L 12 AL 201/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AL 154/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 201/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.06.2003 abgeändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit von 6 Wochen.

Der 1945 geborene Kläger war zuletzt vom 18.12.2000 bis 09.04.2002 als Fahrer bei der GAB (Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung Hochsauerland mbH) beschäftigt. Das bis 31.05.2002 befristete Arbeitsverhältnis endete durch eine Eigenkündigung des Klägers vom 04.04.2002.

Am 09.04.2002 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Zu den Gründen für seine Kündigung gab er an, am 04.01.2002 eine Abmahnung erhalten zu haben, weil er sich geweigert habe, mit den Kollegen B und C Abholungen und Auslieferungen vorzunehmen, weil diese vorher, statt beim Beladen zu helfen, im Aufenthaltsraum geblieben seien. Auch habe er festgestellt, dass Arbeitnehmer, die richtig arbeiten wollen, mehr oder weniger Außenseiter seien. Weil er befürchtet habe, dass die anderen Arbeitnehmer "Überwasser" bekämen, wenn die Abmahnung bestehen bleibe, habe er gebeten, ihn aus dem Arbeitsvertrag zu entlassen. Dies habe man verweigert und die Abmahnung trotz Gegendarstellung nicht zurückgenommen. Wie befürchtet habe er den Rest seiner Autorität verloren. Während er schwer gearbeitet habe, obwohl er der Älteste gewesen sei, hätten die anderen Arbeitnehmer bei häufigen Zigarettenpausen die leichten Arbeiten verrichtet.

Des Weiteren rügte der Kläger die seines Erachtens unwirtschaftliche Arbeitsweise der GAB. Es werde Geld zum Fenster hinausgeworfen, indem Fahrten schlecht koordiniert würden und Personal nicht sinnvoll oder von den Vorgesetzten für Eigeninteressen eingesetzt werde. Schließlich sei er von einem jüngeren Kollegen, den er zurechtgewiesen habe, in Gegenwart von Kunden kritisiert und heruntergeputzt worden. Darüber hinaus habe er, weil er sich öffentlich für den Erhalt von Schwalbennistplätzen am Firmengebäude eingesetzt habe, eine weitere Abmahnung vom 02.04.2002 erhalten.

Mit Bescheid vom 05.06.2002 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen ab 10.04.2002 mit der Begründung fest, dem Kläger sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Befristung zumutbar gewesen.

Hiergegen legte der Kläger am 07.06.2002 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2002 verkürzte die Beklagte die Sperrzeit auf 6 Wochen (10.04.2001 bis 21.05.2001), stellte die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um 42 Tage fest und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Arbeitslosengeld bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom Juni 2002 ab 22.05.2002.

Am 12.07.2002 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben, mit der er sich gegen die Sperrzeit wendet. Er hat zur Begründung vorgetragen, ausschlaggebend für seine Kündigung sei der Vorfall gewesen, wo der gerade 23 Jahre alte Kollege B ihn zurechtgewiesen habe. Er sehe nicht ein, dass er von einem jüngeren Kollegen heruntergeputzt und verhöhnt werden dürfe.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 05.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2002 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das SG hat zu den Behauptungen des Klägers durch die Vernehmung des Niederlassungsleiters der GAB Q Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 23.06.2002 (Bl 22 ff Gerichtsakte) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 23.06.2003 hat das SG der Klage stattgegeben und die Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe aus einem wichtigen Grund sein Arbeitsverhältnis beendet, denn der Arbeitgeber habe seine arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht verletzt.

Das Urteil ist der Beklagten am 24.07.2003 zugestellt worden. Am 22.08.2003 hat sie dagegen Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: Die Ansicht des Gerichts, der Arbeitgeber sei seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen, könne sie nicht teilen. Der Arbeitgeber habe, was vom Kläger auch nicht bestritten werde, zum einen mit den betreffenden Mitarbeitern gesprochen und sie auf ihr Fehlverhalten hingewiesen. Zum anderen habe er in der Folgezeit versucht zu vermeiden, den Kläger und die beiden Mitarbeiter B und C gemeinsam einzusetzen. Er habe somit alles ihm Mögliche getan, die Forderung des Klägers, mit den genannten Mitarbeitern nicht mehr zusammen arbeiten zu müssen, bei seinen Planungen zu berücksichtigen. Im Übrigen hätte sich der Kläger vor Ausspruch der Kündigung nochmals mit dem Arbeitgeber in Verbindung setzen müssen und können. Entgegen der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts habe der Kläger - vor allem im Hinblick auf die Tatsache, dass der Arbeitgeber den Wünschen und Forderungen des Klägers hinsichtlich der Arbeitsorganisation ohnehin bereits weitest möglich entsprochen habe - durchaus mit dessen Unterstützung rechnen dürfen. In Anbetracht der gesamten Umstände sei es dem Kläger zuzumuten gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ende der ohnehin nahe bevorstehenden Befristung fortzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.06.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die erneute Vernehmung des Zeugen Q. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 28.01.2004 (Bl 62 ff Gerichtsakte) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Ziel der Klage ist allerdings nicht nur die Aufhebung des Sperrzeitbescheides, sondern auch die Bewilligung von Arbeitslosengeld, so dass eine Anfechtungs- und Leistungsklage vorliegt. Gegenstand dieser Klage ist auch der Bewilligungsbescheid vom Juni 2002, denn dieser bildet mit dem Sperrzeitbescheid eine Einheit, weil die Zahlung von Arbeitslosengeld für einen früheren Zeitpunkt abgelehnt wird (vgl BSG vom 21.10.2003 - B 7 AL 92/02 R - mwN). Der Kläger bezog nach dem Ablauf der Sperrzeit Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 325,80 Euro nach Leistungsgruppe A/0. Ein Anspruch für 6 Wochen übersteigt den Betrag von 500 Euro.

Die Berufung ist auch begründet, denn das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2002 nicht in seinen Rchten verletzt im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist rechtmäßig.

Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass in der Zeit vom 10.04.2002 bis 21.05.2002 eine Sperrzeit eingetreten ist, die zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führt und diesen Anspruch um 42 Leistungstage mindert.

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 des Ditten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) in der hier anwendbaren, bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung tritt eine Sperrzeit wegen Arbeitaufgabe dann ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Der Rechtsbegriff "wichtiger Grund" ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu bestimmen, der darin besteht, die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder zu deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Die Versichertengemeinschaft soll davor bewahrt werden, dass das Risiko der Arbeitslosigkeit manipuliert wird, indem dem Arbeitslosen ein Teil der Aufwendungen aufgebürdet wird, die er der Versichertengemeinschaft durch sein Verhalten verursacht. Eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl BSG, aaO. mwN).

Vorliegend hat der Kläger sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt und damit seine Arbeitslosigkeit ab 10.04.2002 grobfahrlässig herbeigeführt, denn es bestand keine Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz. Entgegen der Auffassung des SG ist auch kein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers anzuerkennen.

Selbst bei Arbeitsvertragsverletzungen durch den Arbeitgeber ist der Arbeitnehmer nur dann berechtigt das Arbeitsverhältnis zu lösen, wenn er zuvor erfolglos einen Versuch unternommen hat, den Grund für die Missstände zu beseitigen oder wenn ein solcher Versuch von vornherein aussichtslos gewesen wäre (BSG SozR 4-4100 § 119 Nr 1). Hier liegt nicht einmal eine Arbeitsvertragverletzung des Arbeitgebers vor. In Betracht kommt allein eine Fürsorgepflichtverletzung des Arbeitgebers dadurch, dass er Persönlichkeitsrechte des Klägers nicht ausreichend geschützt hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hält der Senat diesen Vorwurf gegenüber dem Arbeitgeber indes nicht für berechtigt. Der Anlass für die Eigenkündigung - nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Zeugen eine Auseinandersetzung des Klägers mit dem Beschäftigten B über dessen Arbeitsauffassung - war eher eine Lappalie. Denn ein gewisses Verständnis für Unzulänglichkeiten von Kollegen muss jeder Arbeitnehmer mitbringen, insbesondere wenn man diesen Kollegen gegenüber weisungsbefugt ist, wie es der Kläger war. Hinzu kommt, dass nach den glaubhaften Angaben des Zeugen der Arbeitgeber seit einem ähnlichen Vorfall im Januar 2001 darum bemüht war, den Kläger nicht mehr gemeinsam mit den Arbeitnehmern einzusetzen, mit denen er die Auseinandersetzungen hatte. Weiteres kann nach Auffassung des Senats ein Arbeitnehmer nicht von seinem Arbeitgeber verlangen, insbesondere dann nicht, wenn der Arbeitgeber - wie hier - als Arbeits- und Beschäftigungsgesellschaft Beschränkungen bei der Auswahl seines Personals unterliegt.

Eine Verkürzung der Sperrzeit kommt nicht in Betracht, denn die Beklage hat im Hinblick auf das ohnehin zum 31.05.2002 endende Arbeitsverhältnis bereits einen Härtefall iSd § 144 Abs. 3 S. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung angenommen.

Nach § 144 Abs. 2 S. 2 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Sperrzeit. Die Anspruchminderung ergibt sich aus § 128 Abs 1 Nr 4 SGB III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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