Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 124/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 84/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2002 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer chronisch obstruktiven Bronchitis mit Lungenblähung als Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO).
Der 1930 geborene Kläger machte erstmalig als Rentner im Februar 1998 geltend, seine seit Jahren beobachtete Luftnot sei auf die berufliche Einwirkung von Quarzstaub und Metallstäuben zurückzuführen, denen er in seiner Tätigkeit als Former und Gießer seit 1946 bis Ende März 1986 ausgesetzt gewesen sei. In der Folgezeit habe er als Hausmeister in einem Möbelkombinat gearbeitet. Seit Januar 1991 habe er zunächst Altersübergangsgeld bezogen. Seit April 1993 werde ihm eine Altersrente gewährt.
Seit September 1997 befindet sich der Kläger wegen seiner Atembeschwerden in der ambulanten Behandlung der Lungenfachärztin Dr. S, die auch die ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit gefertigt hat.
Die Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten erbrachten, dass der Kläger in den Jahren 1950 bis 1986 im Unternehmen NAG O als Former und Kernmacher bei dem Umgang mit Formsanden mit Sicherheit einer langjährigen Einwirkung von atemtraktreizenden und gesundheitsschädigenden Quarzstäuben, Gießgasen, Rauchen und inerten Stäuben im Sinne u.a. einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 ausgesetzt gewesen sei (Schreiben des Dr. L vom 23. November 1998).
Der von der Beklagten mit einer Untersuchung des Klägers beauftragte Prof. Dr. S von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gelangte in seinem Gutachten vom 29. Juli 1998 zu der Feststellung, dass ein schweres pulmonales Krankheitsbild vorliege, das sich nur über viele Jahre, zum Teil in einem jahrzehntelangen Verlauf, entwickelt haben könne. Ein zuverlässige Klärung des tatsächlichen Beginns der Krankheit ließen die vorliegenden Unterlagen nicht zu. Auch die unterschiedlichen Angaben des Klägers zum Entwicklungsverlauf trügen nicht zur Klarstellung bei. Es sei aber in Anbetracht des schweren Ausmaßes der Erkrankung wahrscheinlich, wenn auch nicht belegt, dass sie auf die Tätigkeit des Klägers in der Gießerei zurückzuführen sei. Hierfür spreche auch, dass das Vorkommen ob-struktiver Lungenkrankheiten bei Gießereiarbeitern durch mehrere Studien epidemiologisch gut belegt sei. Nicht hinwegzudenken seien aber auch die Rauchgewohnheiten des Klägers, der seit dem 18. Lebensjahr durchschnittlich 20 Zigaretten täglich geraucht habe und erst 1997 nach Feststellung seiner Lungenkrankheit zum Nichtraucher geworden sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - des Klägers, die seit Antragstellung 70 vH ausmache, sei zu gleichen Teilen der beruflichen Belastung und den Rauchgewohnheiten zuzuordnen.
Der die Beklagte beratende Arzt Dr. J sah in seiner Stellungnahme vom 24. September 1998 wegen fehlender Brückenbefunde eines erst seit 1997 aktenkundigen Lungenleidens dessen berufliche Verursachung nicht als überwiegend wahrscheinlich an. Die Beurteilung durch Prof. Dr. S sei zwar plausibel und im Bereich des Möglichen. Die Beweismaßstäbe der Unfallversicherung seien damit aber nicht erfüllt.
Die Gewerbeärztin und Ärztin für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten vom Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Potsdam, Frau O, schloss sich dieser Beurteilung an und empfahl in ihrer Stellungnahme vom 16. April 1999, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 abzulehnen. Obgleich der Kläger beruflich chemisch-irritativen Noxen ausgesetzt gewesen sei und jetzt eine schwere Lungenerkrankung bestehe, lasse sich durch die jahrelange Expositionskarenz nach Ausscheiden aus dem Berufsleben und dem Auftreten der konkreten Beschwerden erst 10 Jahre danach eine zuverlässige Zuordnung als Berufskrankheit nicht begründen. Der bis zum Jahr 1997 praktizierte chronische Nikotinabusus könne gleiche bronchitische und pulmonale Beschwerden und Symptome verursacht haben. Bekannt sei auch, dass Nikotinabusus und die gleichzeitige inhalative Einwirkung chemisch-irritativer Stoffe "kumulierend" wirke.
Dem folgte die Beklagte im Bescheid vom 8. Juli 1999, mit dem sie es ablehnte, das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die streitige Berufskrankheit anzuerkennen. Sie machte sich insoweit die Auffassung des sie beratenden Arbeitsmediziners Dr. J und die der Gewerbeärztin zu Eigen.
Im Widerspruchsverfahren gelangte als weitere medizinische Unterlage u.a. das Ergebnis einer Ventilationsprüfung vom 23. Oktober 1990 zur Verwaltungsakte der Beklagten, wonach eine Spirotestung eine geringgradige Obstruktion erbracht hatte. Eine Röntgenaufnahme der Lunge hatte seinerzeit keinen Anhalt für einen behandlungsbedürftigen Befund gezeigt. Der hierauf erneut konsultierte Dr. J äußerte daraufhin am 22. Dezember 1999, der Umstand, dass vier Jahre nach Ende der Exposition erst eine leichtgradige obstruktive Ventilationsstörung bestanden habe, die sich dann im Laufe der Jahre zu einer schweren Erkrankung entwickelt habe, spreche eher dagegen, dass die berufliche Exposition die wesentliche Teilursache der jetzigen Erkrankung sei. Wenn während bzw. kurz nach Ende der Exposition eine nur leichtgradige obstruktive Atemwegserkrankung bestanden hätte, die durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden sei, wäre es eher wahrscheinlich, dass sich die Erkrankung nach Fortfall der ursächlichen Exposition gebessert hätte oder zumindest gleichgeblieben wäre. Die erhebliche Verschlimmerung der Erkrankung nach Ende der Exposition spreche deshalb eher dafür, dass die schädigenden Rauchgewohnheiten als nicht berufliche Ursache an der Erkrankung wesentlich beteiligt seien.
Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2000).
Das hiergegen vom Kläger angerufene Sozialgericht führte weitere medizinische Ermittlungen durch und holte u.a. das Gutachten des Internisten und Lungenfacharztes Dr. P vom 25. Januar 2001 ein. Darin legte der Sachverständige dar, dass die bei dem Kläger auf lungenfachärztlichem Gebiet vorliegende schwergradige chronisch-obstruktive Lungenerkrankung im Sinne der erstmaligen Entstehung durch dessen berufliche Tätigkeit als Former und Eisengießer teilverursacht sei. Es sei davon auszugehen, dass die Schädigung der Bronchien bereits während der beruflichen Tätigkeit entstanden sei. Neben der Exposition gegenüber den Noxen während der Berufstätigkeit habe als konkurrierende Noxe der Tabakkonsum vorgelegen. Er teile die Ansicht von Prof. S, dass es aufgrund der Datenlage kaum möglich sei, die Wertigkeit beider Teilursachen zu quantifizieren. Zweifellos sei aber den beruflichen Noxen eine wesentliche Teilursache zuzuschreiben. Der Tabakkonsum sei aber die Hauptursache für die Verschlechterung der Lungenfunktion seit Ende der Berufstätigkeit. Unter der Annahme, dass die 1990 erhobene Lungenfunktion ungefähr den Schaden bei Beendigung der Berufstätigkeit widerspiegele und ohne fortgesetzten Tabakkonsum die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich nur mittelgradig ausgeprägt wäre, schlage er vor, die berufsbedingte MdE mit 30 vH festzulegen.
Demgegenüber verblieb Dr. J in seiner Stellungnahme vom 7. März 2001 bei seiner ursprünglichen Auffassung, wonach die Wichtung der vorhandenen Daten das Vorliegen der streitigen Berufskrankheit nicht ausreichend wahrscheinlich mache.
Am 23. Juli 2002 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenteilrente nach einer MdE von 30 vH ab 1. Februar 1998. Zur Grundlage seines Urteils machte es das Gutachten des Dr. P, das - den Erkenntnissen des Prof. Dr. S folgend - überzeugend sei. Fest stehe hiernach auch, dass der nunmehr vorliegende Lungenschaden des Klägers wegen seines Tabakkonsums als mögliche Mitverursachung nicht in vollem Umfang entschädigt werden könne, sondern nur in der beantragten Höhe von 30 vH.
Gegen das am 29. November 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 9. Dezember 2002. Unstreitig sei, dass der Kläger bis 1986 einer beruflichen Exposition unterlegen habe. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten keinerlei ärztliche Unterlagen vorgelegen, die ein relevantes Krankheitsgeschehen im Sinne der umstrittenen Berufskrankheit erkennen ließen. Eine fachärztliche Behandlung sei vom Kläger sogar erst ab dem 1. September 1997, also 11 Jahre nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit, aufgenommen worden. Wenn ein durch berufliche Einflüsse hervorgerufenes Krankheitsbild mit der durch die Vorinstanz angenommenen Stärke vorgelegen hätte, wäre eine völlig andere und auch umfangreichere Behandlungsanamnese zu erwarten gewesen. Die Annahme, dass sich die Erkrankung bereits während der beruflichen Exposition entwickelt habe, sei rein hypothetisch und werde nicht durch harte Fakten untermauert.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat zur Klärung des Kausalzusammenhangs zwischen der Erkrankung des Klägers und den Auswirkungen seines Berufslebens ein Gutachten nach Aktenlage von dem Internisten und Pneumologen Prof. Dr. S eingeholt. In dem Gutachten vom 7. April 2003 zog dieser zunächst das Ergebnis der arbeitstechnischen Ermittlungen des TAD der Beklagten in Zweifel, der ohne konkrete Erkenntnisse über die tatsächlichen Auswirkungen des Berufslebens des Klägers das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die streitige Berufskrankheit bejaht habe. Offensichtlich sei, dass sich der Kläger erst 10 Jahre nach Expositionsende wegen der zunehmenden pulmonalen Beschwerdesymptomatik in ärztliche Behandlung begeben habe und dass es an arbeitsmedizinisch abgesicherten Daten über eine quantitative Dosis-Wirkungs-Beziehung fehle. Die Überlegungen des Prof. Dr. S und des Dr. P seien nur theoretischer Natur, sie beruhten auf Vermutungen. Präzise ließen sich hingegen die Schadstoffe ermitteln, die der Kläger im Laufe von 50 Jahren in sein Atemorgan als Raucher aufgenommen habe. Demgegenüber sei der Einfluss mutmaßlicher Arbeitsplatzemissionen als geringer einzuschätzen, weil der Kläger nach Beendigung seiner Tätigkeit in einer Eisengießerei noch jahrelang weitergeraucht habe. Der bei dem Kläger vorliegende Schaden lasse sich in Anbetracht seines 50-jährigen erheblichen Zigarettenkonsums in demselben Ausprägungsgrad begründen, wie jetzt angetroffen. Der persönlichen Lebensführung des Klägers mit ihren nachweislich schädigenden Einflüssen auf sein Gesundheitsschicksal sei ein so überwiegender Teil der Krankheitsfolgen beizumessen, dass die potentielle Einflussnahme aus dem beruflichen Bereich in den Hintergrund trete und keinen messbaren Anteil hieran wahrscheinlich mache. Das lasse sich nicht zuletzt damit plausibel machen, dass die eigentliche krankheitsbestimmende Einbuße der Lungengesundheit des Klägers aus einem leichtgradigen, 4 Jahre nach Expositionsende dokumentierten Lungenfunktionsverlust nach weiter fortgesetztem Zigarettenrauchen auch ohne jede weitere Einflussnahme durch inhalative Arbeitsplatznoxen in den folgenden zehn Jahren und nachfolgend so stark weiter fortgeschritten sei, dass sie auch durch einen Abbruch des Zigarettenrauchens nach 1997 nicht mehr aufzuhalten gewesen sei. Das entspreche der Erfahrung bei Rauchern nach jahrzehntelangem hohen Zigarettenkonsum. Die Erkrankung des Klägers sei deshalb fremdberuflich verursacht.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, weil die bei ihm vorliegende obstruktive Atemwegserkrankung nicht als Berufskrankheit anerkannt werden und deshalb keine Entschädigungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen kann und weil ihn diese Erkrankung nicht zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung als Former und Gießer gezwungen hatte.
Wegen der gesundheitlichen Folgen eines Arbeitsunfalls (vgl. § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch - SGB VII) wird gemäß § 56 Abs. 1 SGB VII Verletztenrente gewährt, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII gilt als Arbeitsunfall mit entsprechender Entschädigungspflicht auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII benannten Tätigkeiten erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach der Nr. 4302 durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederauflebens der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für das Vorliegen einer Berufskrankheit ist - wie beim Arbeitsunfall - ein doppelter ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei reicht sowohl für die Bejahung der haftungsbegründenden als auch der haftungsausfüllenden Kausalität die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, u.a. BSGE 58, 96, 97). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).
Der Senat geht hier mit dem Sozialgericht und der Beklagten zugunsten des Klägers davon aus, dass bei ihm jedenfalls die arbeitstechnischen Voraussetzungen als erfüllt anzusehen sind. Dem Anspruch des Klägers steht aber entgegen, dass die erforderliche Kausalität zwischen der bis 1986 ausgeübten gefährdenden Tätigkeit und der im Jahre 1997 erstmalig fachärztlich nachgewiesenen obstruktiven Atemwegserkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Da es sich bei der hier streitigen Frage, ob sich die Atemwegserkrankung des Klägers auf Auswirkungen seines Berufslebens bis 1986 teilweise oder völlig zurückführen lässt, um eine medizinische Tatsache handelt, hatte das Gericht nach den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Beweisgrundsätzen (siehe oben) seine Feststellungen nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung zu treffen. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Gericht nach Auswertung der medizinischen Aktenlage zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Auffassung des Sozialgerichtes, es liege ein Kausalzusammenhang zwischen dem Berufsleben des Klägers und seiner Lungenerkrankung vor und hieraus resultiere ein Rentenanspruch, nicht halten lässt.
Die mit der Untersuchung des Klägers bzw. mit der Beurteilung seines Gesundheitszustandes beauftragten Ärzte vertreten keine einheitliche Auffassung. Während Prof. Dr. S im Verwaltungsverfahren und Dr. P im erstinstanzlichen Verfahren die Auffassung vertreten, das Berufsbild und das inzwischen erreichte Ausmaß der Erkrankung ließen den Schluss zu, dass diese jedenfalls anteilig berufsbedingt sei, ziehen der Beratungsarzt Dr. J, die Gewerbeärztin O und der für das Landessozialgericht tätig gewordene medizinische Sachverständige Prof. Dr. S einen Kausalzusammenhang zwischen der Atemwegserkrankung und dem Berufsleben des Klägers bis 1986 als nicht hinreichend wahrscheinlich in Zweifel. Die insbesondere im Gutachten von Prof. Dr. S dargelegten Bedenken überzeugen auch den Senat. Durch den Akteninhalt belegt, steht fest, dass es vor 1997 keine grundlegenden Erkenntnisse über eine bei dem Kläger vorliegende Atemwegserkrankung gegeben hat. Ein im Oktober 1990 durchgeführter Spirotest zeigte eine geringgradige Obstruktion, eine Röntgenaufnahme der Lunge erbrachte keinen behandlungsbedürftigen Befund. Mangels fehlenden Leidensdrucks kam es auch zu keiner therapeutischen Empfehlung. Zu dem Zeitpunkt der Erhebung dieser Befunde war der Kläger bereits fünf Jahre lang nicht mehr den gesundheitsgefährdenden Expositionen ausgesetzt, die sein früherer Beruf als Gießer und Former nach den allgemeinen Erfahrungen mit sich gebracht hatte. Die Annahme eines Zusammenhangs seiner obstruktiven Atemwegserkrankung mit dem Berufsleben gestaltet sich nicht nur wegen des beträchtlichen zeitlichen Abstandes zwischen dem Ende der Exposition und der medizinisch gesicherten Feststellung der Erkrankung äußerst schwierig, sondern insbesondere auch deshalb, weil der Kläger seit früher Jugend einen chronischen Nikotinabusus betrieben hat, den er auch nach beendetem Berufsleben fortsetzte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S verursacht ein 50-jähriger erheblicher Zigarettenkonsum einen Schweregrad des Schadens am Atemorgan, der dem jetzt bei dem Kläger vorliegenden Ausprägungsgrad entspricht. Nach seiner Auffassung lässt sich deshalb auch nicht ausschließen, dass selbst dann, wenn der Kläger der langjährigen Tätigkeit in einer Eisengießerei unter Schadstoff-Expositionsbedingungen nicht nachgegangen wäre, sein Gesundheitsverlauf allein wegen des Zigarettenkonsums keine andere Entwicklung genommen hätte als die gegenwärtige. Der Sachverständige Prof. Dr. S misst deshalb der potentiellen Einflussnahme des beruflichen Bereichs auf das Krankheitsbild des Klägers keinen wahrscheinlich zu machenden abgrenzbaren Anteil zu. Er erläutert das für den Senat nachvollziehbar damit, dass die Einbuße der Lungenfunktion des Klägers auch ohne jede weitere Einflussnahme durch inhalative Arbeitsplatznoxen in den zehn Jahren nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben und nachfolgend so stark weiter fortgeschritten sei, dass sie auch durch einen Abbruch des Zigarettenkonsums nach 1997 nicht mehr aufzuhalten gewesen sei. Sein Eindruck entspricht auch den Erkenntnissen, die der mit der hier streitigen Frage wegen mehrerer eigener Veröffentlichungen besonders sachkundige Sachverständige aus dem Studium der einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur gewonnen hat. Mit ihm hält der Senat nach alledem die medizinischen Voraussetzungen im Sinne der Berufskrankheit Nr. 4302 nicht für erfüllt.
Die Kostenentscheidung, die dem Ergebnis in der Hauptsache entspricht, beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer chronisch obstruktiven Bronchitis mit Lungenblähung als Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO).
Der 1930 geborene Kläger machte erstmalig als Rentner im Februar 1998 geltend, seine seit Jahren beobachtete Luftnot sei auf die berufliche Einwirkung von Quarzstaub und Metallstäuben zurückzuführen, denen er in seiner Tätigkeit als Former und Gießer seit 1946 bis Ende März 1986 ausgesetzt gewesen sei. In der Folgezeit habe er als Hausmeister in einem Möbelkombinat gearbeitet. Seit Januar 1991 habe er zunächst Altersübergangsgeld bezogen. Seit April 1993 werde ihm eine Altersrente gewährt.
Seit September 1997 befindet sich der Kläger wegen seiner Atembeschwerden in der ambulanten Behandlung der Lungenfachärztin Dr. S, die auch die ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit gefertigt hat.
Die Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten erbrachten, dass der Kläger in den Jahren 1950 bis 1986 im Unternehmen NAG O als Former und Kernmacher bei dem Umgang mit Formsanden mit Sicherheit einer langjährigen Einwirkung von atemtraktreizenden und gesundheitsschädigenden Quarzstäuben, Gießgasen, Rauchen und inerten Stäuben im Sinne u.a. einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 ausgesetzt gewesen sei (Schreiben des Dr. L vom 23. November 1998).
Der von der Beklagten mit einer Untersuchung des Klägers beauftragte Prof. Dr. S von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gelangte in seinem Gutachten vom 29. Juli 1998 zu der Feststellung, dass ein schweres pulmonales Krankheitsbild vorliege, das sich nur über viele Jahre, zum Teil in einem jahrzehntelangen Verlauf, entwickelt haben könne. Ein zuverlässige Klärung des tatsächlichen Beginns der Krankheit ließen die vorliegenden Unterlagen nicht zu. Auch die unterschiedlichen Angaben des Klägers zum Entwicklungsverlauf trügen nicht zur Klarstellung bei. Es sei aber in Anbetracht des schweren Ausmaßes der Erkrankung wahrscheinlich, wenn auch nicht belegt, dass sie auf die Tätigkeit des Klägers in der Gießerei zurückzuführen sei. Hierfür spreche auch, dass das Vorkommen ob-struktiver Lungenkrankheiten bei Gießereiarbeitern durch mehrere Studien epidemiologisch gut belegt sei. Nicht hinwegzudenken seien aber auch die Rauchgewohnheiten des Klägers, der seit dem 18. Lebensjahr durchschnittlich 20 Zigaretten täglich geraucht habe und erst 1997 nach Feststellung seiner Lungenkrankheit zum Nichtraucher geworden sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - des Klägers, die seit Antragstellung 70 vH ausmache, sei zu gleichen Teilen der beruflichen Belastung und den Rauchgewohnheiten zuzuordnen.
Der die Beklagte beratende Arzt Dr. J sah in seiner Stellungnahme vom 24. September 1998 wegen fehlender Brückenbefunde eines erst seit 1997 aktenkundigen Lungenleidens dessen berufliche Verursachung nicht als überwiegend wahrscheinlich an. Die Beurteilung durch Prof. Dr. S sei zwar plausibel und im Bereich des Möglichen. Die Beweismaßstäbe der Unfallversicherung seien damit aber nicht erfüllt.
Die Gewerbeärztin und Ärztin für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten vom Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Potsdam, Frau O, schloss sich dieser Beurteilung an und empfahl in ihrer Stellungnahme vom 16. April 1999, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 abzulehnen. Obgleich der Kläger beruflich chemisch-irritativen Noxen ausgesetzt gewesen sei und jetzt eine schwere Lungenerkrankung bestehe, lasse sich durch die jahrelange Expositionskarenz nach Ausscheiden aus dem Berufsleben und dem Auftreten der konkreten Beschwerden erst 10 Jahre danach eine zuverlässige Zuordnung als Berufskrankheit nicht begründen. Der bis zum Jahr 1997 praktizierte chronische Nikotinabusus könne gleiche bronchitische und pulmonale Beschwerden und Symptome verursacht haben. Bekannt sei auch, dass Nikotinabusus und die gleichzeitige inhalative Einwirkung chemisch-irritativer Stoffe "kumulierend" wirke.
Dem folgte die Beklagte im Bescheid vom 8. Juli 1999, mit dem sie es ablehnte, das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die streitige Berufskrankheit anzuerkennen. Sie machte sich insoweit die Auffassung des sie beratenden Arbeitsmediziners Dr. J und die der Gewerbeärztin zu Eigen.
Im Widerspruchsverfahren gelangte als weitere medizinische Unterlage u.a. das Ergebnis einer Ventilationsprüfung vom 23. Oktober 1990 zur Verwaltungsakte der Beklagten, wonach eine Spirotestung eine geringgradige Obstruktion erbracht hatte. Eine Röntgenaufnahme der Lunge hatte seinerzeit keinen Anhalt für einen behandlungsbedürftigen Befund gezeigt. Der hierauf erneut konsultierte Dr. J äußerte daraufhin am 22. Dezember 1999, der Umstand, dass vier Jahre nach Ende der Exposition erst eine leichtgradige obstruktive Ventilationsstörung bestanden habe, die sich dann im Laufe der Jahre zu einer schweren Erkrankung entwickelt habe, spreche eher dagegen, dass die berufliche Exposition die wesentliche Teilursache der jetzigen Erkrankung sei. Wenn während bzw. kurz nach Ende der Exposition eine nur leichtgradige obstruktive Atemwegserkrankung bestanden hätte, die durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden sei, wäre es eher wahrscheinlich, dass sich die Erkrankung nach Fortfall der ursächlichen Exposition gebessert hätte oder zumindest gleichgeblieben wäre. Die erhebliche Verschlimmerung der Erkrankung nach Ende der Exposition spreche deshalb eher dafür, dass die schädigenden Rauchgewohnheiten als nicht berufliche Ursache an der Erkrankung wesentlich beteiligt seien.
Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2000).
Das hiergegen vom Kläger angerufene Sozialgericht führte weitere medizinische Ermittlungen durch und holte u.a. das Gutachten des Internisten und Lungenfacharztes Dr. P vom 25. Januar 2001 ein. Darin legte der Sachverständige dar, dass die bei dem Kläger auf lungenfachärztlichem Gebiet vorliegende schwergradige chronisch-obstruktive Lungenerkrankung im Sinne der erstmaligen Entstehung durch dessen berufliche Tätigkeit als Former und Eisengießer teilverursacht sei. Es sei davon auszugehen, dass die Schädigung der Bronchien bereits während der beruflichen Tätigkeit entstanden sei. Neben der Exposition gegenüber den Noxen während der Berufstätigkeit habe als konkurrierende Noxe der Tabakkonsum vorgelegen. Er teile die Ansicht von Prof. S, dass es aufgrund der Datenlage kaum möglich sei, die Wertigkeit beider Teilursachen zu quantifizieren. Zweifellos sei aber den beruflichen Noxen eine wesentliche Teilursache zuzuschreiben. Der Tabakkonsum sei aber die Hauptursache für die Verschlechterung der Lungenfunktion seit Ende der Berufstätigkeit. Unter der Annahme, dass die 1990 erhobene Lungenfunktion ungefähr den Schaden bei Beendigung der Berufstätigkeit widerspiegele und ohne fortgesetzten Tabakkonsum die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich nur mittelgradig ausgeprägt wäre, schlage er vor, die berufsbedingte MdE mit 30 vH festzulegen.
Demgegenüber verblieb Dr. J in seiner Stellungnahme vom 7. März 2001 bei seiner ursprünglichen Auffassung, wonach die Wichtung der vorhandenen Daten das Vorliegen der streitigen Berufskrankheit nicht ausreichend wahrscheinlich mache.
Am 23. Juli 2002 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenteilrente nach einer MdE von 30 vH ab 1. Februar 1998. Zur Grundlage seines Urteils machte es das Gutachten des Dr. P, das - den Erkenntnissen des Prof. Dr. S folgend - überzeugend sei. Fest stehe hiernach auch, dass der nunmehr vorliegende Lungenschaden des Klägers wegen seines Tabakkonsums als mögliche Mitverursachung nicht in vollem Umfang entschädigt werden könne, sondern nur in der beantragten Höhe von 30 vH.
Gegen das am 29. November 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 9. Dezember 2002. Unstreitig sei, dass der Kläger bis 1986 einer beruflichen Exposition unterlegen habe. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten keinerlei ärztliche Unterlagen vorgelegen, die ein relevantes Krankheitsgeschehen im Sinne der umstrittenen Berufskrankheit erkennen ließen. Eine fachärztliche Behandlung sei vom Kläger sogar erst ab dem 1. September 1997, also 11 Jahre nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit, aufgenommen worden. Wenn ein durch berufliche Einflüsse hervorgerufenes Krankheitsbild mit der durch die Vorinstanz angenommenen Stärke vorgelegen hätte, wäre eine völlig andere und auch umfangreichere Behandlungsanamnese zu erwarten gewesen. Die Annahme, dass sich die Erkrankung bereits während der beruflichen Exposition entwickelt habe, sei rein hypothetisch und werde nicht durch harte Fakten untermauert.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat zur Klärung des Kausalzusammenhangs zwischen der Erkrankung des Klägers und den Auswirkungen seines Berufslebens ein Gutachten nach Aktenlage von dem Internisten und Pneumologen Prof. Dr. S eingeholt. In dem Gutachten vom 7. April 2003 zog dieser zunächst das Ergebnis der arbeitstechnischen Ermittlungen des TAD der Beklagten in Zweifel, der ohne konkrete Erkenntnisse über die tatsächlichen Auswirkungen des Berufslebens des Klägers das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die streitige Berufskrankheit bejaht habe. Offensichtlich sei, dass sich der Kläger erst 10 Jahre nach Expositionsende wegen der zunehmenden pulmonalen Beschwerdesymptomatik in ärztliche Behandlung begeben habe und dass es an arbeitsmedizinisch abgesicherten Daten über eine quantitative Dosis-Wirkungs-Beziehung fehle. Die Überlegungen des Prof. Dr. S und des Dr. P seien nur theoretischer Natur, sie beruhten auf Vermutungen. Präzise ließen sich hingegen die Schadstoffe ermitteln, die der Kläger im Laufe von 50 Jahren in sein Atemorgan als Raucher aufgenommen habe. Demgegenüber sei der Einfluss mutmaßlicher Arbeitsplatzemissionen als geringer einzuschätzen, weil der Kläger nach Beendigung seiner Tätigkeit in einer Eisengießerei noch jahrelang weitergeraucht habe. Der bei dem Kläger vorliegende Schaden lasse sich in Anbetracht seines 50-jährigen erheblichen Zigarettenkonsums in demselben Ausprägungsgrad begründen, wie jetzt angetroffen. Der persönlichen Lebensführung des Klägers mit ihren nachweislich schädigenden Einflüssen auf sein Gesundheitsschicksal sei ein so überwiegender Teil der Krankheitsfolgen beizumessen, dass die potentielle Einflussnahme aus dem beruflichen Bereich in den Hintergrund trete und keinen messbaren Anteil hieran wahrscheinlich mache. Das lasse sich nicht zuletzt damit plausibel machen, dass die eigentliche krankheitsbestimmende Einbuße der Lungengesundheit des Klägers aus einem leichtgradigen, 4 Jahre nach Expositionsende dokumentierten Lungenfunktionsverlust nach weiter fortgesetztem Zigarettenrauchen auch ohne jede weitere Einflussnahme durch inhalative Arbeitsplatznoxen in den folgenden zehn Jahren und nachfolgend so stark weiter fortgeschritten sei, dass sie auch durch einen Abbruch des Zigarettenrauchens nach 1997 nicht mehr aufzuhalten gewesen sei. Das entspreche der Erfahrung bei Rauchern nach jahrzehntelangem hohen Zigarettenkonsum. Die Erkrankung des Klägers sei deshalb fremdberuflich verursacht.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, weil die bei ihm vorliegende obstruktive Atemwegserkrankung nicht als Berufskrankheit anerkannt werden und deshalb keine Entschädigungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen kann und weil ihn diese Erkrankung nicht zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung als Former und Gießer gezwungen hatte.
Wegen der gesundheitlichen Folgen eines Arbeitsunfalls (vgl. § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch - SGB VII) wird gemäß § 56 Abs. 1 SGB VII Verletztenrente gewährt, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII gilt als Arbeitsunfall mit entsprechender Entschädigungspflicht auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII benannten Tätigkeiten erleidet. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach der Nr. 4302 durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederauflebens der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Für das Vorliegen einer Berufskrankheit ist - wie beim Arbeitsunfall - ein doppelter ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei reicht sowohl für die Bejahung der haftungsbegründenden als auch der haftungsausfüllenden Kausalität die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, u.a. BSGE 58, 96, 97). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).
Der Senat geht hier mit dem Sozialgericht und der Beklagten zugunsten des Klägers davon aus, dass bei ihm jedenfalls die arbeitstechnischen Voraussetzungen als erfüllt anzusehen sind. Dem Anspruch des Klägers steht aber entgegen, dass die erforderliche Kausalität zwischen der bis 1986 ausgeübten gefährdenden Tätigkeit und der im Jahre 1997 erstmalig fachärztlich nachgewiesenen obstruktiven Atemwegserkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Da es sich bei der hier streitigen Frage, ob sich die Atemwegserkrankung des Klägers auf Auswirkungen seines Berufslebens bis 1986 teilweise oder völlig zurückführen lässt, um eine medizinische Tatsache handelt, hatte das Gericht nach den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Beweisgrundsätzen (siehe oben) seine Feststellungen nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung zu treffen. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Gericht nach Auswertung der medizinischen Aktenlage zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Auffassung des Sozialgerichtes, es liege ein Kausalzusammenhang zwischen dem Berufsleben des Klägers und seiner Lungenerkrankung vor und hieraus resultiere ein Rentenanspruch, nicht halten lässt.
Die mit der Untersuchung des Klägers bzw. mit der Beurteilung seines Gesundheitszustandes beauftragten Ärzte vertreten keine einheitliche Auffassung. Während Prof. Dr. S im Verwaltungsverfahren und Dr. P im erstinstanzlichen Verfahren die Auffassung vertreten, das Berufsbild und das inzwischen erreichte Ausmaß der Erkrankung ließen den Schluss zu, dass diese jedenfalls anteilig berufsbedingt sei, ziehen der Beratungsarzt Dr. J, die Gewerbeärztin O und der für das Landessozialgericht tätig gewordene medizinische Sachverständige Prof. Dr. S einen Kausalzusammenhang zwischen der Atemwegserkrankung und dem Berufsleben des Klägers bis 1986 als nicht hinreichend wahrscheinlich in Zweifel. Die insbesondere im Gutachten von Prof. Dr. S dargelegten Bedenken überzeugen auch den Senat. Durch den Akteninhalt belegt, steht fest, dass es vor 1997 keine grundlegenden Erkenntnisse über eine bei dem Kläger vorliegende Atemwegserkrankung gegeben hat. Ein im Oktober 1990 durchgeführter Spirotest zeigte eine geringgradige Obstruktion, eine Röntgenaufnahme der Lunge erbrachte keinen behandlungsbedürftigen Befund. Mangels fehlenden Leidensdrucks kam es auch zu keiner therapeutischen Empfehlung. Zu dem Zeitpunkt der Erhebung dieser Befunde war der Kläger bereits fünf Jahre lang nicht mehr den gesundheitsgefährdenden Expositionen ausgesetzt, die sein früherer Beruf als Gießer und Former nach den allgemeinen Erfahrungen mit sich gebracht hatte. Die Annahme eines Zusammenhangs seiner obstruktiven Atemwegserkrankung mit dem Berufsleben gestaltet sich nicht nur wegen des beträchtlichen zeitlichen Abstandes zwischen dem Ende der Exposition und der medizinisch gesicherten Feststellung der Erkrankung äußerst schwierig, sondern insbesondere auch deshalb, weil der Kläger seit früher Jugend einen chronischen Nikotinabusus betrieben hat, den er auch nach beendetem Berufsleben fortsetzte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S verursacht ein 50-jähriger erheblicher Zigarettenkonsum einen Schweregrad des Schadens am Atemorgan, der dem jetzt bei dem Kläger vorliegenden Ausprägungsgrad entspricht. Nach seiner Auffassung lässt sich deshalb auch nicht ausschließen, dass selbst dann, wenn der Kläger der langjährigen Tätigkeit in einer Eisengießerei unter Schadstoff-Expositionsbedingungen nicht nachgegangen wäre, sein Gesundheitsverlauf allein wegen des Zigarettenkonsums keine andere Entwicklung genommen hätte als die gegenwärtige. Der Sachverständige Prof. Dr. S misst deshalb der potentiellen Einflussnahme des beruflichen Bereichs auf das Krankheitsbild des Klägers keinen wahrscheinlich zu machenden abgrenzbaren Anteil zu. Er erläutert das für den Senat nachvollziehbar damit, dass die Einbuße der Lungenfunktion des Klägers auch ohne jede weitere Einflussnahme durch inhalative Arbeitsplatznoxen in den zehn Jahren nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben und nachfolgend so stark weiter fortgeschritten sei, dass sie auch durch einen Abbruch des Zigarettenkonsums nach 1997 nicht mehr aufzuhalten gewesen sei. Sein Eindruck entspricht auch den Erkenntnissen, die der mit der hier streitigen Frage wegen mehrerer eigener Veröffentlichungen besonders sachkundige Sachverständige aus dem Studium der einschlägigen medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur gewonnen hat. Mit ihm hält der Senat nach alledem die medizinischen Voraussetzungen im Sinne der Berufskrankheit Nr. 4302 nicht für erfüllt.
Die Kostenentscheidung, die dem Ergebnis in der Hauptsache entspricht, beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz - SGG -.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 liegen nicht vor.
Rechtskraft
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