Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 19 KR 182/00
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 83/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. April 2002 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten die ihr zur Rechtsverfolgung entstandenen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 4.382,44 DM für die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. März 1997 bis 31. Mai 1998 beim Kläger.
Der Kläger betreibt eine Landwirtschaft. Er beschäftigte u.a. in dem Zeitraum 1. März 1997 bis 31. Mai 1998 die Beigeladene zu 1) zu einem monatlichen Entgelt in Höhe von 610,00 DM (50,5 Arbeitsstunden/Monat - 12 DM Stundenlohn; Entgelt März bis Dezember 1997: 6.100,00 DM; 1998: 7.320,00 DM). Die Beklagte führte bei dem Kläger am 2. Dezember 1999 für den Zeitraum 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1998 eine Betriebsprüfung durch. Sie ermittelte, dass die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 1. Februar 1997 bis 31. Mai 1998 einer weiteren geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft mit monatlichen Arbeitsentgelten zwischen 232,50 und 420 DM (vgl. Bl. 6 VA) nachgegangen war. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1999 forderte sie von dem Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz für den Zeitraum 1. März 1997 bis 31. Mai 1998 in Höhe von 4.818,58 DM nach. Mit Bescheid vom 14. Dezember 1999 ersetzte sie jenen Bescheid und setzte die Beitragsnachforderung in Höhe von 4.382,44 DM fest. Sie führte aus, mehrere geringfügig entlohnte Beschäftigungen seien zusammenzurechnen. In dem maßgeblichen Zeitraum habe die Beigeladene zu 1) infolge der Zusammenrechnung mit einer weiteren Beschäftigung die Geringfügigkeitsgrenze überschritten und der Sozialversicherungspflicht nach den allgemeinen Vorschriften unterlegen.
Mit seinem Widerspruch vom 17. Dezember 1999, am 23. Dezember bei der Beklagten eingegangen, machte der Kläger geltend, nach den ihm vorliegenden Unterlagen habe die Beigeladene zu 1) mehrfach bestätigt, dass sie nur bei ihm beschäftigt sei und daneben keine weitere Beschäftigung ausübe. Dies habe sie bei einer nochmaligen Rückfrage erneut bekräftigt. Es sei also davon auszugehen, dass ein früherer Arbeitgeber sie nicht abgemeldet habe. Die Beitragsnachforderung sei daher nicht berechtigt. Außerdem sei der Beitragssatz zur Pflegeversicherung fehlerhaft mit 17 % statt mit 1,7 % zu Grunde gelegt worden. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 5. Januar 2000 mit, dass bereits mit dem Bescheid vom 14. Dezember 1999 der irrtümlich zu Grunde gelegte Beitragssatz zur Pflegeversicherung in Höhe von 17 % in den zutreffenden Beitragssatz in Höhe von 1,7 % berichtigt worden sei. Damit sei dieser Gesichtspunkt erledigt. Im Übrigen legte sie die Rechtslage hinsichtlich zweier parallel ausgeübter geringfügiger Beschäftigungen erneut dar. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, es bestehe eine Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung, wenn eine geringfügig beschäftigte Aushilfskraft eine weitere geringfügige Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber ausübe und beide geringfügige Beschäftigungen zusammen die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Das gelte auch dann, wenn die beschäftigte Aushilfskraft die weitere geringfügige Beschäftigung gegenüber ihren Arbeitgebern verschweige. Der Arbeitgeber trage das Risiko, wenn die beschäftigten Arbeitnehmer bei der Einstellung oder während des Beschäftigungsverhältnisses keine vollständigen bzw. unrichtigen Angaben zu weiteren Beschäftigungen machten.
Gegen die Entscheidung hat der Kläger am 11. Juli 2000 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe vor und während der Beschäftigung die Beigeladene zu 1) gefragt, ob sie noch eine weitere Beschäftigung ausübe. Sie habe dies verneint. Bei einer bestehenden Versicherungspflicht hätte er sie nicht eingestellt. Der Solidargemeinschaft entstehe daher kein Schaden, wenn er die Beiträge nicht zahle. Wenn Arbeitsvertragsparteien davon ausgingen, dass keine Versicherungspflicht bestehe, liege arbeitsrechtlich zwischen ihnen keine Vertragslücke vor, die durch eine Beitragszahlung zu schließen sei. Wenn ein Arbeitnehmer entgegen seinen Angaben eine weitere geringfügige Beschäftigung ausübe, dürfe er durch sein arbeitsvertragswidriges Verhalten nicht besser gestellt werden, als wenn er diese weitere Beschäftigung von vornherein angezeigt hätte. Der Arbeitgeber müsse vor Täuschungen des Arbeitnehmers geschützt werden, daher dürfe keine Sozialversicherungspflicht begründet werden. Anderenfalls wäre ein Arbeitnehmer gehalten, ein weiteres Beschäftigungsverhältnis zunächst zu verschweigen. Er habe keinen Anlass gehabt, die Versicherungspflicht überprüfen zu lassen. Die Beitragsforderung belaste ihn unzumutbar, da er alle ihm obliegenden Verpflichtungen erfüllt habe und keine Zweifel an der Versicherungsfreiheit aufgekommen seien. Er habe die geringfügige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) oder zu 3) angemeldet. Beim Zusammentreffen zweier geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse entstehe eine Versicherungspflicht nur im ersten Beschäftigungsverhältnis, denn es sei nicht denkbar, dass parallel zwei sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse durch das Zusammentreffen entständen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid vom 6. Dezember 1999 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2000 aufzuheben.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Anmeldung der Beigeladenen zu 1) als geringfügig Beschäftigte bestätigt. Bei einer Mehrfachbeschäftigung entfalle auf jeden Arbeitgeber nur der Gesamtsozialversicherungsbeitrag für das bei ihm erzielte Arbeitsentgelt. Der Arbeitgeber trage dabei das Risiko, dass der Arbeitnehmer eine weitere Beschäftigung ausübe. Es bleibe ihm unbenommen, von dem Arbeitnehmer Schadensersatz zu fordern.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1) hat bestätigt, dass sie dem Kläger gesagt habe, keine zweite Beschäftigung auszuüben.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30. April 2002 die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beigeladene zu 1) sei gesamtsozialversicherungspflichtig tätig gewesen. Die Beitragsansprüche entständen kraft Gesetzes, sobald die Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Eine Kenntnis des Arbeitgebers über die die Beitragspflicht begründenden Tatsachen sei nicht erforderlich. Die Sozialversicherungspflicht sei zum Schutze der Arbeitnehmer eingeführt worden. Sie bestehe unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beschäftigung eine Versicherungspflicht begründen wolle, denn sie bezwecke eine langfristige soziale Absicherung. Der Arbeitgeber könne sich vor unredlichen Arbeitnehmern nur schützen, indem er sich bei der für die Sozialversicherungspflicht zuständigen Einzugsstelle erkundige. Ansonsten verblieben ihm nur Schadensersatzansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer.
Gegen das ihm am 12. Juli 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juli 2002 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er trägt vor, ein wirksamer Schutz des Arbeitgebers vor Eintritt der Beitragspflicht bestehe einerseits in einer Nachfrage bei der Einzugsstelle und andererseits in einer Befragung des Arbeitnehmers bei dessen Einstellung. Auch eine weitere Erkundigung beim Arbeitnehmer während des laufenden Beschäftigungsverhältnisses, wie er sie wiederholt eingeholt habe, schütze ihn. Erkundigungen bei der Einzugsstelle müsse ein Arbeitgeber nur bei Zweifeln oder Misstrauen einholen. Gründe hierfür hätten jedoch nicht bestanden. Es würde eine Überlastung der Einzugsstelle zur Folge haben, wenn jeder Arbeitgeber bei jedem geringfügigen Arbeitsverhältnis Nachfrage halte. Die Beitragsnachforderung beruhe nur auf einem Fehler der Einzugsstelle, denn der seien auf Grund der Meldungen beide geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse bekannt gewesen. Außerdem habe die Beklagte die Möglichkeit gehabt, den Meldebestand im Zentralcomputer des VBR (gemeint wohl: VdR) abzugleichen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. April 2002 sowie den Bescheid vom 6. Dezember 1999 in der Fassung des Abänderungsbescheides vom 14. Dezember 1999 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, die Tatsache, dass die Beigeladene zu 1) dem Kläger das zweite Beschäftigungsverhältnis nicht mitgeteilt habe, könne zur Folge haben, dass im Innenverhältnis zwischen den beiden die Beigeladene zu 1) nachträglich den Arbeitnehmeranteil tragen müsse. Über die Versicherungs- und Beitragspflicht entscheide die Einzugsstelle, sie selbst, die Beklagte als Rentenversicherungsträger, nur im Rahmen einer Betriebsprüfung. Erst anlässlich einer solchen Prüfung sei die zweite Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) aufgefallen. Das Verhalten der Beigeladenen zu 3) (Einzugsstelle) könne nicht als Verwirkungshandeln angesehen werden. Denn ein bloßes Nichtstun begründe keinen Verwirkungstatbestand; hierfür sei ein konkretes Verhalten erforderlich, das die berechtigte Erwartung erwecke, es bestehe keine Beitragsforderung. Es könnten jedoch auch Schadensersatzansprüche des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1) in Betracht kommen.
Die Beigeladene zu 3) teilt die Rechtsauffassung der Beklagten und trägt vor, die Beigeladene zu 1) sei in dem maßgeblichen Zeitraum nicht ihr Mitglied gewesen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 der Zweiten Datenerfassungsverordnung in der bis zum 31. März 1999 geltenden Fassung seien die An-, Ab- und Änderungsmeldungen von geringfügig Beschäftigten nicht im maschinell geführten Mitgliederbestand der Träger der Krankenversicherung aufzunehmen gewesen.
Auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Verfahrensakte wird zur Ergänzung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. April 2002 ist zulässig. Angesichts des Gegen- standswerts ist sie insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Entscheidung der Beklagten bestätigt, mit der diese Beiträge für die Beigeladene zu 1) vom Kläger für den Zeitraum vom 1. März 1997 bis 31. Mai 1998 nachgefordert hat.
Die Beklagte war für die Überprüfung und die Nachforderung von Beiträgen zuständig. Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Gemäß Satz 5 der Vorschrift erlassen sie im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Beitragspflicht und Beitragshöhe nach dem (damals) Arbeitsförderungsgesetz, jetzt Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Die Beklagte hat zu Recht Beiträge für die Beigeladene zu 1) von dem Kläger erhoben, denn diese war in dem Zeitraum versicherungspflichtig beschäftigt. Beschäftigte sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) und § 168 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungspflichtig und in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) besteht darüber hinaus für Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte, die versicherungspflichtige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, auch Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Voraussetzungen lagen bei der Beigeladenen zu 1) vor. Ihre Versicherungspflicht entfiel nicht im Hinblick darauf, dass sie geringfügig beschäftigt war. Nach den §§ 7 SGB V, 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, 169 AFG und 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III sowie durch die Bezugnahme des § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI auf die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung besteht keine Versicherungspflicht, wenn die Beschäftigung lediglich geringfügig ausgeübt wird. Nach § 8 Abs. 1 SGB IV in der 1996 und 1997 geltenden, durch Gesetz vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 388) abgeänderten Fassung lag eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn diese regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wurde und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV, bei höherem Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht überstieg (Nr. 1) oder die Beschäftigung innerhalb eines Jahres seit ihrem Beginn auf längstens zwei Monate oder 50 Tage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im voraus vertraglich begrenzt war, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde und ihr Entgelt die in Nr. 1 genannten Grenzen überstieg (Nr. 2). Die Geringfügigkeitsgrenze lag ab 1. Januar 1997 bei 610,00 DM monatlich, ab 1. Januar 1998 bei 620,00 DM. Diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllte zwar das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger. Die von ihr erbrachte Arbeitszeit von 50,5 Stunden monatlich und die beim Kläger erzielten Entgelte von März bis Dezember 1997 in Höhe von 6.100,00 DM und von Januar bis Dezember 1998 in Höhe von 7.320,00 DM entsprachen diesen Grenzen der Geringfügigkeit. Jedoch sind bei der Anwendung des Absatzes 1 mehrere geringfügige Beschäftigungen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV zusammenzurechnen. Diese Zusammenrechnung beider von der Beigeladenen zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübten Beschäftigungsverhältnisse ergibt ein Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze. Davon gehen alle Beteiligten übereinstimmend und zu Recht aus. Sie war damit auch im Rahmen der Beschäftigung bei dem Kläger versicherungspflichtig. Die Versicherungspflicht trat kraft Gesetzes ein (BSG, Urteil vom 23. Februar 1988, 12 RK 43/87, SozR 2100 § 8 Nr. 5). Mit ihr ging nach § 22 Abs. 1 SGB IV ebenfalls kraft Gesetzes die Beitragspflicht einher. Die Zahlung der Beiträge schuldete gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV der Kläger als Arbeitgeber. Nach § 28g Satz 1 SGB IV konnte er grundsätzlich den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Lohn der Beigeladenen zu 1) abziehen. Allerdings bestimmt die Vorschrift, dass ein unterbliebener Abzug nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden darf. Diese Regelung über den Einbehalt des Arbeitnehmeranteils betrifft nur das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und ist gegenüber der Einzugstelle, bezüglich der es bei der Zahlungspflicht des § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV verbleibt, unmaßgeblich. Danach ist die Beitragsschuld des Klägers für die Beigeladene zu 1) entstanden. Nach dem Gedanken des § 22 Abs. 2 SGB IV haftet er nur für die auf seine Beschäftigung entfallenden Beitragsansprüche (vgl. BSG a.a.O.), nicht auch für die aus dem zweiten Beschäftigungsverhältnis.
Keiner der von dem Kläger genannten Gesichtspunkte ist geeignet, diese entstandene Beitragsverpflichtung zu hindern und es stehen ihr keine wirksamen rechtsvernichtenden Einwendungen des Klägers gegenüber. Die Beiträge sind nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren sie in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Diese Frist war zum Zeitpunkt des Beitragsbescheides am 6. Dezember 1999 noch nicht abgelaufen. Der Beitragsanspruch war auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist auch für das Sozialversicherungsrecht und für die Nachforderung von Beiträgen anerkannt (BSG, Urteil vom 30. November 1978, 12 RK 6/76, BSGE 47, 194). Hierfür reicht es jedoch nicht aus, dass die Beitragsberechtigten - hier die Beklagte und die beigeladenen übrigen Versicherungsträger - die Ausübung ihres Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen haben (dies ist hier angesichts der Zeitbezüge bereits äußerst fraglich); es ist vielmehr zusätzlich erforderlich, dass der Verpflichtete aufgrund eines konkreten Verhaltens des Forderungsberechtigten berechtigter Weise darauf vertrauen durfte und auch tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr bestehe oder nicht mehr geltend gemacht werde, so dass die verspätete Geltendmachung ihm gegenüber unzumutbar erscheinen würde (BSG, Urteil vom 5. Dezember 1972, 10 RV 441/71, BSGE 35, 91; Bayer in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 25 SGB IV Rdnr. 30). Daran fehlt es hier. Die Beklagte und die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben hier mangels Kenntnis von der Beitragspflicht gar nicht gehandelt und damit auch nicht den positiven Eindruck erweckt, sie würden für den im Streit befindlichen Zeitraum keine Beiträge nachfordern.
Sie haben auch keinen Tatbestand geschaffen, aufgrund dessen der Kläger berechtigt davon ausgehen konnte, die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) sei nicht versicherungspflichtig. Wie oben ausgeführt, fehlt es hier bereits an einem positiven Handeln der Beklagten und ebenso der Beigeladenen zu 2) bis 4), welches die Beklagte sich zurechnen lassen müsste. Selbst eine durchgeführte Betriebsprüfung in einem Unternehmen stützt grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand des Unternehmers hinsichtlich des Beitragseinzuges (BSG, a.a.O.). Erst recht muss dies dann gelten, wenn ein Verwaltungsträger gar nicht gehandelt hat. Aus dem Grunde kann es hier dahinstehen, ob die Beklagte aufgrund des Datenbestandes Kenntnis von der weiteren geringfügigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) hatte oder nicht. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen wäre und sie nicht entsprechend tätig geworden wäre, würde ein Vertrauensschutz des Klägers hierauf nicht zu gründen sein. Der Kläger konnte auch nicht deswegen vertrauen, weil er alle ihm obliegenden Meldungen abgegeben und die Beigeladene zu 1) mehrfach befragt hatte. Denn ein Vertrauen ist nur dann schützenswert, wenn es sich auf ein Verhalten des Berechtigten stützen kann. Allein die Tatsache, dass ein Beitragsschuldner seinen Meldepflichten nachgekommen ist, löst noch keine erhöhte Schutzwürdigkeit aus.
Der Grundsatz des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führt von seiner Rechtsfolge her nicht weiter. Denn mit diesem Rechtsinstitut kann lediglich eine rechtmäßige Rechtsfolge im Verwaltungswege herbeigeführt werden. Von der Beitragsforderung abzusehen, obwohl die Beiträge fällig geworden sind, würde jedoch gerade der Rechtslage widersprechen. Es blieben dem Kläger daher lediglich Schadenersatzansprüche gegenüber der Beklagten, wenn diese rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hätte. Der Kläger hat Schadensersatzansprüche jedoch nicht geltend gemacht.
Somit verbleibt es unter allen rechtlichen Gesichtspunkten bei der Beitragspflicht des Klägers. Dies mag im Hinblick darauf unbefriedigend erscheinen, dass er tatsächlich keine Kenntnis von der weiteren Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) gehabt hat - aufgrund des einvernehmlichen Vortrags aller Verfahrensbeteiligter geht der Senat davon aus - und bei der Beigeladenen zu 1) mehrfach nach einer weiteren geringfügigen Beschäftigung nachgefragt hat - aufgrund des Vortrags des Klägers und der Beigeladenen zu 1) geht der Senat auch hiervon aus -. Denn damit hat der Kläger alle ihn treffenden Obliegenheiten erfüllt. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass ein Arbeitgeber in einer derartigen Situation nicht schutzlos ist. Einerseits hat er je nach den Umständen des Falles gegenüber der Beigeladenen zu 1) als Arbeitnehmerin einen Schadenersatzanspruch in dem Sinne, dass er über die Regelung des § 28g SGB IV hinaus den Arbeitnehmeranteil von ihr verlangen kann. Demgemäß zahlt die Beigeladene zu 1) an ihn auch den auf sie entfallenden Anteil. Darüber hinaus ist ein Arbeitgeber eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses berechtigt, den Arbeitnehmer nach weiteren Beschäftigungsverhältnissen zu befragen. Allerdings schützt ihn diese Befragung wie im vorliegenden Fall nicht vor einer unwahren Antwort. Er hat darüber hinaus aber auch die Möglichkeit sich zu schützen, indem er in regelmäßigen Abständen bei der Einzugstelle beantragt, Ermittlungen einzuleiten und über die Versicherungspflicht zu entscheiden. Die Einzugstelle hat unter anderem die Möglichkeit, den Arbeitnehmer zu befragen, Auskünfte einzuholen und Zeugen zu vernehmen oder gerichtlich vernehmen zu lassen. Wenn die Einzugstelle eine Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht getroffen hat, kann dieser Bescheid rückwirkend nur noch im Rahmen der §§ 45 und 48 SGB X aufgehoben werden (BSG, Urteil vom 23. Februar 1988, a.a.O.). Diese Schutzregelungen für den Arbeitgeber rechtfertigen es, ihm das Beitragsrisiko im Falle einer weiteren geringfügig ausgeübten Beschäftigung des Arbeitnehmers aufzuerlegen, auch wenn er von dieser keine Kenntnis hatte und Rückfrage bei dem Arbeitnehmer gehalten hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da trotz des Urteils des BSG vom 23. Februar 1988 weiterhin klärungsbedürftig ist, ob auch der Arbeitgeber für Beiträge haftet, den an der unterbliebenen Beitragsabführung kein Verschulden trifft und der beim Arbeitnehmer Erkundigungen eingeholt hat.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 4.382,44 DM für die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. März 1997 bis 31. Mai 1998 beim Kläger.
Der Kläger betreibt eine Landwirtschaft. Er beschäftigte u.a. in dem Zeitraum 1. März 1997 bis 31. Mai 1998 die Beigeladene zu 1) zu einem monatlichen Entgelt in Höhe von 610,00 DM (50,5 Arbeitsstunden/Monat - 12 DM Stundenlohn; Entgelt März bis Dezember 1997: 6.100,00 DM; 1998: 7.320,00 DM). Die Beklagte führte bei dem Kläger am 2. Dezember 1999 für den Zeitraum 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1998 eine Betriebsprüfung durch. Sie ermittelte, dass die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 1. Februar 1997 bis 31. Mai 1998 einer weiteren geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft mit monatlichen Arbeitsentgelten zwischen 232,50 und 420 DM (vgl. Bl. 6 VA) nachgegangen war. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1999 forderte sie von dem Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz für den Zeitraum 1. März 1997 bis 31. Mai 1998 in Höhe von 4.818,58 DM nach. Mit Bescheid vom 14. Dezember 1999 ersetzte sie jenen Bescheid und setzte die Beitragsnachforderung in Höhe von 4.382,44 DM fest. Sie führte aus, mehrere geringfügig entlohnte Beschäftigungen seien zusammenzurechnen. In dem maßgeblichen Zeitraum habe die Beigeladene zu 1) infolge der Zusammenrechnung mit einer weiteren Beschäftigung die Geringfügigkeitsgrenze überschritten und der Sozialversicherungspflicht nach den allgemeinen Vorschriften unterlegen.
Mit seinem Widerspruch vom 17. Dezember 1999, am 23. Dezember bei der Beklagten eingegangen, machte der Kläger geltend, nach den ihm vorliegenden Unterlagen habe die Beigeladene zu 1) mehrfach bestätigt, dass sie nur bei ihm beschäftigt sei und daneben keine weitere Beschäftigung ausübe. Dies habe sie bei einer nochmaligen Rückfrage erneut bekräftigt. Es sei also davon auszugehen, dass ein früherer Arbeitgeber sie nicht abgemeldet habe. Die Beitragsnachforderung sei daher nicht berechtigt. Außerdem sei der Beitragssatz zur Pflegeversicherung fehlerhaft mit 17 % statt mit 1,7 % zu Grunde gelegt worden. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 5. Januar 2000 mit, dass bereits mit dem Bescheid vom 14. Dezember 1999 der irrtümlich zu Grunde gelegte Beitragssatz zur Pflegeversicherung in Höhe von 17 % in den zutreffenden Beitragssatz in Höhe von 1,7 % berichtigt worden sei. Damit sei dieser Gesichtspunkt erledigt. Im Übrigen legte sie die Rechtslage hinsichtlich zweier parallel ausgeübter geringfügiger Beschäftigungen erneut dar. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, es bestehe eine Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung, wenn eine geringfügig beschäftigte Aushilfskraft eine weitere geringfügige Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber ausübe und beide geringfügige Beschäftigungen zusammen die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Das gelte auch dann, wenn die beschäftigte Aushilfskraft die weitere geringfügige Beschäftigung gegenüber ihren Arbeitgebern verschweige. Der Arbeitgeber trage das Risiko, wenn die beschäftigten Arbeitnehmer bei der Einstellung oder während des Beschäftigungsverhältnisses keine vollständigen bzw. unrichtigen Angaben zu weiteren Beschäftigungen machten.
Gegen die Entscheidung hat der Kläger am 11. Juli 2000 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe vor und während der Beschäftigung die Beigeladene zu 1) gefragt, ob sie noch eine weitere Beschäftigung ausübe. Sie habe dies verneint. Bei einer bestehenden Versicherungspflicht hätte er sie nicht eingestellt. Der Solidargemeinschaft entstehe daher kein Schaden, wenn er die Beiträge nicht zahle. Wenn Arbeitsvertragsparteien davon ausgingen, dass keine Versicherungspflicht bestehe, liege arbeitsrechtlich zwischen ihnen keine Vertragslücke vor, die durch eine Beitragszahlung zu schließen sei. Wenn ein Arbeitnehmer entgegen seinen Angaben eine weitere geringfügige Beschäftigung ausübe, dürfe er durch sein arbeitsvertragswidriges Verhalten nicht besser gestellt werden, als wenn er diese weitere Beschäftigung von vornherein angezeigt hätte. Der Arbeitgeber müsse vor Täuschungen des Arbeitnehmers geschützt werden, daher dürfe keine Sozialversicherungspflicht begründet werden. Anderenfalls wäre ein Arbeitnehmer gehalten, ein weiteres Beschäftigungsverhältnis zunächst zu verschweigen. Er habe keinen Anlass gehabt, die Versicherungspflicht überprüfen zu lassen. Die Beitragsforderung belaste ihn unzumutbar, da er alle ihm obliegenden Verpflichtungen erfüllt habe und keine Zweifel an der Versicherungsfreiheit aufgekommen seien. Er habe die geringfügige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) bei der Beigeladenen zu 2) oder zu 3) angemeldet. Beim Zusammentreffen zweier geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse entstehe eine Versicherungspflicht nur im ersten Beschäftigungsverhältnis, denn es sei nicht denkbar, dass parallel zwei sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse durch das Zusammentreffen entständen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
den Bescheid vom 6. Dezember 1999 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2000 aufzuheben.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Anmeldung der Beigeladenen zu 1) als geringfügig Beschäftigte bestätigt. Bei einer Mehrfachbeschäftigung entfalle auf jeden Arbeitgeber nur der Gesamtsozialversicherungsbeitrag für das bei ihm erzielte Arbeitsentgelt. Der Arbeitgeber trage dabei das Risiko, dass der Arbeitnehmer eine weitere Beschäftigung ausübe. Es bleibe ihm unbenommen, von dem Arbeitnehmer Schadensersatz zu fordern.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1) hat bestätigt, dass sie dem Kläger gesagt habe, keine zweite Beschäftigung auszuüben.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30. April 2002 die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beigeladene zu 1) sei gesamtsozialversicherungspflichtig tätig gewesen. Die Beitragsansprüche entständen kraft Gesetzes, sobald die Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Eine Kenntnis des Arbeitgebers über die die Beitragspflicht begründenden Tatsachen sei nicht erforderlich. Die Sozialversicherungspflicht sei zum Schutze der Arbeitnehmer eingeführt worden. Sie bestehe unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beschäftigung eine Versicherungspflicht begründen wolle, denn sie bezwecke eine langfristige soziale Absicherung. Der Arbeitgeber könne sich vor unredlichen Arbeitnehmern nur schützen, indem er sich bei der für die Sozialversicherungspflicht zuständigen Einzugsstelle erkundige. Ansonsten verblieben ihm nur Schadensersatzansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer.
Gegen das ihm am 12. Juli 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juli 2002 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er trägt vor, ein wirksamer Schutz des Arbeitgebers vor Eintritt der Beitragspflicht bestehe einerseits in einer Nachfrage bei der Einzugsstelle und andererseits in einer Befragung des Arbeitnehmers bei dessen Einstellung. Auch eine weitere Erkundigung beim Arbeitnehmer während des laufenden Beschäftigungsverhältnisses, wie er sie wiederholt eingeholt habe, schütze ihn. Erkundigungen bei der Einzugsstelle müsse ein Arbeitgeber nur bei Zweifeln oder Misstrauen einholen. Gründe hierfür hätten jedoch nicht bestanden. Es würde eine Überlastung der Einzugsstelle zur Folge haben, wenn jeder Arbeitgeber bei jedem geringfügigen Arbeitsverhältnis Nachfrage halte. Die Beitragsnachforderung beruhe nur auf einem Fehler der Einzugsstelle, denn der seien auf Grund der Meldungen beide geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse bekannt gewesen. Außerdem habe die Beklagte die Möglichkeit gehabt, den Meldebestand im Zentralcomputer des VBR (gemeint wohl: VdR) abzugleichen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. April 2002 sowie den Bescheid vom 6. Dezember 1999 in der Fassung des Abänderungsbescheides vom 14. Dezember 1999 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, die Tatsache, dass die Beigeladene zu 1) dem Kläger das zweite Beschäftigungsverhältnis nicht mitgeteilt habe, könne zur Folge haben, dass im Innenverhältnis zwischen den beiden die Beigeladene zu 1) nachträglich den Arbeitnehmeranteil tragen müsse. Über die Versicherungs- und Beitragspflicht entscheide die Einzugsstelle, sie selbst, die Beklagte als Rentenversicherungsträger, nur im Rahmen einer Betriebsprüfung. Erst anlässlich einer solchen Prüfung sei die zweite Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) aufgefallen. Das Verhalten der Beigeladenen zu 3) (Einzugsstelle) könne nicht als Verwirkungshandeln angesehen werden. Denn ein bloßes Nichtstun begründe keinen Verwirkungstatbestand; hierfür sei ein konkretes Verhalten erforderlich, das die berechtigte Erwartung erwecke, es bestehe keine Beitragsforderung. Es könnten jedoch auch Schadensersatzansprüche des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1) in Betracht kommen.
Die Beigeladene zu 3) teilt die Rechtsauffassung der Beklagten und trägt vor, die Beigeladene zu 1) sei in dem maßgeblichen Zeitraum nicht ihr Mitglied gewesen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 der Zweiten Datenerfassungsverordnung in der bis zum 31. März 1999 geltenden Fassung seien die An-, Ab- und Änderungsmeldungen von geringfügig Beschäftigten nicht im maschinell geführten Mitgliederbestand der Träger der Krankenversicherung aufzunehmen gewesen.
Auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Verfahrensakte wird zur Ergänzung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 30. April 2002 ist zulässig. Angesichts des Gegen- standswerts ist sie insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Entscheidung der Beklagten bestätigt, mit der diese Beiträge für die Beigeladene zu 1) vom Kläger für den Zeitraum vom 1. März 1997 bis 31. Mai 1998 nachgefordert hat.
Die Beklagte war für die Überprüfung und die Nachforderung von Beiträgen zuständig. Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Gemäß Satz 5 der Vorschrift erlassen sie im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Beitragspflicht und Beitragshöhe nach dem (damals) Arbeitsförderungsgesetz, jetzt Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Die Beklagte hat zu Recht Beiträge für die Beigeladene zu 1) von dem Kläger erhoben, denn diese war in dem Zeitraum versicherungspflichtig beschäftigt. Beschäftigte sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) und § 168 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungspflichtig und in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) besteht darüber hinaus für Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte, die versicherungspflichtige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, auch Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Voraussetzungen lagen bei der Beigeladenen zu 1) vor. Ihre Versicherungspflicht entfiel nicht im Hinblick darauf, dass sie geringfügig beschäftigt war. Nach den §§ 7 SGB V, 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, 169 AFG und 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III sowie durch die Bezugnahme des § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI auf die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung besteht keine Versicherungspflicht, wenn die Beschäftigung lediglich geringfügig ausgeübt wird. Nach § 8 Abs. 1 SGB IV in der 1996 und 1997 geltenden, durch Gesetz vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 388) abgeänderten Fassung lag eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn diese regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wurde und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV, bei höherem Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht überstieg (Nr. 1) oder die Beschäftigung innerhalb eines Jahres seit ihrem Beginn auf längstens zwei Monate oder 50 Tage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im voraus vertraglich begrenzt war, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde und ihr Entgelt die in Nr. 1 genannten Grenzen überstieg (Nr. 2). Die Geringfügigkeitsgrenze lag ab 1. Januar 1997 bei 610,00 DM monatlich, ab 1. Januar 1998 bei 620,00 DM. Diese gesetzlichen Voraussetzungen erfüllte zwar das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger. Die von ihr erbrachte Arbeitszeit von 50,5 Stunden monatlich und die beim Kläger erzielten Entgelte von März bis Dezember 1997 in Höhe von 6.100,00 DM und von Januar bis Dezember 1998 in Höhe von 7.320,00 DM entsprachen diesen Grenzen der Geringfügigkeit. Jedoch sind bei der Anwendung des Absatzes 1 mehrere geringfügige Beschäftigungen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV zusammenzurechnen. Diese Zusammenrechnung beider von der Beigeladenen zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübten Beschäftigungsverhältnisse ergibt ein Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze. Davon gehen alle Beteiligten übereinstimmend und zu Recht aus. Sie war damit auch im Rahmen der Beschäftigung bei dem Kläger versicherungspflichtig. Die Versicherungspflicht trat kraft Gesetzes ein (BSG, Urteil vom 23. Februar 1988, 12 RK 43/87, SozR 2100 § 8 Nr. 5). Mit ihr ging nach § 22 Abs. 1 SGB IV ebenfalls kraft Gesetzes die Beitragspflicht einher. Die Zahlung der Beiträge schuldete gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV der Kläger als Arbeitgeber. Nach § 28g Satz 1 SGB IV konnte er grundsätzlich den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Lohn der Beigeladenen zu 1) abziehen. Allerdings bestimmt die Vorschrift, dass ein unterbliebener Abzug nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden darf. Diese Regelung über den Einbehalt des Arbeitnehmeranteils betrifft nur das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und ist gegenüber der Einzugstelle, bezüglich der es bei der Zahlungspflicht des § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV verbleibt, unmaßgeblich. Danach ist die Beitragsschuld des Klägers für die Beigeladene zu 1) entstanden. Nach dem Gedanken des § 22 Abs. 2 SGB IV haftet er nur für die auf seine Beschäftigung entfallenden Beitragsansprüche (vgl. BSG a.a.O.), nicht auch für die aus dem zweiten Beschäftigungsverhältnis.
Keiner der von dem Kläger genannten Gesichtspunkte ist geeignet, diese entstandene Beitragsverpflichtung zu hindern und es stehen ihr keine wirksamen rechtsvernichtenden Einwendungen des Klägers gegenüber. Die Beiträge sind nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren sie in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Diese Frist war zum Zeitpunkt des Beitragsbescheides am 6. Dezember 1999 noch nicht abgelaufen. Der Beitragsanspruch war auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist auch für das Sozialversicherungsrecht und für die Nachforderung von Beiträgen anerkannt (BSG, Urteil vom 30. November 1978, 12 RK 6/76, BSGE 47, 194). Hierfür reicht es jedoch nicht aus, dass die Beitragsberechtigten - hier die Beklagte und die beigeladenen übrigen Versicherungsträger - die Ausübung ihres Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen haben (dies ist hier angesichts der Zeitbezüge bereits äußerst fraglich); es ist vielmehr zusätzlich erforderlich, dass der Verpflichtete aufgrund eines konkreten Verhaltens des Forderungsberechtigten berechtigter Weise darauf vertrauen durfte und auch tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr bestehe oder nicht mehr geltend gemacht werde, so dass die verspätete Geltendmachung ihm gegenüber unzumutbar erscheinen würde (BSG, Urteil vom 5. Dezember 1972, 10 RV 441/71, BSGE 35, 91; Bayer in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 25 SGB IV Rdnr. 30). Daran fehlt es hier. Die Beklagte und die Beigeladenen zu 2) bis 4) haben hier mangels Kenntnis von der Beitragspflicht gar nicht gehandelt und damit auch nicht den positiven Eindruck erweckt, sie würden für den im Streit befindlichen Zeitraum keine Beiträge nachfordern.
Sie haben auch keinen Tatbestand geschaffen, aufgrund dessen der Kläger berechtigt davon ausgehen konnte, die Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) sei nicht versicherungspflichtig. Wie oben ausgeführt, fehlt es hier bereits an einem positiven Handeln der Beklagten und ebenso der Beigeladenen zu 2) bis 4), welches die Beklagte sich zurechnen lassen müsste. Selbst eine durchgeführte Betriebsprüfung in einem Unternehmen stützt grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand des Unternehmers hinsichtlich des Beitragseinzuges (BSG, a.a.O.). Erst recht muss dies dann gelten, wenn ein Verwaltungsträger gar nicht gehandelt hat. Aus dem Grunde kann es hier dahinstehen, ob die Beklagte aufgrund des Datenbestandes Kenntnis von der weiteren geringfügigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) hatte oder nicht. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen wäre und sie nicht entsprechend tätig geworden wäre, würde ein Vertrauensschutz des Klägers hierauf nicht zu gründen sein. Der Kläger konnte auch nicht deswegen vertrauen, weil er alle ihm obliegenden Meldungen abgegeben und die Beigeladene zu 1) mehrfach befragt hatte. Denn ein Vertrauen ist nur dann schützenswert, wenn es sich auf ein Verhalten des Berechtigten stützen kann. Allein die Tatsache, dass ein Beitragsschuldner seinen Meldepflichten nachgekommen ist, löst noch keine erhöhte Schutzwürdigkeit aus.
Der Grundsatz des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führt von seiner Rechtsfolge her nicht weiter. Denn mit diesem Rechtsinstitut kann lediglich eine rechtmäßige Rechtsfolge im Verwaltungswege herbeigeführt werden. Von der Beitragsforderung abzusehen, obwohl die Beiträge fällig geworden sind, würde jedoch gerade der Rechtslage widersprechen. Es blieben dem Kläger daher lediglich Schadenersatzansprüche gegenüber der Beklagten, wenn diese rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hätte. Der Kläger hat Schadensersatzansprüche jedoch nicht geltend gemacht.
Somit verbleibt es unter allen rechtlichen Gesichtspunkten bei der Beitragspflicht des Klägers. Dies mag im Hinblick darauf unbefriedigend erscheinen, dass er tatsächlich keine Kenntnis von der weiteren Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) gehabt hat - aufgrund des einvernehmlichen Vortrags aller Verfahrensbeteiligter geht der Senat davon aus - und bei der Beigeladenen zu 1) mehrfach nach einer weiteren geringfügigen Beschäftigung nachgefragt hat - aufgrund des Vortrags des Klägers und der Beigeladenen zu 1) geht der Senat auch hiervon aus -. Denn damit hat der Kläger alle ihn treffenden Obliegenheiten erfüllt. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass ein Arbeitgeber in einer derartigen Situation nicht schutzlos ist. Einerseits hat er je nach den Umständen des Falles gegenüber der Beigeladenen zu 1) als Arbeitnehmerin einen Schadenersatzanspruch in dem Sinne, dass er über die Regelung des § 28g SGB IV hinaus den Arbeitnehmeranteil von ihr verlangen kann. Demgemäß zahlt die Beigeladene zu 1) an ihn auch den auf sie entfallenden Anteil. Darüber hinaus ist ein Arbeitgeber eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses berechtigt, den Arbeitnehmer nach weiteren Beschäftigungsverhältnissen zu befragen. Allerdings schützt ihn diese Befragung wie im vorliegenden Fall nicht vor einer unwahren Antwort. Er hat darüber hinaus aber auch die Möglichkeit sich zu schützen, indem er in regelmäßigen Abständen bei der Einzugstelle beantragt, Ermittlungen einzuleiten und über die Versicherungspflicht zu entscheiden. Die Einzugstelle hat unter anderem die Möglichkeit, den Arbeitnehmer zu befragen, Auskünfte einzuholen und Zeugen zu vernehmen oder gerichtlich vernehmen zu lassen. Wenn die Einzugstelle eine Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht getroffen hat, kann dieser Bescheid rückwirkend nur noch im Rahmen der §§ 45 und 48 SGB X aufgehoben werden (BSG, Urteil vom 23. Februar 1988, a.a.O.). Diese Schutzregelungen für den Arbeitgeber rechtfertigen es, ihm das Beitragsrisiko im Falle einer weiteren geringfügig ausgeübten Beschäftigung des Arbeitnehmers aufzuerlegen, auch wenn er von dieser keine Kenntnis hatte und Rückfrage bei dem Arbeitnehmer gehalten hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da trotz des Urteils des BSG vom 23. Februar 1988 weiterhin klärungsbedürftig ist, ob auch der Arbeitgeber für Beiträge haftet, den an der unterbliebenen Beitragsabführung kein Verschulden trifft und der beim Arbeitnehmer Erkundigungen eingeholt hat.
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