Klägerin beantragt. Der Beklagten hätte sich aufdrängen müssen, der Klägerin zu empfehlen, sich an einen Mykologen in Berlin zu wenden, der Vertragsarzt der Beklagten ist und dort die begehrte Therapie gemäß des Überweisungsscheins durchzuführen. Daher war die Ablehnung der Krankenbehandlung als zur Zeit nicht nötig und mit dem Hinweis darauf, jeder zugelassene Internist könne die Behandlung durchführen, rechtswidrig. Dementsprechend liegen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 zweite Alternative SGB V vor: Die Beklagte hat eine Leistung, nämlich die Behandlung durch einen Hautarzt/Mykologen, zu Unrecht abgelehnt. Dadurch sind der Versicherten Kosten entstanden, die teilweise auch notwendig waren, was von der Beklagten im Übrigen auch nicht bestritten wird. Allerdings gilt dies nur für die Feststellung der von der Beklagten bestrittenen Pilzerkrankung und damit der von Dr. S. insoweit erbrachten Leistungen nebst der dazu erforderlichen Laborleistungen bis zum 16. Juli 1997 und dementsprechend für die bis dahin entstandenen Kosten. Denn mit dem Bescheid vom 16. Juli 1997 lehnte die Beklagte nicht mehr, wie der Ausgangsbescheid vom 25. März 1997, die Sachleistung "Behandlung bei Pilzspezialist" ab, sondern legte zutreffend dar, dass diese bei einem Vertragsarzt durchzuführen sei. Bis dahin waren - durch die Diagnostik - notwendige Kosten in Höhe von 2147,00 DM entstanden. Dies sind die Rechnungen
Dr. S. vom 01.07.1997 1718,98 DM,
Labor Dres. H.vom 09.06.1997 39,90 DM,
Labor Dres. H.vom 09.06.1997 39,90 DM,
Labor Dres. H.vom 09.06.1997 39,90 DM,
Labor Dres. H.vom 09.06.1997 90,06 DM,
und Dr. S. vom 11.06.1997 218,26 DM
zusammen also 2147,00 DM
Insoweit ist der Klage stattzugeben. Nicht notwendig waren die Fahrtkosten, da auch in Berlin Mykologie-Spezialisten praktizieren, und die Kosten für die "Tropfmischungen", da nicht ersichtlich ist, dass es sich dabei um zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehörende Arzneimittel handelt und zudem nach erfolgter Diagnose die Weiterbehandlung mit entsprechender Therapieempfehlung wieder durch einen Vertragsarzt möglich gewesen wäre. Insoweit ist die Berufung zurückzuweisen; ebenso wie alle Leistungen ab 16. Juli 1997, denn danach lag keine Ablehnung zu Unrecht, sondern zu Recht vor, so dass die Berufung insoweit zurückzuweisen ist.
Auf die Berufung der Klägerin ist daher das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Beklagte mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zu verurteilen.
Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in § 160 SGG dargelegten Gründe vor.
Tatbestand:
Die am ... 1961 geborene Klägerin befand sich im ersten Quartal 1997 in ärztlicher Behandlung bei der Allgemeinpraktikerin T. in O ... Diese gelangte zu der Auffassung, bei der Klägerin liege eine seit mehreren Jahren nachgewiesene Pilzerkrankung vor, bei der trotz antimykotischer Therapie kein befriedigender Erfolg zu verzeichnen gewesen sei. Deshalb seien spezielle Laboruntersuchungen bei Spezialisten notwendig. Frau T. stellte einen Überweisungsschein an eine Candida-Sprechstunde aus, unter dessen Vorlage die Klägerin am 20. Februar 1997 bei der Beklagten beantragte, sie wegen der Pilzerkrankung an den Privatarzt Dr. H. M. in W. zu überweisen, der als Leiter des dortigen V.-S.-Zentrums auf die Behandlung von Hefepilzkrankheiten, Allergien und Immunstörungen spezialisiert sei. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme beim MDK B. ein, für den der Internist Dr. W. am 17. März 1998 darlegte, in den vorliegenden Laborwerten werde im Rachenabstrich vereinzelt Candida albicans nachgewiesen. Es sei festzustellen, dass zurückliegend Antikörper gegen Candida albicans gebildet worden seien, dass dies aber aktuell nicht der Fall sei. Die Befunde bewiesen nicht, dass eine behandlungsbedürftige Infektion mit Candida albicans vorliege. Zum einen gehe aus den vorgelegten Befunden nicht hervor, dass eine antimykotische Therapie geeignet sei, die Beschwerden der Klägerin zu bessern, zum anderen wäre ein solche Therapie auch durch jeden Internisten in B. möglich. Im Übrigen sollte zuvor eine psychosomatische Erkrankung ausgeschlossen werden. Dies teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 25. März 1997 mit, in dem, ohne dass es als Bescheid gekennzeichnet war oder eine Rechtsmittelbelehrung enthielt, die Überweisung abgelehnt wurde ("Nach dem uns vorliegenden Gutachten kann somit keiner Überweisung an das W. V.-S.-Zentrum zugestimmt werden".). Die Klägerin suchte daraufhin als Privatpatientin das V.-S.-Zentrum auf und ließ sich dort untersuchen, wobei in den Abstrichen und im Stuhl Candida albicans gefunden wurde.
Am 08. Juli 1997 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Behandlungskosten durch Dr. S. vom V.-S.-Zentrum, der erfolgten Laboruntersuchungen und Privatrezepte, der Reise- und Übernachtungskosten sowie der weiterfolgenden Behandlungen. Sie legte entsprechende Belege über 4.474,67 DM vor. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 1997 ab.
Auf den Widerspruch der Klägerin hin leitete die Beklagte die beigebrachten Behandlungsunterlagen an den Pneumologen L. vom MDK B. - Facharztzentrale - zur Stellungnahme, der unter dem 18. September 1997 die Auffassung vertrat, die durchgeführten Untersuchungen hätten auch im Rahmen einer vertragsärztlichen Versorgung ohne Weiteres erbracht werden können und wären wahrscheinlich auch erbracht worden, wenn es ernstzunehmende klinische Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Fülle der von der Klägerin vorgetragenen Befindlichkeitsstörungen und einer pathologischen Pilzbesiedelung gegeben hätte. Eine Kostenbeteiligung oder Erstattung für weitere außervertragliche Behandlungen könnten nicht befürwortet werden. Gestützt hierauf wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 1997 zurück.
Hiergegen hat sich die am 22. Dezember 1997 beim Sozialgericht Neuruppin erhobene Klage gerichtet, zu deren Begründung die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen hat, erst die Behandlung durch Dr. S. habe eine deutliche Verbesserung ihres Allgemeinbefindens erbracht - 10 von 18 Allergien seien mittlerweile als geheilt anzusehen - womit auch die Einlassung der Beklagten widerlegt sei, dass die Behandlungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung hätten durchgeführt werden können. Die Beklagte habe der Klägerin keinen Vertragsarzt benannt, der in der Lage gewesen sei, die entsprechenden Behandlungen durchzuführen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juli 1997 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1997 zu verurteilen, ihr Behandlungskosten in Höhe von 4.474,67 DM zu erstatten.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie hat sich hierzu auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid berufen, und ergänzend vorgetragen, eine telefonische Rücksprache mit der behandelnden Allgemeinmedizinerin T. habe ergeben, dass diese den Überweisungs-/ Abrechnungsschein vom 19. Februar 1997 mit der Empfehlung für Dr. W., Poliklinik- Krankenhaus in M. in B. ausgestellt habe. Die Klägerin hat daraufhin erwidert, sie sei von Mai bis Juni 1997 bei Frau Dr. W. in Behandlung gewesen; auch diese Behandlung habe keine Besserung ihrer Leiden erbracht. Das Sozialgericht hat den Pneumologen J. L. um Auskunft darüber gebeten, ob es sich bei den von Dr. S. empfohlenen Therapien um vertragliche oder außervertragliche Leistungen handele, welche schulmedizinischen Behandlungsmethoden zur Verfügung gestanden hätten und welche Ärzte geeignet seien, die von Dr. S. empfohlene Therapie auszuführen. Auf die Antwort dieses Arztes auf Bl. 97 bis 99 der Gerichtsakte wird Bezug genommen. Sodann hat das Sozialgericht einen Befundbericht von Frau Dr. W. beigezogen, aus dem sich ergeben hat, dass diese die Diagnosen Neurasthenie und chronische Sinusitis sowie eine Lumboischialgie links gestellt hatte.
Mit Urteil vom 17. Februar 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) seien nicht erfüllt. Die Versicherten hätten nur die freie Arztwahl unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und andere Ärzte dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden, so dass nur in einem Notfall eine privatärztliche Behandlung erstattungsfähig sei. Dieser liege nicht vor.
Gegen dieses, den Bevollmächtigten der Klägerin am 30. März 2000 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung von Dienstag, dem 02. Mai 2000 (Tag nach dem Maifeiertag). Die Pilzerkrankung der Klägerin sei im Juni 1997 akut gewesen und die Einleitung einer antimykotischen Therapie dringend geboten, so dass ein zwingender Grund für die Inanspruchnahme Dr. S. bestanden habe, nachdem alle anderen Therapieversuche erfolglos gewesen seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. Februar 2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juli 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 1997 zu verurteilen, der Klägerin Behandlungskosten in Höhe von 4.474,67 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Vorgang der Beklagten zur hier streitigen Behandlung der Klägerin verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch nur teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die durch die Inanspruchnahme von Dr. S. bis zum 16. Juli 1997 entstanden sind, so dass die entgegenstehenden Bescheide und das Urteil des Sozialgerichts die Klägerin insoweit in ihren Rechten verletzen.
Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs. 3 SGB V. Diese Norm enthält zwei unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich als erste Alternative, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte und als zweite Alternative, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. In beiden Fällen sind diese Kosten von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts, das insbesondere die erste Alternative geprüft und verneint hat, ergibt sich der Leistungsanspruch der Klägerin hier aus § 13 Abs. 3 zweite Alternative SGB V: Die Beklagte hat die von der Klägerin begehrte Leistung zunächst zu Unrecht abgelehnt und dadurch sind dieser Kosten für selbstbeschaffte Leistungen entstanden, die teilweise auch notwendig waren. Anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal ist der Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung und dem eingeschlagenen Beschaffungsweg (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 10). Die Kosten dürfen erst nach Ablehnung durch die Krankenkasse entstanden sein (BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 15) und der Versicherte muss sich vor jeder Therapieentscheidung im zumutbaren Umfang um die Gewährung der Behandlung als Sachleistung bemühen, das heißt, er muss vor Behandlungsbeginn mit der Krankenkasse Kontakt aufgenommen und deren Entscheidung abgewartet haben. Der Abschluss des Widerspruchsverfahrens ist hingegen nicht Voraussetzung. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin, bevor sie die Leistung in Anspruch genommen hat, einen Antrag bei der Beklagten gestellt und diese hat ihn mit dem Schreiben (Bescheid) vom 25. März 1997 unmissverständlich abgelehnt.
Dieser Bescheid war rechtswidrig, da die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Behandlung der bei ihr bestehenden Pilzerkrankung zu Unrecht abgelehnt hat. Die Beklagte war verpflichtet, die Klägerin dahingehend zu beraten, wie sie ihren Anspruch auf Krankenbehandlung im Rahmen des Sachleistungsprinzips des § 2 Abs. 2 SGB V erfüllen kann. Bei der Klägerin hat die behandelnde Praktische Ärztin den Verdacht auf Candida albicans geäußert. Wenn die Klägerin dann unter Darlegung ihrer Symptome und Hinweis auf Literatur zu diesem Hefepilz um eine Überweisung bittet, reicht es nicht aus, wenn die Beklagte in einem Schreiben, das für einen juristischen Laien nicht einmal als Verwaltungsakt erkennbar ist, eine Krankenbehandlung mangels Bestehens einer behandlungsbedürftigen Erkrankung ablehnt und im Übrigen mitteilt, eine antimykotische Therapie wäre auch in Berlin durch jeden Internisten möglich. Dem widerspricht bereits die Stellungnahme des Pneumologen L. vom 18. September 1997, in der dieser fragt, ob sich die Klägerin überhaupt nach einem qualifizierten Mykologen erkundigt habe. Dieser Arzt hat dann in seiner Stellungnahme an das Sozialgericht vom 09. April 1999 wörtlich ausgeführt, "die Behandlung von Pilzerkrankungen gehört vorrangig zu den originären Aufgaben von Hautärzten, hierzu existieren Leitlinien der entsprechenden Fachgesellschaft. Spezialisierte Ärzte können über die deutschsprachige mykologische Gesellschaft erfragt werden (Anlage)."
Der MDK ist nunmehr, im Gegensatz zu den zunächst gemachten Ausführungen und den Ausführungen im Bescheid vom 25. März 1997 selbst der Auffassung, die Behandlung habe durch spezialisierte Hautärzte, Mykologen stattzufinden. Genau dies hatte die Klägerin beantragt. Der Beklagten hätte sich aufdrängen müssen, der Klägerin zu empfehlen, sich an einen Mykologen in Berlin zu wenden, der Vertragsarzt der Beklagten ist und dort die begehrte Therapie gemäß des Überweisungsscheins durchzuführen. Daher war die Ablehnung der Krankenbehandlung als zur Zeit nicht nötig und mit dem Hinweis darauf, jeder zugelassene Internist könne die Behandlung durchführen, rechtswidrig. Dementsprechend liegen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 zweite Alternative SGB V vor: Die Beklagte hat eine Leistung, nämlich die Behandlung durch einen Hautarzt/Mykologen, zu Unrecht abgelehnt. Dadurch sind der Versicherten Kosten entstanden, die teilweise auch notwendig waren, was von der Beklagten im Übrigen auch nicht bestritten wird. Allerdings gilt dies nur für die Feststellung der von der Beklagten bestrittenen Pilzerkrankung und damit der von Dr. S. insoweit erbrachten Leistungen nebst der dazu erforderlichen Laborleistungen bis zum 16. Juli 1997 und dementsprechend für die bis dahin entstandenen Kosten. Denn mit dem Bescheid vom 16. Juli 1997 lehnte die Beklagte nicht mehr, wie der Ausgangsbescheid vom 25. März 1997, die Sachleistung "Behandlung bei Pilzspezialist" ab, sondern legte zutreffend dar, dass diese bei einem Vertragsarzt durchzuführen sei. Bis dahin waren - durch die Diagnostik - notwendige Kosten in Höhe von 2147,00 DM entstanden. Dies sind die Rechnungen
Dr. S. vom 01.07.1997 1718,98 DM,
Labor Dres. H.vom 09.06.1997 39,90 DM,
Labor Dres. H.vom 09.06.1997 39,90 DM,
Labor Dres. H.vom 09.06.1997 39,90 DM,
Labor Dres. H.vom 09.06.1997 90,06 DM,
und Dr. S. vom 11.06.1997 218,26 DM
zusammen also 2147,00 DM
Insoweit ist der Klage stattzugeben. Nicht notwendig waren die Fahrtkosten, da auch in Berlin Mykologie-Spezialisten praktizieren, und die Kosten für die "Tropfmischungen", da nicht ersichtlich ist, dass es sich dabei um zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehörende Arzneimittel handelt und zudem nach erfolgter Diagnose die Weiterbehandlung mit entsprechender Therapieempfehlung wieder durch einen Vertragsarzt möglich gewesen wäre. Insoweit ist die Berufung zurückzuweisen; ebenso wie alle Leistungen ab 16. Juli 1997, denn danach lag keine Ablehnung zu Unrecht, sondern zu Recht vor, so dass die Berufung insoweit zurückzuweisen ist.
Auf die Berufung der Klägerin ist daher das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Beklagte mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zu verurteilen.
Für die Zulassung der Revision liegt keiner der in § 160 SGG dargelegten Gründe vor.
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