L 11 KA 155/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KA 88/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 155/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.08.2002 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 16.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2000 verpflichtet, über die Honorarminderung wegen Fallzahlzuwachsbegrenzung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates zu entscheiden. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu einem Drittel. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Minderung des klägerischen Honorars aufgrund der Fallzahlzuwachsbegrenzung (FZB) im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten (HVM) im Quartal I/1999.

Der HVM in der Fassung vom 12.09.1998 (Westf. Ärzteblatt 10/1998, S. 49 ff.) sah für diejenigen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte, die dem Praxisbudget nach Abschn. A.I. Teil B Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) unterliegen, die Bildung von Praxis- und Zusatzbudgets sowie deren Erweiterung im Wege sog. Ausnahmebudgets und für fachärztlich tätige Internisten, Kinder- und Jugendpsychiater sowie Radiologen die vergleichbare Einrichtung von Grund-, Zusatz- und Ausnahmemodulen vor (§§ 3 bis 6 HVM). Der Verteilungspunkt für Versicherte der Primär- und Ersatzkassen errechnete sich, indem die auf diese Bereiche entfallenden Gesamtvergütungsanteile durch die der Budgetierung unterworfenen anerkannten Punktzahlen geteilt wurden (§§ 8, 9 HVM). Überschritt der prozentuale Zuwachs der budget- bzw. modulrelevanten Behandlungsfälle einer Arztgruppe den prozentualen Zuwachs der Gesamtvergütung im selben Zeitraum, galt für die Fallzahl dieser Arztgruppe eine Zuwachsbegrenzung (§ 11 Abs. 1 Satz 1 HVM). Überstieg zusätzlich der absolute Zuwachs der budget- bzw. modulrelevanten Fälle des einzelnen Arztes den zulässigen Vergleichswert seiner Arztgruppe, so wurden die Budgets bzw. Module mit einem individuellen Verteilungspunktwert vergütet (§ 11 Abs. 1 Satz 2 HVM). Dieser errechnete sich, indem der Verteilungspunktwert nach §§ 8, 9 HVM mit dem Anteil der zulässigen an der tatsächlichen Fallzahl vervielfältigt wurde, wobei Unterschreitungen der Budgets bzw. Module mit Ausnahme der Ausnahmebudgets und -module berücksichtigt wurden (§ 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 HVM). Die Vergleichswerte für Fallzahl und Gesamtvergütung ergaben sich bei den nach dem EBM-Ä budgetierten Arztgruppen aus den entsprechenden Quartalen des Jahres 1995 (§ 11 Abs. 4 Satz 1 HVM).

Der HVM sah darüberhinaus eine Reihe von Sonderbestimmungen vor: So hatten von der Quotierung betroffene Ärzte Anspruch auf (anteilige) Aufhebung der Kürzungsmaßnahme, wenn sie im Verlauf der folgenden drei Quartale ihre Grenzwerte entsprechend unterschritten (§ 11 Abs. 5 HVM). Bei Überschreitungen des zulässigen Fallzahlzuwachses aufgrund von Praxisschließungen wegen Zulassungsverzichts oder Ruhen der Zulassung anderer Vertragsärzte und/oder Beendigung von Ermächtigungen konnten die Verwaltungsstellen die FZB angemessen korrigieren (§ 11 Abs. 6 HVM). Die FZB galt nur für Ärzte bzw. Praxen, die im Abrechnungsquartal mehr als zwölf Quartale abgerechnet hatten (§ 11 Abs. 7 HVM). Schließlich wurde der Vorstand ermächtigt, auch zur Schaffung weiterer Ausnahmen Durchführungsbestimmungen zu erlassen (§ 11 Abs. 9 HVM). Die auf dieser Grundlage erlassenen Durchführungsbestimmungen sahen u.a. vor, dass als unterer Grenzwert im Sinne von § 11 Abs. 1 HVM 85 % des Punktwertes für die Praxis- und Zusatzbudgets galt (Ziff. 2.1; sog. Quotierungsgrenze). Außerdem wurde Ärzte, die in den Vergleichsquartalen aus 1995 weniger als 13 Quartale abgerechnet hatten, mit dem jeweiligen Vorjahresquartal verglichen (Ziff. 2.3).

Der Kläger nimmt als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin in L an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er ist seit dem Quartal I/1996 in Einzelpraxis und war davor am Praxisort in Gemeinschaftspraxis tätig. Ihm sind die qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets Sonografie, Kardiologie und Psychosomatik, übende Verfahren sowie das bedarfsabhängige Zusatzbudget Betreuung in beschützenden Einrichtungen zuerkannt worden. Die Arztgruppe der Allgemeinmediziner hatte im Quartal I/1995 eine durchschnittliche budgetrelevante Fallzahl von 944 und einen Fallzahlzuwachs bis zum Quartal I/1999 von 9,8 %, während die Gesamtvergütung im selben Zeitraum um 6,2 % stieg. Hieraus errechnete die Beklagte einen zulässigen Fallzahlzuwachs je Arzt von 59 Fällen. Nach Maßgabe dieser Werte gestand sie dem Kläger im Vergleich zum Quartal I/1998, in dem er eine 1.525 budgetrelevante Fälle gehabt hatte, für das Quartal I/1999 einen Zuwachs von 59 Fällen auf 1.584 budgetrelevante Fälle zu. Da er in diesem Quartal tatsächlich 2.063 budgetrelevante Fälle hatte, ermittelte sie einen individuellen Quotierungsfaktor von 76,7814 % und korrigierte diesen nach Maßgabe der vom Vorstand erlassenen Durchführungsbestimmungen auf 85 %. Auf diese Weise wurde der anerkannte Leistungsbedarf des Klägers im Bereich des Praxisbudgets mit 6,80 Pf (Primärkassen) bzw. 7,48 Pf (Ersatzkassen) statt mit 8,00 bzw. 8,80 Pf und im Bereich der qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets mit 5,61 Pf (Primärkassen) bzw. 6,29 Pf (Ersatzkassen) statt mit 6,60 Pf bzw. 7,40 Pf vergütet. Beim bedarfsabhängigen Zusatzbudget unterblieb eine Kürzung. Vom anerkannten Leistungsbedarf in Höhe von 1.190.310,3 Punkten im Praxis- bzw. 138.221,0 Punkte in den qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets wurden 178.546,5 Punkte bzw. 20.733,1 Punkte, insgesamt 199.279,6 Punkte nicht zum vollen Punktwert vergütet. Bei einem anerkannten Gesamthonorar von 132.615,08 DM entsprach dies einer rechnerischen Honorarkürzung von 16.265,66 DM (Bescheid vom 24.07.1999).

Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor: In unmittelbarer Nähe seiner Praxis habe sich bis zum Quartal IV/1998 die Praxis des Herrn Dr. T befunden, die dieser aus Altersgründen aufgegeben habe. Der mit Abstand größte Teil der im Quartal I/1999 neu zu ihm gekommenen 314 Patienten habe aus dieser Praxis gestammt. Außerdem sei ein stetiger Patientenzustrom aus der Praxis des Herrn Dr. G zu verzeichnen. In dieser sei zwar schon seit dem Quartal I/1998 eine Nachfolgerin tätig, die die frühere große Patientenzahl jedoch nicht habe halten können. Insgesamt hätten innerhalb von vier Quartalen auf diese Weise zwischen 500 und 600 Patienten zu ihm gewechselt.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 02.02.2000) und führte aus: Das ihr vorliegende statistische Material belege, dass Herr Dr. T als fachärztlicher Internist mit Schwerpunkttätigkeit in den Bereichen Radiologie und Nuklearmedizin fast ausschließlich eine Überweisungspraxis geführt habe. Soweit er einige Patienten hausärztlich betreut habe, seien diese von seiner Frau, der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. T, übernommen worden. Bei der Praxisnachfolgerin von Herrn Dr. G zeichne sich schon seit dem Quartal I/1998 ein deutlicher Fallzahlrückgang ab, wobei der Kläger selbst aber ebenfalls schon zum Quartal I/1998 eine spürbare Fallzahlsteigerung zu verzeichnen habe. Insofern hätten zum Quartal I/1998 dieselben Voraussetzungen vorgelegen wie zum Streitquartal.

Mit der Klage hat sich der Kläger weiter gegen die Anwendung der FZB auf seine Praxis gewandt und zusätzlich darauf hingewiesen, dass er eine Erhöhung seiner Fallzahl auch deshalb beanspruchen könne, weil er Patienten in beschützenden Einrichtungen betreue.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.07.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2000 zu verurteilen, ihm im Quartal I/1999 das ärztliche Honorar ohne Fallzahlzuwachsbegrenzung zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt und eine Erhöhung der zulässigen Fallzahl wegen der Betreuung von Patienten in beschützenden Einrichtungen abgelehnt, weil der Kläger im Streitquartal seine Fallzahl insoweit nicht gesteigert habe.

Das Sozialgericht Dortmund (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.08.2002). Es hat die FZB-Regelung für zulässig gehalten und sich im Übrigen der Argumentation der Beklagten im Widerspruchsbescheid angeschlossen.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger - unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Vortrags im Übrigen - nunmehr auch gegen die FZB an sich und nimmt dabei insbesondere die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.03.2002 (B 6 KA 48/00 R) zum seinerzeitigen HVM der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Nordwürttemberg in Anspruch. Die Beklagte gestehe ihm lediglich einen Fallzahlzuwachs von etwa 1,5 % jährlich zu. Schon dies sei zu wenig. Darüberhinaus knüpfe die FZB an die Erhöhung der Gesamtvergütung und damit ein unzulässiges Kriterium an. Berücksichtige man, dass für das Jahr 2003 eine "Nullrunde" stattfinde, entspreche dies faktisch einer vollständigen Wachstumsbegrenzung. Dem einzelnen Vertragsarzt müsse nach der Rechtsprechung des BSG jedoch ein kontinuierliches Wachstum zugestanden werden. Diese Bedenken würden durch den nach unten auf 85 % begrenzten individuellen Quotierungsfaktor nicht ausgeräumt. Hierdurch trage die Beklagte den vom BSG an eine zulässige FZB gestellten Anforderungen lediglich insoweit Rechnung, als sämtliche Fälle vergütet würden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.08.2002 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 16.07.1999 und 02.02.2000 zu verpflichten, über die Honorarminderung wegen Fallzahlzuwachsbegrenzung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Rechtsprechung des BSG auf ihren HVM nicht für übertragbar. Denn die FZB-Regelung in § 11 HVM sei in wesentlichen Punkten anders ausgestaltet als diejenige der KÄV Nordwürttemberg. Der Fallzahlzuwachs beziehe sich auf einen festen Zeitraum (1995) und nicht auf das jeweilige Vorjahresquartal. Das ermögliche eine dementsprechend höhere Fallzahlsteigerung. "Patientenwanderungen" innerhalb einer Arztgruppe blieben solange möglich, wie die Arztgruppe insgesamt ihre Fallzahl nicht unzulässig steigere. Die FZB erfasse nur die budgetierten Bereiche, in denen sich künstliche Fallzahlsteigerungen auswirkten. Zudem finde zwischen den Budgets und im Verhältnis zu Folgequartalen ein Ausgleich statt. Die einzelne Praxis dürfe bis zum Durchschnitt der Fachgruppe, neue Praxen dürften 12 Quartale lang sogar unbegrenzt wachsen. Auch großen Praxen werde eine Fallzahlerhöhung gestattet. Oberhalb der unzulässigen Fallzahlsteigerung werde nur ein Teil des Honorarvolumens abgeschöpft und zu hohen Kürzungen durch die Quotierungsgrenze Rechnung getragen. Schließlich bestünden zahlreiche Sonderregelungen.

Der Senat hat die Abrechnungsunterlagen der klägerischen Praxis in den Quartalen III/1997 bis IV/2001 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Wegen der Auswertung dieser Unterlagen wird auf die nachfolgende Tabelle Bezug genommen, die in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert worden ist. Außerdem sind die Verwaltungsakte der Beklagten und die FZB-Regelung der KÄV Nordwürttemberg (Anlage 2 zum deren HVM vom 19.03.1997), die Gegenstand der Entscheidung des B 6 KA 48/00 R war, beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

1 Seite Tabelle

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Der angefochtene Honorarbescheid ist rechtswidrig. Die Beklagte ist - nach der Neufassung ihres HVM unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates - verpflichtet, erneut über die Honoraranforderung des Klägers für das Quartal I/1999 zu entscheiden.

I.

Der angefochtene Bescheid ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil die Beklagte das Honorar des Klägers unter Verstoß gegen Ziff. 2.3 der gemäß § 11 Abs. 9 HVM erlassenen Durchführungsbestimmungen zum HVM berechnet hat.

Nach dieser Regelung werden Ärzte, auf die die FZB Anwendung findet, mit dem jeweiligen Vorjahresquartal verglichen, wenn sie in den Vergleichsquartalen aus 1995 weniger als 13 Quartale abgerechnet haben. Sie weicht damit im Interesse junger Praxen von § 11 Abs. 4 Satz 1 HVM ab, wonach Vergleichwerte bei budgetierten Arztgruppe an und für sich diejenigen der entsprechenden Quartale des Jahres 1995 sind. Ihr erkennbarer Zweck besteht darin, Praxen, die zwar einerseits schon der FZB unterliegen, sich andererseits aber 1995 noch im Aufbau befunden haben, nicht an den Fallzahlen der Aufbauphase festzuhalten. Stattdessen soll die FZB erst ab einem Zeitraum zum Tragen kommen, in dem diese Aufbauphase bereits abgeschlossen war. Damit trägt die Vorschrift einer Forderung des BSG Rechnung (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 45).

Aus dem geschilderten Regelungszweck ergibt sich, dass Praxen, auf die Ziff. 2.3 der Durchführungsbestimmungen zum HVM im Quartal I/1999 Anwendung findet, sowohl hinsichtlich ihrer Fallzahl als auch der Fallzahl der Arztgruppe und der Höhe der maßgeblichen Gesamtvergütung mit dem entsprechenden Vorjahresquartal, also dem Quartal I/1998, zu vergleichen sind. Eine weiter gehende Begünstigung dieser Praxen dahingehend, dass lediglich ihre budgetrelevante Fallzahl des Quartals I/1998 maßgeblich, hinsichtlich der erlaubten Steigerungsrate jedoch auf die Entwicklung der Gesamtvergütung und der Fallzahlen der Arztgruppe seit dem Quartal I/1995 abzuheben sein soll, lässt sich Ziff. 2.3 der Durchführungsbestimmungen zum HVM nach Wortlaut und Zweck nicht entnehmen. Sie wäre auch nicht mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art 12 Abs. 1 i.V.m. Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) zu vereinbaren, da sie mit größer werdendem Abstand zum Jahr 1995 zu einer immer stärkeren Besserstellungen der betroffenen Praxen führen würde. Diesen würde nämlich erlaubt, von Jahr zu Jahr ("Vorjahresquartal") um die Veränderungsrate der Gesamtvergütung gegenüber dem Jahr 1995 zu wachsen. Gegenüber den Praxen, die sich gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 HVM hinsichtlich der Veränderung von Gesamtvergütung und Fallzahlen an 1995 festhalten lassen müssen, würde ihnen auf diese Weise ein exponentielles Wachstum ermöglicht, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund erkennbar wäre.

Das Honorar des Klägers ist abweichend hiervon so berechnet worden, dass das Vorjahresquartal I/1998 lediglich zur Feststellung seiner budgetrelevanten Fallzahl im Vergleichsquartal herangezogen worden ist, während die Beklagte die Veränderungsrate der Gesamtvergütung auf der Basis des Jahres 1995 ermittelt hat. Damit hat sie dem Kläger nur innerhalb des Zeitraums von I/1998 bis I/1999 bezogen auf die durchschnittliche budgetrelevante Fallzahl seiner Arztgruppe einen Fallzahlzuwachs von 6,2 % und bezogen auf seine eigene, schon im Quartal I/1998 deutlich überdurchschnittlich große Praxis immerhin noch einen Fallzahlzuwachs von 3,8 % ermöglicht. Innerhalb eines einzigen Jahres durfte er seine Fallzahl um 59 budgetrelevante Fälle erhöhen, während eine von Ziff. 2.3 der Durchführungsbestimmungen zum HVM nicht begünstigte Praxis einen absoluten Fallzahlzuwachs in identischer Höhe nur in der Zeit von I/1995 bis I/1999, also innerhalb von vier Jahren, erzielen durfte.

Diese rechtswidrige - nach Angaben der Bevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf einem praktischen Umsetzungsproblem beruhende - Praxis der Honorarberechnung führt indessen nicht zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide, weil der Kläger - wie unmittelbar einsichtig ist - durch sie ausschließlich begünstigt worden und daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert ist.

II.

Demgegenüber sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichten, soweit der Fallzahlzuwachs des Klägers aufgrund der Regelung des § 11 HVM beschränkt und der Kläger hierdurch beschwert worden ist. Denn diese Vorschrift steht nicht mit höherrangigem Recht in Einklang. Soweit der Senat eine gleich lautende FZB-Regelung der Beklagten in einer früheren Entscheidung (Urt. v. 14.02.2001 - L 11 KA 154/00 - MedR 2001, 426) nicht beanstandet hat, hält er hieran unter dem Eindruck der zeitlich danach ergangenen Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 13.03.2002 - B 6 KA 48/00 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 44) nicht mehr fest.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG geht der Senat davon aus, dass die Ermächtigungsgrundlage für Regelungen über die Begrenzung des Fallzahlzuwachses in § 85 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung (SGB V) i.V.m. Ziff. 5 der Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 (Dt. Ärzteblatt 1997, S. A-403, (Praxisbudgetvereinbarung)) zu sehen ist (BSG SozR 3-2500 § 85 Nrn. 44 und 45; a.A. LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 14.01.2003 - L 6 KA 48/01 - n.rkr.). Danach sind die KÄVen verbindlich (vgl. §§ 72 Abs. 2, 82 Abs. 1 Satz 1 SGB V) verpflichtet, die Möglichkeiten der Vertragsärzte, ihre Fallzahlen zu steigern, durch Mittel der Honorarverteilung zu begrenzen, wenn die Fallzahl gegenüber dem Vergleichsquartal des Vorjahres um mehr als 5 % steigt.

Die hier streitige FZB-Regelung der Beklagten (§ 11 HVM) setzt die Vorgaben der Praxisbudgetvereinbarung nicht in sachgerechter Weise um und verstößt damit gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art 12 Abs. 1 i.V.m. Art 3 Abs. 1 GG). Denn sie lässt nicht eine bestimmte prozentuale Steigerung zu, sondern knüpft bei dem zulässigen Fallzahlzuwachs an ein in diesem Zusammenhang unzulässiges Kriterium an, nämlich die prozentuale Steigerung des auf die jeweilige Arztgruppe entfallenden Gesamtvergütungsanteils. Dies ist, wie das BSG bereits zum HVM der KÄV Nordwürttemberg entschieden hat (BSG, SozR 3-2500 § 85 Nr. 44), aus zwei Gründen rechtswidrig: Einmal sind durchweg nur unzureichende Steigerungsraten der Fallzahl von jährlich weniger als 2 % möglich, weil auch die hinsichtlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten durch den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) eng an die Grundlohnsumme angekoppelte Gesamtvergütung in den letzten Jahren durchschnittlich nur in diesem Umfang gestiegen ist. Zum anderen steht für den Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Leistungserbringung noch nicht fest, in welchem Umfang er - wenn überhaupt - Fallzahlsteigerungen vergütet erhält. Nur vorhersehbare Fallzahlsteigerungen ermöglichen es dem Vertragsarzt jedoch, ein kontinuierliches Praxiswachstum zu betreiben, das auch unter Budgetbedingungen erhalten bleiben muss. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung nach nochmaliger Überprüfung aus eigener Überzeugung an.

Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt es keine abweichende Beurteilung, dass die FZB - insoweit im Übrigen ebenso wie bei der KÄV Nordwürttemberg - nur eingreift, wenn sowohl die Arztgruppe als auch der betroffene Vertragsarzt ihre Fallzahlen über den prozentualen Anstieg der Gesamtvergütung hinaus erhöht haben, sodass "Patientenwanderungen" innerhalb einer Arztgruppe grundsätzlich zulässig bleiben. Im Gegenteil wird hierdurch das vom BSG zu Recht hervorgehobene Bedenken der mangelnden Vorhersehbarkeit der zulässigen Fallzahlsteigerung noch verstärkt. Denn der einzelne Vertragsarzt kann nicht mit hinreichender Verlässlichkeit einschätzen, wie sich die Fallzahlen seiner Arztgruppe im jeweiligen Quartal entwickeln. Das belegt gerade auch die Auswertung der Abrechnungsunterlagen des Klägers. So hat ihn die FZB der Beklagten nur in einzelnen Quartalen - in den Jahren 1999 und 2000 lediglich im jeweils ersten Quartal, im Jahr 2001 dagegen in allen Quartalen außer dem zweiten - betroffen, weil in den übrigen Quartalen seine Arztgruppe ihre durchschnittliche budgetrelevante Fallzahl im nach § 11 HVM zulässigen Rahmen gesteigert hat. Als Folge davon blieb z.B. im Quartal IV/2000 eine budgetrelevante Fallzahl von 1.955 unbeanstandet, während im Quartal I/2001 bereits oberhalb einer Fallzahl von 1.747 Kürzungsmaßnahmen griffen. Derartige Schwankungen schließen ein planbares kontinuierliches Praxiswachstum jedoch nahezu aus.

Der Senat folgt auch nicht der Einschätzung der Beklagten, die konkrete Ausgestaltung der FZB in § 11 HVM weiche so weitgehend von der vom BSG beanstandeten Regelung der KÄV Nordwürttemberg ab, dass eine abweichende Beurteilung gerechtfertigt sei.

Soweit die Beklagte anders als die KÄV Nordwürttemberg jedenfalls im Streitquartal und bei Vertragsärzten mit Praxisbudget nicht auf das jeweilige Vorjahresquartal, sondern mit dem Jahr 1995 auf einen festen Bezugszeitraum in der Vergangenheit abstellt, führt dies nicht zu nennenswert verbesserten Möglichkeiten der Fallzahlsteigerung. Dies zeigen gerade auch die im vorliegenden Fall zugrunde gelegten Werte. So durfte die Arztgruppe der Allgemeinmediziner ihr Fallzahlwachstum im Zeitraum vom Quartal I/1995 bis zum Quartal I/1999 zulässig nur um 6,2 % steigern. Das entspricht einem jährlichen Durchschnitt von lediglich 1,55 %. Die Regelung der Beklagten unterscheidet sich von derjenigen der KÄV Nordwürttemberg danach nur insoweit, als eine Praxis, die in einem Jahr ihren zulässigen Fallzahlzuwachs nicht voll ausschöpft, durch eine geringe Steigerung der Gesamtvergütung im nächsten Jahr nicht so stark beeinträchtigt wird wie bei einer Anknüpfung an die Werte des jeweiligen Vorjahres. Ein kontinuierliches Wachstum der Praxis, das sich an der zulässigen und für den Vertragsarzt berechenbaren Fallzahlsteigerung orientiert, wird dadurch aber gerade nicht in besserem Maße gewährleistet. Ohnedies gilt die Bezugnahme auf 1995 nur für solche Praxen, die im Vergleichsquartal dieses Jahres bereits 13 Quartale abgerechnet hatten. Praxen wie die des Klägers würden - jedenfalls bei korrekter Umsetzung von Ziff. 2.3 der Durchführungsbestimmungen zum HVM (siehe dazu unter I. der Entscheidungsgründe) - ebenso wie bei der KÄV Nordwürttemberg mit den Werten des Vorjahresquartals verglichen.

Ein ausreichendes Wachstum ihrer Praxen wird den betroffenen Vertragsärzten auch nicht dadurch ermöglicht, dass § 11 HVM nicht das gesamte Abrechnungsvolumen einbezieht, sondern nur die budget- bzw. modulrelevanten Behandlungsfälle Vergütungsanteile. Zwar hat gerade der Kläger die ihm hierdurch belassenen Möglichkeiten durchaus zu nutzen verstanden. So ist der Anteil des Honorars, den er budgetunterworfenen Leistungen erwirtschaftet hat, am vertragsärztlichen Gesamthonorar von 69,5 % im Streitquartal auf nur noch 51,7 % im Quartal I/2002 gesunken. Indessen kommt hierin kein verallgemeinerungsfähiger, alle Vertragsärzte gleichermaßen begünstigender Gestaltungsspielraum zum Ausdruck. So hat die Auswertung anderer Praxen (z.B. in den am selben Verhandlungstag verhandelten Streitsachen L 11 KA 90/02, 91/02, 92/02 und 93/02) gezeigt, dass dort sowohl die budgetrelevante Fallzahl als auch der budgetrelevante Leistungsbedarf und Honoraranteil durchgängig weit über 90 % des gesamten jeweiligen Praxisvolumens ausmachten. Die Rechtmäßigkeit einer abstrakt-generellen Regelung wie § 11 HVM kann aber nicht davon abhängen, inwieweit einzelne Vertragsärzte oder auch Arztgruppen im Stande sind, ihr durch eine Veränderung des individuellen Leistungsspektrums auszuweichen. Das gilt umso mehr, als sich dieses Leistungsspektrum in erster Linie an den Versorgungsnotwendigkeiten zu orientieren hat. Zudem ändern die in großzügigerem Maße als bei der KÄV Nordwürttemberg belassenen FZB-freien Honorarbereiche nichts an der Unzulässigkeit des Anknüpfungskriteriums "Steigerung der Gesamtvergütung" an sich und der hieraus folgenden unzureichenden Vorhersehbarkeit der individuellen Praxisentwicklung.

Aus den genannten Gründen rechtfertigen auch weder die Ausgleichsmöglichkeiten unter den einzelnen Budget- bzw. Modulbereichen noch die Quotierungsgrenze von 85 % eine Entscheidung zugunsten der Beklagten. Gerade die Quotierungsgrenze kommt im Übrigen maßgeblich solchen Praxen zugute, bei denen die Fallzahlen besonders stark gestiegen sind, die sich daher verstärkt dem Verdacht ausgesetzt sehen, dass die Fallzahlentwicklung nicht auf Versorgungsnotwendigkeiten beruht, und die aus diesem Grund in erster Linie gemäß Ziff. 5 Praxisbudgetvereinbarung einer FZB unterworfen werden sollten. Praxen, die demgegenüber ihre Fallzahl nur mäßig gesteigert haben und bei denen der individuelle Quotierungsfaktor aus diesem Grund höher als 85 % ist, profitieren von ihr dagegen nicht.

Soweit die Beklagte einen Ausgleich bei Unterschreitungen der zulässigen Fallzahl in den Folgequartalen und "neuen" Praxen ein zunächst unbegrenztes Wachstum ermöglicht hat, hat sie damit lediglich Forderungen entsprochen, die nach der Rechtsprechung des BSG auch an eine im Ansatz zulässige Regelung über die Schaffung individueller Kontingente bzw. die Begrenzung des Fallzahlzuwachses zu stellen sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 23 und 25). Die Unzulässigkeit des Anknüpfungskriteriums an sich wird dadurch gerade nicht beseitigt und insbesondere ein kontinuierliches Praxiswachstum nicht in ausreichendem Maße gewährleistet. Gleiches gilt für die geschaffenen Ausnahmeregelungen für bestimmte untypische, nicht konkret vorhersehbare Umstände (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nrn. 27, 28 und 31). Ein unbeschränktes Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt hat die Beklagte den Vertragsärzten erst in § 15 Abs. 1 Satz 5 HVM in der Fassung vom 08.04.2000 (KVWL Pluspunkt Extra 8, S. 31 ff.) zugestanden und damit ebenfalls einer zwingenden Forderung des BSG Rechnung getragen (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 45).

III.

Bei der Neufassung ihrer nach Ziff. 5 Praxisbudgetvereinbarung erforderlichen FZB-Regelung wird die Beklagte unbedenklich jedem Vertragsarzt ein Fallzahlwachstum bezogen auf das Vorjahresquartal von 5 % zugestehen dürfen. Hierzu ist sie indessen nicht verpflichtet. Vielmehr kann sie auch eine niedrigere Zuwachsgrenze festsetzen, sofern für den einzelnen Vertragsarzt ein gewisses kontinuierliches Fallzahlwachstum möglich bleibt (BSG, SozR 3-2500 § 85 Nrn. 44 und 45).

Soweit der Kläger auf der Grundlage einer neuen Regelung unverändert einer FZB unterliegt, wird die Beklagte hiervon jedenfalls unter Sicherstellungsgesichtspunkten im Sinne von § 11 Abs. 6 HVM in seinem Fall keine Ausnahme zu machen haben.

Der Kläger kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf die Umstände der Praxisnachfolge von Herrn Dr. G berufen. Es stellt keine Besonderheit dar, dass Versicherte einen derartigen Wechsel zum Anlass nehmen, ihrerseits den Arzt zu wechseln. Änderungen in den Versorgungsnotwendigkeiten in einem vergleichbaren Ausmaß wie bei der Schließung einer Praxis oder der Beendigung einer Ermächtigung entstehen hierdurch nicht. Vielmehr kommen lediglich allgemeine Wettbewerbseffekte zum Tragen. Diese schließen eine FZB jedoch nicht aus.

Die Beklagte hat es auch zu Recht abgelehnt, die Schließung der Praxis von Herrn Dr. T als Ausnahmefall anzuerkennen. Ihrem substantiierten und einleuchtenden Vortrag hierzu ist der Kläger nicht wirksam entgegengetreten. Im Übrigen belegt auch die mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörterte Abrechnungsübersicht seine Darstellung nicht. Vielmehr ist die Fallzahl seiner Praxis vom vierten Quartal des letzten zum ersten Quartal des folgenden Jahres durchweg sprunghaft gestiegen.

Schließlich brauchte die Beklagte dem Kläger für das Streitquartal keine höhere Fallzahl wegen der Betreuung von Patienten in beschützenden Einrichtungen zuzugestehen. Denn insoweit hat der Kläger, was unstreitig ist, im Streitquartal keinen Fallzahlzuwachs erzielt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24). Sie berücksichtigt, dass der Kläger zwar mit seinem Anspruch auf Neubescheidung durchgedrungen ist, diese aber keinesfalls im Ergebnis zu einem höheren Honorar für das Quartal I/1999 führen muss.

Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG). Soweit der Fall Fragen von grundlegender Bedeutung aufwirft, sind diese vom BSG anhand des HVM der KÄV Nordwürttemberg bereits beantwortet worden. Wie dargelegt, unterscheidet sich der streitbefangene HVM der Beklagten hiervon nicht so wesentlich, dass hierdurch noch offene Fragen aufgeworfen würden, die einer weiteren höchstrichterlichen Klärung bedürften.
Rechtskraft
Aus
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