Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 8/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 268/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.07.2000 aufgehoben. Der Bescheid vom 08.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1999 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe ab 01.09.1999 bis 23.07.2000 unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 330,00 DM zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Arbeitslosenhilfe (Alhi) für den Zeitraum vom 01.09.1999 bis 23.07.2000.
Der 1940 geborene Kläger - Spätaussiedler - kam im November 1993 in die Bundesrepublik Deutschland. 1994 war er bei verschiedenen Firmen als Maurerhelfer beschäftigt. Nach Alhi-Bezug bis 09.01.1996 und anschließender Erkrankung bis 05.07.1997 meldete er sich am 03.07.1997 erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte zahlte Alg bis 05.05.1998 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von gerundet 600 DM (16,34 DM / Stunde bei 37 Wochenstunden). Ab 06.05.1998 bezog der Kläger erneut Alhi.
Mit Bescheid vom 18.12.1998 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi (Bescheid vom 29.05.1998) gemäß § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) i.V.m. § 330 Abs.2 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) mit Wirkung ab 24.12.1998 auf. Der Rentenversicherungsträger habe bereits mit Bescheid vom 18.07.1996 festgestellt, dass der Kläger erwerbsunfähig sei. Da er keine versicherungspflichtigen Tätigkeiten mehr ausüben könne, stehe er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, zwar könne er als Maurer nicht mehr arbeiten, jedoch noch leichte Arbeiten verrichten. Der Grad seiner Leistungsfähigkeit müsse durch ein ärztliches Gutachten bestimmt werden. Mit Bescheid vom 03.03.1999 half die Beklagte dem Widerspruch ab.
Am 06.05.1999 beantragte der Kläger Fortzahlung der Alhi. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung nach Aktenlage durch die Arbeitsamtärztin Dr.B. vom 08.06.1999. Darin gelangte die Sachverständige zur Auffassung, dass der Kläger - wie bereits im Vorgutachten vom 06.10.1997 von dieser eingeschätzt - weiterhin nur leichte Tätigkeiten von zwei bis drei Stunden täglich verrichten könne. Dieses Gutachten wurde dem Kläger am 30.08.1999 durch den Arbeitsvermittler R. eröffnet und mit ihm besprochen. Mit Bescheid vom 08.10.1999 zahlte die Beklagte ab 01.09.1999 Alhi nunmehr nur noch nach einem gerundeten Bemessungsentgelt von 250 DM wöchentlich (604,58: 37 x 15 Stunden / Woche).
Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser durch Vorlage eines Attestes des Internisten Dr.R.A. (F.) vom 04.11.1999 geltend machte, sein Leistungsvermögen sei nicht eingeschränkt, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14.12.1999 zurück. Das Bemessungsentgelt habe gemäß § 133 Abs.3 Satz 1 SGB III herabgesetzt werden müssen, weil beim Kläger Leistungsfähigkeit nur noch für 15 Stunden pro Woche bestehe.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 08.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1999 aufzuheben. Das SG hat Befundberichte des Internisten Dr.A. vom 03.04.2000 und der prakt. Ärztin E.Z. (F.) vom 10.04.2000 eingeholt und mit Urteil vom 05.07.1999 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nach den Feststellungen der LVA Oberfranken / Mittelfranken seit 07.01.1996 erwerbsunfähig - mithin auch seit dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung vom 03.07.1997 - und könne nurmehr eine leichte zweistündige bis unterhalbschichtige Tätigkeit ausüben. Seither sei eine Besserung im Gesundheitszustand nicht eingetreten. Die Herabbemessung der Alhi im Bescheid vom 08.10.1999 / Widerspruchsbescheid vom 14.12.1999 sei daher nicht zu beanstanden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 11.08.2000 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und ausgeführt: Seit einem Jahr sei sein Gesundheitszustand stabil. Dies belegten das Attest der prakt. Ärztin E.Z. vom 14.07.2000 und die von ihm seit 24.07.2000 ausgeübte vollschichtige Beschäftigung eines Fleischereihilfsarbeiters (170 Stunden / Monat). Zur Bekräftigung legte er Atteste des Dr.A. vom 12.02.1998 / 29.01.1999 / 04.11.1999 vor.
Der Senat zog Befundberichte der prakt. Ärztin E.Z. vom 01.07.2002 und des Dr.A. vom 19.09.2002 bei und holte ein Gutachten des Internisten Dr.H.G. (Nürnberg) vom 21.03.2003 ein. Dr.G. gelangte nach Untersuchung des Klägers zur Auffassung, dass dieser seit 01.07.1997 nur noch leichte körperliche Arbeiten (z.B. die Tätigkeit eines Pförtners) bis zu vier Stunden täglich verrichten könne. Es habe sich inzwischen im Gesundheitszustand nur eine ganz geringe Besserung ergeben.
Der Kläger widersprach dieser Leistungseinschätzung. Er sei seit 24.07.2000 wieder ohne Gefährdung seiner Gesundheit vollschichtig tätig.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 05.07.2000 aufzuheben sowie den Bescheid vom 08.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Alhi ab 01.09.1999 bis 23.07.2000 unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts auf der Basis eines zeitlichen Leistungsvermögens von 20 Stunden zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sei auf den streitigen Zeitraum abzustellen und nicht auf das aktuelle Leistungsvermögen. Der Sachverständige habe die von ihr angenommene Leistungsfähigkeit von 15 Stunden pro Woche voll bestätigt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten, die Rentenakten und ärztlichen Gutachten der LVA Oberfranken / Mittelfranken, die Schwerbehindertenakten des Versorgungsamts Nürnberg sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und entsprechend seinem eingeschränkten Antrag begründet, denn der Kläger hat für die Zeit vom 01.09.1999 bis 23.07.2000 Anspruch auf höhere Alhi.
Gemäß § 190 Abs.3 Satz 1 SGB III soll die Alhi jeweils für längstens ein Jahr bewilligt werden. Vor einer erneuten Bewilligung sind die Voraussetzungen des Anspruchs zu prüfen (§ 190 Abs.3 Satz 2 SGB III). Solange der Arbeitslose aus Gründen, die in seiner Person liegen, nicht mehr das maßgebliche Bemessungsentgelt erzielen kann, ist Bemessungsentgelt das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat; alle Umstände des Einzelfalles sind zu berücksichtigen (§ 200 Abs.2 Satz 1 SGB III). Diese Regelung bezweckt, Gründe in der Person des Arbeitslosen zu berücksichtigen, die sich nicht allein aus den Verhältnissen des Arbeitsmarktes ergeben. Die Anwendung des § 200 Abs.2 SGB III setzt mithin eine Änderung der Verdienstmöglichkeiten aufgrund persönlicher Umstände, insbesondere durch individuelle gesundheitliche Beeinträchtigungen voraus (Brandts in Niesel, SGB III, 2.Auflage, § 200 Rdnr.12; Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 13 Rdnr.236). § 200 Abs.2 SGB III geht § 200 Abs.1 SGB III vor und tritt an die Stelle des § 133 Abs.3 SGB III, der damit nicht nach § 198 Satz 2 Nr.4 SGB III entsprechend anwendbar ist (Krauß in Wissing u.a., SGB III, § 200 Rdnr.20).
Einschränkungen des Leistungsvermögens bleiben allerdings nach § 200 Abs.2 Satz 2 SGB III als personenbezogene Gründe für eine Herabbemessung unberücksichtigt, wenn Alhi nch § 198 Satz 2 Nr.3 i.V.m. § 125 SGB III geleistet wird. Ein Fall der Nahtlosigkeit nach § 125 Abs.1 SGB III lag hier jedoch nicht vor, da der Rentenversicherungsträger verminderte Erwerbsfähigkeit bereits mit Bescheid vom 18.07.1996 festgestellt hat.
Unter Berücksichtigung des nach Aktenlage erstatteten Gutachtens der Frau Dr.B. vom 08.06.1999 gelangte die Abteilung Arbeitsvermittlung der Beklagten am 01.12.1999 zur Feststellung, dass bei dem Kläger ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten von nur noch zwei bis drei Stunden besteht und der Kläger daher fiktiv als Pförtner nach Lohngruppe IV des Tarivertrages Bekleidung zu bemessen ist (gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt 250 DM). Diese Leistungseinschätzung war jedoch unzutreffend, denn nach der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr.G. war der Kläger ab 01.09.1999 noch in der Lage, eine Teilzeitarbeit von täglich bis vier Stunden zu verrichten. Damit reduzierte sich das Bemessungentgelt auf das Restleistungsvermögen des Klägers, das nach Einschätzung des Dr.G. mit 20 Stunden/Woche anzunehmen war.
Der Senat hält diese Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen für zutreffend.
Bereits aus der Reha-Maßnahme in der Klinik H. wurde der Kläger im April 1996 als weiterhin leistungsgemindert entlassen (Entlassungsbericht vom 23.04.1996). Auch MOR Dr.P. von der LVA Oberfranken / Mittelfranken hielt den Kläger in ihrer sozialmedizinischen Beurteilung seit 07.01.1996 in der Leistungsfähigkeit ebenfalls für beeinträchtigt. Sie schätzte sein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur auf zweistündig bis unterhalbschichtig ein.
Aufgrund des pathologisch-anatomischen Befundes konnte nach der Beurteilung des Sachverständigen Dr.G. eine kontinuierliche wesentliche Besserung des Leistungsvermögens nicht erwartet werden. Zwar hatte der Kläger am 24.07.2000 wieder eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufgenommen. Diese ging aber zu Lasten seiner Restgesundheit, denn die Beschwerdesymptomatik bestand bei ihm unverändert und die Pumpleistung des Herzens war weiterhin eingeschränkt. Die kurzzeitig mögliche Spitzenbelastbarkeit bis 100 Watt ist für einen längeren Zeitraum nicht relevant. Da die einzige Möglichkeit der Behandlung des Klägers in einer Weiterführung der medikamentösen Therapie bestand und zusätzlich in der körperlichen Schonung, hat der Kläger bei Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit ab 24.07.2000 auf Kosten des Restleistungsvermögens gearbeitet. Die Beklagte war jedoch gehalten, ab 01.09.1999 der Bemessung der Alhi das ärztlicherseits objektiv festgestellt eingeschränkte Leistungsvermögen zugrunde zu legen.
Die Annahme einer durchschnittlichen Einsatzfähigkeit von bis zu 20 Stunden pro Woche über den Gesamtzeitraum 01.09.1999 bis 23.07.2000 ist zur Überzeugung des Senats gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang konnte nicht auf die ärztliche Beurteilung durch Dr.B. vom 06.10.1997 - die Begutachtung nach Aktenlage vom 08.06.1999 bezieht sich weitgehend auf die Untersuchung vom Oktober 1997 und war daher ohnehin kaum verwertbar - abgestellt werden, sondern es war der Auffassung des Sachverständigen Dr.G. zu folgen, der eine inzwischen eingetretene, wenngleich nur leichte Besserung nicht außer Acht gelassen hat, indem er den Kläger für fähig hielt, leichte körperliche Arbeiten (z.B. die Tätigkeit eines - einfachen - Pförtners) bis zu vier Stunden täglich zu verrichten. Damit war die Ansicht der Beklagten, der Kläger könne täglich lediglich drei Stunden eingesetzt werden, widerlegt. Für die von der Beklagten behauptete weitere Leistungseinschränkung träfe diese ohnehin die Beweislast, denn nur eindeutig nachgewiesene Verminderungen dürfen berücksichtigt werden (Gagel a.a.O. § 133 Rdnr.21).
Auf die Berufung des Klägers war daher das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.07.2000 aufzuheben, der Bescheid vom 08.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Alhi ab 01.09.1999 bis 23.07.2000 unter Zugrundlegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 330,00 DM zu gewähren (16,34 DM x 20 Std./Woche; Rundung gemäß § 132 Abs.3 SGB III in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.1 Nrn.1, 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Arbeitslosenhilfe (Alhi) für den Zeitraum vom 01.09.1999 bis 23.07.2000.
Der 1940 geborene Kläger - Spätaussiedler - kam im November 1993 in die Bundesrepublik Deutschland. 1994 war er bei verschiedenen Firmen als Maurerhelfer beschäftigt. Nach Alhi-Bezug bis 09.01.1996 und anschließender Erkrankung bis 05.07.1997 meldete er sich am 03.07.1997 erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte zahlte Alg bis 05.05.1998 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von gerundet 600 DM (16,34 DM / Stunde bei 37 Wochenstunden). Ab 06.05.1998 bezog der Kläger erneut Alhi.
Mit Bescheid vom 18.12.1998 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi (Bescheid vom 29.05.1998) gemäß § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) i.V.m. § 330 Abs.2 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) mit Wirkung ab 24.12.1998 auf. Der Rentenversicherungsträger habe bereits mit Bescheid vom 18.07.1996 festgestellt, dass der Kläger erwerbsunfähig sei. Da er keine versicherungspflichtigen Tätigkeiten mehr ausüben könne, stehe er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, zwar könne er als Maurer nicht mehr arbeiten, jedoch noch leichte Arbeiten verrichten. Der Grad seiner Leistungsfähigkeit müsse durch ein ärztliches Gutachten bestimmt werden. Mit Bescheid vom 03.03.1999 half die Beklagte dem Widerspruch ab.
Am 06.05.1999 beantragte der Kläger Fortzahlung der Alhi. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung nach Aktenlage durch die Arbeitsamtärztin Dr.B. vom 08.06.1999. Darin gelangte die Sachverständige zur Auffassung, dass der Kläger - wie bereits im Vorgutachten vom 06.10.1997 von dieser eingeschätzt - weiterhin nur leichte Tätigkeiten von zwei bis drei Stunden täglich verrichten könne. Dieses Gutachten wurde dem Kläger am 30.08.1999 durch den Arbeitsvermittler R. eröffnet und mit ihm besprochen. Mit Bescheid vom 08.10.1999 zahlte die Beklagte ab 01.09.1999 Alhi nunmehr nur noch nach einem gerundeten Bemessungsentgelt von 250 DM wöchentlich (604,58: 37 x 15 Stunden / Woche).
Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser durch Vorlage eines Attestes des Internisten Dr.R.A. (F.) vom 04.11.1999 geltend machte, sein Leistungsvermögen sei nicht eingeschränkt, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14.12.1999 zurück. Das Bemessungsentgelt habe gemäß § 133 Abs.3 Satz 1 SGB III herabgesetzt werden müssen, weil beim Kläger Leistungsfähigkeit nur noch für 15 Stunden pro Woche bestehe.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 08.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1999 aufzuheben. Das SG hat Befundberichte des Internisten Dr.A. vom 03.04.2000 und der prakt. Ärztin E.Z. (F.) vom 10.04.2000 eingeholt und mit Urteil vom 05.07.1999 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nach den Feststellungen der LVA Oberfranken / Mittelfranken seit 07.01.1996 erwerbsunfähig - mithin auch seit dem Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung vom 03.07.1997 - und könne nurmehr eine leichte zweistündige bis unterhalbschichtige Tätigkeit ausüben. Seither sei eine Besserung im Gesundheitszustand nicht eingetreten. Die Herabbemessung der Alhi im Bescheid vom 08.10.1999 / Widerspruchsbescheid vom 14.12.1999 sei daher nicht zu beanstanden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 11.08.2000 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und ausgeführt: Seit einem Jahr sei sein Gesundheitszustand stabil. Dies belegten das Attest der prakt. Ärztin E.Z. vom 14.07.2000 und die von ihm seit 24.07.2000 ausgeübte vollschichtige Beschäftigung eines Fleischereihilfsarbeiters (170 Stunden / Monat). Zur Bekräftigung legte er Atteste des Dr.A. vom 12.02.1998 / 29.01.1999 / 04.11.1999 vor.
Der Senat zog Befundberichte der prakt. Ärztin E.Z. vom 01.07.2002 und des Dr.A. vom 19.09.2002 bei und holte ein Gutachten des Internisten Dr.H.G. (Nürnberg) vom 21.03.2003 ein. Dr.G. gelangte nach Untersuchung des Klägers zur Auffassung, dass dieser seit 01.07.1997 nur noch leichte körperliche Arbeiten (z.B. die Tätigkeit eines Pförtners) bis zu vier Stunden täglich verrichten könne. Es habe sich inzwischen im Gesundheitszustand nur eine ganz geringe Besserung ergeben.
Der Kläger widersprach dieser Leistungseinschätzung. Er sei seit 24.07.2000 wieder ohne Gefährdung seiner Gesundheit vollschichtig tätig.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 05.07.2000 aufzuheben sowie den Bescheid vom 08.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Alhi ab 01.09.1999 bis 23.07.2000 unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts auf der Basis eines zeitlichen Leistungsvermögens von 20 Stunden zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sei auf den streitigen Zeitraum abzustellen und nicht auf das aktuelle Leistungsvermögen. Der Sachverständige habe die von ihr angenommene Leistungsfähigkeit von 15 Stunden pro Woche voll bestätigt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten, die Rentenakten und ärztlichen Gutachten der LVA Oberfranken / Mittelfranken, die Schwerbehindertenakten des Versorgungsamts Nürnberg sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und entsprechend seinem eingeschränkten Antrag begründet, denn der Kläger hat für die Zeit vom 01.09.1999 bis 23.07.2000 Anspruch auf höhere Alhi.
Gemäß § 190 Abs.3 Satz 1 SGB III soll die Alhi jeweils für längstens ein Jahr bewilligt werden. Vor einer erneuten Bewilligung sind die Voraussetzungen des Anspruchs zu prüfen (§ 190 Abs.3 Satz 2 SGB III). Solange der Arbeitslose aus Gründen, die in seiner Person liegen, nicht mehr das maßgebliche Bemessungsentgelt erzielen kann, ist Bemessungsentgelt das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat; alle Umstände des Einzelfalles sind zu berücksichtigen (§ 200 Abs.2 Satz 1 SGB III). Diese Regelung bezweckt, Gründe in der Person des Arbeitslosen zu berücksichtigen, die sich nicht allein aus den Verhältnissen des Arbeitsmarktes ergeben. Die Anwendung des § 200 Abs.2 SGB III setzt mithin eine Änderung der Verdienstmöglichkeiten aufgrund persönlicher Umstände, insbesondere durch individuelle gesundheitliche Beeinträchtigungen voraus (Brandts in Niesel, SGB III, 2.Auflage, § 200 Rdnr.12; Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 13 Rdnr.236). § 200 Abs.2 SGB III geht § 200 Abs.1 SGB III vor und tritt an die Stelle des § 133 Abs.3 SGB III, der damit nicht nach § 198 Satz 2 Nr.4 SGB III entsprechend anwendbar ist (Krauß in Wissing u.a., SGB III, § 200 Rdnr.20).
Einschränkungen des Leistungsvermögens bleiben allerdings nach § 200 Abs.2 Satz 2 SGB III als personenbezogene Gründe für eine Herabbemessung unberücksichtigt, wenn Alhi nch § 198 Satz 2 Nr.3 i.V.m. § 125 SGB III geleistet wird. Ein Fall der Nahtlosigkeit nach § 125 Abs.1 SGB III lag hier jedoch nicht vor, da der Rentenversicherungsträger verminderte Erwerbsfähigkeit bereits mit Bescheid vom 18.07.1996 festgestellt hat.
Unter Berücksichtigung des nach Aktenlage erstatteten Gutachtens der Frau Dr.B. vom 08.06.1999 gelangte die Abteilung Arbeitsvermittlung der Beklagten am 01.12.1999 zur Feststellung, dass bei dem Kläger ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten von nur noch zwei bis drei Stunden besteht und der Kläger daher fiktiv als Pförtner nach Lohngruppe IV des Tarivertrages Bekleidung zu bemessen ist (gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt 250 DM). Diese Leistungseinschätzung war jedoch unzutreffend, denn nach der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr.G. war der Kläger ab 01.09.1999 noch in der Lage, eine Teilzeitarbeit von täglich bis vier Stunden zu verrichten. Damit reduzierte sich das Bemessungentgelt auf das Restleistungsvermögen des Klägers, das nach Einschätzung des Dr.G. mit 20 Stunden/Woche anzunehmen war.
Der Senat hält diese Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen für zutreffend.
Bereits aus der Reha-Maßnahme in der Klinik H. wurde der Kläger im April 1996 als weiterhin leistungsgemindert entlassen (Entlassungsbericht vom 23.04.1996). Auch MOR Dr.P. von der LVA Oberfranken / Mittelfranken hielt den Kläger in ihrer sozialmedizinischen Beurteilung seit 07.01.1996 in der Leistungsfähigkeit ebenfalls für beeinträchtigt. Sie schätzte sein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur auf zweistündig bis unterhalbschichtig ein.
Aufgrund des pathologisch-anatomischen Befundes konnte nach der Beurteilung des Sachverständigen Dr.G. eine kontinuierliche wesentliche Besserung des Leistungsvermögens nicht erwartet werden. Zwar hatte der Kläger am 24.07.2000 wieder eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufgenommen. Diese ging aber zu Lasten seiner Restgesundheit, denn die Beschwerdesymptomatik bestand bei ihm unverändert und die Pumpleistung des Herzens war weiterhin eingeschränkt. Die kurzzeitig mögliche Spitzenbelastbarkeit bis 100 Watt ist für einen längeren Zeitraum nicht relevant. Da die einzige Möglichkeit der Behandlung des Klägers in einer Weiterführung der medikamentösen Therapie bestand und zusätzlich in der körperlichen Schonung, hat der Kläger bei Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit ab 24.07.2000 auf Kosten des Restleistungsvermögens gearbeitet. Die Beklagte war jedoch gehalten, ab 01.09.1999 der Bemessung der Alhi das ärztlicherseits objektiv festgestellt eingeschränkte Leistungsvermögen zugrunde zu legen.
Die Annahme einer durchschnittlichen Einsatzfähigkeit von bis zu 20 Stunden pro Woche über den Gesamtzeitraum 01.09.1999 bis 23.07.2000 ist zur Überzeugung des Senats gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang konnte nicht auf die ärztliche Beurteilung durch Dr.B. vom 06.10.1997 - die Begutachtung nach Aktenlage vom 08.06.1999 bezieht sich weitgehend auf die Untersuchung vom Oktober 1997 und war daher ohnehin kaum verwertbar - abgestellt werden, sondern es war der Auffassung des Sachverständigen Dr.G. zu folgen, der eine inzwischen eingetretene, wenngleich nur leichte Besserung nicht außer Acht gelassen hat, indem er den Kläger für fähig hielt, leichte körperliche Arbeiten (z.B. die Tätigkeit eines - einfachen - Pförtners) bis zu vier Stunden täglich zu verrichten. Damit war die Ansicht der Beklagten, der Kläger könne täglich lediglich drei Stunden eingesetzt werden, widerlegt. Für die von der Beklagten behauptete weitere Leistungseinschränkung träfe diese ohnehin die Beweislast, denn nur eindeutig nachgewiesene Verminderungen dürfen berücksichtigt werden (Gagel a.a.O. § 133 Rdnr.21).
Auf die Berufung des Klägers war daher das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.07.2000 aufzuheben, der Bescheid vom 08.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Alhi ab 01.09.1999 bis 23.07.2000 unter Zugrundlegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 330,00 DM zu gewähren (16,34 DM x 20 Std./Woche; Rundung gemäß § 132 Abs.3 SGB III in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.1 Nrn.1, 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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